Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 AK 18/04

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 04. Oktober 2004 wird aufgehoben.

Gründe

 
I. Am 04.10.2004 hat der Senat gegen den  Verfolgten, einen  deutschen Staatsagenhörigen, einen Auslieferungshaftbefehl aufgrund einer Ausschreibung der französischen Justizbehörden im Schengener Informationssystem (SIS) erlassen, der in Form der Überhaft vollzogen wird. In dem zwischenzeitlich vorliegenden Europäischen Haftbefehl des Untersuchungsrichters am Landgericht S./Frankreich vom 22.12.2004 liegt dem Verfolgten zur Last, am 22.09.2004 um 2.50 Uhr von S./Frankreich kommend auf dem Weg zur deutschen Grenze auf eine gegen ihn wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung eingerichtete Grenzkontrolle mit seinem Fahrzeug der Marke Ford Fiesta mit hoher Geschwindigkeit zugefahren zu sein und hierbei die Polizeibeamten P. und B., welche durch einen Sprung zur Seite dem Fahrzeug ausweichen mussten, erheblich gefährdet zu haben. Die Tat werten die französischen Justizbehörden als Gewalt mit Gebrauch einer Waffe auf eine Person der öffentlichen Ordnung, strafbar nach Art. 222-13, 222-44, 222-45 und 222-47 des französischen Strafgesetzbuches.
Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, die Auslieferung für zulässig zu erklären, hat der Senat Stellungnahmen zum Gesundheitszustand des Verfolgten eingeholt. Danach hat der Verfolgte aus Angst vor seiner Auslieferung nach Frankreich im September 2004 einen Selbstmordversuch unternommen, wobei nach Bewertung des behandelnden Arztes des Justizvollzugskrankenhauses H. vom 26.01.2005 der Verfolgte wegen einer ihm eigenen Persönlichkeitsstruktur im Falle seiner Auslieferung erneut zu solchen suizidalen Handlungen mit durchaus tödlichem Ende tendieren werde und nach Auffassung des Sachverständigen Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 28.01.2005 aufgrund der psychischen Disposition des Verfolgten eine deutlich erhöhte Selbstmordgefährdung bestehe.
Unter dem 14.02.2005 hat die Staatsanwaltschaft U. gegen den Verfolgten wegen des Vorwurfs einer im Jahre 1997 in der Bundesrepublik Deutschland begangener Vergewaltigung in Tateinheit mit Geiselnahme u.a. Anklage zum Landgericht U. erhoben. Mit Beschluss vom 29.03.2005 hat die dortige Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft U. unter Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft zugelassen. Hauptverhandlungstermin ist für den 17.06.2005 und einen Folgetag vorgesehen.
Bezüglich des bei der Staatsanwaltschaft U. anhängigen Ermittlungsverfahrens 14 Js 14685/04, welches aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Untersuchungsrichters am Landgericht S./Frankreich vom 02.12.2004 eingeleitet wurde, beabsichtigt die Anklagebehörde ausweislich ihrer Berichte vom 18.11.2004 und 25.05.2005 im Falle der Auslieferung des Verfolgten nach Frankreich eine Einstellung nach § 154 b StPO.
II. Der Senat hat das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 262 StPO i.V.m. § 77 IRG ausgesetzt und den Auslieferungshaftbefehl vom 04.10.2004 aufgehoben (vgl. Senat, Beschluss vom 21.04.2005, 1 AK 36/04).
1. Die beim Bundesverfassungsgericht derzeit anhängige verfassungsrechtliche Klärung der Zulässigkeit der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger an einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (§ 80 Abs. 1 IRG) ist für das vorliegende Verfahren insbesondere deshalb von Bedeutung und vorgreiflich, weil zu klären gilt, ob das IRG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vom 21.07.2004 (BGBl. I, S. 1748) gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die in Art. 16 Abs. 2 GG gewährleisteten unverzichtbaren Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates verstößt (BVerfG StV 05, 29).
2. Die nach § 262 StPO gebotene (vgl. KG, Beschluss vom 19.09.2001, Ausl 193/00; BayObLG NJW 1995, 2104 f.) Aussetzung des Auslieferungsverfahrens bedingt die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls.

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