Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 6 U 259/21

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19.08.2021, Az. 25 O 19/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last.

3. Dieses Urteil und das zu 1. bezeichnete Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich Ziff. I des Tenors des zu 1. bezeichneten Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000 EUR und im Übrigen in Höhe von 110 % des nach dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in der oben genannten Höhe und im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
A.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen behaupteter Wettbewerbsverletzungen auf Unterlassung von Werbeaussagen in Anspruch.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Demnach soll er insbesondere darauf achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu den Mitgliedern gehören 159 Unternehmen der Lebensmittelbranche, davon 123 Hersteller und Vertreiber von Nahrungsergänzungsmitteln und Diätetika. Der Kläger ist nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, seine satzungsgemäßen Aufgaben wahrzunehmen.
Die Beklagte vertreibt in Deutschland verschiedene Gesundheitsprodukte, darunter seit 2016/2017 auch die Hustenmittel „[H1]“ (Anlage K5), „[H2]“ (Anlage K6) und „[H3]“ (Anlage K7). Die Produkte der [H]-Reihe werden ausweislich der auf ihnen angebrachten CE-Kennzeichnung als Medizinprodukte (Klasse IIa) in den Verkehr gebracht und haben das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 11 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 93/42/EG in der jeweils gültigen Fassung durchlaufen. Auf den Schauseiten der Umverpackungen aller drei [H]-Produkte (Anlagen K5 bis K7) sowie den Fläschchen der beiden [H]-Säfte (Anlagen K5 und K6) – jeweils unterhalb der Produktbezeichnung – heißt es durch Großbuchstaben und zentrierte Ausrichtung hervorgehoben:
„TROCKENER UND PRODUKTIVER HUSTEN“,
Auf der Seitenlasche der Umverpackungen bzw. der Rückseite der Fläschchen ist
u.a. die folgende Angabe angebracht:
„[H] (...) ist für die Behandlung von trockenem und produktivem Husten (...) geeignet.“
In den Gebrauchsinformationen der drei [H]-Produkte (Anlagen K8 bis K10) heißt es:
„Hustensäfte gegen trockenen und produktiven Husten“ bzw. (bei den Lutschtabletten) „Trockener und produktiver Husten“
10 
„[H] [...] ist für die Behandlung von trockenem und produktivem Husten [...] geeignet“
11 
„(...) bei produktivem Husten fördert es die Befeuchtung und den Abfluss des
12 
Schleims“
13 
In der Gebrauchsinformation der Lutschtabletten (Anlage K10) heißt es weiter:
14 
„Für die Behandlung von trockenem und produktivem Husten bietet die [H]-Linie neben den praktischen Lutschtabletten auch einen Hustensaft in zwei Formulierungen“
15 
Im Übrigen werden die [H]-Produkte auch in dem Internetauftritt www.[h].de zur Anwendung bei trockenem und produktivem Husten beworben (Anlage K11). Wörtlich heißt es dort:
16 
„Ein einziges Produkt zur Abhilfe von trockenem und produktivem Husten“
17 
„Dank ihres neuen Therapieansatzes, wirken [H] Hustensäfte sowohl gegen trockenen als auch produktiven Husten“
18 
„Die Formulierung von [H] Erwachsene wurde speziell als Antwort auf alle Hustenarten bei Erwachsenen und Jugendlichen über 12 Jahren entwickelt“
19 
„[H] ist ein sowohl bei trockenem als auch bei produktivem Husten nützliches Produkt, das die Schleimhaut schützt, indem es die Reizung beruhigt und das den Abfluss des Schleims fördert.“
20 
Die Beklagte verfügt für die genannten [H]-Produkte über eine CE-Zertifizierung als Medizinprodukte der Klasse IIa. Benannte Stelle i.S.d. der Richtlinie 93/42/EWG ist das Oberste Italienische Gesundheitsinstitut (Istituto Superiore di Sanità).
21 
Der Kläger, der die Angaben zur Wirksamkeit bei produktivem Husten für irreführend hält, mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 10.12.2019 vorgerichtlich ab und forderte diese zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung hinsichtlich der beanstandeten Angaben auf. Dies ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 20.12.2019 zurückweisen. In dem diesem Rechtsstreit vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erließ das Landgericht nach mündlicher Verhandlung daraufhin mit Urteil vom 27.03.2020 die begehrte (inhaltsgleiche) einstweilige Verfügung (Anlage K1). Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Senats vom 14.10.2020 (Az.: 6 U 59/20, GRUR-RR 2021, 232 ff) zurückgewiesen. Nach Aufforderung zur Erhebung der Hauptsacheklage leitete der Kläger das hiesige Verfahren ein.
22 
Der Kläger hat geltend gemacht, die beanstandeten Angaben verstießen gegen die Irreführungsverbote des § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG und des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MPG, weil sie den [H]-Produkten eine Wirkung beilegten, die die Mittel tatsächlich nicht hätten. Die auf den Schauseiten der Umverpackungen aller drei [H]-Produkte (Anlagen K5 bis K7) sowie den Fläschchen der beiden [H]-Säfte (Anlagen K5 und K6) – jeweils unterhalb der Produktbezeichnung – blickfangartig und durch Großbuchstaben und zentrierte Ausrichtung hervorgehobenen Angaben sowie die Angaben auf der Internetseite www.[h].de erweckten bei dem angesprochenen Verkehr den unzutreffenden Eindruck, die [H]-Produkte könnten (auch) zur Behandlung von produktivem Husten eingesetzt werden. Produktiver Husten resultiere aus einer Entzündung der zu den unteren Atemwegen gehörenden Bronchien, die dort zu einer vermehrten Bildung von Schleim führe. Er werde durch die Reizung der Hustenrezeptoren der unteren Atemwege verursacht. Seine Therapie ziele darauf ab, die Lösung und das Abhusten des Schleims zu unterstützen, wofür schleimlösende Mittel (sogenannte Expektoranzien) eingesetzt würden. Bei trockenem Husten, der durch in den oberen Atemwegen befindliche Hustenrezeptoren hervorgerufen werde, kämen dagegen Hustenstiller (sogenannte Antitussiva) zum Einsatz. Ein Hustenmittel, das – wie [H] – zur Anwendung bei trockenem und produktivem Husten ausgelobt werde, werde somit zugleich als Hustenstiller und Schleimlöser beworben. Es existiere keine klinische Untersuchung, die eine Wirksamkeit von [H] bei produktivem Husten zeige. Die Studien von [W1] et al. und [W2] et al. (Anlagen K20 und K21) seien nicht darauf gerichtet gewesen, die Wirksamkeit von [H] bei produktivem Husten zu untersuchen. Die Inhaltsstoffe der [H]-Produkte ließen ausweislich ihrer allgemeinen Beurteilung durch den für die wissenschaftliche Bewertung von pflanzlichen Wirkstoffen zuständigen Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC)) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) (vgl. sog. HMPC-Monographien, Anlagen K17 bis K19) ebenfalls keinen Rückschluss auf eine Wirksamkeit der Mittel bei produktivem Husten zu. Keiner der in [H] enthaltenen pflanzlichen Wirkstoffe sei nach der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen (ATC) Arzneimittelklassifikation zudem in die Gruppe pflanzlicher Expektoranzien (Code R05CP) eingeordnet. Die oral einzunehmenden [H]-Produkte könnten aus physiologischen und anatomischen Gründen nach ihrer Einnahme nur im Mund- und Rachenraum, von dem aus sie in die Speiseröhre gelangten, und damit nur in den oberen Atemwegen physikalisch wirken, nicht dagegen im Bronchialtrakt. Die Wirkung von [H] könne sich daher nur auf solche Hustenarten beziehen, die durch in den oberen Atemwegen befindliche Hustenrezeptoren hervorgerufen würden, mithin nur auf trockenen Husten. Produktiver Husten, der durch eine Reizung der Hustenrezeptoren in den unteren Atemwegen verursacht werde, könne dagegen nicht lokal in den oberen Atemwegen gelindert werden. Die angegriffenen Aussagen seien daher irreführend.
23 
Sofern die Beklagte, wie in dem in Anlagenkonvolut K11 auszugsweise wiedergegebenen Internetauftritt „www.[h].de“ geschehen, für die Medizinprodukte „[H2]“ und/oder „[H3]“ mit der Angabe wie folgt werbe: „Die Formulierung von [H] Erwachsene wurde speziell als Antwort auf alle Hustenarten bei Erwachsenen und Jugendlichen über 12 Jahren entwickelt“, sei dies ebenfalls irreführend. Es werde beim Verkehr der unzutreffende Eindruck erweckt, bei dem Präparat handele es sich um ein „Universalmittel“ auch gegen schwerwiegendere Hustenformen, wie beispielsweise Raucherhusten, Keuchhusten, allergischer Husten, Bluthusten, chronische Bronchitis, chronische obstruktive Lungenerkrankung oder Hustenanfälle.
24 
Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der Nachweis der behaupteten Wirksamkeit von [H] bei produktivem Husten sei durch die CE-Kennzeichnung der Produkte geführt. Die CE-Zertifizierung entbinde Anbieter von Medizinprodukten nicht davon, die Richtigkeit ihrer Werbeaussagen zu belegen. Bei den in Rede stehenden Medizinprodukten der Klasse IIa finde keine Überprüfung der Produktleistung für die Zertifizierung statt. Das Behinderungsverbot nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG stehe einer wettbewerblichen Überprüfung der Wirksamkeitsangaben daher von vornherein nicht entgegen. Ohnehin bestehe anders als bei einem Verwaltungsakt keine Bindung an die Zertifizierungsentscheidung durch die Benannte Stelle. Die vorgelegten Stellungnahmen der Benannten Stelle vom 21.05.2020 (Anlage B2) und 07.06.2021 (Anlage B3) änderten daran nichts.
25 
Der Kläger hat beantragt:
26 
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
27 
1. für die Medizinprodukte „[H1]" und/oder „[H2]" mit den Angaben zu werben,
28 
1.1 „Trockener und Produktiver Husten" und/oder
29 
1.2 „[H] (...) ist für die Behandlung von trockenem und produktivem Husten (...) geeignet"
30 
wie jeweils auf den in Anlagen K 5 und K 6 wiedergegebenen
31 
Umverpackungen und Behältnissen geschehen; und/oder
32 
1.3 „Hustensäfte gegen trockenen und produktiven Husten" und/oder
33 
1.4 „(...) bei produktivem Husten fördert es die Befeuchtung und den Abfluss des Schleims" und/oder
34 
1.5 „[H] ist für die Behandlung von trockenem und produktivem Husten geeignet"
35 
wie jeweils in den in Anlagen K 8 und K 9 wiedergegebenen Gebrauchsinformationen geschehen; und/oder
36 
1.6 „Ein einziges Produkt zur Abhilfe von trockenem und produktivem Husten" und/oder
37 
1.7 „Dank ihres neuen Therapieansatzes, wirken [H] Hustensäfte sowohl gegen trockenen als auch produktiven Husten" wie in dem in Anlagenkonvolut K 11 auszugsweise wiedergegebenen Internetauftritt www.[h].de geschehen;
38 
2. für die Medizinprodukte „[H1]" und/oder „[H3]" mit der Angabe zu werben,
39 
„Die Formulierung von [H] Erwachsene wurde speziell als Antwort auf alle Hustenarten bei Erwachsenen und Jugendlichen über 12 Jahren entwickelt" wie in dem in Anlagenkonvolut K 11 auszugsweise wiedergegebenen Internetauftritt www.[h].de geschehen;
40 
3. für das Medizinprodukt „[H3]" mit den Angaben zu werben,
41 
3.1 „Trockener und Produktiver Husten" und/oder
42 
3.2 „[H3] ist für die Behandlung von trockenem und produktivem Husten bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren geeignet" wie jeweils auf der in Anlage K 7 wiedergegebenen Umverpackung und in der in Anlage K 10 wiedergegebenen Gebrauchsinformation geschehen; und/oder
43 
3.3 „(...) bei produktivem Husten fördert es die Befeuchtung und den Abfluss des Schleims" und/oder
44 
3.4 „Für die Behandlung von trockenem und produktivem Husten bietet die [H] Linie neben den praktischen Lutschtabletten auch einen Hustensaft in zwei Formulierungen" wie in der in Anlage K 10 wiedergegebenen Gebrauchsinformation geschehen; und/oder
45 
3.5 „Ein einziges Produkt zur Abhilfe von trockenem und produktivem Husten" wie in dem in Anlagenkonvolut K 11 auszugsweise wiedergegebenen Internetauftritt www.[h].de geschehen.
