1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 24.10.2003 gegen das Verbundurteil des Amtsgerichts — Familiengericht — Weinheim vom 18.09.2003 (AZ.: 1 F 91/01 ES) wird dieses in Ziffer 2 des Tenors wie folgt abgeändert und neu gefasst:
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.531,20 EUR festgesetzt.
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Das Amtsgericht Weinheim hat — nachdem die 1970 in B./Sri Lanka geborene Antragstellerin ihren zunächst gestellten Scheidungsantrag nicht mehr aufrecht erhalten hat — auf Antrag des 1961 in M. geborenen Antragsgegners die am ...1991 vor dem Standesamt C. in Sri Lanka geschlossene Ehe mit Verbundurteil vom 18.09.2003 aufgehoben. Dabei hat es den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der LVA Baden-Württemberg Rentenanwartschaften in Höhe von 127,60 EUR auf das Konto der Antragsteller bei der LVA übertragen hat.
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Gegenstand des Rechtsmittels ist der Versorgungsausgleich.
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Der Antragsgegner hat beim Amtsgericht den Antrag gestellt, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit auszuschließen.
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Zur Begründung trägt er vor, die Antragsgegnerin sei bei der Eheschließung am ...1991 noch mit Herrn M. N. verheiratet gewesen. Sie habe sich ihre Rechtsposition zum Versorgungsausgleich in verwerflicher Weise erschlichen, weshalb die mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs verbundene Gleichstellung mit einer normalen Ehefrau einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung darstelle.
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Die Antragstellerin hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt.
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Sie macht geltend, sie sei bereits 1989 oder 1990 von ihrem ersten Ehemann geschieden worden.
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Das Amtsgericht hat die Ehe aufgehoben, weil es davon ausging, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Antragsgegner noch verheiratet und noch nicht geschieden worden war (§§ 1314 Abs. 1, 1306 BGB) und eine zuvor von der Antragstellerin vor dem Bezirksgericht K./Sri Lanka von der Antragstellerin betriebene Scheidungsklage abgewiesen worden sei (vgl. hierzu die beglaubigte Übersetzung der Verfahrensakte D/2692, ...).
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Gründe für eine Versagung des Versorgungsausgleichs (§ 1318 Abs. 3 i.V.m. §§ 1587 bis 1587 p BGB) hat das Amtsgericht verneint. In vorliegendem Fall würden die Belange des ersten Ehegatten der Antragstellerin durch den Versorgungsausgleich nicht beeinträchtigt. Die Versagungsgründe des § 1587 c BGB lägen nicht vor. Selbst wenn man den Vortrag des Antragsgegners als richtig unterstelle, dass sich die Antragstellerin noch während ihrer Schwangerschaft im Dezember 1996 einem anderen Mann zugewandt habe, rechtfertige dies nicht einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Es müsse nämlich eine grobe „Unbilligkeit" vorliegen, d.h. die Inanspruchnahme des Verpflichteten muss dem Gerechtigkeitsdenken in unerträglicher Weise widersprechen. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin weiterhin die gemeinsame Tochter N. betreue und der Antragsgegner selbst keinen Scheidungsantrag gestellt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
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Gegen das ihm am 26.09.2003 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24.10.2003 — eingegangen beim OLG am 05.11.2003 — Beschwerde eingelegt, mit der er einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen will.
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Zur Begründung trägt er vor,
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das Amtsgericht habe die Frage der groben Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht erst im Rahmen des § 1587 c BGB, sondern bereits im Rahmen des § 1318 III BGB prüfen und dabei insbesondere die Umstände bei der Eheschließung würdigen müssen. Die Antragstellerin sei bewusst eine Doppelehe mit dem Antragsgegner eingegangen und habe daher den Antragsgegner, der seinerzeit davon ausgegangen sei, dass die Antragstellerin bereits geschieden war, arglistig über ihre Ehefähigkeit getäuscht. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller seinerzeit zusätzlich massiv (u.a. mit Selbstmorddrohungen) unter Druck gesetzt, um diesen, der ursprünglich keine Heiratsabsichten hatte, kurzfristig zur Eheschließung mit ihr zu bewegen. Unter diesen Umständen sei es daher grob unbillig, die Antragsgegnerin bezüglich der Aufhebungsfolgen einer normalen Ehefrau gleichzustellen.
