Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (8. Zivilsenat) - 8 U 50/19
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.03.2019, Az. 321 O 10/18 abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites haben die Kläger jeweils zur Hälfte zu tragen.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Die Kläger machen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds geltend.
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Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und wegen der beim Landgericht gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht Hamburg hat der Klage mit Urteil vom 07.03.2019 stattgegeben und die Beklagte insgesamt zur Zahlung von 118.862,94 € nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten sei eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Zeichnung der mittelbaren Beteiligungen an der Fondsgesellschaft vorzuwerfen. Mit dem Fondsprospekt werde nicht in ausreichender Weise über das mit der Fremdfinanzierung in dem konkreten Fall verbundene Risiko -von den Klägern als 105 %-Währungsklausel bezeichnet- aufgeklärt. Dieses Risiko gehe über das allgemeine Währungsrisiko, über welches in dem Prospekt aufgeklärt würde, hinaus. Nach unbestrittenem Vortrag der Kläger sei Inhalt der Währungsklausel, dass bei negativer Entwicklung des Wechselkurses die Fondsgesellschaft gezwungen werde, zusätzliche Ausgleichszahlungen auf das Darlehen vorzunehmen und sich hierfür weitere Liquidität zu beschaffen. Dabei hätten die Kläger klargestellt, dass diese zusätzlichen Ausgleichszahlungen die ursprünglich vereinbarte Darlehenssumme nicht reduzierten und es aufgrund der 105 %-Klausel zu zusätzlichen Strafzahlungsverpflichtungen in unbegrenzter Höhe kommen könne, ein Bruch der Währungsklauselgrenze daher zu zusätzlichen außerplanmäßigen Zahlungsverpflichtungen führe, die das Darlehen gerade nicht tilgten.
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Der Anspruch sei auch nicht verjährt, denn aus den eingereichten Unterlagen zur Gesellschafter- und Treugeberversammlung 2011 ergebe sich keine Kenntnis der Kläger über Inhalt und Risiken der 105 %-Klausel.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Zusammenfassend führt sie aus, dass nach gefestigter Rechtsprechung der Oberlandesgerichte 105 %-Klauseln nicht gesondert aufklärungspflichtig seien, wenn wie hier der Prospekt das Fremdfinanzierungs- und Währungsrisiko darstelle. Das Landgericht habe aus den rhetorisch zugespitzten Rechtsausführungen der Kläger zu den Auswirkungen von üblichen 105 %-Klauseln die Existenz angeblicher Strafzahlungsverpflichtungen in unbegrenzter Höhe und ohne Tilgungswirkung konstruiert. Das Landgericht übersehe, dass die klägerischen Ausführungen zu Strafzahlungsverpflichtungen ohne Tilgungswirkung rechtlich weder nachvollziehbar noch haltbar und damit unschlüssig seien. Es sei rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht die Existenz solcher Strafzahlungsverpflichtungen als unstreitig angesehen habe. Die entsprechende Behauptung der Kläger sei nicht tatsachenbasiert, sondern ausschließlich auf eine unzutreffende rechtliche Würdigung der Auswirkungen solcher Sicherungsklauseln zurückzuführen. Zudem hätten die Kläger zum tatsächlichen Inhalt der hier verwandten 105 %-Klausel konkret gar nicht vorgetragen, sondern ausschließlich zu Klauseln, die „standardmäßig“ oder „in ähnlicher Form“ vereinbart würden und bezögen sich dabei auf Unterlagen, in denen die Tilgungswirkung der Zahlungen beschrieben werde. Zum anderen habe die Beklagte auch hinreichend dargelegt, dass sich Rechtswirkungen der Klausel allenfalls in höheren Zins- und Tilgungsleistungen erschöpften, so dass sie entgegenstehenden Klägervortrag prozessual wirksam bestritten hätten. Zudem habe das Landgericht die fehlende Kausalität der angeblichen Aufklärungsfehler übersehen und lehne fehlerhaft die Verjährung ab.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07. März 2019 - Az. 321 O 10/18 - auf die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte habe in ihrem Berufungsvortrag erstmalig bestritten, dass Strafzahlungen Gegenstand der Finanzierungsverträge gewesen seien. Insoweit handele es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen sei. Im Übrigen beziehen sie sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.