46 
Die Beklagte hat beantragt,
47 
die Klage abzuweisen.
48 
Die Beklage hat geltend gemacht, die [H]-Produkte seien auch zur Behandlung von produktivem Husten geeignet. Den Studien von [W2] et al. (Anlage K21) und von [W1] et al. (Anlage K20) sei – jedenfalls unter Berücksichtigung der Vermutungswirkung der CE-Zertifizierung – eine Aussage zur Wirksamkeit von [H] bei produktivem Husten zu entnehmen. Ein Ausschluss von Probanden mit produktivem Husten oder eine gezielte Aufnahme von Probanden mit trockenem Husten sei nicht erfolgt. Sowohl auf den Verpackungen als auch auf der Internetseite www.[h].de und im Rahmen der Gebrauchsinformationen werde erläutert, dass bei trockenem Husten die Schleimhautreizung bekämpft und bei produktivem Husten die Befeuchtung und der Abfluss des Schleims gefördert werde. Husten, auch produktiver, könne ein Symptom verschiedenster Erkrankungen sein. Produktiver Husten könne aus einer Entzündung der unteren Atemwege resultieren, aber ebenso aus einer Erkrankung der oberen Atemwege. Zur Entfaltung einer hustenberuhigenden Wirkung müsse ein Produkt nicht notwendigerweise diejenigen Hustenrezeptoren erreichen, die für das Auslösen des Hustenstoßes verantwortlich seien. Folglich müssten auch die [H]-Produkte keine unmittelbare Wirkung auf die Hustenrezeptoren in den unteren Atemwegen ausüben. Eine – tatsächlich auch nicht vorhandene – schleimlösende Wirkung der [H]-Produkte erwarte der durchschnittliche Verbraucher daher nicht. Der neue Therapieansatz von [H] sei, dass er weder ein Hustenmittel noch ein schleimlösendes Mittel (Expektorant) sei. Er sei ein Schutzmittel und reduziere somit jene Ereignisse, die zu Husten (sowohl produktiven als auch trockenen Husten) führten.
49 
Die CE-Zertifikate belegten die vom Kläger zu widerlegende Vermutung, dass die Produkte mit den einschlägigen Vorschriften konform seien. Medizinprodukte, die ein CE-Zertifizierungsverfahren in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union durchlaufen hätten, dürften vor dem Hintergrund der Richtlinie 93/42/EG (im Folgenden: Medizinprodukte-Richtlinie, MPRL) ohne weitere Prüfung in allen anderen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden und zwar unabhängig von der jeweiligen Prüfungstiefe. Insbesondere das Behinderungsverbot nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie verbiete es einzelnen Mitgliedstaaten, zusätzliche Anforderungen und Beschränkungen hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit eines Produkts mit CE-Zertifizierung vorzusehen.
50 
Die beanstandeten Angaben zur Zweckbestimmung der [H]-Produkte – trockener und produktiver Husten – seien im Zertifizierungsverfahren aber auch anzugeben gewesen und dort geprüft worden, zumal es zu den grundlegenden Anforderungen der Medizinprodukterichtlinie gehöre, dass die Produkte die vom Hersteller vorgegebenen Leistungen erbrächten. Gegenstand der Zertifizierungen seien auch die beanstandeten Wirkungen gewesen. Dies entspreche den Vorgaben für das Zertifizierungsverfahren aus Anhang II der Medizinprodukterichtlinie. Die Prüfungen umfassten den Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen nach Anhang I im Rahmen einer klinischen Bewertung des Produkts nach Maßgabe des Anhangs X (vgl. Anhang I Ziff. 6a), wobei dies für zumindest eine repräsentative Probe einer jeden Produktunterkategorie zu erfolgen habe. Nach der Konkretisierung durch den Leitfaden „Bewertung der Technischen Dokumentation durch die Benannten Stellen" beinhalte die Prüfung u.a. die Überprüfung der klinischen Bewertung und der vom Hersteller zur Verfügung gestellten Informationen wie Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung. Die Benannte Stelle habe die [H]-Produkte zertifiziert, nachdem die klinische Bewertung und die Kennzeichnung in italienischer Sprache mit beglaubigter Übersetzung in die deutsche Sprache geprüft und als ausreichend erachtet worden seien, um die Konformität der Produkte mit den entsprechenden grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang I der Medizinprodukterichtlinie nachzuweisen.
51 
Nach der Zertifizierung habe die Zweckbestimmung, weil sie für den Anwender nicht offensichtlich sei, nach der Richtlinie zwingend deutlich auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung angebracht werden müssen. Solche Pflichtangaben dürften von nationalen Gerichten nicht aus heilmittelwerberechtlichen Gründen untersagt werden. Eine Untersagung sei eine durch die Richtlinie verbotene Behinderung, weil ohne die Pflichtangaben die Produkte nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürften. Nach dem Gerichtshof der Europäischen Union und dem Bundessozialgericht sei ebenfalls davon auszugehen, dass ein CE-zertifiziertes Medizinprodukt mit zertifizierter Zweckbestimmung die grundlegenden Anforderungen erfülle und sich für seinen Verwendungszweck eigne.
52 
Vor diesem Hintergrund seien die Irreführungsverbote nach § 4 Abs. 2 MPG, §§ 3, 3a UWG und § 3 S. 1, S. 2 Nr. 1 HWG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf die im Konformitätsverfahren geprüfte Zweckbestimmung des Medizinprodukts bezögen, sondern auf darüberhinausgehende oder andere dem Medizinprodukt in der Werbung zugeschriebene Leistungen oder Wirkaussagen (sog. werblicher Überschuss). Daher seien die nach der Medizinprodukterichtlinie zwingenden Pflichtangaben zur Zweckbestimmung des Medizinprodukts auf der Umverpackung und in der Gebrauchsinformation keine Werbung im Sinne von § 4 MPG, § 3 HWG. Auch § 6 Abs. 4 MPG weise weder privaten Dritten noch nationalen Gerichten die Rechtsmacht zu, die Zulässigkeit des Vertriebs zertifizierter Medizinprodukte unter Verletzung der Mitwirkungs- und Entscheidungsbefugnisse der EU-Kommission davon abhängig zu machen, dass der bereits geführte Nachweis der Funktionstauglichkeit im Wettbewerbsprozess unter Anlegung anderer nationaler (verschärfter) Prüfungsmaßstäbe erneut geführt werden müsste.
53 
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen aller Feststellungen und Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 3a, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3 S. 1, S. 2 Nr. 1 HWG zu. Die Beklagte verstoße mit den beanstandeten Angaben gegen das Irreführungsverbot des § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG und erfülle damit den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG. Die Angaben legten den [H]-Produkten eine therapeutische Wirkung bei, die sie nicht hätten. Die angesprochenen Verkehrskreise entnähmen den Angaben eine vorbehaltlose und uneingeschränkte Wirksamkeit gegen produktiven Husten. Der Durchschnittsverbraucher fasse die beanstandete Auslobung „Die Formulierung von [H] Erwachsene wurde speziell als Antwort auf alle Hustenarten bei Erwachsenen und Jugendlichen über 12 Jahren entwickelt“, die sich auf der Unterseite zum [H1] und der Unterseite zu den [H3] (jeweils enthalten in Anlage K11) im Internetauftritt der Beklagten befinde, nicht so auf, dass mit allen Hustenarten nur trockener und produktiver Husten gemeint sei. Vielmehr verstehe der Durchschnittsverbraucher die Angaben ihrem Wortlaut entsprechend umfassend, nämlich, dass alle denkbaren Hustenarten ohne Rücksicht auf ihre Ursache, insbesondere Raucherhusten, Keuchhusten, allergischer Husten, Bluthusten, chronische Bronchitis, chronische obstruktive Lungenerkrankung oder Hustenanfälle behandelt werden könnten. Die beanstandeten Angaben seien irreführend, da im Streitfall davon auszugehen sei, dass die betroffenen Produkte die einschränkungslos ausgelobten Wirkungen jedenfalls bei produktivem Husten nicht haben. Darauf, ob sie bei produktivem Husten sogar gänzlich wirkungslos seien, komme es nicht an. Der Überprüfung der beanstandeten Angaben nach dem Wettbewerbsrecht stehe die CE-Zertifizierung der [H]-Produkte durch eine Benannte Stelle i.S.d. der Richtlinie 93/42/EWG nicht entgegen. Bei den beanstandeten Angaben handele es sich um Werbung i.S.d. § 3 HWG. Dass Angaben zur Zweckbestimmung auf der Umverpackung und der Flasche sowie in der Gebrauchsanweisung bei den [H]-Produkten erforderlich seien, weil ihre Zweckbestimmung für den Anwender nicht offensichtlich sei (§ 7 Abs. 1 MPG i.V.m. Ziff. 13.4 Anhang I MPRL), schließe eine Anwendung des § 3 HWG jedenfalls dann nicht aus, wenn es sich wie im Streitfall um nicht von der Benannten Stelle im Zertifizierungsverfahren förmlich geprüfte und bescheinigte Angaben handelt, denn zumindest in diesem Fall bestehe kein Zwang, solche Angaben, wenn sie nicht belegt seien, auf den Produkten, ihren Umverpackungen oder in den Gebrauchsanweisungen anzubringen. Die Zuwiderhandlung der Beklagten sei geeignet, die Interessen von Verbrauchern i.S.d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei nicht angezeigt.
