Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 VAs 25/18

Tenor

1. Der Verpflichtungsantrag des ... vom 20.10.2016 gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 14.10.2016 wird verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.

4. Der Geschäftswert wird auf 500, - EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Mit Schreiben vom 20.10.2016 erhob ... beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage und stellte zugleich einen Antrag nach § 123 VwGO, das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, zu verpflichten,
„Eingaben des Klägers sachlich zu prüfen und förmlich zu bescheiden sowie Verleumdungen nach dem Muster des letzten Absatzes des beigefügten Bescheids vom 14.10.2016 - 6 Zs 1249/16 - unter Androhung der gesetzlichen Zwangs- und Ordnungsmittel zu untersagen“.
Der beigefügte Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe betraf eine Anzeigesache der Staatsanwaltschaft Y gegen einen Oberstaatsanwalt und einen Ersten Staatsanwalt, denen der Antragsteller eine Strafvereitelung im Amt zur Last legte. Die Staatsanwaltschaft Y hatte der Strafanzeige mit Verfügung vom 24.05.2016 mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für strafbare Handlungen gem. § 152 Abs. 2 StPO keine Folge gegeben. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe gab in dem Bescheid vom 14.10.2016 - 6 Zs 1249/16 - der Beschwerde des Antragstellers ebenfalls keine Folge. Im letzten Absatz des Bescheids wurden folgende Ausführungen gemacht:
„In der jüngeren Vergangenheit haben Sie eine Vielzahl von Strafanzeigen sowie Beschwerden und sonstige Eingaben angebracht, die sich nach Prüfung ausnahmslos als unbegründet und in ihrem Gesamtzusammenhang und in ihrer Häufung als rechtsmissbräuchlich erwiesen haben. Ich weise darauf hin, dass künftig in den vorliegenden und allen damit zusammenhängenden Sachen etwaige weitere Strafanzeigen, Beschwerden und sonstige Eingaben zur Kenntnis genommen und geprüft werden, Sie jedoch hierauf - sollten Ihre etwaigen weiteren Eingaben kein neues und erhebliches Vorbringen enthalten - keinen Bescheid mehr erhalten werden.“
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.12.2017 - 3 K 6493/16 - wurde der Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit an das Oberlandesgericht Karlsruhe verwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich in der Sache „wohl in erster Linie um ein Klageerzwingungsverfahren handele; jedenfalls sei kein Bezug zum Verwaltungsrecht erkennbar. Nach § 172 StPO sei das Oberlandesgericht Karlsruhe zuständig.“
Nach dem rechtlichen Hinweis des Senats, dass es sich um einen Antrag im Verfahren nach § 23 ff. EGGVG handeln dürfte, beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe mit Zuschrift vom 09.03.2018, den Antrag als unbegründet zu verwerfen. Der Antragsteller erhielt hierzu rechtliches Gehör; er nahm mit - als „Gehörsrüge“ bezeichnetem - Schreiben vom 26.03.2018 zu den Ausführungen Stellung.
II.
Der Antrag des ... vom 20.10.2016 ist - entsprechend § 300 StPO - als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG auszulegen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts Karlsruhe wendet sich der Antragsteller allerdings ersichtlich (nur) gegen den letzten Absatz des Bescheides (Bescheidlosstellung bzw. sogenannte „Verschweigensklausel“), nicht hingegen gegen die im konkreten Fall getroffene Sachentscheidung als solche. Bezüglich Letzterer wäre der Antrag ohnehin unzulässig, da er weder den inhaltlichen Anforderungen genügte noch von einem Rechtsanwalt unterzeichnet wurde (vgl. § 172 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 StPO).
Der Antrag ist teils als unzulässig, teils als unbegründet zu verwerfen. Der Senat geht bei der Auslegung der angegriffenen Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft - zugunsten des Antragstellers, bei dem offensichtlich ein entsprechendes Verständnis vorliegt, - davon aus, dass sich das Absehen von einer Verbescheidung nicht ausschließlich auf Eingaben u.a. im Zusammenhang mit dem Verfahren 6 Zs 1249/16 beziehen, sondern darüber hinaus auch allfällige weitere Verfahren betreffen sollte. Wenngleich der Wortlaut für eine enge Auslegung sprechen dürfte („...in den vorliegenden und allen damit zusammenhängenden Sachen...“ [Unterstreichung durch den Senat]), war die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nicht geboten, da der Antrag auch bei weiter Auslegung zu verwerfen war.