II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
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Mit dem streitgegenständlichen Prospekt (Anlage K 3) werden potentielle Anleger ausreichend über das mit der sog. 105 %-Währungsklausel verbundene Risiko aufgeklärt. Aufgrund des von der Beklagten im Berufungsverfahren eingereichten Darlehnsvertrages der Fondsgesellschaft mit der Hypo- und Vereinsbank AG vom 07.01.2008 (Anlage zum Protokoll vom 23.10.2019) lässt sich entgegen der Ansicht der Kläger nicht feststellen, dass unter Umständen „Strafzahlungen“ oder Ausgleichszahlungen ohne Tilgungswirkung an die Bank fällig werden, wenn die Restvaluta des Darlehens nach Umrechnung zum Referenzkurs mehr als 105 % der planmäßigen Restvaluta in USD beträgt (wobei Restvaluta der Betrag ist, der sich zum Berechnungstag ergeben würde, wenn das Darlehen durchgehend in USD in Anspruch genommen werden würde, vgl. S. 4 des Darlehensvertrages a.a.O.). Richtig ist zwar, dass dann, wenn die von der Fondsgesellschaft gewählte Währung (hier: Japanischer Yen) gegenüber der Leitwährung USD stärker wird, bei vereinbarten Tilgungsleistungen in Yen die jeweils verbleibende Restvaluta des Darlehens, umgerechnet in USD höher ist, als das bei planmäßiger Tilgung des in der Leitwährung valutierenden Darlehens der Fall wäre und daher eine entsprechende Ausgleichszahlung fällig wird. Diese Zahlung dient allerdings gerade der Tilgung des Darlehns auf den geplanten Stand und soll die entstandene Differenz zwischen tatsächlicher Restvaluta (gerechnet in der Leitwährung USD) und der geplanter Restvaluta ausgleichen, zumal nach Ende jeder Zinsperiode ein Währungswechsel für die Fondsgesellschaft möglich ist. Schon das Wort „Ausgleich“ im Zusammenhang mit dem Zweck der Zahlung, die Differenz zwischen der geplanten und der tatsächlichen Restvaluta zu egalisieren, macht deutlich, dass diese Zahlung zur Tilgung des Darlehens einzusetzen ist, weil nur dann der beschriebene Zweck erreicht werden kann. Hinzu kommt, dass im Darlehensvertrag (a.a.O. S. 6) ausdrücklich geregelt ist, dass „Zahlungen (...) nicht auf das abstrakte Schuldversprechen, sondern nur auf die gesicherten Ansprüche, und zwar nacheinander auf die Kosten, Zinsen und Kapitalforderungen verrechnet“ werden. Dass es Zahlungen geben könnte, die überhaupt nicht verrechnet werden, ist danach ausgeschlossen. Darauf, dass dann, wenn der japanische Yen gegenüber dem USD stärker als am Tag der Valutierung wird, dies zu erhöhten Zins- und Tilgungsleistungen als prognostiziert führt, weist der streitgegenständliche Prospekt (Anlage K 3) aber auf S.19 hin.
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Die Vorlage des Darlehensvertrages erfolgte durch die Beklagte auch nicht verspätet. Zweifelhaft ist schon, ob nicht die Kläger, die sich auf eine Aufklärungspflichtverletzung berufen, den Darlehensvertrag als substanziierte Tatsachengrundlage ihrer Rechtsmeinung, bei den „Ausgleichszahlungen“ handele es sich um Strafzahlungen, bzw. Zahlungen ohne Tilgungswirkung, hätten vorlegen müssen. Dies umso mehr, als den Klägern nach § 5 des Gesellschaftsvertrages der Fondsgesellschaft (abgedruckt im Prospekt, Anlage K 3, auf S. 107 ff.) entsprechende Auskunfts- und Einsichtsrechte zustanden. Selbst wenn man es als Tatsachenvortrag zum konkreten Darlehensvertrag (und nicht als Rechtsmeinung) hätte ausreichen lassen wollen, dass die Kläger behauptet haben, die Ausgleichszahlungen reduzierten nicht die ursprünglich vereinbarte Darlehenssumme, so hätte das Landgericht hierauf mit aller Deutlichkeit hinweisen müssen. Dem Hinweis des Landgerichts vom 20.12.2018, wonach der Beklagten aufgegeben wurde, „zum Streitpunkt „105 %-Klausel“ entweder die - nach ihrer Ansicht maßgebenden Argumente schriftsätzlich vorzutragen oder aber die in Bezug genommenen Urteile in Kopie zur Akte zu reichen“ lässt nicht erkennen, dass das Landgericht den Vortrag der Kläger, die Ausgleichszahlungen seien auf die Darlehensschuld nicht anzurechnen, als schlüssigen, unstreitigen Sachverhalt zu behandeln beabsichtigt und ein entsprechendes Bestreiten ggfs. unter Vorlage der vertraglichen Grundlagen von der Beklagten erwartete. Ein entsprechend eindeutiger Hinweis ist erst in der Berufungsinstanz erfolgt, so dass der entsprechende Vortrag der Beklagten unter Vorlage des Darlehensvertrages nicht verspätet war und daher vom Berufungsgericht zu berücksichtigen ist.