54 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Beklagte mit den streitgegenständlichen Angaben gegen das Irreführungsverbot des § 3 S. 2 Nr. 1 HWG verstoßen habe, weil die Angaben den streitgegenständlichen [H]-Produkten eine therapeutische Wirkung beilegen würden, die sie nicht hätten. Dabei habe das Landgericht insbesondere fälschlicherweise angenommen, die angesprochenen Verkehrskreise – also der maßgebliche informierte und verständige Durchschnittsverbraucher – würden den streitgegenständlichen Angaben eine vorbehaltlose und uneingeschränkte Wirksamkeit gegen produktiven Husten entnehmen. Dabei habe das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass sowohl die Umverpackungen als auch die Gebrauchsinformationen der streitgegenständlichen Produkte eindeutig erklärten, dass „[H]“ eine lindernde und schützende Wirkung auf die oberen Atemwege habe, und dass es den Husten nicht unterdrücke, sondern moduliere. Es werde dort eindeutig beschrieben, dass „[H]“ eine schützende Wirkung auf die oberen Atemwege entfalte. Daraus folge, dass der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher zutreffend darüber informiert werde, wie „[H]“ – sowohl gegen trockenen als auch gegen produktiven Husten – wirke. Eine Verwechslung dieser Wirkung mit der Wirkung eines Produktes, welches auf Bronchialebene wirkt, sei somit ausgeschlossen. „[H]“ wirke auf den Schleim, der die Rachenhöhle von der Nase aus und/oder von den Bronchien her erreicht, indem es die Befeuchtung und den Abfluss fördere. Nicht näher begründet werde durch das Landgericht im Übrigen, inwieweit das Gericht meine, die „Verkehrsauffassung aufgrund eigener Sachkunde beurteilen zu können, ohne dass es hierfür besonderer Erkenntnisse oder Erfahrungen bedürfte". Anders als das Landgericht angenommen habe, stehe – jedenfalls im vorliegenden Fall – einem Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot die unstreitige CE-Zertifizierung der streitgegenständlichen [H]-Produkte durch die benannte Stelle (Istituto Superiore di Sanità) im Sinne der Medizinprodukterichtlinie entgegen.Insoweit entfalte die CE-Zertifizierung der [H]-Produkte, gerade aufgrund der die Wirksamkeit und Zwecktauglichkeit des Medizinprodukts im Rahmen seiner Zweckbestimmung umfassenden Prüftiefe, eine Sperrwirkung im Hinblick auf die streitgegenständlichen Aussagen. Grundlegend verkenne das Landgericht dabei den Prüfungsmaßstab eines hier relevanten Medizinproduktes der Klasse IIa und insbesondere die Tatsache, dass der Prüfungsmaßstab, den die benannte Stelle im Rahmen der Konformitätsbewertung für ein Medizinprodukt der Klasse IIa anzulegen habe, sehr wohl auch die Wirksamkeit und Zwecktauglichkeit des Medizinprodukts zum Gegenstand habe. In diesem Zusammenhang sei nochmals zu betonen, dass nach den grundlegenden Anforderungen in Anhang I der Medizinprodukterichtlinie die Produkte die vom Hersteller vorgegebenen Leistungen erbringen müssen. Dieser Nachweis habe durch eine klinische Bewertung gemäß Anhang X zu erfolgen (vgl. Anhang I Ziff. 6a MPRL). Nach Anhang II Ziff. 3.2 lit. c) der Medizinprodukterichtlinie zählten zum CE-Konformitätsbewertungsverfahren sodann auch eine Beschreibung der „Zweckbestimmung" des Produkts (erster Spiegelstrich), eine „klinische Bewertung gemäß Anhang X" (neunter Spiegelstrich) sowie der „Entwurf der Kennzeichnung und ggf. der Gebrauchsanweisung" (zehnter Spiegelstrich). Auch in letzterer ist die Zweckbestimmung zwingend anzugeben. Dementsprechend habe die benannte Stelle „Istituto Superiore di Sanità“ am 07.06.2021 (Anlage B3) explizit bestätigt, dass sie im Rahmen der CE-Zertifizierungen der streitgegenständlichen [H]-Produkte die medizinische Indikation der Produkte, die Auslegung der Produkte sowie den Nachweis der Wirkungsweise berücksichtigt habe und deshalb die von ihr erteilten CE-Zertifikate auch die therapeutische Indikation der Produkte zur „Behandlung von trockenem und produktivem Husten" abdeckten. Die Wirksamkeit und Zwecktauglichkeit des Medizinproduktes im Rahmen seiner Zweckbestimmung als solcher seien durch die CE-Zertifizierungen auch im wettbewerbsrechtlichen Verfahren als nachgewiesen anzusehen. Etwas Anderes ergebe sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht daraus, dass im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens für die streitgegenständlichen [H]-Produkte nach Anhang II der Medizinprodukterichtlinie dessen Abschnitt 4 („Prüfung der Produktauslegung") ausgenommen war. Dabei habe das Landgericht übersehen, dass aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Anhang II Ziff. 7.1 MPRL „auf Produkte der Klassen IIa und IIb Abschnitt 4 jedoch keine Anwendung findet". Gleichermaßen sehe Art. 11 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 11 Abs. 3 lit. a) der Medizinprodukterichtlinie vor, dass „in diesem Fall Abschnitt 4 des Anhangs II keine Anwendung findet". Insoweit folge bereits aus der Medizinprodukterichtlinie selbst, dass eine Prüfung der Produktauslegung im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens für ein Medizinprodukt der Klasse IIa entfalle. Die vorgenannte Auffassung des Landgerichts sei zudem unvereinbar mit der Tatsache, dass ein CE-Zertifikat unabhängig von dem Konformitätsbewertungsverfahren, welches der Hersteller im Rahmen von Art. 11 MPRL gewählt habe, unter Berücksichtigung der Risikoklasse des Produkts immer dieselbe Gültigkeit besitze. Anderenfalls käme es zu der paradoxen Schlussfolgerung, dass ein und dasselbe Medizinprodukt, welches von zwei verschiedenen Herstellern nach unterschiedlichen Bewertungsverfahren gemäß Art. 11 MPRL zertifiziert wurde, nur aufgrund der unterschiedlich gewählten Konformitätsbewertungsverfahren für den Patienten unterschiedliche Risiken verkörpern würde. Das Konformitätsbewertungsverfahren nach Anhang II der Medizinprodukterichtlinie schließe zwar dessen Abschnitt 4 (Prüfung der Produktauslegung) aus, wenn es um Medizinprodukte der Klasse IIa geht, jedoch in Abschnitt 3.3 des Anhangs II werde klargestellt, dass das Bewertungsverfahren u.a. eine Bewertung  der  Dokumentation  der  Auslegung  des  betreffenden  Produkts (stichprobenartig) umfassen müsse. Auch die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, dass bei der Prüfung des Qualitätssicherungssystems die Angemessenheit der klinischen Bewertung nicht geprüft werde, sei unzutreffend. Unter Anhang II Ziff. 11 der Empfehlung der Kommission 2013/473/EU werde nämlich klargestellt, dass die benannten Stellen im Rahmen einer Prüfung des Qualitätssicherungssystems die klinischen Bewertungen und die klinische Weiterverfolgung nach dem Inverkehrbringen der Produkte nach denselben Grundsätzen prüfen sollten, die im entsprechenden Abschnitt für Produktbewertungen beschrieben sind. Für die vom Landgericht negierte Sperrwirkung der CE-Zertifizierungen spreche schließlich die Tatsache, dass die benannte Stelle von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten „benannt" wird, um die ihr im Rahmen der Medizinprodukterichtlinie zugewiesenen Aufgaben quasi-behördlich zu erfüllen. Dies ergebe sich bereits unmittelbar aus Art. 16 MPRL. Darüber hinaus habe jüngst der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.02.2020 (VII ZR 151/18) die unabhängige Rolle der benannten Stellen anerkannt und festgestellt, dass diese eben nicht nur im Auftrag des Herstellers handeln, sondern eine eigenständige Rolle gegenüber dem Endverbraucher einnähmen. Tatsächlich habe der Bundesgerichtshof festgestellt, dass „die Vorschrift des § 18 MPG, die unmittelbar an die benannte Stelle adressiert ist und diese ungeachtet des privatrechtlichen und nichthoheitlichen Charakters ihrer Tätigkeit mit Befugnissen ausstattet, die denen einer Behörde im öffentlichen Recht, etwa nach § 30 AMG oder §§ 48 ff. VwVfG, ähnlich sind". Hinzu komme, dass die benannten Stellen der Überwachung durch die die Benennung vornehmende Behörde unterlägen, die bei einer Erteilung des CE-Kennzeichens ohne ausreichende Prüfung, insbesondere der Zweckbestimmung, Maßnahmen bis hin zum Entzug der Benennung gegenüber der benannten Stelle ergreife. Die benannte Stelle sei daher eine Stelle, die quasi-hoheitliche Aufgaben wahrnehme. Die von ihr erteilte CE-Zertifizierung komme mithin einem Verwaltungsakt gleich, der einer gerichtlichen Überprüfung seines Inhalts entgegenstehe. Bei der CE-Zertifizierung – insbesondere für Medizinprodukte der Klasse IIa – handele es sich um einen europaweiten Standard, dessen Einhaltung von den benannten Stellen überprüft und sichergestellt werde. Die rechtliche Bedeutung dieser Maßnahme oder einzelner Elemente des Prüf- und Zertifizierungsprozesses in Abrede zu stellen, wäre mit der durch die Medizinprodukterichtlinie auf europäischer Ebene vorgesehenen Wirkung eines erteilten CE-Zertifikats unvereinbar. Soweit das Landgericht angenommen habe, zu Lasten der Beklagten sei davon auszugehen, dass die betroffenen [H]-Produkte nicht die ausgelobten Wirkungen gegen produktiven Husten hätten, und es dafür an hinreichenden Nachweisen fehle, gehe dies ebenfalls fehl. Die Beklagte sehe weiterhin die gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor allem durch die vorliegenden Studien von [W1] et al. und von [W2] et al. als belegt an. Die Verurteilung der Beklagten im tenorierten Umfang des Urteils des Landgerichts führe vor diesem Hintergrund zu einer Verletzung des Behinderungsverbotes gemäß Art. 4 Medizinprodukterichtlinie. Das Landgericht setze sich über die Wirksamkeitsvermutung eines Medizinproduktes der Klasse IIa mit entsprechender CE-Zertifizierung schlicht hinweg. Dies führe zu der paradoxen Situation, dass anders als in anderen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums in Deutschland Medizinprodukte der Klasse IIa mit zusätzlichen Wirkhinweisen versehen werden müssten, um marktfähig zu bleiben. Dies widerspreche allerdings diametral dem Sinn und Zweck einer zentralen Konformitätsbestätigung auf Basis einer CE-Zertifizierung nach den einschlägigen europäischen Richtlinien. In den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten der EU gäbe es – soweit ersichtlich – keine Rechtsprechung, wonach ein Wettbewerber oder eine andere Partei den Verwendungszweck eines Medizinprodukts im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits angreifen könne.
55 
Die Beklagte beantragt,
56 
das Urteil des Landgerichts Mannheim - 25 O 19/21 - vom 19.08.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.
57 
Der Kläger beantragt,
58 
die Berufung zurückzuweisen.
59 
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
60 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2022 verwiesen.
II.
61 
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
62 
Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nach §§ 3, 3a, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG zusteht.
63 
1. Mit Recht und von der Berufung unbeanstandet hat das Landgericht den Kläger als eingetragenen Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als zur Verfolgung des Unterlassungsanspruchs berechtigt angesehen.
64 
2. Die Beklagte verstößt mit den beanstandeten Angaben gegen das Irreführungsverbot des § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG und erfüllt damit den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG. Die Angaben legen, wie der Senat bereits im Urteil vom 14. Oktober 2020 - 6 U 59/20 (GRUR-RR 2021, 232) entschieden hat, den [H]-Produkten eine therapeutische Wirkung bei, die sie nicht haben.
65 
a) Nach § 3 Satz 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Eine Irreführung liegt nach § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG insbesondere dann vor, wenn Medizinprodukten, zu denen die betroffenen [H]-Produkte unstreitig zählen, eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RS 2019, 49604 Rn. 42).
