Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 W 25/19

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägervertreters und von Amts wegen wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Heidelberg – 2 O 50/18 – in der Fassung der Abhilfeentscheidung vom 7. August 2019 aufgehoben und der Streitwert auf 22.400 EUR festgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Widerrufs der auf Abschluss eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges gerichteten Willenserklärung.
Der Kläger schloss mit der Beklagten am 19. Mai 2015 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 22.400 EUR (Anlage K1). Mit diesem Darlehen finanzierte der Kläger den Kauf eines Fahrzeugs zum Preis von 18.400 EUR. In Höhe von 4.000 EUR wurde das Darlehen zur Ablöse eines Kfz-Vordarlehens genutzt. Der Kläger widerrief seine auf Abschluss des Darlehensbetrages gerichtete Willenserklärung am 11. Januar 2017. Bis zum Widerruf zahlte er an die Beklagte 5.860,07 EUR.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerpartei infolge ihrer Widerrufserklärung vom 11. Januar 2017 aus dem mit der Beklagtenpartei zwecks Finanzierung des V FiN: 123 abgeschlossenen Darlehensvertrags Nr. 123 weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB schuldet.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerpartei der Beklagtenpartei keinen Wertersatz schuldet für den Wertverlust, der an dem im Klageantrag Ziffer. 1 genannten Fahrzeug seit der Übergabe an die Klägerpartei eintritt.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Übernahme des unter Ziffer 1 genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klägerpartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerpartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 1.680,28 EUR freizustellen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 29. November 2018 die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 3. Januar 2019 Berufung eingelegt.
Mit Beschluss vom 29. November 2019 (I 392) hat das Landgericht den erstinstanzlichen Streitwert auf 5.860,07 EUR festgesetzt.
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Hiergegen hat der Klägervertreter mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 28. Mai 2019 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 18.400 EUR festzusetzen. Der Streitwert richte sich nach dem Nettodarlehensbetrag abzüglich des Ablösebetrages für das Vordarlehen. Die Beklagte hat sich der Auffassung des Klägervertreters angeschlossen und ebenfalls um Festsetzung des Streitwerts auf 18.400 EUR gebeten.
11 
Das Landgericht hat der Beschwerde zum Teil abgeholfen und mit Beschluss vom 7. August 2019 (I 461) den Streitwert auf 12.539,93 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Gesamtstreitwert zwar auf den Nettodarlehensbetrag belaufe, wenn der Kläger in Fällen finanzierter Geschäfte begehre, so gestellt zu werden, als hätte er das Finanzierungsgeschäft nicht getätigt. Auf den vorliegenden Fall sei diese Rechtsprechung jedoch nicht übertragbar, da der Kläger nicht die Rückzahlung der von ihm bis zum Widerruf geleisteten Zahlungen beantragt und daher nicht begehrt habe, so gestellt zu werden, als hätte er das Finanzierungsgeschäft nicht getätigt. Vom streitgegenständlichen Darlehensnettobetrag (22.400 EUR) abzüglich des Ablösebetrages für das Vordarlehen (4.000 EUR) seien daher seine geleisteten Zahlungen (5.860,07 EUR) mangels Zugehörigkeit zur streitgegenständlichen Beschwer abzuziehen.
II.
12 
Die Beschwerde des Klägervertreters ist gem. § 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässig. Aufgrund der Beschwerde und gleichzeitig von Amts wegen gem. § 63 Abs. 3 GKG ist die Streitwertfestsetzung des Landgerichts in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 7. August 2019 abzuändern und der Streitwert auf 22.400 EUR festzusetzen. Dies entspricht dem Wert des Klageantrags Ziffer 1) [1.]. Die weiteren Anträge wirken nicht streitwerterhöhend [2.].
13 
1. Der Antrag festzustellen, dass der Kläger infolge seiner Widerrufserklärung weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB schuldet, hat einen Wert in Höhe von 22.400 EUR.
