Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 6 U 8/22
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 7. Dezember 2021 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 228/20 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite Internetadresse 1 die Erstellung und Gestaltung von Fotobüchern an. In einem im August 2020 durchgeführten Test der Stiftung Warentest hat sie das Gesamtergebnis „Mangelhaft“ erreicht. In der Einzelkategorie „Bildqualität“ hat sie das Urteil „Sehr gut“ erhalten, womit sie isoliert wie folgt wirbt:
4 5Das schlechte Gesamtergebnis beruhte im Wesentlichen auf einer von der Stiftung Warentest festgestellten Datenunsicherheit. Vor Veröffentlichung ist die Beklagte auf die Unsicherheit hingewiesen worden, woraufhin sie ihre Datensicherheit verbessert hat. Diese Nachbesserung ist im Testbericht ausdrücklich näher thematisiert worden.
6Der Kläger hat die Werbung der Beklagten abgemahnt, weil durch die isolierte Hervorhebung des sehr guten Teilergebnisses das schlechte Gesamtergebnis des getesteten Beklagtenprodukts kaschiert werde.
7Mit Urteil vom 17.12.2021 - 31 0228/20 – hat das Landgericht die Klage auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten mangels Irreführung abgewiesen.
8Mit seiner Berufung rügt der Kläger die materielle Fehlerhaftigkeit des Urteils. Das Landgericht habe verkannt, dass der Verkehr bzgl. eines Testergebnisses erwarte, dass es sich um einen Vergleich bestimmter Produkte zu einem bestimmten Zeitpunkt handelt, sodass nachträgliche Veränderungen oder auch Verbesserungen der getesteten Produkte keinen Einfluss auf das Testergebnis zum Zeitpunkt des Tests haben könnten. Selbst wenn sich Produktveränderungen positiv auswirken könnten, müsse der Produktanbieter mit seinem im Rahmen des damaligen Tests erlangten Testergebnis leben, bis möglicherweise ein neuer Test durchgeführt werde.
9Nur weil die Stiftung Warentest vorliegend bereits vor Veröffentlichung des Tests der Beklagten Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben habe, bedeute dies nicht, dass sich am zum bestimmten Testzeitpunkt festgestellten Ergebnis etwas ändere. Wie der Testbericht belege, habe sich auch die Stiftung Warentest trotz der ihr bekannten und von ihr nachgeprüften Nachbesserung des Beklagtenprodukts an das einmal festgestellte Testergebnis gebunden gesehen und das Testergebnis beibehalten. Damit sei auch die Beklagte an das einmal festgestellte Gesamtergebnis gebunden und führe die Verbraucher in die Irre, wenn sie mit einem sehr guten Einzelergebnis ohne Hinweis auf das schlechte Gesamtergebnis werbe.
10Es sei auch nicht auszuschließen, dass andere Wettbewerber ohne Wissen der Stiftung Warentest ihre Produkte noch vor der Veröffentlichung des Testergebnisses verbessert haben. Dennoch müssten auch diese sich an dem einmal erzielten Ergebnis festhalten lassen und könnten sich nicht unter Berufung auf eine - bei Berücksichtigung der nachträglichen Verbesserung - hypothetischen Verbesserung der Testnote in irgendeiner Form eines anderen als dem tatsächlich erzielten Testergebnisses berühmen.
11In ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.06.2022 trägt der Kläger weiter vor, dass es sich bei einer nachträglichen Änderung eines getesteten Produkts gerade nicht mehr um das getestete Produkt handele. Es erscheine gekünstelt, wenn der Senat nur auf den konkreten Testbericht abstelle, nicht aber auf eine Information in einem späteren Testbericht oder auf der Webseite der Stiftung Warentest. Da die Entscheidung des Senats grundlegend und die Folgen weitreichend seien, sei die Revision zuzulassen.
12Der Kläger beantragt, das am 7. Dezember 2021 verkündete und am 16. Dezember 2021 zugestellte Urteil des Landgerichts Köln zum Aktenzeichen 31 O 228/20 abzuändern und
131. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen wie in Anlage K 3 abgebildet für das A Fotobuch mit der Aussage A FOTOBUCH „Beste Bildqualität“ Test von Stiftung Warentest 08/2020, 12 Anbieter im Test zu werben bzw. werben zu lassen;
142. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 210,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Köln von 07.12.2021 – 31 O 228/20 – zurückzuweisen.
17Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
18II.
19Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit dem Teilergebnis zu.
201. Insbesondere ergibt sich kein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 8 UWG wegen Irreführung.
21Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG gehören zu den wesentlichen Merkmalen einer Ware oder Dienstleistung, über die keine unwahren oder zur Täuschung geeignete Angaben gemacht werden dürfen, die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests. Der durchgeführte Test darf insbesondere nicht falsch dargestellt werden (vgl. Büscher in: Büscher, UWG, 2. Aufl. § 5 Rn. 388). Die Werbung mit Testergebnissen darf beim Adressaten keine Fehlvorstellung hervorrufen. Das Testergebnis muss objektiv richtig wiedergegeben werden (Büscher in: Büscher, UWG, 2. Aufl. § 5 Rn. 389).
22a. Eine objektiv für sich genommen richtige Angabe kann nach dem Zusammenhang einen unzutreffenden Eindruck vermitteln. Zwar darf der Werbende sich in der Regel auf die Hervorhebung der als vorteilhaft angesehenen Umstände beschränken. Eine Aufklärungspflicht besteht jedoch, wenn die verschwiegene Tatsache geeignet ist, die geschäftliche Entscheidung des Publikums wesentlich zu beeinflussen (Büscher in: Büscher, UWG, 2. Aufl. § 5 Rn. 389).