66 
§ 3 HWG ist eine Markverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG (vgl. Köhler/Bornkann/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 3a Rn. 1.223 mwN). Sie findet neben den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb Anwendung (§ 17 HWG).
67 
b) Die beanstandeten Angaben richten sich an das allgemeine Publikum. Dessen Verkehrsauffassung kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, ohne dass es hierfür besonderer Erkenntnisse oder Erfahrungen bedürfte, weil hier jedermann – auch die im Übrigen ständig mit Wettbewerbssachen befassten Senatsmitglieder – zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (vgl. Köhler/Bornkann/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 5 Rn. 1.66, 1.233).
68 
c) Anders als die Berufung meint, entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise den beanstandeten Angaben eine vorbehaltlose und uneingeschränkte Wirksamkeit gegen produktiven Husten. Dazu hat der Senat bereits im Urteil vom 14. Oktober 2020 - 6 U 59/20 (GRUR-RR 2021, 232 Rn. 55 ff) seine Erwägungen dargelegt. Auch der im hiesigen Verfahren gehaltene Vortrag der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung:
69 
aa) Der maßgebliche informierte und verständige Durchschnittsverbraucher versteht die Angabe „Trockener und Produktiver Husten“, gleich ob mit oder ohne ausdrückliche Eignungs- („für die Behandlung von …“) bzw. Wirkangabe („gegen …“) als medizinischer Laie dahin, dass die betroffenen [H]-Produkte zur Behandlung sowohl von trockenem als auch produktivem Husten geeignet sind. Trockenen Husten versteht der Durchschnittsverbraucher aufgrund der Gegenüberstellung als Husten ohne, produktiven Husten als Husten mit Schleim. Dabei geht er davon aus, dass die Produkte bei produktivem Husten zumindest mithelfen, den Schleim von dem Ort seiner Entstehung bzw. seines Anfalls (nach Heruntertropfen aus dem Nasenraum in den Hals), wo auch immer der Ort sein mag, abzutransportieren. Jedenfalls entsteht der Eindruck, dass der jeweilige Hustenreiz auch bei produktivem Husten ungeachtet seiner Ursache und seiner Lokalisierung gelindert wird.
70 
(1) Die genannten Angaben befinden sich auf den Frontseiten der Umverpackungen der drei betroffenen Produkte (Anlagen K5 bis K7), ferner bei den Hustensäften auf den Seitenlaschen der Umverpackung unter „Anwendungsgebiete“ und „Wirkungsweise“, bei den Hustensaftflaschen (Anlagen K5 und K6) auf der Frontansicht ihrer Etikettierung und im Seitenbereich ihrer Etikettierung unter „Anwendungsgebiete“ sowie bei den Tabletten (Anlage K7) auf der Rückseite der Umverpackung unter „Anwendungsgebiete“. Zudem stehen sie in den Gebrauchsanweisungen (Anlagen K8/K9). Überdies befinden sich die Angaben im Internetauftritt der Beklagten (Anlage K11), wobei dort die gleichzeitige Wirkung gegen trockenen und produktiven Husten wie im Tenor angegeben ausdrücklich hervorgehoben wird. Eine Einschränkung auf bestimmte Formen des produktiven Hustens enthalten die Angaben auch in ihrem Umfeld nicht.
71 
Im Einzelnen:
72 
(a) Aus der auf der Frontseite der Umverpackungen der drei betroffenen [H]Produkte (Anlagen K5 bis K7) im unteren Drittel vorhandenen zusätzlichen Angabe „beruhigt den Husten, indem es die Schleimhaut schützt“ entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise nicht, dass sich die Wirkung auf einen Schutz der Schleimhaut beschränkt. Gleiches gilt für die entsprechende Angabe in den Gebrauchsinformationen (Anlagen K8 und K9).
73 
(b) Es kann dahinstehen, ob die Angaben auf einer der Seitenlaschen der Umverpackungen unter der Überschrift „Wirkungsweise“ geeignet sind, die pauschale Angabe „trockener und produktiver Husten“ auf der Frontseite der Umverpackungen dahin zu relativieren, dass die Wirkung der Produkte auf die oberen Atemwege beschränkt ist. Zwar heißt es bei den Hustensäften für Erwachsene (Anlage K5) und für Kinder (Anlage K6) unter Wirkungsweise gleich zu Beginn des Textes, dass das Produkt ein „Medizinprodukt … [sei], das schützend und lindernd auf die oberen Atemwege wirkt“. Der Text bei den Tabletten beginnt ohne Bezug auf die oberen Atemwege mit „[das Produkt] schützt die Schleimhaut, beruhigt die Reizung“. Bei allen Umverpackungen endet der Text zur Wirkungsweise mit der Angabe „[H] mildert den Husten, ohne ihn zu unterdrücken [,] und respektiert dadurch die wichtige Rolle, die er bei der Abwehr für die oberen Atemwege spielt.“
74 
Eine Einschränkung der Wirkung der Produkte auf die oberen Atemwege entnimmt der Durchschnittsverbraucher dem nicht, denn im Anschluss an den einleitenden Satz folgt bei den Hustensäften die (mit Blick auf die Gebrauchsinformationen K8 und K9 gesondert angegriffene) Angabe „Bei trockenem Husten bekämpft [das Produkt] die Schleimhautreizung und bei produktivem Husten fördert es die Befeuchtung und den Abfluss des Schleims“ und bei den Tabletten die Angabe „befeuchtet den Schleim und fördert den Abfluss durch innovative Wirkmechanismen:“.
75 
Die Förderung der Befeuchtung und des Abflusses des Schleims versteht der Durchschnittsverbraucher so, dass der Schleimfluss von seinem Entstehungs- bzw. Anfallsort bis in den Mundbereich gefördert wird. Es kommt dabei nicht darauf an, ob ihm der Entstehungsort des Schleims bewusst ist. Eine Einschränkung, dass die ausgelobten Wirkungen hinsichtlich des Schleimflusses nur partiell in den oberen Atemwegen auftreten, entnimmt der Durchschnittsverbraucher den Angaben gerade aufgrund des Umstands nicht, dass der in den erwähnten Passagen davor und danach vorhandene Bezug zu den oberen Atemwegen fehlt. Vielmehr wird er die schützende und lindernde Wirkung auf die oberen Atemwege und das Beibehalten der Abwehrfunktion des Hustens für die oberen Atemwege als zusätzliche Vorteile neben einer nicht näher, insbesondere nicht auf die oberen Atemwege eingeschränkten Förderung der Befeuchtung und des Abflusses des Schleims auffassen.
76 
Zwar werden in dem weiteren Text zur Wirkweise sowohl bei den Hustensäften, dort als „wichtigste Wirkmechanismen“, als auch bei den Tabletten, dort als die angesprochenen innovativen Wirkmechanismen, die Barrierefunktion (an der Schleimhaut haftender Schutzfilm), die schleimregulierende Wirkung (fördert die Befeuchtung des Schleims und erleichtert den Abfluss) und die Schmierwirkung (verringert die Reibung im Rachen, die den Husten auslöst) genannt, wobei das neben dem Text zur schleimregulierenden Wirkung angebrachte Schemabild nur den Kopfbereich zeigt. Hieraus geht aber ebenfalls nicht mit der gebotenen Deutlichkeit hervor, dass sich die schleimregulierende Wirkung auf die oberen Atemwege beschränkt und ein Schleimfluss in den unteren Atemwegen weder gefördert noch befeuchtet wird.
77 
Soweit in den Gebrauchsinformationen für die Hustensäfte (Anlagen K8/K9) einleitend ebenfalls die schützende und lindernde Wirkung auf die oberen Atemwege genannt wird, entspricht die weitere Ausgestaltung im Wesentlichen den soeben behandelten Angaben auf den Seitenlaschen der Umverpackungen, einschließlich der Erwähnung, dass die wichtige Funktion des Hustens bei der Abwehr für die oberen Atemwege beibehalten werde. Aus den angeführten Gründen entnimmt der Durchschnittsverbraucher auch den Ausführungen in den Gebrauchsinformationen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit eine Einschränkung dahin, dass die Produkte nur in den oberen Atemwegen wirkten und sich die ohne weitere ausdrückliche Einschränkung für produktiven Husten ausgelobte Wirkung der Förderung der Befeuchtung und des Abflusses des Schleims auf die oberen Atemwege beschränkt.
78 
Gleiches gilt für die Gebrauchsinformationen für die Tabletten (Anlage K10), die ebenfalls im Wesentlichen wie die oben behandelte Umverpackung der Tabletten ausgestaltet ist, wobei sie hinsichtlich der Förderung der Befeuchtung und des Abflusses des Schleims dieselbe Formulierung wie bei den Hustensäften verwendet.
79 
In dem Internetauftritt der Beklagten heißt es auf der Unterseite zum Menüpunkt „Ein neuer Ansatz – Pflanzliche Molekülkomplexe“, die die beanstandete Formulierung aus Ziff. 1.7 des Tenors enthält, über den entwickelten Therapieansatz, dass er eine Schutzbarriere aufbaue, die sich positiv auf die Entzündung der Schleimhaut auswirke und den Schleim verflüssige, so dass er besser abtransportiert werde. Dass letzteres auf die oberen Atemwege beschränkt wäre, nicht aber für Schleim in den unteren Atemwegen gelte, lässt sich den Angaben nicht entnehmen.
80 
Soweit im weiteren Text auf der Startseite bzw. der Unterseite zum Menüpunkt Home im dem Internetauftritt der Beklagten, der die beanstandeten Formulierung aus Ziff. 1.6 bzw. Ziff. 3.5 des Tenors enthält, ausgeführt wird, dass es sinnvoll sei, um den Husten zu beruhigen, ohne seine Schutzwirkung für die Atemwege auszuschalten, auf die Schleimhaut zu agieren, indem diese geschützt und ihr Zustand normalisiert werde, und dass dafür [H] entwickelt worden sei, ein Produkt, das den Husten mildere, ohne ihn zu unterdrücken, das die Schleimhaut schütze, indem es die Reizung beruhige und das den Abfluss des Schleims fördere, kann dem ebenfalls keine Einschränkung der Wirkungen, insbesondere der Förderung des Schleimflusses, auf die oberen Atemwege entnommen werden.
81 
(2) Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass der Verbraucher, der mit diesen prägnanten Aussagen konfrontiert wird, davon ausgeht, alles Wesentliche zum Einsatzgebiet von [H] erfahren zu haben. Er wird daher etwaige an anderer Stelle angebrachte, räumlich losgelöste und nur vermeintlich einschränkende Erläuterungen zur Wirkung der Produkte unbeachtet lassen. Vielmehr kommt der auf den Umverpackungen und in den Gebrauchsinformationen blickfangmäßig hervorgehobenen Angabe „Trockener und produktiver Husten“ ein klarer und eindeutiger Aussagegehalt dahin zu, dass [H] zur wirksamen Behandlung der beiden Hustenarten geeignet ist. Die weiter beworbene Förderung der Befeuchtung und des Abflusses des Schleims versteht der Durchschnittsverbraucher daher entgegen der Ansicht der Berufung (AS II 14) so, dass der Schleimfluss von seinem Entstehungs- bzw. Anfallsort bis in den Mundbereich gefördert wird. Es kommt dabei nicht darauf an, ob ihm der Entstehungsort des Schleims bewusst ist. Eine Einschränkung, dass die ausgelobten Wirkungen hinsichtlich des Schleimflusses – wie tatsächlich nunmehr unstreitig (vgl. AS I 114, 131; 163; Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.08.2021) – nur partiell in den oberen Atemwegen auftreten, entnimmt der Durchschnittsverbraucher den Angaben gerade aufgrund des Umstands nicht, dass der in den erwähnten Passagen davor und danach vorhandene Bezug zu den oberen Atemwegen fehlt. Vielmehr wird er die schützende und lindernde Wirkung auf die oberen Atemwege und das Beibehalten der Abwehrfunktion des Hustens für die oberen Atemwege als zusätzliche Vorteile neben einer nicht näher, insbesondere nicht auf die oberen Atemwege eingeschränkten Förderung der Befeuchtung und des Abflusses des Schleims auffassen.