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Darüber hinaus stelle sich die Geltendmachung von Versorgungsausgleichsansprüchen durch die Antragsgegnerin als Fall der unzulässigen Rechtsausübung dar, nachdem sich die Antragsgegnerin die Rechtsposition einer Ehefrau durch wahrheitswidrige Angaben erschlichen habe.
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Die Antragsgegnerin habe sich auch während der Ehe mit dem Antragsteller so verhalten, dass rückblickend ihr Verhalten nur so bewertet werden könne, dass es ihr bei Eingehung der Ehe mit dem Antragsgegner ausschließlich darum gegangen sei, zum einen eine Aufenthaltsberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zum anderen wirtschaftlich versorgt zu sein und insoweit ihre finanzielle Situation im Vergleich zu ihren vorehelichen Verhältnissen zu verbessern. Die Antragsgegnerin habe dementsprechend ihre ehelichen Verpflichtungen während der noch bestehenden Ehe in eklatanter Weise verletzt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Versagung von Versorgungsausgleich geboten sei.
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Der Antragsgegner beantragt,
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auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom 18.09.03 - l F 91/01 ES - in Ziff. 2 dahingehend abgeändert, als festgestellt wird, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
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Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie macht geltend, dass sie bei Abschluss der Ehe mit dem Antragsgegner davon ausgegangen sei, bereits geschieden zu sein.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
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1. Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien gemäß §§ 1314 Abs. 1, 1306 BGB aufgehoben, weil die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Antragsgegner noch verheiratet war. Dieser Sachverhalt ist von der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz nicht mehr streitig gestellt worden.
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2. Für den Fall der Aufhebung der Ehe erklärt § 1318 Abs. 3 BGB die §§ 1587 a bis 1587 p BGB, d.h. die Vorschriften über den Versorgungsausgleich insgesamt grundsätzlich für anwendbar, „soweit dies nicht im Hinblick auf die Umstände bei der Eheschließung oder bei Verstoß gegen § 1306 im Hinblick auf die Belange der dritten Person grob unbillig wäre“. Die §§ 1587 a BGB ff. sind also entsprechend (weil sie ihrem Wortlaut nach nur für den Fall der Scheidung, nicht aber den Fall der Aufhebung der Ehe gelten) anwendbar, es sei denn, es liege eine grobe Unbilligkeit vor. Daraus folgt:
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a) Der Umstand der Bigamie alleine reicht nicht aus, um die Anwendung der §§ 1587 a BGB ff. auszuschließen, denn sonst wäre die Prüfung weiterer grober Unbilligkeit sinnlos.
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b) Hinzukommen muss für den Ausschluss der §§ 1587 a BGB ff. vielmehr eine grobe Unbilligkeit. Diese ist — als Ausnahme im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Vorschriften — in zweierlei Hinsicht zu prüfen:
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aa) im Falle einer Bigamie (§ 1306 BGB) — die hier vorliegt —„im Hinblick auf die Belange der dritten Person“, d.h. des Weiteren beteiligten Ehegatten. Solche „Belange der dritten Person“ scheiden hier aus, da der erste Ehemann vom Versorgungsausgleich nicht betroffen ist. Wenn die Antragstellerin einen Versorgungsausgleich vom Antragsgegner erhält, so kann das Rechte des ersten Ehemannes nicht beeinträchtigen.
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bb) in allen anderen Fällen auf Umstände bei der Eheschließung. Liegen also besondere Umstände bei der Eheschließung vor, so sind die Vorschriften §§ 1587 a BGB nicht entsprechend anzuwenden.