1. Der Antrag ist unzulässig, soweit sich die Mitteilung - gegebenenfalls - auf sonstige Verfahren beziehen sollte; es kann dabei dahinstehen, ob es bereits an einer unmittelbaren Rechtsverletzung fehlt oder jedenfalls der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht (§ 23 Abs. 3 EGGVG).
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Nach der Rechtsprechung sind zunächst Prozesshandlungen der Staatsanwaltschaft, d. h. auf die Einleitung, Durchführung und Gestaltung des Ermittlungsverfahrens und des Verfahrens vor Gericht gerichtete Tätigkeiten, nicht als dem Rechtsweg nach § 23 EGGVG unterworfen anzusehen, da die rechtlichen Möglichkeiten, sich gegen solche Maßnahmen zu wehren oder deren Überprüfung zu erreichen, in der Verfahrensregelung der Strafprozessordnung abschließend enthalten sind (KK-StPO/Mayer, 7. Aufl. 2013, § 23 EGGVG Rn. 31; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 23 EGGVG Rn. 9; jew. mwN).
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Vorliegend ist jedoch die besondere Konstellation gegeben, dass sich - bei weiter Auslegung - die Verschweigensklausel nicht ausschließlich auf das in Rede stehende Verfahren bezöge, sondern auch künftige weitere Eingaben in anderen Verfahren erfasste. Aufgrund dessen dürfte es sich um einen Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG handeln (so OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.02.2013 - 1 VAs 6/12 -, juris [betrifft ebenfalls den Fall einer Bescheidlosstellung]). Ungeachtet dessen ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 EGGVG gleichwohl unzulässig. Dem Antragsteller steht nämlich auch in solchen Fällen, in denen die Generalstaatsanwaltschaft von einer förmlichen Verbescheidung absieht, aus Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich geboten (BVerfG NJW 2017, 3141) jeweils der Rechtsweg nach §§ 171, 172 StPO offen (BGH, Beschluss vom 21.01.2014 - 5 AR (VS) 29/13 -, juris [„fehlende Unmittelbarkeit der Verletzung eines subjektiven Rechts des Antragstellers“]; OLG Frankfurt NJW 2011, 691, juris Rn. 28; OLG Karlsruhe Justiz 2005, 253, juris Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 172 Rn. 6; KK-StPO/Moldenhauer, aaO, § 172 Rn. 6; MüKoStPO/Kölbel, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 25 a.E.; das OLG Sachsen-Anhalt, aaO, verhält sich zu dieser Frage nicht, obgleich die Sache ein allgemeines Absehen von einer förmlichen Verbescheidung betraf).
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2. Bezogen auf die Bescheidlosstellung im Zusammenhang mit dem anhängigen Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft 6 Zs 1249/16 ist der Antrag unbegründet. Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, welcher auch der Senat beitritt, kann die Staatsanwaltschaft in Fällen hartnäckiger und uneinsichtiger Querulanz auf die Erteilung eines Einstellungsbescheids verzichten. Ein solcher Fall liegt vor bei Strafanzeigen von amtsbekannten Querulanten, bei denen es sich um Wiederholungen eines bereits in einem früheren Verfahren als haltlos festgestellten Vorwurfs handelt oder bei so genannten Anzeigenserien (u.a. „Kettenanzeigen“), in denen immer neue Personen als Beschuldigte benannt werden, oder wenn erkennbar ist, dass die Strafjustiz lediglich sinnlos beschäftigt werden soll bzw. Anzeigen in besonders großer Zahl nachweislich nur die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden lahmlegen sollen. Ein Anzeigeerstatter hätte in einem solchen Fall seinen Anspruch auf einen Einstellungsbescheid verwirkt (OLG Sachsen-Anhalt, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 171 Rn. 2; KK-StPO/Moldenhauer, aaO, § 171 Rn. 7; SSW-StPO/Sing/Vordermayer, 2. Aufl. 2016, § 171 Rn. 9; BeckOK StPO/Gorf, 29. Edition, Stand 01.01.2018, § 171 Rn. 7; HK-StPO/Zöller, 5. Aufl. 2012, § 171 Rn. 4; Kockel/Vossen-Kempkens NStZ 2001, 178; Franzheim GA 1978, 142; einschränkend: SK-StPO/Wohlers/Albrecht, 5. Aufl. 2016, § 171 Rn. 8; LR-StPO/Graalmann-Scheerer, 26. Aufl. 2007, § 171 Rn. 9; MüKoStPO/Kölbel, aaO, § 171 Rn. 6). Auch soweit eine enge Ansicht vertreten wird, besteht allerdings Einigkeit, dass jedenfalls in extremen Exzessfällen eine „endlose Verbescheidung“ nicht geboten ist. Vorliegend hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Hinweis ausdrücklich angemerkt, dass auch weiterhin sämtliche Eingaben u.a. des Antragstellers sachlich geprüft werden, sodass sie ihrer Verpflichtung einer inhaltlichen Bewertung, welche übereinstimmend als geboten erachtet wird, auch in Zukunft nach wie vor nachkommt.