82 
bb) Wie der Kläger zutreffend ausführt, fasst der Durchschnittsverbraucher die beanstandete Auslobung „Die Formulierung von [H1] wurde speziell als Antwort auf alle Hustenarten bei Erwachsenen und Jugendlichen über 12 Jahren entwickelt“, die sich auf der Unterseite zum [H1] Hustensaft für Erwachsene und der Unterseite zu den [H3] Lutschtabletten für Erwachsene (jeweils enthalten in Anlage K11) im Internetauftritt der Beklagten befindet, nicht so auf, dass mit allen Hustenarten nur trockener und produktiver Husten gemeint ist.
83 
Die Kategorien trockener und produktiver Husten werden auf der genannten Unterseite nicht erwähnt. Auch ohne Kenntnis der unterschiedlichen Hustenarten und ihrer Ursachen versteht der Durchschnittsverbraucher die Angaben ihrem Wortlaut entsprechend umfassend, nämlich, dass alle denkbaren Hustenarten ohne Rücksicht auf ihre Ursache, insbesondere Raucherhusten, Keuchhusten, allergischer Husten, Bluthusten, chronische Bronchitis, chronische obstruktive Lungenerkrankung oder Hustenanfälle behandelt werden können.
84 
Zwar heißt es im weiteren Fortgang des Textes auf der betreffenden Unterseite, dass das Produkt dank seines schützenden Wirkmechanismus schnell von den Symptomen befreie, indem es auf die Ursachen des Hustens einwirke, nämlich die Schleimhautreizung durch infektiöse Erreger oder Reizstoffe wie Rauch, Smog und Staub. Hieraus geht aber nicht mit der gebotenen Deutlichkeit hervor, dass es auch Hustenarten gibt, die nicht durch die genannte Schleimhautreizung verursacht sind, und das Produkt entgegen der vorstehenden umfassenden Auslobung nicht bei solchen Hustenarten wirkt. Sollte dem Durchschnittsverbraucher bewusst sein, dass es noch andere Hustenarten gibt, wird er aufgrund der vorangegangenen umfassenden Auslobung den beschriebenen Schutzmechanismus als besonderen Vorteil des Produkts auffassen, nicht aber als die einzige Wirkung, die das Produkt hat und die damit die vorangegangene umfassende Auslobung relativiert.
85 
Zwar umfasst der Internetauftritt der Beklagten unter dem Menüpunkt „Husten – trockener-und-produktiver Husten“ eine Unterseite (vgl. Anlage K11), in der die beiden Hustenarten definiert werden. Hieraus geht aber nicht mit der gebotenen Deutlichkeit hervor, dass mit allen Hustenarten auf der anderen Unterseite zum [H1]  bzw. zu den [H3] nur trockener und produktiver Husten gemeint wäre. Insbesondere ist weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass der dortige Begriff „alle Hustenarten“ mit der Unterseite zum trockenen und produktivem Husten verlinkt wäre. Selbst wenn die Auslobung „alle Hustenarten“ als produktiver und trockener Husten im Sinne der diesbezüglichen Unterseite zu verstehen sein sollte, würde dies an der Irreführung nichts ändern, denn die auf der entsprechenden Unterseite angegebene Definition des produktiven Hustens umfasst ausdrücklich auch produktiven Husten infolge einer akuten bzw. chronischen Infektionserkrankung der unteren Atemwege (Luftröhre, Bronchien, Lunge), die eine vermehrte Schleimproduktion nach sich zieht. Selbst in diesem Fall würde daher jedenfalls der Eindruck erweckt, dass [H] Hustensaft für Erwachsene und [H] Lutschtabletten für Erwachsene auch auf diese in den unteren Atemwegen liegenden Ursachen des Hustens einwirkten.
86 
d) Die beanstandeten Angaben sind irreführend. Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die betroffenen Produkte die einschränkungslos ausgelobten Wirkungen jedenfalls bei produktivem Husten nicht haben. Damit sind die Voraussetzungen einer Irreführung gegeben. Darauf, ob sie bei produktivem Husten sogar gänzlich wirkungslos sind, kommt es nicht an.
87 
aa) Wie der Senat bereits im Urteil vom 14. Oktober 2020 - 6 U 59/20 (GRUR-RR 2021, 232 Rn. 75 ff) dargelegt hat, steht die CE-Zertifizierung der [H]-Produkte durch eine Benannte Stelle i.S.d. der Richtlinie 93/42/EWG (im Folgenden Medizinprodukterichtlinie oder kurz MPRL) der Überprüfung der beanstandeten Angaben nach dem Wettbewerbsrecht nicht entgegen.
88 
(1) Im Streitfall muss die Frage einer möglichen Sperrwirkung der CE-Zertifizierung nicht abschließend beantwortet werden (eine Sperrwirkung verneinend OLG Stuttgart, GRUR-RR 2017, 448 Rn. 56 ff. mwN; OLG Hamburg, GRUR-RS 2019, 40604; OLG Frankfurt a. M., PharmR 2018, 141, 142; KG, MPR 2017, 188, 198; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2021, 41663 Rn. 42 ff; Friedrich, in Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Aufl., § 17 Rn. 298; aA LG Hamburg, MPR 2020, 25). Eine solche Sperrwirkung kommt allenfalls insoweit in Betracht, als der in Rede stehende Gesichtspunkt nach dem obligatorischen Prüfprogramm der MPRL Gegenstand der zur Erlangung der CE-Zertifizierung erfolgten Prüfung durch die Benannte Stelle gewesen ist. Allenfalls insoweit kann es die Medizinprodukterichtlinie nach ihrem Sinn und Zweck, im Interesse der Warenverkehrsfreiheit eine erneute behördliche Prüfung zu vermeiden, gebieten, diese Sperrwirkung, die sich zunächst nur auf ein behördliches Zulassungsverfahren oder ein behördliches Einschreiten zur Gefahrenabwehr bezieht, auf eine gerichtliche Prüfung anhand der Maßstäbe des Lauterkeitsrechts zu erstrecken.
89 
Bei dem von der Beklagten gewählten, für die Medizinproduktklasse IIa zulässigen Zertifizierungsverfahren zur Erlangung der CE-Zertifizierung ist nach dem Medizinproduktegesetz (§§ 6 Abs. 2, 7 MPG) und der Medizinprodukterichtlinie, auf deren Anhang I § 7 Abs. 1 MPG hinsichtlich der grundlegenden Anforderungen verweist, nicht vorgesehen, dass die Benannte Stelle die Wirksamkeit des Medizinprodukts prüft (ebenso OLG Hamburg, Urteil vom 12. Dezember 2019 – 3 U 14/19, Rn. 72, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Juni 2017 – 2 U 154/16, Rn. 75, juris).
90 
Eine CE-Kennzeichnung bescheinigt, dass das betreffende Medizinprodukt einer Konformitätsbewertung nach Art. 11 MPRL unterzogen worden ist (Art. 4 Abs. 1 MPRL). Die Einzelheiten zu Gegenstand und Durchführung der Bewertung sind für die einzelnen Produktklassen im Anhang I der Richtlinie niedergelegt.
91 
Zwar müssen Medizinprodukte die auf sie anwendbaren grundlegenden Anforderungen nach Anhang I der Medizinprodukterichtlinie erfüllen (§ 7 Abs. 1 MPG; Art. 3 MPRL). Ein Medizinprodukt darf, wenn es diese Anforderungen nicht erfüllt, nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden (§ 6 Abs. 2 Satz 1 MPG). Zu den grundlegenden allgemeinen Anforderungen gehört nach Anhang I Ziff. 3 MPRL, dass die Produkte die vom Hersteller vorgegebenen Leistungen erbringen, d.h. so ausgelegt, hergestellt und verpackt sind, dass sie geeignet sind, eine oder mehrere der in Artikel 1 Absatz 2 lit. a) der Richtlinie genannten Funktionen, etwa Behandlung oder Linderung von Krankheiten, entsprechend den Angaben des Herstellers zu erfüllen. Unerwünschte Nebenwirkungen dürfen unter Berücksichtigung der vorgegebenen Leistungen keine unvertretbaren Risiken darstellen (Anhang I Ziff. 6 MPRL). Der Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen muss eine klinische Bewertung gemäß Anhang X umfassen (Anhang I Ziff. 6 MPRL).
92 
Aus alledem folgt aber nicht, dass alle Herstellerangaben zu grundlegenden Anforderungen entgegen dem produktklassenspezifischen Prüfungsprogramm im Konformitätsbewertungsverfahren durch die Benannte Stelle geprüft und bescheinigt werden.
93 
Die [H]-Produkte fallen unstreitig in die Produktklasse IIa. Das insoweit eröffnete Wahlrecht hat die Beklagte dahin ausgeübt, dass zur Erlangung der Berechtigung zur Anbringung der CE-Zeichnung das Verfahren der EG-Konformitätserklärung gemäß Anhang II (vollständiges Qualitätssicherungssystem) ohne dessen Abschnitt 4 (vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 i.V.m. Abs. 3 lit. a; Anhang II Ziff. 7.1 MPRL) durchgeführt wird.
94 
Bei der (demnach ausgenommenen) Prüfung der Produktauslegung nach Abschnitt 4 prüft und beurteilt die Benannte Stelle anhand der Dokumentation nach Anhang II Ziff. 3.2 lit. c MPRL, die eine solche Beurteilung ermöglichen muss, sowie anhand ggf. erforderlicher weiterer Tests und Prüfungen, ob das Produkt selbst den Anforderungen der Richtlinie entspricht. Im Erfolgsfall stellt sie eine Auslegungsprüfbescheinigung aus (Anhang II Ziff. 4.2, 4.3 MPRL). Eine solche haben die Produkte unstreitig nicht erhalten.
95 
Außerhalb des (ausgenommenen) Abschnitts 4 wird bei dem von der Beklagten gewählten Zertifizierungsverfahren die Produktauslegung und damit die Wirksamkeit des Produkts entsprechend der Leistungsangaben des Herstellers, hier der Beklagten, von der Benannten Stelle nicht geprüft und nicht bescheinigt (ebenso OLG Hamburg, GRURRS 2019, 40604 Rn. 58; sowie OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Juni 2017- 2 U 154/16-, Rn. 75, juris).
