Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 AK 3/05
Tenor
Die Auslieferung des Verfolgten nach Ungarn zur Strafverfolgung gemäß dem Auslieferungsersuchen der ungarischen Justizbehörden vom 20. Dezember 2004 wird für zulässig erklärt.
Die Auslieferungshaft hat fortzudauern.
Gründe
I.
1
Der Verfolgte wurde am 26.08.2003 im vereinfachten Verfahren aus Portugal in die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert und befand sich hier bis 07.02.2005 in Strafhaft. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hat der Senat nach Eingang eines Auslieferungsersuchens der ungarischen Justizbehörden vom 20.12.2004 am 31.01.2005 Auslieferungshaftbefehl erlassen. Bei Eröffnung desselben hat sich der Verfolgte vor dem Haftrichter des Amtsgerichts M. mit der vereinfachten Auslieferung nach Ungarn einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet. Die vom Justizministerium mit Note vom 13.07.2004 erbetene Zustimmung der portugiesischen Justizbehörden zur Weiterlieferung des Verfolgten nach Ungarn liegt bislang nicht vor.
2
Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 07.02.2005 gemäß § 29 Abs. 2 IRG beantragt, die Auslieferung (Weiterlieferung) des Verfolgten nach Ungarn für zulässig zu erklären.
II.
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Dem Antrag konnte entsprochen werden.
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1. Zwar wäre vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 21.07.2004 zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vom 13.06.2002 (BGBl. 2004 I, 1748 ff.) am 23.08.2004 nach Art. 15 EuAlÜbk die Weiterlieferung des Verfolgten nur mit Zustimmung des Drittstaates - hier Portugal - möglich gewesen. Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 IRG geht der neu eingeführte achte Teil des IRG völkerrechtlichen Vereinbarungen nach § 1 Abs. 3 IRG und damit auch dem EuAlÜbk vor, wobei diese völkerrechtlichen Vereinbarungen hilfsweise anwendbar bleiben und zwar nach der Gesetzesbegründung dann, wenn sie das auslieferungsfreundlichere Recht darstellen (vgl. BT-Drucks. 15/1718;S. 13). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
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2. Nach § 83 h Abs. 2 Nr. 5 iRG darf der Verfolgte an einen dritten Staat weitergeliefert werden, wenn der „ersuchte Mitgliedsstaat oder die übergebene Person“ hierauf (also auf den Grundsatz der Spezialität) verzichten. Eine solche Erklärung kann vorliegend in der vom Verfolgten formgemäß erteilten Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung nach Ungarn und im Verzicht auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität gesehen werden. Die in Art. 28 Abs. 2 b RbEuhb von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vereinbarte und hiervon abweichende Regelung, nach welcher eine Weiterlieferung an einen Drittstaat auch zulässig ist, wenn die gesuchte Person ihrer Übergabe an einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hierzu gehören Portugal und Ungarn) aufgrund eines
Europäischen Haftbefehls
zustimmt, ist nicht innerstaatliches Recht geworden (vgl. BT-Drucks. 15/1718, Seite 14) und beeinflusst die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung deshalb nicht.
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3. Die Auslieferungshaft hat fortzudauern. Zwar befindet sich der Verfolgte nach Verbüßung der Strafhaft seit 08.02.2005 in Auslieferungshaft, so dass eine Entscheidung über die Auslieferung binnen der für vereinfachte Auslieferungsverfahren bestehenden Frist von zehn Tagen nicht ergangen ist (§ 83 c Abs. 2 IRG). Bei den in § 83 c IRG genannten Zeitspannen - der Gesetzgeber sieht lediglich bei einer Fristüberschreitung nach § 83 d IRG eine zwingende Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls vor - handelt es sich aber um bloße „Sollfristen“ (vgl. auch Bt-Drs. 15/1718, S. 22), deren Nichteinhaltung im Regelfall nur Unterrichtungspflichten nach §§ 83 c Abs. 4, 83 i IRG auslöst. Von einer Überschreitung der in § 83 c Abs. 2 IRG aufgeführte Spanne wird die Haftfrage jedenfalls dann nicht beeinflusst, wenn für deren Überschreitung - wie hier wegen der schwierigen Rechtslage - sachliche Gründe vorliegen und auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine andere Entscheidung gebietet.