Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 (3) SsBs 100/15; 1 (3) SsBs 100/15 - AK 33/15

Tenor

1. Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts O. vom 21. November 2014 gewährt.

2. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgericht O. vom 21. November 2014 aufgehoben.

3. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht O. zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts O. vom 21.11.2014 wegen vorsätzlichen Lagerns bzw. Ablagerns von Abfall zur Beseitigung entgegen § 28 Abs.1 Satz 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz in Tateinheit mit fahrlässigem Zuwiderhandeln gegen die aufgrund des Naturschutzgesetzes Baden-Württemberg erlassene Verordnung des Landratsamts O. über das Naturschutzgebiet „Z.“ zu einer Geldbuße von 10.000 EUR verurteilt. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hat der Betroffene im Zeitraum vom 01.03.2013 bis Anfang Juni 2013 die auf seinem Grundstück, dem ehemaligen Kurhaus U., liegenden Abfallhaufwerke nicht entsorgt, wobei diese dadurch entstanden sind, dass durch das Landratsamt O. zuvor wegen Baufälligkeit der Teilabbruch des Gebäudes angeordnet und im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt worden war.
II.
Die gegen dieses Urteil vom Verteidiger des Betroffenen eingelegte und am 27.11.2014 beim Amtsgerichts O. eingegangene Rechtbeschwerde ist zulässig erhoben, da dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren war.
Zwar lag vorliegend nach erfolgter Zustellung des Urteils am 29.12.2014 bis zum 29.01.2015 keine den Formvorschriften des § 345 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs.3 OWG entsprechende Begründung beim Amtsgericht O. vor, dieses Säumnis hat der Betroffene jedoch nicht zu vertreten. Der Senat sieht vorliegend nämlich den Vortrag des Betroffenen als ausreichend glaubhaft gemacht an, dass die am 22.01.2015 beabsichtigte Begründung der Rechtsbeschwerde zu Protokoll beim Amtsgericht O. deshalb nicht erfolgen konnte, weil zu diesem Zeitpunkt kein aufnahmebereiter Urkundsbeamter der Geschäftsstelle beim Amtsgericht O. anwesend gewesen und von einem Mitarbeiter deshalb die Aufforderung ergangen war, die insoweit vorbereitete und sich auch in den Akten befindliche Erklärung an der Pforte des Amtsgerichts abzugeben.
Der am 09.02.2015 insoweit gestellte Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch fristgemäß eingereicht, denn die nach Wegfall des Hindernisses laufende Wochenfrist des § 45 Abs.1 StPO beginnt, wenn der Wiedereinsetzungsgrund in einem - wie hier aufgrund falscher Verfahrensbehandlung - den Gerichten oder sonstigen Justizbehörden zuzuordnenden Fehler liegt, erst mit Zugang einer Belehrung über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu laufen (BVerfG, Beschluss vom 02.03.2014, 2 BvR 53/13, abgedruckt bei juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 45 Rn.24). Eine solche Belehrung ist vorliegend dem Betroffenen am 05.02.2015 durch das Amtsgericht zugestellt worden, weshalb sowohl der am 09.02.2015 gestellte Wiedereinsetzungs-antrag als auch die am 11.02.2015 zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgte Begründung der Rechtsbeschwerde binnen Wochenfrist erfolgt sind. Die Wirksamkeit dieser beiden Erklärungen steht auch nicht deshalb in Frage, weil sie nicht vom Betroffenen selbst, sondern von dem mit einer wirksamen Generalvollmacht ausgestatteten Vater des Betroffenen als dessen Vertreter abgegeben bzw. zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt worden sind (vgl. hierzu OLG Saarbrücken NJW 1994, 1423; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 297 Rn. 7; § 45 Rn. 24; Einleitung. Rn. 134; Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 345 Rn. 33).
III.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Betroffenen nicht tragen.
1. Soweit das Amtsgericht vom Vorliegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach §§ 69 Abs.1 Nr. 2, 28 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs.1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ausgeht, trifft es allerdings zunächst durchaus zu, dass es sich bei den nach erfolgtem Teilabriss des Gebäudes auf dem Grundstück gelagerten Gegenständen (Abbruchholz. Metall, Sperrmüll) um Abfall i.S.d. § 3 Abs.1 Satz 1 KrWG handelt, da diese nach den getroffenen Feststellungen zunächst verbauten und sich weitgehend auch im Anwesen befindlichen Materialien nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet wurden (vgl. hierzu nur VG Ansbach, Beschluss vom 04.12.2013, AN 11 K 13.005 15; Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Juli 2012, § 3 KrWG Rn. 7 m.w.N.). Weitere Voraussetzung des Vorliegens von Abfall i.S.d. § 3 Abs.1 KrWG ist jedoch, dass sich der Besitzer dieser Stoffe oder Gegenstände entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Wie das Amtsgericht geht der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass es sich bei den Abfallhaufwerken insoweit um Zwangsabfall handelt, dessen sich der Besitzer nicht