96 
Zwar wird mit den CE-Zertifikaten auch ohne Prüfung der Produktauslegung nach Abschnitt 4 ein Qualitätssicherungssystem bescheinigt, das die Übereinstimmung der Produkte mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie auf allen Stufen von der Auslegung bis zur Endkontrolle sicherstellt (Anhang II Ziff. 3.3 i.V.m. Ziff. 3.2 MPRL). Dabei handelt es sich in Abgrenzung zu dem ausgenommenen Abschnitt 4 jedoch nur um eine Prozess- bzw. Systemprüfung, nicht um eine Prüfung der Produktauslegung selbst. Soweit klinische Daten, eine allgemeine Beschreibung des Produkts, der Entwurf der Kennzeichnung und ggf. der Gebrauchsanweisung vorzulegen sind (Anhang II Ziff. 3.2 lit. c 1., 9. und 10. Spiegelstrich MPRL), wird deren inhaltliche Richtigkeit und Aussagegehalt anders als bei der Prüfung der Produktauslegung (Anhang II Ziff. 4.2 MPRL) nicht geprüft. Die technische Dokumentation nach Anhang II Ziff. 3.2 wird vielmehr (stichprobenhaft) nur daraufhin geprüft, ob sie vorhanden ist und die Anforderungen der Richtlinie an eine technische Dokumentation erfüllt (vgl. Anhang II Ziff. 7.2 MPRL). Daher verlangt Anhang I Ziffer 3.2 auch lediglich die „angemessene Beschreibung“ u.a. des „Verfahren[s] zur Steuerung und Kontrolle der Produktauslegung“; von einer Wirksamkeitsprüfung ist dort – anders als in Anhang II Abschnitt 4 – gerade nicht die Rede. Dies zeigt sich auch daran, dass die CE-Zertifizierung von Medizinprodukten der Klasse I inklusive der Einhaltung der grundlegenden Anforderungen nach Art. 3 MPRL auf einer Selbsterklärung des Herstellers beruht, also keiner Prüfung durch eine Benannte Stelle bedarf (Art. 11 Abs. 5 i.V.m. Anhang VII MPRL). Dieser Maßstab gilt in Bezug auf die grundlegenden Anforderungen nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Ziff. 3 MPRL für alle Medizinprodukte unabhängig von der Klasse gleichermaßen.
97 
(e)  Aus den von der Beklagten für die betroffenen [H]-Produkte vorgelegten CE-Zertifikaten des Obersten Italienischen Gesundheitsinstituts (Istituto Superiore di Sanità) als Benannter Stelle (vgl. Bescheinigungsnummer QCT-0131-19, Addendum Nr. 32-19 für „[H1]“, Addendum Nr. 01-19 für „[H3], Addendum Nr. 33-19 für „[H2]“, vorgelegt in Anlage B1) ergibt sich nichts Anderes. Sie bescheinigen – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – nur die Durchführung des soeben geschilderten eingeschränkten Prüfungsprogramms, denn die ausgestellten Bescheinigungen beziehen sich ausdrücklich und im Einklang mit den Vorgaben der Medizinprodukterichtlinie nur auf die Durchführung des Verfahrens nach Anhang II der Richtlinie ohne dessen Abschnitt 4, also die ausschließliche Prüfung eines Qualitätssicherungssystems ohne Prüfung der Produktauslegung selbst («DICHIARAZIONE CE DI CONFORMITA' - SISTEMA COMPLETO DI GARANZIA DI QUALITA' - secondo l'Allegato II escluso (4) della Direttiva Europea 93/42/CEE e successive modifiche cd integrazioni.» bzw. “EC DECLARATION OF CONFORMITY - FULL QUALITY ASSURANCE SYSTEM - according to Annex II excluding (4) of EC Directive 93/42/EEC and subsequent modifications and integrations”). Eine Auslegungsprüfbescheinigung (Anhang II Ziff. 4.2, 4.3 MPRL), die wie oben ausgeführt die Prüfung der Auslegung bescheinigt, hat die Beklagte nicht vorgelegt.
98 
Soweit in Anlage B2 davon die Rede ist, die therapeutische Indikation gemäß Punkt 13.4 werde als „angemessen erachtet und durch die im Rahmen des klinischen Bewertungsberichts vorgelegten Daten unterstützt“ bzw. in Anlage B3 von einer „Bewertung“ gesprochen wird, rechtfertigen – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – diese ebenfalls lediglich auf eine Nachvollziehbarkeits- oder Plausibilitätsprüfung hindeutenden Aussagen keine andere Beurteilung (vgl. zu ähnlich unbestimmten Begriffen das vom Bundesgerichtshof bestätigte Urteil des OLG Stuttgart vom 8. Juni 2017 - 2 U 154/16 -, Rn. 75, juris). Dessen ungeachtet sind beide Schreiben nicht Bestandteil der förmlichen Zertifizierungsbescheinigungen, sodass sie schon deshalb keine Bindungswirkung der CE-Zertifizierung begründen können.
99 
(f) Auf Basis  der in  Bezug genommenen Vorschriften aus der Medizinprodukterichtlinie ergibt sich damit letztlich, dass bei Medizinprodukten der Klasse IIa eine Prüfung der Produktauslegung nach Anhang II Abschnitt 4 nicht stattfindet und die vorgelegten Zertifikate im Einklang hiermit eine Durchführung des Verfahrens nach Anhang II der Richtlinie ohne dessen Abschnitt 4 bescheinigen. Die Bedenken der Berufung, das Landgericht habe übersehen, dass bereits aus der Medizinprodukterichtlinie selbst folge, dass eine Prüfung der Produktauslegung im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens für ein Medizinprodukt der Klasse IIa entfällt (AS II 17), erweisen sich vor diesem Hintergrund als nicht durchgreifend.
100 
Auch der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Berufung, der Stellenwert einer Zertifizierung könne nicht davon abhängen, ob eine Prüfung nach Anhang II Abschnitt 4 der Richtlinie erfolgt ist oder nicht, da eine CE-Zertifizierung „immer dieselbe Gültigkeit“ besitze, führt im Ergebnis zu keiner abweichenden Beurteilung. Dieser Einwand beruht auf der Prämisse, dass die CE-Zertifizierung im Falle einer Prüfung nach Anhang II Abschnitt 4 eine Bindungswirkung entfaltet. Diese vermeintliche Widersprüchlichkeit könnte allenfalls als weiteres Argument für die in der bereits zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung vorherrschende Auffassung dienen, wonach der CE-Zertifizierung mangels Wirksamkeitsprüfung des Medizinprodukts generell keine Bindungswirkung zukommt.
101 
(2) Dass es sich nach den nationalen Vorschriften in Italien entgegen der durch die Richtlinie angestrebten Harmonisierung anders verhielte und die Benannte Stelle die Wirksamkeit/Funktionstauglichkeit der Produkte (im Rahmen der Zweckbestimmung) doch geprüft und bescheinigt hat, ergibt sich aus den vorgelegten Schreiben des Obersten Italienischen Gesundheitsinstituts nicht, kann aber auch – wie der Senat bereits im Urteil vom 14. Oktober 2020 - 6 U 59/20 ausgeführt hat (GRUR-RR 2021, 232 Rn. 77 ff) – dahinstehen, da eine über die Medizinproduktrichtlinie hinausgehende nationale Prüfung nicht in den Genuss einer in der Medizinproduktrichtlinie ggf. vorgesehenen Sperrwirkung käme.
102 
Soweit das Oberste Italienische Gesundheitsinstitut (Istituto Superiore di Sanità) in seinem separaten Schreiben vom 21.05.2020 (ebenfalls Anlage B 1) weiterführende Angaben gemacht hat, ohne die früheren förmlichen Zertifizierungsbescheinigungen über die Durchführung der Prüfung nach Anhang II MPRL ohne Abschnitt 4 anzupassen, sind sie nicht Gegenstand der förmlichen Zertifizierungsbescheinigungen. Falls förmlichen Zertifizierungsbescheinigungen eine Sperrwirkung gegenüber dem Lauterkeitsrecht zukommen sollte, sind diese ergänzenden Angaben hiervon daher nicht erfasst.
103 
Nichts Anderes gilt hinsichtlich der neu vorgelegten konkretisierenden Bestätigung der Benannten Stelle vom 07.06.2021 (Anlage B3). Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, haben die dort gemachten weiterführenden Angaben ebenfalls keinen Eingang in die als Anlage B1 vorgelegten Zertifizierungsbescheinigungen gefunden, so dass es schon deshalb an einer Sperrwirkung mangelt. Darüber hinaus lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen, dass eine Prüfung nach Anhang II Abschnitt 4 der MPRL durchgeführt worden wäre, vielmehr wird dort lediglich auf Anhang I Abschnitt 3 und Anhang II Abschnitt 3.2 Bezug genommen. Hieran ändert auch der Verweis auf etwaige Geschäftsbedingungen der Benannten Stelle nichts, zumal dort nur davon die Rede ist, das Qualitätssystem des Herstellers zu bewerten.
104 
Dass der Antrag auf Zertifizierung eine Dokumentation dahingehend enthalten muss, dass die medizinische Indikation des Produktes, seine Auslegung sowie ein Nachweis der Wirkungsweise zu definieren ist, indiziert entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass die Benannte Stelle auch eine inhaltliche Prüfung vornimmt. Dagegen spricht vielmehr, dass die Benannte Stelle lediglich „die Vollständigkeit und Angemessenheit der vom Hersteller eingereichten technischen Unterlagen“ prüft. Zu Recht weist das Landgericht vor diesem Hintergrund darauf hin, dass soweit es in dem Schreiben 07.06.2021 heißt, die CE-Zertifikate deckten auch die therapeutische Indikation der streitgegenständlichen Produkte zur Behandlung von trockenem und produktiven Husten ab, dies – sofern damit eine über den eingeschränkten Prüfungsumfang hinausgehende Bestätigung gemeint sein sollte – eine (unzutreffende) rechtliche Schlussfolgerung darstellt, die den tatsächlich mitgeteilten Gegebenheiten widerspricht. Konkrete Grundlagen für die vorgenommene Einschätzung werden nicht genannt. Die im letzten Absatz des Schreibens adressierte Bewertung der Auslegung der Produkte und der Wirksamkeitsnachweise beziehen sich – wie der vorletzte Absatz auf Seite 2 des Schreibens belegt – allein auf die Vollständigkeit und Angemessenheit der vom Hersteller eingereichten technischen Unterlagen, nicht auf deren inhaltliche und wissenschaftliche Durchdringung oder gar Überprüfung. Die der Benannten Stelle offenbar im Rahmen des technischen Dossiers vorgelegten Studien [W1] und [W2] reichen jedenfalls – wie weiter unten ausgeführt wird (vgl. die Ausführungen unter cc) (1) (b) (2)) – nicht aus, um eine Wirksamkeitsprüfung zu belegen.
105 
Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz vorträgt, die [H]-Produkte seien „für eine Prüfung der Auslegungsunterlagen bemustert“ worden (AS II 19), ist dieser Vortrag, dem die Beklagten entgegengetreten sind, als neues Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Dessen ungeachtet gilt aber auch hier, dass eine solche, über die Medizinproduktrichtlinie hinausgehende nationale Prüfung nicht in den Genuss einer in der Medizinproduktrichtlinie ggf. vorgesehenen Sperrwirkung käme.