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In anderen Fällen als Strafanzeigen ist in der Rechtsprechung darüber hinaus anerkannt, dass ein offenkundig rechtsmissbräuchliches Vorgehen keine obligatorische Tätigkeit der Gerichte bewirken muss. Beispielsweise muss ein potentieller Beschwerdeführer nicht zum Amtsgericht ausgeführt werden, um offenkundig unzulässige, weil überhaupt nicht statthafte Rechtsmittel zu Protokoll der Geschäftsstelle aufnehmen zu lassen (OLG Rostock, Beschluss vom 02.06.2017 - 20 Ws 94/17 -, juris).
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Letztlich hat der Gesetzgeber in der Rechtsordnung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten auch ausdrücklich als solches anerkannt. Nach § 34 Abs. 2 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Art. 41 Abs. 2 GG einen Missbrauch darstellt oder wenn ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 BVerfGG) missbräuchlich gestellt ist (vgl. anschaulich BVerfG, Beschluss vom 04.04.2018 - 2 BvR 412/18 -, juris [mehrere hundert offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellte Verfassungsbeschwerden und PKH- und Beratungshilfeanträge]).
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Beim Antragsteller, der im Übrigen auch den drei Strafsenaten des Oberlandesgerichts Karlsruhe wohl bekannt ist, kommt hinzu, dass ihm sowohl der VII. Zivilsenat (Beschluss vom 29.03.2017 - VII ZB 8/17) als auch der 2. Strafsenat (Beschluss vom 11.05.2017 - 2 ARs 290/16 u.a.) des Bundesgerichtshofs für künftige Fälle ein Absehen von einer Verbescheidung mitgeteilt haben; der 2. Strafsenat hatte in dem Beschluss über 53 (!) unzulässige Beschwerden des Antragstellers entschieden. Demzufolge wird auch vom Bundesgerichtshof eine solche Bescheidlosstellung grundsätzlich rechtlich anerkannt und angewendet. Vor diesem Hintergrund praktiziert auch der erkennende Senat seit längerer Zeit bei seinen Entscheidungen über Eingaben u.a. des Antragsstellers eine entsprechende Mitteilung.
III.
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Die Beschwerde zum Bundesgerichtshof ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EGGVG nicht gegeben sind. Die Entscheidung ist demzufolge unanfechtbar (BGH, Beschluss vom 01.09.2011 - 5 AR (VS) 46/11 -, juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 GNotKG, Nr. 15301 KV zum GNotKG. Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Kosten (§ 21 Abs. 1 GNotKG) liegen nicht vor.
18 
Die Festsetzung des Geschäftswerts ergibt sich aus § 79 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 GNotKG).
IV.
19 
Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass in diesem Verfahren eventuell eingehende weitere Schreiben des Antragstellers zwar inhaltlich geprüft werden. Sollten sich insoweit jedoch keine neuen rechtlich oder tatsächlich bedeutsamen Umstände ergeben, wird seitens des Senats keine Reaktion mehr erfolgen. Der Senat muss es nicht hinnehmen, durch sinnlose Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazitäten bei der Erfüllung seiner Aufgaben behindert zu werden, so dass anderen Rechtssuchenden nur verzögert Rechtsschutz gewährt werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23.02.2016 - 2 BvR 63/16, 2 BvR 60/16 - und vom 29.06.2010 - 1 BvR 2358/08; BGH, Beschlüsse vom 07.02.2017 - 5 AR (VS) 4/17 - und vom 11.05.2017 - 2 ARs 290/16 u.a. - [den Antragsteller betreffend]).

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