Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 U 72/11

Tenor

1. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91a ZPO).

2. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 19.950,50 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Kläger hat mit der Klage die Freistellung von Ansprüchen der Deutschen Rentenversicherung Bund im Zusammenhang mit der Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die dem Beklagten innerhalb der Anwaltssozietät zugeordnete C beansprucht.
Die Parteien waren Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft, die mit Gesellschaftsvertrag vom 30.12.2003 gegründet wurde und zwischenzeitlich aufgelöst ist. Die Gesellschaft war in sogenannte Dezernate aufgeteilt. Dem jeweiligen Dezernat waren Mitarbeiter zugeordnet. Dem Dezernat des Beklagten war u.a. Rechtsanwältin C zugeordnet. Neben dem Gesellschaftsvertrag standen Gewinnverteilungsabreden, so die Vereinbarung vom 30.12.2004 für das Jahr 2005 sowie die Vereinbarung vom 19.12.2005 für die Jahre 2006 und 2007. Diese Vereinbarungen beinhalteten auch Regelungen zur Kostentragungspflicht hinsichtlich der Mitarbeiter, insbesondere hinsichtlich der Kosten von Rechtsanwältin C.
Der Kläger hat vorgetragen, die Deutsche Rentenversicherung Bund habe mit Bescheid vom 10.02.2010 Nachforderungsansprüche in Höhe von 22.928,12 EUR geltend gemacht (Anlage K 4). Hierauf entfielen auf die Tätigkeit von Rechtsanwältin C insgesamt 19.950,50 EUR.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Hinweis auf § 22 des Gesellschaftsvertrags vom 30.12.2003 die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit erhoben. Ferner hat er den Vortrag des Klägers bestritten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Der Beklagte habe zu Recht die Einrede der Schiedsgerichtszuständigkeit erhoben. § 22 des Gesellschaftsvertrags vom 30.12.2003 bestimme in Ziffer 1, dass über sämtliche Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis, insbesondere auch über die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrags sowie einzelner Bestimmungen, ein Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs entscheide. Diese Bestimmung werde vom Kläger zu Unrecht für unwirksam erachtet. Zwar seien die Ausführungen des Klägers zutreffend, wonach Einzelheiten zur Zuständigkeit und zur Zusammensetzung des Schiedsgerichts sowie zum Verfahren selbst in einem gesonderten Schiedsvertrag hätten festgelegt werden sollen, der jedoch nicht geschlossen worden sei. Auch sei der Hinweis des Klägers auf eine Entscheidung des Thüringischen Oberlandesgerichts vom 09.01.2006 (6 U 569/05) zutreffend, wonach notwendiger Inhalt einer wirksamen Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 ZPO die eindeutige Benennung des zuständigen Schiedsgerichts sei. Der Bewertung des Klägers sei jedoch nicht zu folgen. Dass ein Schiedsrichter in der Schiedsvereinbarung nicht benannt sei, könne schon deshalb kein Grund für eine Unwirksamkeit sein, weil das Gesetz diesen Fall in § 1035 Abs. 3 ZPO ausdrücklich regelt. Es liege auch keine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung deshalb vor, weil die Rechtsanwaltsgesellschaft unstreitig aufgelöst worden ist. Eine „Undurchführbarkeit“ der Schiedsvereinbarung im Sinne von § 1032 Abs. 1 ZPO sei nicht gegeben. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung hänge nicht vom Fortbestehen einer Gesellschaft ab.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts und der weiteren Einzelheiten seiner Ausführungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der den erstinstanzlich geltend gemachten Klaganspruch in vollem Umfang weiterverfolgt. Er hält an seiner Auffassung fest, dass die Klage zulässig ist. Eine wirksame Schiedsvereinbarung sei im Gesellschaftsvertrag vom 30.12.2003 nicht getroffen worden.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hat das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt.
Mit Schriftsatz vom 02.02.2012 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und mitgeteilt, die Deutsche Rentenversicherung Bund habe unter dem 20.09.2011 das Konto der Rechtsanwaltsgesellschaft i.L. gepfändet und den offenen Gesamtbetrag von diesem Konto im Wege der Pfändung eingezogen. Forderungen gegen den Kläger würden nicht mehr geltend gemacht. Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, die Klage sei ursprünglich zulässig und begründet gewesen und erst durch das genannte Ereignis unbegründet geworden. Der Erstattungsanspruch stehe der Gesellschaft zu und könne vom Kläger allein nicht geltend gemacht werden.