14 
a) Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 358 BGB bemisst sich der Streitwert für die Feststellungsklage, dass nach einem wirksamen Widerruf keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr geschuldet werden, nach der Summe der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – XI ZR 674/16 –, juris Rn. 1; BGH, Beschluss vom 16. Juli 2019 – XI ZR 538/18 –, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 20. April 2020 – XI ZR 12/19 –, juris Rn. 5). Im Anwendungsbereich des § 358 BGB bemisst sich der Gesamtstreitwert dagegen nach der Höhe des Nettodarlehensbetrages, wenn der Darlehensnehmer wirtschaftlich betrachtet begehrt, so gestellt zu werden, als hätte er das Geschäft nicht getätigt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2015 – XI ZR 121/14 –, juris Rn. 3). Dieser Wert wird gegebenenfalls um einen aus Eigenmitteln aufgebrachten Betrag zur Finanzierung des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Geschäfts erhöht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 – XI ZR 335/13 –, juris Rn. 3). Dies gilt auch im Fall einer negativen Feststellungsklage (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Oktober 2019 – 6 W 47/19 – juris Rn. 13f; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. Dezember 2019 – 11 W 41/19 – juris, Rn. 21; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Februar 2020 – 17 W 37/19 – juris Rn. 12; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. Februar 2020 – 4 W 4/20 –, juris Rn. 3; aA OLG Köln, Beschluss vom 9. Juli 2018 – 12 U 20/17 –, juris Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. März 2020 – 14 W 17/20 –, juris Rn. 15 ff).
15 
b) Nach diesen Grundsätzen beläuft sich der Streitwert vorliegend auf 22.400 EUR.
16 
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Streitwert beim Darlehenswiderruf im Anwendungsbereich des § 358 BGB ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, auch wenn der Kläger mit dem Klageantrag zu 1) lediglich die Feststellung begehrte, dass er keine weiteren Zins- und Tilgungsleistungen mehr schuldet, nicht jedoch im Rahmen eines weiteren Zahlungsantrages die Rückzahlung der bis zum Widerruf geleisteten Zahlungen beantragt. Denn ebenso wie bei den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen begehrt der Kläger wirtschaftlich so gestellt zu werden, als habe er das verbundene Geschäft nicht getätigt. Ob dies bei einer negativen Feststellungsklage immer der Fall ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben, zumindest ohne weitere konkrete gegenteilige Anhaltspunkte ist davon üblicherweise auszugehen. Vorliegend wird der Wille des Klägers, so gestellt zu werden, als hätte er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht getätigt, deutlich an den Klageanträgen zu 2) und zu 3), mit denen der Kläger Feststellung begehrte, dass er der Beklagten für die Nutzung des Fahrzeuges keinen Wertersatz schulde und diese sich mit der Rücknahme des Fahrzeuges in Annahmeverzug befinde. Im Übrigen hat der Kläger bereits angekündigt, gegebenenfalls weitere Ansprüche geltend zu machen (Klageschrift S. 8, I 17).
17 
Ausgehend von einem Nettodarlehensbetrag in Höhe von 22.400 EUR, der die Ablöse für das in Zahlung gegebene Fahrzeug (Leistung aus Eigenmitteln) enthält, führt dies daher zu einem erstinstanzlichen Streitwert in derselben Höhe.
18 
2. Die weiteren Klageanträge führen zu keiner Werterhöhung gem. § 39 Abs. 1 GKG.
19 
a) Der Feststellungsantrag zu 2) wirkt nicht werterhöhend, da im Rahmen der wirtschaftlich mit der Klage begehrten Gesamtrückabwicklung des Darlehensvertrages und des verbundenen Geschäfts ein möglicher Wertersatzanspruch lediglich einen Abzugsposten darstellt, der in der Bewertung des Rückabwicklungsverhältnisses bereits enthalten ist. Vom gebildeten Gesamtstreitwert ist somit auch der Klageantrag Ziffer 2) umfasst.
20 
b) Die Feststellung des Annahmeverzugs hat keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – XI ZR 109/17 –, juris Rn. 4).
21 
c) Der Klageantrag Ziffer 4) betrifft eine Nebenforderung und wirkt daher gem. § 43 Abs. 1 GKG ebenfalls nicht streitwerterhöhend.

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