Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (7. Zivilsenat) - 7 U 16/21

Tenor

1. Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Widerspruchsverfahrens haben der Antragsteller zu 1.) zu 4/5 und der Antragsteller zu 2.) zu 1/5 zu tragen.

Die Kosten des Erlassverfahrens haben die Parteien wie folgt zu tragen:

2. die Gerichtskosten der Antragsteller zu 1.) zu 2/3, der Antragsteller zu 2.) zu 1/6 und die Antragsgegnerin zu 1/6,

3. die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1.) die Antragsgegnerin zu 1/5,

4. die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin der Antragsteller zu 1.) zu 2/3 und der Antragsteller zu 2.) zu 1/6.

5. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

6. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 25.000,- festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller haben die Antragsgegnerin wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 7.9.2020 hat das Landgericht es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten:

2

A.I. in Bezug auf den Antragsteller zu 1) (I.1.) bzw. die Antragsteller (I.2.) zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

3

7. „.... kauft 4-Millionen-Villa in ...

4

8. „In internen Unterlagen des Maklers stünde dagegen, dass .... und ... 4.2 Millionen Euro bezahlt hätten.“

5

wie geschehen in ... [folgt eine Angabe der Fundstelle]

6

A.II. in Bezug auf den Antragsteller zu 1) zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

7

9. „Nachdem ... die Kaufsumme des denkmalgeschützten Anwesens inzwischen bestätigt hat (gut vier Millionen Euro), wurde nun bekannt, dass er einen beträchtlichen Teil der Finanzierung (1,75 Millionen Euro) über ein Darlehen der Sparkasse ... bestreitet (...)“

8

10. Warum aber ist der Berliner Politiker ... nicht einfach zur ... Sparkasse gegangen, wie es das Regionalprinzip im Sparkassengesetzt eigentlich im Regelfall vorschreibt?“

9

wie geschehen in ... [folgt eine Angabe der Fundstelle]

10

Hinsichtlich der Ziffern A.I.1., A.I.2. und A.II.1. hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt; hinsichtlich des Verbotes zu Ziffer A.II.2. hat sie eine Abschlusserklärung abgegeben. Mit Urteil vom 30.10.2020 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 7.9.2020 zu den Ziffern A.I.1., A.I.2. und A.II.1. bestätigt. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren haben die Parteien das Verfahren hinsichtlich der genannten Ziffern der einstweiligen Verfügung übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

11

Damit ist gemäß § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden. Die aus dem Tenor ersichtliche Kostenverteilung entspricht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand billigem Ermessen. Hinsichtlich der mit dem Widerspruch angegriffenen und im Berufungsverfahren ebenfalls streitgegenständlichen Äußerungen stand den Antragstellern von vornherein kein Unterlassungsanspruch zu. Die Antragsgegnerin hat demnach lediglich die anteiligen Kosten bezüglich der Äußerung zu Ziffer A.II.2. zu tragen, hinsichtlich derer sie eine Abschlusserklärung abgegeben hat, was gemäß § 92 I ZPO zu einer entsprechenden Kostenverteilung führt. Im Einzelnen:

12

Zutreffend hat das Landgericht im angegriffenen Urteil ausgeführt, dass die Frage, ob eine Berichterstattung über den Kaufpreis der von den Antragstellern erworbenen Villa und die Höhe des vom Antragsteller zu 1) dafür aufgenommenen Darlehens zulässig ist, vom Ergebnis einer Güterabwägung abhängt. Hierbei ist der Senat der Ansicht, dass das erhebliche öffentliche Interesse an diesen Umständen die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Antragsteller überwiegt. Auch der Senat hat keinen Zweifel daran, dass über den Kauf der in Rede stehenden Immobilie durch einen bundesweit überragend bekannten Politiker und seinen Ehepartner berichtet werden und dass die Immobilie hierbei als „Millionenvilla“ bezeichnet werden darf. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen; auch die Antragsteller haben erstinstanzlich eingeräumt, dass eine Berichterstattung über den Erwerb einer „Millionenvilla“ – ohne Nennung konkreter Zahlen – nicht zu beanstanden wäre.

13

Der Senat ist aber der Ansicht, dass das berechtigte öffentliche Interesse sich nach den Grundsätzen der Entscheidung des BGH vom 19.5.2009 zum Az. VI ZR 160/08 (NJW 2009, 3030 – Villa Joschka Fischer) auch auf die Höhe des gezahlten Kaufpreises und des vom Antragsteller zu 1) hierfür aufgenommenen Darlehens erstreckt. Der Senat lässt hierbei offen, ob die (relativ genaue) Angabe der Größenordnung des Kaufpreises überhaupt einen Eingriff in die Privatsphäre der Antragsteller darstellt; dass eine sehr große Villa in einem teuren Viertel von Berlin mehrere Millionen Euro kostet, dürfte der Immobilie allerdings bereits „von außen“ anzusehen sein.