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Das Urteil des Landgerichts ist auch nicht aus anderen Gründen richtig, denn ein Aufklärungsfehler lässt sich auch dem sonstigen Vorbringen der Kläger in erster Instanz nicht entnehmen. Über das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung gem. §§ 172, 173 HGB wird auf den S. 17, 66 f. des Prospektes (Anlage K 3) ausreichend aufgeklärt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 09.11.2009, II ZR 16/09; Urteil vom 22.03.2011, II ZR 216/09, juris) ist über die Gefahr des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung hinreichend aufgeklärt, wenn der Prospekt auf die Haftungsnorm des § 172 Abs. 4 HGB verweist und dem Anleger aus den erteilten Hinweisen vor Augen geführt wird, dass die Kommanditistenhaftung wieder auflebt, wenn die Kommanditeinlage durch Entnahmen/Ausschüttungen unter die Haftungseinlage sinkt. Eine solche Aufklärung enthält der Prospekt auf den genannten Seiten. Einer weiteren, gesonderten abstrakten Erläuterung der Rechtsvorschrift des § 172 Abs. 4 HGB bedarf es nicht. Etwas anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil nur 20 % des eingezahlten Kapitals auch Haftungskapital sind. Der Umstand, dass Verlustzuweisungen im Falle einer Auszahlung zu einem Wiederaufleben der Haftung auch schon dann führen können, wenn weniger als 80 % des eingezahlten Kapitals ausgezahlt wurden, stellt insoweit keine Besonderheit dar. Denn auch bei einer Einlage, mit der zu 100 % gehaftet wird, kann eine Gewinnentnahme (und damit ebenfalls eine Entnahme zunächst nicht haftenden Kapitals) zu einem Wiederaufleben der Haftung führen, wenn zuvor Verlustzuweisungen die Hafteinlage gemindert hatten. Auch in diesem Fall mag nicht jeder Anleger davon ausgehen, dass eine reine Gewinnentnahme zu einem Wiederaufleben seiner Haftung führt. Dennoch hat der Bundesgerichtshof eine gesonderte Aufklärung über die Bedeutung von Verlustzuweisungen nicht für erforderlich erachtet. Das lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen.
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Schließlich ist ein Aufklärungsfehler nicht in einer unzureichenden Beschreibung der Marktlage im Prospekt zu sehen. Insbesondere die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise sowie der Einbruch der Charterraten für Schiffe war am 10. bzw. 12.10.2008, den Zeitpunkten der Zeichnung der Anlage durch die Kläger, noch nicht derart absehbar, dass sie Erwähnung im Prospekt hätten finden müssen. Die Finanzkrise nahm ihren Ausgang mit dem Insolvenzantrag der Bank Lehman Brothers am 15. September 2008. Die Auswirkungen dieser Insolvenz insbesondere für die Schifffahrt ließen sich weniger als einen Monat später noch nicht absehen. Auch ein dauerhafter und erheblicher Verfall der Charterraten war Mitte Oktober 2008 für die Prospektverantwortlichen noch nicht absehbar. Die von den Klägern zitierten Artikel über sinkende Charterraten und ein negatives Marktumfeld stammen erst vom 01.10.2008 (Manager Magazin) bzw. aus der Ausgabe 19/09 der „Börse am Sonntag“. Auch wenn zugrunde gelegt wird, dass die Charterraten im Laufe des Sommers/Herbstes 2008 bekanntermaßen deutlich sanken, war dies kein Umstand, der im Prospekt besondere Erwähnung finden musste. Das Fondsschiff „T...“ war ab Ablieferung für 5 Jahre zu einer festen Rate verchartert, so dass Charterratenschwankungen in den ersten fünf Betriebsjahren des Schiffes die Gewinnaussichten des Fonds nicht beeinträchtigten. Dass es bereits vor Zeichnung der Kläger deutliche Anzeichen dafür gegeben hätte, dass es sich um eine außergewöhnliche, extrem langfristige Krise handeln würde, die über den Zeitraum der Festcharter hinaus Auswirkungen auf die dann neu abzuschließenden Charterverträge haben würde, lässt sich dem Vortrag der Kläger nicht entnehmen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
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Mangels Pflichtverletzung der Beklagten stehen den Klägern die geltend gemachte Schadensersatzansprüche und damit auch die Nebenforderungen nicht zu.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 N r. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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Referenzen
- II ZR 16/09 1x (nicht zugeordnet)
- 321 O 10/18 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel 1x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- II ZR 216/09 1x (nicht zugeordnet)
- HGB § 173 1x
- HGB § 172 3x