entledigen wollte, aber deren Verwertung oder - wie hier - Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich war (zum Begriff Häberle, a.a.O., Rn. 8, 25). Insoweit hätte es aber vorliegend nach § 3 Abs.4 KrWG weiterer Feststellungen bedurft, ob diese in den Abfallhaufwerken befindlichen Materialien aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet waren, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden und dessen Gefährdungspotential nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden konnte. Zwar ist insoweit eine konkrete Gefahr nicht notwendig, sondern es reicht die abstrakte Eignung der Gegenstände zur Gefährdung der Allgemeinheit aus (VG Ansbach a.a.O.). Ob es sich aber bei dem Bauschutt etwa um potentiell grundwassergefährdendes Material handelte (vgl. hierzu etwa VG Neustadt, Beschluss vom 11.09.2015, 4 K 162/15, abgedruckt bei juris), erschließt sich nicht ohne weiteres, zumal die Stoffe ja zuvor weitgehend auf dem Grundstück als Teil des Gebäudes schon verbaut waren. Auch hätte es weiterhin im Hinblick auf die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung des Bauschutts einer situationsbezogenen Betrachtung bedurft, in welcher alle Umstände des Einzelfalles, wie die Beschaffenheit der Stoffe, ihre Art, der Ort und die Zeitdauer ihrer Lagerung sowie der Grad der von ihnen ausgehenden Gefahren für das Gemeinwohl zu berücksichtigen gewesen wären, denn an der Gebotenheit einer schadlosen Verwertung oder gemeinwohlverträglichen Beseitigung würde es fehlen, wenn den durch das Material drohenden Gefahren auch anders als durch eine Verwertung oder Beseitigung nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz beizukommen gewesen wäre (VG Ansbach a.a.O. m.w.N.).
2. Auch soweit das Amtsgericht vom Vorliegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 Naturschutzgesetz Baden-Württemberg i.V.m. §§ 5 Abs.2 Nr. 15, 4 Nr. 4 und 5, 9 Nr. 1 und 2 der Verordnung des Landratsamtes O. über das Naturschutzgebiet „Z.“ vom 28.10.2002 ausgeht, ist das Urteil nicht frei von Rechtsfehlern. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 Naturschutzgesetz Baden-Württemberg i.d.F. vom 13.12.2005 (GBL BW S. 745) handelt ordnungswidrig, wer „einer aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschrift zuwiderhandelt, soweit die Rechtsvorschrift für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist“. Um eine solche entsprechende Norm handelt es sich zwar bei der Vorschrift des § 9 der Verordnung des Landratsamtes O. über das Naturschutzgebiet “Z.“ (im Folgenden: VO) vom 28.10.2002, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Landschaftsschutzgebiet verbotene Handlungen nach § 4 VO vornimmt oder entgegen § 5 Abs. 2 VO ohne vorherige Erlaubnis Handlungen vornimmt. Soweit das Amtsgericht ohne nähere Begründung davon ausgeht, dass sich durch die Ablagerung des Bauschutts das Landschaftsbild nachhaltig geändert habe oder die natürliche Eigenart der Landschaft auf andere Weise (§ 4 Nr. 4 VO) oder der Naturgenuss oder der besondere Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt werde (§ 4 Nr. 5 VO), übersieht es jedoch, dass diese Merkmale schon durch die Bauruine zuvor in Mitleidenschaft gezogen waren und sich nicht nachvollziehbar erschließt, aus welchem Grund sich nun allein aus dem Teilabbruch und der zeitweisen Lagerung des Bauschutts eine zusätzliche Beeinträchtigung ergeben haben sollte. Auch soweit in einem Landschaftsschutzgebiet die Lagerung von Gegenständen ohne Erlaubnis der Naturschutzbehörde nach § 5 Abs. 2 Nr. 15 VO verboten ist, besteht das weitere und auch auf die Regelbeispiele des § 5 Abs.1 VO anzuwendende Erfordernis nach § 5 Abs. 1 VO, dass sich durch diese Ablagerung der Charakter des Landschaftsschutzgebietes verändern bzw. eine solche dem Schutzzweck zuwiderlaufen kann. Auch insoweit hat sich das Amtsgericht nicht mit der sich aufdrängenden Frage befasst, ob allein durch die nachmalige Lagerung von Bauschutz in den Abfallhaufwerken die bereits zuvor vorhandene erhebliche Beeinträchtigung in irgendeiner Weise vertieft wurde oder überhaupt hätte vertieft werden können.
3. Sollte das Amtsgericht in einer neuen Verhandlung die oben angeführten Tatbestandsmerkmale als erfüllt ansehen, wird es sich im Rahmen der Bußgeldbemessung des Weiteren damit zu befassen haben, ob das Landratsamt O. mit dem Teilabriss der Bauruine zur Verhinderung des Eintritts eines hier naheliegend zu erwartenden rechtswidrigen Zustandes auch zugleich die Beseitigung des Bauschutts im Wege der Ersatzvornahme hätte anordnen können bzw. müssen oder, falls dies in rechtlicher Hinsicht nicht möglich gewesen wäre, die hier vorliegende Drittverursachung zumindest bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen wäre.
IV.
Das Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht O. zurückverwiesen. Es bestand kein Anlass, eine andere Abteilung des Amtsgerichts mit der Neuverhandlung zu betrauen (§ 79 Abs.6 OWiG).

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