14

Jedenfalls aber müssen die Antragsteller es wegen der überragenden Bekanntheit des Antragstellers als einer der profiliertesten deutschen Politiker hinnehmen, dass in deutlich weiterem Umfang über ihre Vermögensverhältnisse berichtet wird, als dies für reine Privatpersonen gilt. Politische Führungspersonen müssen sich als Repräsentanten des Staates schon grundsätzlich eine kritische Befassung mit ihren finanziellen Verhältnissen gefallen lassen. Denn für die politische Meinungsbildung ist es auch von ganz erheblichem Interesse, wie gewählte Volksvertreter ihren Lebensunterhalt bestreiten und wie sie finanziell situiert sind. Dies kann der Öffentlichkeit z.B. Vermutungen bzw. sogar Rückschlüsse auf ihre politische Unabhängigkeit, auf ihren Geschäftssinn, aber auch auf ihre politische Ausrichtung ermöglichen. Der Erwerb einer ungewöhnlich teuren Immobilie, die für durchschnittliche Verdiener außerhalb jeder Reichweite ist und auch mit der Vergütung eines Bundesministers nicht ohne weiteres zu bezahlen ist, kann zudem Anlass zu Diskussionen über das generelle Preisgefüge am Immobilienmarkt geben.

15

Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller zu 1) nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen mit zahlreichen auch pointierten öffentlichen Aussagen als besonders streitbarer Vertreter einer konservativen Politikrichtung besonders profiliert hat. Hierbei hat er auch und gerade geäußert, dass die staatliche Grundsicherung („Hartz IV“) ausreichend sei. Auch aus diesem Grund muss sich der Antragsteller eher als andere Personen eine kritische Berichterstattung über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse gefallen lassen.

16

Nach allem muss es der Antragsteller zu 1) in besonderem Maße hinnehmen, dass über den Erwerb einer ausgesprochenen Luxusimmobilie auch unter Nennung von Einzelheiten zu Kaufpreis und Finanzierung berichtet wird. Dies wirkt sich als unvermeidbarer Reflex auch auf den Antragsteller zu 2) als den Ehepartner des Antragstellers zu 1) und Miterwerber der in Rede stehenden Immobilie aus, zumal sich dieser nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Veröffentlichungen durchaus mit dem Antragsteller zu 1) in der Öffentlichkeit zeigt.

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Der Entscheidung kann schließlich nicht zugrunde gelegt werden, dass die Antragsgegnerin selbst Rechtsverletzungen zur Erlangung dieser Informationen begangen hat, was ein Kriterium im Rahmen der gebotenen Abwägung hätte sein können. Die Antragsteller haben dies bereits erstinstanzlich nicht glaubhaft gemacht. Wenn die streitgegenständlichen Informationen indes durch ein rechtswidriges „Durchstechen“ oder unter Verletzung vertraglicher Schutzpflichten oder gesetzlicher Geheimhaltungsvorgaben durch Dritte nach außen gedrungen sein sollten, würde die Abwägung angesichts des dargelegten ganz erheblichen öffentlichen Informationsinteresses nach Ansicht des Senates ebenfalls zu Gunsten der Antragsgegnerin ausfallen. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin in der Berufungsinstanz zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die veröffentlichte Information über den Kaufpreis vom Grundbuchamt auch berechtigterweise herausgegeben werden kann, denn das Grundrecht auf Pressefreiheit begründet ein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse der Presse am Zugang zu Datensammlungen und Registern wie dem Grundbuch, die nur in beschränktem Umfang zugänglich sind (vgl. BVerfG, B. v. 28.8.2000 – 1 BvR 1307/91 – NJW 2001, 503).

III.

18

Die Festsetzung des Streitwertes für die Berufungsinstanz folgt § 3 ZPO und orientiert sich an der von den Parteien nicht beanstandeten Wertfestsetzung des Landgerichts in der einstweiligen Verfügung. Die Berufung betraf nur die Äußerungen zu den Ziffern A.I.1., A.I.2. und A.II.1., wobei der Senat die Äußerungen zu den Ziffern A.I.1. und A.I.2. mit jeweils € 5.000,- (für jeden Antragsteller) und die Äußerung zu Ziffer A.II.1. wegen deren höheren Gewichts mit € 10.000,- bewertet hat.

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