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3. Solche besondere Umstände bei der Eheschließung liegen vor, wenn der Bigamist vorsätzlich eine zweite Ehe eingeht, wenn ihm also bewusst ist, dass er gegen ein Eheverbot verstößt (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. § 1318 Rn. 12; Erman/Roth, BGB, 10. Aufl., § 1318 Rn. 6f.; Staudinger/Strätz, BGB, 13. Aufl., § 1318 Rn. 33). Dies ist hier der Fall.
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Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Nichtanwendung der §§ 1587 a bis 1587 p BGB die Ausnahme. Nach allgemeinen Regeln hat daher derjenige die Voraussetzungen der Nichtanwendung der Vorschriften zu beweisen, der sich darauf beruft. Dies ist hier der Antragsgegner. Der ihm obliegende Beweis ist geführt.
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a) Nach der Mitteilung der deutschen Botschaft in Sri Lanka vom 16.04.2003 muss der Senat davon ausgehen, dass das vorgelegte Protokoll No D/2692 des District Court of K. echt ist. Daraus folgt:
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aa) In den Jahre 1991/1992 gab es beim Bezirksgericht K. ein Ehescheidungsverfahren, an welchem die Antragstellerin — und auch ihr Prozessbevollmächtigter P.; von einem anderen war nie die Rede — beteiligt war. Dies steht im Widerspruch zur ihrer Angabe, ihre Scheidung sei bereits in den Jahre 1989/1990 durchgeführt worden.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Datum für die Klageeinreichung in der singhalesischen Urschrift „30.09.1991“ lautet oder — wie von der Antragstellerin behauptet — „30.12.1991“. Für September spricht einmal der zeitliche Ablauf des Verfahrens, denn der zweite Eintrag der Verfahrensakte bezieht sich bereits auf den 27.11.1991. Auch liegt eine beglaubigte Übersetzung vor, die vom 30.09.1991 spricht. Auch die Stellungnahme des von dem Antragsgegner mit einer Einsicht in die Gerichtsakten des Bezirksgerichts K. beauftragt gewesenen Rechtsanwaltes M.H.M.A. R. spricht vom 30.09.1991.
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Der Senat kann dies jedoch dahingestellt sein lassen. Selbst wenn in der singhalesischen Urschrift tatsächlich „30.12.1991“ stehen sollte, so muss es sich angesichts des weiteren Verfahrensablaufes um ein Schreibversehen handeln; jedenfalls kann ein solches nicht ausgeschlossen werden. Eine falsche Datumsangabe spricht angesichts der dokumentierten Echtheit der Verfahrensakte nicht entscheidend gegen deren Echtheit.
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Entsprechendes gilt für den Eintrag vom 15.06.1992. Wenn es dort heißt, die Klägerin habe einen Termin beantragt, so lässt dies nach dem juristischen Sprachgebrauch auch die Interpretation zu, die Klägerin habe vertreten durch ihren Anwalt einen solchen Termin beantragt.
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Auch kommt es nicht darauf an, ob der die Klagerücknahme erklärende Anwalt A. von der Antragstellerin oder dem Anwalt P. unterbevollmächtigt war, denn es kommt nicht auf die prozessuale Wirksamkeit einer solchen Erklärung an, sondern den Ablauf des Verfahrens als solchem.
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bb) Die Antragstellerin hat keine schriftlichen Unterlagen über das von ihr behauptete Scheidungsverfahren Ende 1989/Anfang 1990 vorgelegt. Dabei ist unerheblich, ob ihr damaliger Anwalt P. eine Zusammenarbeit mit der Antragstellerin heute ablehnt. Wenn es dem Antragsgegner möglich gewesen ist, gerichtliche Unterlagen eines ihn nicht betreffenden Verfahrens vorzulegen und einen Rechtsanwalt mit der Akteneinsicht zu beauftragen, so muss es der Antragstellerin erst recht möglich sein. Dem Antragsgegner ist es gelungen, durch den Rechtsanwalt M.H.M.A. R. Akteneinsicht zu erhalten und den Inhalt der Verfahrensakten zu ermitteln. Dass die Antragstellerin ähnliches für das von ihr behauptete Scheidungsverfahren 1989/1990 nicht getan hat, lässt den Schluss zu, dass es derartige Unterlagen nicht gibt, weil es kein derartiges Verfahren gab.
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cc) Damit erklärt sich auch, dass der Antragstellerin niemals ein Scheidungsurteil über ihren damaligen Rechtsanwalt P. ausgehändigt wurde: Das von ihr behauptete Scheidungsverfahren 1989/1990 gab es nicht. Das Verfahren D/2692 endete nicht mit einem Urteil, sondern mit einer Rücknahme der Klage.
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b) Es gibt eine Reihe weiterer Indizien, die für die Darstellung des Antragsgegners sprechen:
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Die Hochzeit fand unstreitig nicht am Heimatort der Antragstellerin in K. statt — wo zeitgleich das Scheidungsverfahren ihrer ersten Ehe anhängig war — sondern in C. Dabei gab die Antragstellerin an, dort einen Wohnsitz zu haben, obwohl dies nicht der Fall war. Ferner bezeichnete sie sich als „spinster“, d.h. unverheiratete Frau. Trauzeugen waren ein Taxifahrer und ein Touristenführer. Dies alles kann damit erklärt werden, dass die Antragstellerin verheimlichen wollte, dass sie verheiratet ist, indem sie verhinderte, dass sie kennende Personen mit der Eheschließung unmittelbar zu tun hatten.
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Insbesondere ist es nicht überzeugend, wenn die Antragstellerin geltend macht, die Angabe „spinster“ beweise, dass sie unverheiratet gewesen sei, denn dies beruht auf ihren eigenen Angaben. Auch scheint es dem Senat unwahrscheinlich, dass eine Rechtsordnung, die eine Scheidung kennt, keine Bezeichnung für den daraus folgenden Personenstand „geschieden“ haben soll. Vielmehr ist nahe liegend, dass die Antragstellerin mit ihrer Angabe unangenehme Nachfragen verhindern wollte. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn der Antragsgegner selbst nahm unstreitig an, dass die Antragstellerin — nach ihrer Darstellung — geschieden sei.
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c) Gegen die Darstellung des Antragsgegners spricht insbesondere nicht der Umstand, dass der erste Ehemann der Antragstellerin ebenfalls bereits wieder verheiratet ist. Wenn es der Antragstellerin möglich war, eine zweite Ehe einzugehen, so kann dies auch dem ersten Ehemann möglich gewesen sein.
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d) Es bleibt die eidesstattliche Erklärung der Mutter der Antragstellerin, mit der diese die Darstellung der Antragstellerin bestätig, dass sie zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Antragsgegner bereits geschieden war. Angesichts der bereits dargelegten Umstände vermochte der Senat dieser jedoch nicht zu folgen.
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e) Nach Auffassung des Senats ist aus diesen Umständen der Schluss zu ziehen, dass es das von der Antragstellerin behauptet Scheidungsverfahren Ende 1989/Anfang 1990 nicht gab, ihre erste Ehe vielmehr am ...1991 (Eheschließung mit dem Antragsgegner) noch nicht geschieden war und die Antragstellerin deshalb in Kenntnis dieses Umstandes eine zweite Ehe mit dem Antragsgegner einging. Damit kannte sie den Grund, der letztendlich zur Aufhebung der Ehe führte. Der Versorgungsausgleich ist deshalb grob unbillig. Dem Antragsgegner kann nicht zugemutet werden, seine Rentenanwartschaften mit der ihn getäuscht habenden Antragstellerin zu teilen. Die Entscheidung des Amtsgerichts war entsprechend abzuändern.
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Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 17 GKG (12 x 127,60 = 1.531,20 EUR).
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
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