23b. Der Klägerin ist einzuräumen, dass grundsätzlich ein Testergebnis immer nur eine Momentaufnahme darstellt und nachträgliche Veränderungen und Verbesserungen unberücksichtigt zu bleiben haben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls, soweit die Veränderungen/Verbesserungen keinen Niederschlag in der inhaltlichen Bewertung durch die Stiftung Warentest finden, sei es weil die Verbesserungen nicht vor Veröffentlichung durchgeführt worden sind oder der Stiftung Warentest unbekannt oder von ihr nicht verifiziert worden sind.
24c. Der vorliegende Fall weist jedoch die Besonderheit auf, dass die Stiftung Warentest die Verbesserung des getesteten Produkts nicht nur zur Kenntnis genommen und geprüft hat, sondern aufgrund der Nachbesserung ihre ursprüngliche Bewertung über das Beklagtenprodukt in ihrem Testbericht selbst ausdrücklich relativiert hat. Auch wenn sie als Gesamtergebnis ihres Tests an der Note „Mangelhaft“ festgehalten hat, hat sie doch ausdrücklich erläutert, dass und weshalb das Beklagtenprodukt unter Berücksichtigung der besseren Datensicherheit zu den Besten gehöre.
25d. Würde die Beklagte bei dieser Sachlage gezwungen, neben dem Teilergebnis stets mit einem Hinweis auf das Gesamtergebnis „Mangelhaft“ zu werben, von dem die Stiftung Warentest inhaltlich bereits bei Veröffentlichung des Testberichts abgerückt ist, würde sich dies – ohne eine Aufklärung über die Nachbesserung und deren Berücksichtigung durch die Stiftung Warentest – vielmehr als irreführend zu ihren Lasten darstellen.
26e. Soweit der Kläger die Beschränkung auf den konkreten Testbericht als „gekünstelt“ ansieht, weil die Argumentation des Senats auch dann greife, wenn die Stiftung Warentest in einem Folgetest oder auf ihrer Webseite auf Nachbesserungen reagiere, kann dem nicht gefolgt werden. Es macht einen Unterschied, ob die Stiftung Warentest bereits in dem redaktionellen Teil des konkreten Testberichts selbst ihre eigene Bewertung relativiert oder ob dies erst im Nachhinein geschieht, nachdem der Testbericht – ohne Relativierung – bereits dem Publikum zugänglich gemacht wurde. Denn jedenfalls für die Zeit zwischen Veröffentlichung des Testberichts bis zur nachträglichen Nachbesserung und entsprechenden Relativierung des Testergebnisses würden Verbraucher, die das Produkt – ohne Nachbesserung – nur aufgrund der vorteilhaften Teilnote erworben haben, in die Irre geführt.
27f. Selbst wenn man – wie der Kläger – darauf abstellen wollte, dass die Stiftung Warentest die Gesamtnote dennoch nicht verändert hat und deshalb ein Kaschieren der Gesamtnote eine Irreführung der Verbraucher darstelle, fehlte es jedenfalls im vorliegenden Fall an der Relevanz.
28aa. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG muss die irreführende geschäftliche Handlung geeignet sein, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei kommt es auf die Vorstellung des verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers an. Erforderlich ist, dass die betroffene Angabe geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – I ZR 123/20 – Rn. 16 mwN, juris).
29bb. Die Durchschnittsverbraucher, die die Werbung mit dem sehr guten Teilergebnis zur Bildqualität sehen, werden erwarten, dass es sich bei dem Produkt der Beklagten insgesamt um ein sehr gutes/gutes bzw. mit „Sehr gut/Gut“ bewertetes Produkt handelt und sich möglicherweise deshalb für das Produkt der Beklagten entscheiden. Sie werden jedenfalls nicht mit einem mangelhaften Gesamtergebnis rechnen, weil es bei den getesteten Dienstleistungen in der Regel maßgeblich auch auf die Bildqualität ankommt.
30Aber auch wenn sie später über den gesamten Testbericht bzw. alle Umstände des Tests aufgeklärt werden und damit erstmals erfahren, dass das Produkt insgesamt mit „Mangelhaft“ bewertet worden war, ist diese Aufklärung im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht geeignet, sie in ihrer Marktentschließung zu beeinflussen. Denn sie werden zeitgleich erfahren, worauf die Bewertung mit „Mangelhaft“ beruhte und dass die Stiftung Warentest das eigene Gesamt-Testergebnis wegen der vor Veröffentlichung des Testberichts von ihr nachvollzogenen Nachbesserungen relativiert hat. Die sich aus dem Testbericht ergebenden Gesamtumstände der Bewertung, sind danach nicht geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er in Kenntnis aller relevanten Tatsachen nicht getroffen hätte.
312. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
323. Die Revision ist vorliegend nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die vorliegende Entscheidung ist auf den konkreten Einzelfall bezogen und wirft keine Rechtsfrage auf, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen oder typische oder verallgemeinerungsfähige Lebenssachverhalte betreffen würde.
33Streitwert: 15.000 €
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Referenzen
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- § 5 Abs. 1 S. 1 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- I ZR 123/20 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 8 UWG 3x (nicht zugeordnet)
- 31 O 228/20 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x