Auf den Antrag der Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg (Breisgau) vom 31. Mai 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Veranlassung an das Landgericht Freiburg (Breisgau) zurückgegeben.
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Die Angeklagte M. M. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Freiburg (Breisgau) vom 12. Oktober 2005 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen Hausfriedensbruchs und wegen Beleidigung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das Landgericht Freiburg (Breisgau) hat die hiergegen gerichtete und auf Freispruch zielende Berufung der Angeklagten mit Urteil vom 12. April 2006 als unbegründet verworfen und das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und die Angeklagte zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Angeklagte hat gegen dieses Urteil am 18. April 2006 Revision eingelegt und die Revision zunächst am 08. Mai 2006 mit einem eigenhändigen Schreiben und sodann am 22. Mai 2006 zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet, ohne das von der Rechtspflegerin aufgenommene Protokoll zu unterzeichnen.
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Mit Beschluss vom 31. Mai 2006 verwarf das Landgericht Freiburg (Breisgau) die Revision der Angeklagten gegen das Urteil vom 12. April 2006 als unzulässig, weil die Angeklagte die Revisionsanträge bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist weder zu Protokoll der Geschäftsstelle noch in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift angebracht habe.
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Hiergegen richtet sich der fristgerecht eingegangene Antrag der Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts vom 02. Juni 2006, der gemäß § 346 Abs. 2 StPO zulässig und begründet ist.
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Die Angeklagte hat die Revisionsbegründung am 22. Mai 2006 und damit rechtzeitig innerhalb der mit Zustellung des Urteils an die Angeklagte am 28. April 2006 in Lauf gesetzten Revisionsbegründungsfrist formgerecht zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts F. erklärt. In dem durch die Rechtspflegerin als zuständiger Urkundsbeamtin (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 b RPflG) aufgenommenen und von ihr unterzeichneten - wenn auch rechtsirrig als „Entwurf“ gekennzeichneten - Protokoll sind die Revisionsanträge enthalten. Zur Begründung der Revisionsanträge wird die Verletzung sachlichen Rechts gerügt; die Sachrüge ist auf mehreren Seiten ausgeführt.
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Allerdings hat die Angeklagte es abgelehnt, das von der Rechtspflegerin aufgenommene und ihr zu Genehmigung vorgelegte Protokoll zu unterzeichnen. Dies berührt die Wirksamkeit der zu Protokoll genommenen Revisionsbegründung - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - jedoch nicht. Das Fehlen der Unterschrift der Angeklagten unter das vom Rechtspfleger aufgenommene Protokoll ist unschädlich.
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Anders als etwa für die Aufnahme eines Protokolls über richterliche Untersuchungshandlungen (§ 168 a Abs. 3 Satz 3 StPO) enthält das Gesetz für die zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklärende Rechtsmittelerklärung eines Verfahrensbeteiligten keine Formvorschriften. Das Reichsgericht hat daher bereits früh entschieden, dass die fehlende Unterschrift des Erklärenden die Wirksamkeit des Protokolls unberührt lässt (RGSt 48, 79 <80>); hieran hat die Rechtsprechung und - ihr zustimmend - die herrschende Lehre seither festgehalten (vgl. BGHSt 29, 173 <178>; BayObLG, Rechtspfleger 1961, 355; siehe auch OLG Köln, VRs 71, 54 <56>; Frisch, in: SK-StPO § 341 Rdn. 14 und § 314 Rdn. 13 m.w.N.; KMR, § 345 Rdn. 26; enger Schmid, Rechtspfleger 1961, 301). Gleiches gilt in Fallkonstellationen, in denen der Angeklagte sich - wie hier - zwar ausdrücklich weigert, das in seiner Anwesenheit aufgenommene Protokoll zu unterzeichnen, trotz dieser Weigerung aber kein Zweifel daran besteht, dass die Rechtsmittelerklärung seinem Willen entspricht, die Weigerung zur Unterschriftsleistung also ihren Grund nicht etwa darin findet, dass der Angeklagte sich von der Rechtsmittelbegründung überhaupt distanziert (vgl. BayObLG, a.a.O.; Hanack, in: LR-StPO, § 345 Rdn. 34). Etwaige Zweifel sind im Wege des Freibeweises zu klären (Frisch, a.a.O., § 314 Rdn. 13).
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So liegt es hier. Die Weigerung der Angeklagten, das Protokoll zu unterzeichnen, findet ihren Grund einzig darin, dass sie mit einzelnen in das Protokoll aufgenommenen Formulierungen, mit denen die Sachrüge erläutert werden sollte, nicht einverstanden war, sondern die wortgetreue Aufnahme der von ihr vorgeschlagenen Formulierungen erstrebte; darüber hinaus wollte die Angeklagte weiteren Tatsachenvortrag aufgenommen wissen, wenngleich ihr die Rechtspflegerin zu erläutern suchte, dass die Revision nur die Möglichkeit einer Nachprüfung in rechtlicher, nicht in tatsächlicher Hinsicht eröffne. Dass die uneingeschränkte Anfechtung des Urteils und die Erhebung der Sachrüge dem Willen der Angeklagten entsprach, ergibt sich für den Senat zweifelsfrei aus der mit dem Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts vom 02. Juni 2006 erfolgten Übersendung einer Abschrift des von der Rechtspflegerin aufgenommenen Protokolls, das die Angeklagte nur im Rahmen der Ausführungen zur Sachrüge geringfügig handschriftlich ergänzt hat. Bei dieser Sachlage hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die umfassende Anfechtung des Urteils mit dem Ziel des Freispruchs und die Erhebung der - allgemeinen - Sachrüge dem tatsächlichen Willen der Angeklagten entsprach. Die Revision ist mithin rechtzeitig und formgerecht begründet worden.
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Der Beschluss des Landgerichts F. war daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzugeben, damit dem Verfahren dort nach
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