106 
Soweit die Berufung schließlich geltend macht, unter Anhang II Ziff. 11 der Empfehlung der Kommission 2013/473/EU werde klargestellt, dass die benannten Stellen im Rahmen einer Prüfung des Qualitätssicherungssystems die klinischen Bewertungen und die klinische Weiterverfolgung nach dem Inverkehrbringen der Produkte nach denselben Grundsätzen prüfen sollten, die im entsprechenden Abschnitt für Produktbewertungen beschrieben seien (AS II 19 f), vermag auch dieser Einwand eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Wie der Kläger diesbezüglich zutreffend ausführt, handelte es sich bei der Empfehlung der Kommission vom 24. September 2013 (2013/473/EU) sowie der ebenfalls in diesem Zusammenhang durch die Beklagte bemühten MEDDEV-Leitlinie 2.7/1 Ref. 4 um keine rechtlich verbindlichen Dokumente (vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 20–2 - C-308/11 (Chemische Fabrik Kreussler), Rn. 23 ff), sodass sich aus ihnen bereits deshalb keine Bindungswirkung der CE-Zertifizierung ableiten lässt. Ohnehin wäre eine solche Prüfung nach dem Inverkehrbringen der Produkte nicht Gegenstand der förmlichen Zertifizierungsentscheidung und könnte daher keine Sperrwirkung dieser Entscheidung gegenüber dem Lauterkeitsrecht begründen.
107 
Den von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (Rs. C-6/05, ZfBR 2007, 588), des Bundessozialgerichts (BeckRS 2005, 40161) und des Bundesgerichtshofs (NJW 2020, 1514 Rn. 39: „ungeachtet des privatrechtlichen und nicht-hoheitlichen Charakters ihrer Tätigkeit“) lässt sich nicht entnehmen, dass eine CE-Kennzeichnung eine lauterkeitsrechtliche Prüfung von Angaben zur Leistung eines Medizinprodukts, die nicht Gegenstand der Prüfung und Zertifizierungsbescheinigung durch eine Benannte Stelle gewesen sind, ausschließen würde (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RS 2019, 40604 Rn. 61 ff.). Insbesondere steht dem jedenfalls für solche ungeprüften, nicht bescheinigten Angaben auch das Behinderungsverbot aus Art. 4 Abs. 1 MPRL bzw. das dieses absichernde Verfahren nach Art. 8 MPRL nicht entgegen (vgl. OLG Hamburg, aaO, Rn. 59 ff.), sollte das Behinderungsverbot nicht ohnehin nur ein behördliches Einschreiten bzw. die Durchführung eines behördlichen Zulassungs- und Kontrollverfahrens betreffen. Nach Art. 4 der Richtlinie ist es den Mitgliedstaaten verboten, das Inverkehrbringen von Produkten zu behindern, welche eine CE-Kennzeichnung tragen, aus der hervorgeht, dass sie einer Konformitätsbewertung unterzogen worden sind. Das Behinderungsverbot führt indes nicht dazu, dass die Verantwortlichen davon entbunden wären, den Nachweis der Richtigkeit von Werbeaussagen in Bezug auf die Zweckbestimmung des CE-zertifizierten Produkts zu führen. Das Behinderungsverbot verbietet lediglich solche Einschränkungen, die sich auf Produkteigenschaften beziehen, die bereits im Konformitätsverfahren Berücksichtigung gefunden haben (ebenso OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 396; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2021, 41663 Rn. 47). Angesichts des mit der Richtlinie verfolgten Ziels einer Verbesserung des Gesundheitsschutzes lässt sich das Behinderungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG nicht dahingehend auszulegen, dass es den Verantwortlichen erlaubt, für ein Medizinprodukt, bei dem im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens lediglich das Qualitätssicherungssystem untersucht und zertifiziert worden ist, mit nicht hinreichend gesicherten Zweckbestimmungsangaben zu werben, welche im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens nicht überprüft worden sind (OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 396 Rn. 59). Die Benannte Stelle prüft die Produktsicherheit und ob das Qualitätssicherungssystem, unter dessen Geltung die zertifizierten Produkte hergestellt wurden, den Vorgaben der Richtlinie entspricht. Eine umfassende Überprüfung der Wirkungen bzw. der therapeutischen Wirksamkeit erfolgt grundsätzlich nicht. Allenfalls erfolgt eine Prüfung auf Plausibilität (vgl. Senat, GRUR-RR 2021, 232 Rn. 111; OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Juni 2017 - 2 U 154/16 -, Rn. 75, juris; KG, MPR 2017, 188; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2021, 41663 Rn. 48).
108 
(5) Soweit die Berufung einwendet, die Benannte Stelle sei eine Stelle, die quasihoheitliche Aufgaben wahrnehme, sodass die von ihr erteilte CE-Zertifizierung mithin einem Verwaltungsakt gleichkomme, der einer gerichtlichen Überprüfung seines Inhalts entgegenstehe, kann dem nicht nähergetreten werden. Ein Verstoß gegen eine das Marktverhalten regelnde Vorschrift kann nur dann verneint werden, wenn das Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden ist und dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH, GRUR 2005, 778, 779 - Atemtest). In der von der Gegenseite in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Februar 2020 hat letzterer indessen ausdrücklich festgehalten, dass die Tätigkeit der Benannten Stelle „privatrechtlichen und nichthoheitlichen Charakter (…)“ hat (BGH, NJW 2020, 1514 Rn. 39). Anders als die Berufung offenbar meint, handelt es sich bei dem von einer Benannten Stelle durchgeführten Konformitätsbewertungsverfahren damit nicht um ein behördliches Zulassungsverfahren. Die Zertifizierung durch die Benannte Stelle hat nicht den Charakter eines Verwaltungsakts, denn die benannten Stellen sind private, nicht beliehene Unternehmen (so auch OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 396; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2021, 41663 Rn. 45). Zu Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich nach dem Territorialitätsgrundsatz andernfalls ihre Kompetenz auf den Erlass von Rechtsakten beschränken müsste, die lediglich in dem Gebiet des Staates wirken, der sie mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem MPG beauftragt hat. Eine Zertifizierung soll aber gerade europaweit wirken, weshalb gerade keine Beleihung der Benannten Stellen mit hoheitlichen Aufgaben vorliegt (vgl. Rehmann/Wagner/Rehmann, MPG, 3. Aufl., MPG-Einführung, Rn. 29, 31).
109 
Der lauterkeitsrechtlichen Prüfung steht ferner nicht entgegen, dass der Hersteller gem. Anhang I Ziff. 13.4 MPRL verpflichtet ist, die Zweckbestimmung eines Medizinprodukts deutlich auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung anzugeben, wenn sie wie im Streitfall für den Anwender nicht offensichtlich ist. Diese Verpflichtung betrifft erkennbar nur zutreffende Angaben. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Konflikt zwischen diesen Pflichtangaben und lauterkeitsrechtlichen Vorgaben jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als die Richtigkeit der Angaben wie im Streitfall nicht Gegenstand der Prüfungen der Benannten Stelle ist. Die Beschreibung der Zweckbestimmung geht letztlich vom Hersteller aus. Ist sie irreführend, kann das Produkt nicht in den Verkehr gebracht werden. Aus den genannten Gründen entbindet die Zertifizierung die Beklagte nicht von den Anforderungen des heilmittelwerberechtlichen Irreführungsverbots (OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2021, 41663 Rn. 46).
110 
Zu Lasten der Beklagten ist davon auszugehen, dass die betroffenen [H]-Produkte nicht die ausgelobten Wirkungen gegen produktiven Husten haben, denn es ist unstreitig (AS I 114, 131; 163), dass [H] in den unteren Atemwegen nicht wirkt und dort keine schleimfördernde Wirkung hat. Dass es produktiven Husten geben mag, der seine Ursache in den oberen Atemwegen hat bzw. bei dem nur dort Schleim anfällt und den man möglicherweise auch dort lindern kann, ist vor dem Hintergrund der klägerseits vorgelegten medizinischen Fachveröffentlichungen (Anlagen K13 und K30 bis K32) höchst unwahrscheinlich aber auch unerheblich, denn wie ausgeführt ist die Auslobung nicht hierauf beschränkt.
111 
Abgesehen davon fehlt es für die vorbehaltlos ausgelobte Wirksamkeit gegen produktiven Husten an hinreichenden Nachweisen.
112 
 (1)  Die Beweislast für die Richtigkeit der beanstandeten Angaben trägt die Beklagte.
113 
Zwar trifft nach allgemeinen Grundsätzen den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit einer beanstandeten Werbeangabe. Für gesundheitsbezogene Werbeangaben gilt grundsätzlich nichts Anderes. Wird allerdings mit einer fachlich nicht unumstrittenen Angabe geworben, ohne dies klarzustellen, und erweckt die Werbung hierdurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck der wissenschaftlichen Unangefochtenheit, braucht der Kläger jedoch nur die Umstrittenheit der Wirksamkeitsbehauptung darzulegen und zu beweisen. Gelingt ihm dies, muss der Werbende eine gleichwohl vorhandene Wirksamkeit seiner Produkte beweisen (vgl. OLG Stuttgart, GRUR-RR 2017, 448 Rn. 52 mwN).
114 
Der Kläger hat hinreichend dargelegt und bewiesen, dass der erweckte Eindruck, die betroffenen [H]-Produkten seien uneingeschränkt zur Behandlung von produktivem Husten geeignet, nicht zutrifft. So hat der Kläger unter Verweis auf einen Beitrag, der auf der u.a. von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. betriebenen Internetseite www.lungenaerzte-im-netz.de veröffentlicht wurde, dargelegt, dass trockener und produktiver Husten verschieden behandelt werden, nämlich entweder mit einem Hustenstiller oder einem Hustenlöser (Anlage K17). Selbst wenn der innovative Therapieansatz der [H]-Produkte gerade darin liegen mag, diese Zweiteilung (auf nicht pharmakologische Art) zu überwinden, kann eine gleichzeitige Wirkung gegen trockenen und produktiven Husten vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht als fachlich unumstritten angesehen werden.
115 
Letztlich kann dies sogar dahinstehen, denn zumindest eine einschränkungslose Wirkung gegen produktiven Husten ist entgegen dem durch die Bewerbung vermittelten Eindruck nicht unumstritten. Unstreitig kann produktiver Husten zumindest auch durch Schleimbildung in den zu den unteren Atemwegen gehörenden Bronchien entstehen. Weiter ist unstreitig, dass die betroffenen [H]-Produkte nicht in die unteren Atemwege gelangen. Dass sie gleichwohl in den unteren Atemwegen bei Schleimbildung eine Wirkung entfalten, ist daher, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, fachlich umstritten. Dass es Stoffe geben mag, die Wirkungen in den unteren Atemwegen entfalten können, ohne selbst dorthin zu gelangen, ändert hieran nichts.
116 
Dass es Arten des produktiven Hustens geben mag, bei denen die Ursache nicht in den unteren Atemwegen lokalisiert ist, ist unerheblich, weil die beanstandeten Angaben keine Einschränkung enthalten.
117 
(2) Mit den vorgelegten Studien kann die Beklagte die Richtigkeit der ausgelobten Wirksamkeit gegen produktiven Husten nicht beweisen, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat.
118 
Aufgrund der oben dargelegten fachlichen Umstrittenheit muss die Beklagte den Beweis der Richtigkeit ihrer Aussagen erbringen. Die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens muss dabei bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein. Nicht ausreichend ist es, den Nachweis erst im Prozess durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu führen (OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Juni 2018 - 6 U 74/17, Rn. 70 - Craniosakrale Osteopathie; OLG Hamm, GRUR-RR 2014, 412; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2021, 41663 Rn. 31). Studienergebnisse, die im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dies erfordert nach dem sogenannten „wissenschaftlichen Goldstandard“ im Regelfall, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH, GRUR 2021, 513 Rn. 20 – Sinupret; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RS 2021, 41663 Rn. 32).
119 
Der Senat hat bereits im Urteil vom 14. Oktober 2020 - 6 U 59/20 (GRUR-RS 2020, 37076 Rn. 98 ff) ausgeführt, dass die Beklagte die Richtigkeit der ausgelobten Wirksamkeit gegen produktiven Husten mit den hierzu vorgelegten Studien selbst unter Berücksichtigung des im einstweiligen Verfügungsverfahren herabgesetzten Beweismaßes nicht glaubhaft machen konnte. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat sich der Senat wie das Landgericht nicht die Überzeugung im Sinne persönlicher Gewissheit verschaffen können. Dabei ist sich der Senat bewusst, dass er sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zufriedengeben muss, der letzte Zweifel nicht ausschließt, ihnen aber Schweigen gebietet. In casu verbleiben aber aufgrund der Studien selbst so viele und so bedeutsame, nicht nur theoretische, sondern ganz praktische Zweifel, dass eine persönliche Gewissheit nicht herstellt wird:
120 
Die Studie von [W1] et al., “[Titel]”, [Fundstelle] (Anlage K20), bezieht sich nur auf Kinder zwischen 2 und 5 Jahren mit einer Infektion der oberen Atemwege (upper respiratory tract infection (URI), AG 18, S. 27 li. Sp. unter methods, S. 27 re. Sp unter introduction, S. 28 li. Sp. unter Methods-Patients, ferner S. 31 re. Sp. unter Discussion). Sie unterscheidet nicht zwischen produktivem und trockenem Husten. Eine Aussage zu produktivem Husten mit Ursachen in den unteren Atemwegen enthält sie erst Recht nicht. Zudem ist – worauf das Landgericht zutreffend hinweist – nicht klar, ob überhaupt einer der Studienteilnehmer von produktivem Husten betroffen war.
121 
Für die Studie von [W2] et al., “[Titel]”, [Fundstelle] (Anlage K21), gilt nichts anderes. Sie bezieht sich auf Kinder zwischen 3 und 6. Sie erläutert, dass bei Kindern Infektionen der oberen Atemwege (upper respiratory tract infections) sehr viel häufiger seien als solche der unteren Atemwege, und sieht einen Schutz der oberen Atemwege als möglichen Ansatz an (vgl. Background). Es ist nicht ersichtlich, dass eine Trennung der Probanden nach trockenem und produktivem Husten oder gar nach Erkrankung der unteren oder der oberen Atemwege vorgenommen worden wäre. Eine Aussage zur Wirksamkeit speziell bei produktivem Husten und noch spezieller bei Betroffenheit der unteren Atemwege lässt sich der Studien nicht entnehmen.
122 
Letztlich ist bei beiden Studien gerade nicht danach differenziert worden, unter welcher Hustenart die Studienteilnehmer genau litten, sodass nicht einmal feststeht, ob überhaupt einer der Studienteilnehmer von produktivem Husten betroffen war. Zudem wurden in den Studien ausschließlich Kinder untersucht, so dass sie von vornherein nicht zum Beleg der Wirksamkeit von „[H1]“ und „[H3]“ herangezogen werden können.
123 
(3) Ein hinreichender Beleg für die ausgelobte Wirksamkeit gegen produktiven Husten lässt sich auch den Schreiben des Istituto Superiore di Sanità vom 21.05.2020 (Anlage B2) und vom 07.06.2021 (Anlage B3) nicht entnehmen.
124 
Zwar führt die Benannte Stelle in dem Schreiben vom 21.05.2020 aus, sie habe die klinischen Bewertungen der betroffenen [H]-Produkte beurteilt und als ausreichend angesehen, um die Übereinstimmung der Produkte mit den relevanten grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang I der Medizinprodukterichtlinie nachzuweisen. Die Wirksamkeit, die Sicherheit und das Nutzen-Risiko-Profil der Produkte seien nachgewiesen und würden in Bezug auf ihren Verwendungszweck als günstig bewertet. Sie habe während des Zertifizierungsverfahrens die italienische Produktbeschriftung (labelling) bewertet und als konform mit den Anforderungen gemäß Abschnitt 13 des Anhangs I der Medizinprodukterichtlinie angesehen. Insbesondere habe sie die therapeutische Indikation gemäß Ziff. 13.4 des Anhangs I der Richtlinie für angemessen und durch die im Rahmen des klinischen Bewertungsberichts vorgelegten Daten gestützt erachtet. Die deutsche Produktbeschriftung (labelling) sei eine getreue Übersetzung der italienischen.
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Abgesehen davon, dass sich der angeführte Prüfungsumfang nicht aus den förmlichen Zertifizierungsbescheinigungen ergibt, enthält das Schreiben keine konkreten Aussagen zu einer Wirkung, erst Recht nicht zu einer uneingeschränkten Wirkung der Produkte gegen produktiven Husten. Soweit es darin pauschal heißt, die Wirksamkeit der Produkte sei nachgewiesen, bleibt letztlich offen, welche Wirksamkeit genau gemeint ist und auf welchen Belegen und Erkenntnissen der angebliche Nachweis erfolgt sein soll, denn das Schreiben teilt keine konkreten Grundlagen für die vorgenommenen Einschätzungen mit. Der Senat vermag sich daher auf dieser Grundlage keine Überzeugung davon bilden, dass die [H]-Produkte gegen produktiven Husten uneingeschränkt wirksam sind.
126 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch das neu vorgelegte Schreiben vom 07.06.2021 nicht. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich der dort angeführte Prüfungsumfang erneut nicht aus den förmlichen Zertifizierungsbescheinigungen. Der Senat teilt im Übrigen die Würdigung des Landgerichts, wonach es weiterhin an konkreten Aussagen zu einer konkreten Wirkung der streitgegenständlichen Produkte gegen produktiven Husten sowie die Nennung der einer angeblich vorgenommenen Prüfung zu Grunde liegenden Grundlagen und Methoden fehlt. Soweit in dem Schreiben ausgeführt wird, die Richtigkeit und Konformität, die Vollständigkeit und Angemessenheit für den Verwendungszweck „Behandlung von trockenem und produktivem Husten“ seien auf der
127 
Grundlage der vom Hersteller vorgelegten klinischen Prüfung Bestandteil des CE-Zertifizierungsverfahrens gewesen, wird nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die ausgelobte Wirksamkeit bei produktivem Husten anhand valider Studienergebnisse überprüft und als wissenschaftlich nachgewiesen beurteilt wurde. Erneut bleibt im Unklaren, welchen Inhalt eine etwaige (weitere) von der Beklagten vorgelegte „klinische Prüfung“ hatte und auf Grundlage welcher Daten die Benannte Stelle ihre angeblichen Beurteilungen getroffen haben will. Wenn damit – wie hier – keine hinreichenden Grundlagen vortragen werden, die erkennen ließen, aufgrund welcher Faktenlage die Überprüfung der Wirkung der streitgegenständlichen Produkte erfolgt ist, kann die CE-Kennzeichnung den Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung nicht ersetzen.
128 
(4) Soweit die Berufung schließlich auf eine vermeintliche Vermutungswirkung der CE-Zertifizierung für die Wirksamkeit von [H] bei produktivem Husten abstellt, erweist sich auch dieser Einwand als nicht durchgreifend. Wie dargelegt, kommen die genannten Studien von [W1] et al. und [W2] et al. (Anlagen K 20 und K 21) als ausreichende Erkenntnisquelle für eine Wirksamkeit der Mittel bei produktivem Husten nicht in Betracht. Nach den Ausführungen der Beklagten im vorangegangen Eilverfahren soll die CE-Zertifizierung jedoch auf Grundlage eben dieser beiden Studien erfolgt sein. Vor diesem Hintergrund müsste eine etwaige Vermutungswirkung der CE-Zertifizierung als entkräftet gelten. Deshalb lässt sich entgegen der Auffassung der Berufung aus der erfolgten CE-Zertifizierung auch eine von den oben dargestellten Grundsätzen abweichende Beweislastverteilung im Sinne einer Beweislastumkehr zu Gunsten der Beklagten nicht ableiten. Vielmehr zeigt die auf Grundlage der vorgenannten Studien erfolgte CE-Zertifizierung gerade, dass die Zweckbestimmung im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens nicht näher geprüft wurde, denn anderenfalls hätte die Benannte Stelle im Rahmen einer pflichtgemäßen Prüfung erkannt, dass die Studien als valider Beleg für eine Wirksamkeit von [H] bei produktivem Husten nicht herangezogen werden können.
129 
e) Bei den beanstandeten Angaben handelt es sich um Werbung i.S.d. § 3 HWG (ebenso OLG Hamburg, Urteil vom 12. Dezember 2019 - 3 U 14/19 -, Rn. 56, juris). Die Angaben auf den Umverpackungen sollen den Verbraucher zum Erwerb der [H]Produkte bewegen. Ein sachlicher Informationsgehalt steht der Annahme von Werbung nicht entgegen (BGH, NJW 1992, 751).
130 
Dass Angaben zur Zweckbestimmung auf der Umverpackung und der Flasche sowie in der Gebrauchsanweisung bei den [H]-Produkten erforderlich sind, weil ihre Zweckbestimmung für den Anwender nicht offensichtlich ist (§ 7 Abs. 1 MPG i.V.m. Ziff. 13.4 Anhang I MPRL), schließt eine Anwendung des § 3 HWG jedenfalls dann nicht aus, wenn es sich wie im Streitfall um nicht von der Benannten Stelle im Zertifizierungsverfahren förmlich geprüfte und bescheinigte Angaben handelt, denn zumindest in diesem Fall besteht kein Zwang, solche Angaben, wenn sie nicht belegt sind, auf den Produkten, ihren Umverpackungen oder in den Gebrauchsanweisungen anzubringen. Vielmehr genügt der Hersteller in diesem Fall seinen Verpflichtungen aus Ziff. 13.4 Anhang I MPRL, wenn er seine Angaben auf belegte bzw. nachweisbare Leistungen beschränkt.
131 
Eine Anwendung des § 3 HWG scheitert hinsichtlich der Angaben auf den Hustensaftflaschen und in den Gebrauchsanweisungen nicht daran, dass die Verbraucher diese Angaben regelmäßig erst nach dem Kauf wahrnehmen können. Denn auch solche Angaben entfalten Werbewirkung. Sie sind nämlich geeignet, Nachkäufe oder die Empfehlung des Medizinprodukts gegenüber Dritten zu fördern (vgl. OLG Karlsruhe, MD 2005, 222; Rehmann/Wagner/Wagner, 3. Aufl., MPG § 4 Rn. 57 mwN).
132 
3. Die Zuwiderhandlung der Beklagten ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern i.S.d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.
133 
§ 3 HWG zählt zu den Vorschriften, die dem Schutz von Gesundheit oder Sicherheit von Verbrauchern dienen. Bei solchen Vorschriften ist die Spürbarkeit zu vermuten und nur ganz ausnahmsweise zu verneinen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 40. Aufl., § 3a Rn. 1.102 mwN).
134 
Einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die von der Beklagten im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 1 der RL 93/42/EWG aufgeworfenen Vorlagefragen bedarf es nicht. Aus den genannten Gründen ergeben sich keine vernünftigen Zweifel, dass das Behinderungsverbot im Streitfall nicht eingreift („acteclaire-Doktrin“).
135 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor.

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