10 
Der Beklagte hat der Erledigungserklärung des Klägers zugestimmt. Die Parteien stellen wechselseitige Kostenanträge.
11 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien und der Begründung ihrer Kostenanträge wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
12 
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung in der Hauptsache war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Es erschien angemessen, die Kosten des Rechtsstreits insgesamt dem Kläger aufzuerlegen, weil seine Berufung aller Voraussicht nach keinen Erfolg gehabt hätte.
13 
Maßgebend für die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 91a Rn. 24). Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts hätte voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Denn das Landgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig angesehen (§ 1029 ZPO). Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt.
14 
Die Parteien haben mit der Regelung in § 22 des Gesellschaftsvertrags vom 30.12.2003 wirksam eine Schiedsvereinbarung getroffen (§ 1029 ZPO). Die Form des § 1031 ZPO ist eingehalten. Danach sind sämtliche Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis, insbesondere auch über die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrags sowie einzelner Bestimmungen, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs einem Schiedsgericht zugewiesen. Ausgenommen sind nur diejenigen Streitigkeiten, bei denen kraft Gesetzes die Entscheidung einem Schiedsgericht nicht überlassen werden kann.
15 
Daran ändert auch nichts, dass nach Nr. 2 dieser Vertragsbestimmung die Einzelheiten zur Zuständigkeit und Zusammensetzung des Schiedsgerichts sowie zum Verfahren selbst einem gesonderten Schiedsvertrag vorbehalten waren, der nicht geschlossen wurde. Denn bereits durch Nr. 1 dieser vertraglichen Regelung waren die Streitigkeiten, die der Schiedsvereinbarung unterliegen sollten, eindeutig und abschließend bezeichnet worden. Zweifel am Umfang der Zuweisung an ein Schiedsgericht bestanden nicht. Die Schiedsklausel erfasst alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis mit Ausnahme derjenigen, bei denen die Zuweisung an ein Schiedsgericht aufgrund Gesetzes nicht möglich war. Damit haben sich die Parteien wirksam insgesamt für die Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterstellt.
16 
§ 154 Abs. 1 Satz 1 BGB greift hier nicht ein. Aufgrund der Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass die Parteien nicht die Schiedsvereinbarung selbst davon abhängig machen wollten, dass die Zusammensetzung des Schiedsgerichts sowie das Schiedsverfahren ebenfalls vertraglich geregelt würden. Denn darauf kam es nach der beiderseitigen Interessenlage der Parteien nicht entscheidend an, wie auch die Aufgliederung in zwei getrennte Absätze zeigt. Offensichtlich hatte die einem gesonderten Schiedsvertrag vorbehaltene ergänzende Regelung für die Parteien keine Priorität und keine besondere Bedeutung. Für sie war nur wichtig, zugleich mit dem Abschluss des sodann ins Werk gesetzten Sozietätsvertrags den ordentlichen Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten auszuschließen, etwa aus Geheimhaltungsgründen. Im Übrigen konnte die Vereinbarung zur Zusammensetzung des Schiedsgerichts und zum Verfahren aufgeschoben und ohne Weiteres dem nachträglichen Abschluss eines gesonderten Schiedsvertrags vorbehalten werden. Eilbedürftigkeit bestand diesbezüglich nicht. Das Gesetz sieht für den Fall des Fehlens einer solchen Vereinbarung ausreichend Regelungen vor, die für diesen Fall gelten.
17 
Von der Schiedsvereinbarung, durch die der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ausgeschlossen wird, ist zu unterscheiden die Vereinbarung über das schiedsrichterliche Verfahren zur Ernennung der Schiedsrichter und über Verfahrensvorschriften im Sinne von § 1042 Abs. 3 ZPO (Zöller/Geimer, ZPO § 1029 Rn. 11). Eine solche Vereinbarung brauchte nicht geschlossen werden, weil nach § 1035 Abs. 3 ZPO ein Schiedsrichter ggf. auf Antrag einer Partei durch das Gericht bestellt wird. Auch Verfahrensregelungen für das Schiedsverfahren durch die Parteien bedurfte es nicht. § 1042 Abs. 3 ZPO ermöglicht es zwar den Parteien - vorbehaltlich der zwingenden Vorschriften des 10. Buchs der ZPO - das Verfahren selbst oder durch Bezugnahme auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung zu regeln. Notwendig ist dies aber nicht. Ggf. bestimmt das Schiedsgericht die Verfahrensregeln nach freiem Ermessen selbst, soweit das 10. Buch der ZPO keine Regelung enthält (§ 1042 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
18 
Auch soweit „Einzelheiten“ zur Zuständigkeit in dem gesonderten Schiedsvertrag noch festgelegt werden sollten, liegt keine von den Vertragsparteien auszufüllende Lücke vor, welche die Annahme rechtfertigen könnte, die Parteien hätten die Schiedsvereinbarung insgesamt von einer vollständigen Regelung abhängig machen wollen. Denn diesem gesonderten Schiedsvertrag kam nach der Schiedsklausel keine konstitutive Wirkung zu. Vielmehr war bereits nach Nr. 1 abschließend festgelegt, dass - ausgenommen gesetzliche Regelungen stünden dem entgegen - sämtliche Streitigkeiten dem Schiedsgericht zugewiesen werden. Nr. 2 und der danach vorgesehene gesonderte Schiedsvertrag sollten allenfalls deklaratorisch Einzelheiten benennen, um einen späteren Streit über nichterfasste Streitigkeiten zu vermeiden und Zweifelsfragen von vornherein nicht aufkommen zu lassen. Mit dem Landgericht geht daher auch der Senat davon aus, dass hier eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen ist (ebenso in einem vergleichbaren Fall KG MDR 2011, 952 = NJW 2011, 2978).
19 
Der Auffassung des Senats steht auch nicht die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm entgegen. Denn dessen Entscheidung vom 15.02.2006 (8 U 91/05) beruht auf der Auslegung des dem dortigen Rechtsstreit zugrunde liegenden Sozietätsvertrags. Nach ihrem erkennbaren Willen wollten die dortigen Vertragsparteien die Schiedsklausel nicht ohne den gesonderten Schiedsvertrag gelten lassen. Dies ist nach der vom Senat vorzunehmenden Auslegung des Gesellschaftsvertrags der Parteien mit der Schiedsklausel in § 22 hier anders zu sehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt eine formularmäßig getroffene unwirksame Regelung im Schiedsvertrag nicht schon zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung insgesamt (BGH WM 2007, 959). Dies ist auf den hier gegebenen Fall, dass es zu dem zunächst vorgesehenen gesonderten Schiedsvertrag zur Zusammensetzung des Schiedsgerichts und zum Verfahren selbst nicht gekommen ist, entsprechend übertragbar.
20 
Die Schiedsvereinbarung ist auch nicht nichtig, unwirksam oder undurchführbar, weil ein konkretes Schiedsgericht nicht benannt ist. Einer solchen Festlegung in der Schiedsklausel bedarf es nicht, weil das Gesetz ergänzende Regelungen zur Verfügung stellt (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 03.02.2010 - 8 U 81/09, SchiedsVZ 2010, 279, bei juris Rn. 23). Soweit sich der Kläger auf einen Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 09.01.2006 bezieht (DB 2006, 271) ist dem nicht zu folgen. Das Thüringer Oberlandesgericht stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf die nur verkürzt wiedergegebene Auffassung von Geimer im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.12.1982 (NJW 1983, 1267; vgl. Zöller/Geimer, ZPO § 1029 Rn. 28, 26). In dem dort zur Entscheidung stehenden Fall war unklar geblieben, welches von zwei in Betracht kommenden ständigen Schiedsgerichten entscheiden sollte. Das zur Entscheidung berufene Schiedsgericht war daher weder eindeutig bestimmt noch bestimmbar. Auch nach der im Urteil vom 02.12.1982 vertretenen Auffassung des Bundesgerichtshofs genügte jedoch die allgemeine Bestimmbarkeit des Schiedsgerichts, ggf. in ergänzender Vertragsauslegung (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2011 - III ZB 70/10) oder durch Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 1035 Abs. 3 ZPO.
21 
Die getroffene Schiedsklausel ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil die Rechtsanwaltsgesellschaft inzwischen aufgelöst worden ist. Die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung hängt nicht vom Fortbestehen einer Gesellschaft ab (BGH NJW-RR 2002, 1462 für ausgeschiedenen Gesellschafter; Zöller/Geimer, ZPO § 1029 Rn. 104 a.E.; MünchKommZPO/Münch, 3. Aufl., § 1029 Rn. 113).
22 
Bei dieser Sachlage erschien es angemessen, die Kosten des Rechtsstreits insgesamt dem Kläger aufzuerlegen (§ 91a ZPO), weil seine Berufung voraussichtlich in vollem Umfang zurückgewiesen worden wäre.
III.
23 
Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert für den Berufungsrechtszug festzusetzen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen