Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (12. Zivilsenat) - 12 U 16/10

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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 03.12.2009 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.170,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2008 sowie weitere 229,55 € zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I. Der Kläger mähte mit seinem Traktor, an dem ein Mähwerk angebracht war, ein Wiesengrundstück. Er tat dies im Einverständnis mit dem Pächter dieses Grundstücks. Während des Mähvorgangs kollidierte das Mähwerk mit einem Kanaldeckel. Dieser Kanaldeckel ist Teil einer von der Beklagten betriebenen Kanalisationsanlage. Er soll einen im Bereich des Wiesengrundstücks befindlichen Schacht abdecken.

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Mit der Klage fordert der Kläger Ersatz des Schadens, der ihm infolge der Kollision an dem Mähwerk entstanden ist. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.170,97 € nebst Zinsen und außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,55 € zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien sowie das angefochtene Urteil verwiesen.

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II. Die Berufung hat Erfolg.

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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.170,97 €. Der Anspruch folgt aus § 2 Abs. 1 Haftpflichtgesetz (HaftpflG).

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Der Kläger mutmaßt, dass Wasser in dem Kanal den Deckel hochgedrückt hat, der Deckel infolgedessen schräg auf dem Schacht lag und das Mähwerk gegen den Deckel stieß. War das der Fall, ergibt sich der Anspruch des Klägers aus § 2 Abs. 1 S. 1 HaftpflG. Nach dieser Bestimmung ist der Inhaber einer Rohrleitungsanlage verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass durch die Wirkungen von Flüssigkeiten, die von einer Rohrleitungsanlage ausgehen, eine Sache beschädigt wird.

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Die Beklagte bestreitet, dass Wasser in dem Kanal den Deckel hochgedrückt hat. Ist der Kanaldeckel nicht durch Wasser hochgedrückt worden, ergibt sich der Anspruch des Klägers aus § 2 Abs. 1 S. 2 HaftpflG. Nach dieser Bestimmung ist der Inhaber einer Rohrleitungsanlage verpflichtet, im Falle der Beschädigung einer Sache den Schaden zu ersetzen, der auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist. Lässt man die Möglichkeit außer Acht, dass Wasser in dem Kanal den Deckel hochgedrückt hat, so ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Schaden an dem Mähwerk auf das Vorhandensein der über das Wiesengrundstück verlaufenden Rohrleitungsanlage zurückzuführen ist. Es ist unstreitig, dass das Mähwerk mit dem Kanaldeckel, der Teil der Rohrleitungsanlage ist, kollidiert ist.

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Der Anspruch aus § 2 Abs. 1 S. 2 HaftpflG besteht nicht, wenn sich die Anlage zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsmäßigem Zustand befand. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 HaftpflG ist eine Anlage ordnungsmäßig, solange sie den anerkannten Regeln der Technik entspricht und unversehrt ist. Ob sich die Anlage der Beklagten in einem ordnungsmäßigen Zustand befand, insbesondere ob sie unversehrt war, ist offen. Dieser Umstand geht zu Lasten der Beklagten. Sie muss beweisen, dass der Zustand ordnungsmäßig war (Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Aufl., § 2 Rn. 80). Diesen Beweis hat sie nicht geführt.

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Geht man mit der Beklagten davon aus, dass der Deckel nicht durch Wasser in dem Kanal hochgedrückt worden ist, bedeutet das nicht zwingend, dass die Anlage in ordnungsmäßigem Zustand war. Warum das Mähwerk mit dem Kanaldeckel kollidiert ist, bleibt zwar letztlich unklar. Dass diese Kollision stattfand, ist andererseits unstreitig.

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Die Beklagte mutmaßt, dass das Mähwerk durch ein Wippen des Traktors beim Befahren des Wiesengrundstücks in Kontakt mit dem - ordnungsgemäß aufliegenden - Kanaldeckel gekommen ist. Das ist jedoch nicht weniger spekulativ als die Annahme des Klägers, Wasser habe den Kanaldeckel hochgedrückt.

13

Die Mutmaßung der Beklagten ist auch nicht nachvollziehbar. Es ist unstreitig, dass der Kanaldeckel nach der Kollision neben dem Schacht lag. Folgt man der Beklagten, müsste das Mähwerk den Kanaldeckel aus seiner - ordnungsgemäßen - Lage herausgerissen und neben den Schacht geschleudert oder mitgeschleift haben. Dass das Mähwerk den Kanaldeckel aus seiner Lage aus dem Schacht herausreißen kann, ist kaum vorstellbar. Wie die in den Akten befindlichen Lichtbilder zeigen, ist der Kanaldeckel von dem Schacht eingefasst. Er ist zwar nicht mit dem Schacht verschraubt, ragt aber auch nicht über den Schacht hinaus. Auch der Kläger hat darauf verwiesen, dass der Kanaldeckel von dem Kanaldom umfasst sei und in dieser Lage von dem Mähwerk nicht bewegt werden könne.

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Eine Haftung der Beklagten käme möglicherweise nicht in Betracht, wenn Unbefugte den Kanaldeckel vor der Kollision von dem Schacht gelöst hätten (Filthaut, a. a. O., Rn. 33). Dazu trägt die Beklagte aber selbst vor, dass es dafür nicht den geringsten Anhaltspunkt gebe.

15

Den Kläger trifft kein Mitverschulden. Er konnte während der Fahrt über das Wiesengrundstück den Kanaldeckel wegen des hohen Grases nicht erkennen. Er war auch nicht verpflichtet, das Grundstück vor dem Mähen zu begehen und die ordnungsgemäße Lage dort vorhandener Kanaldeckel zu überprüfen. Das gilt auch dann, wenn er wusste, dass ein Kanal über das Grundstück verläuft. Der Kläger konnte damit rechnen, dass die Kanaldeckel ordnungsgemäß auflagen.

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Die Höhe des Schadens ist unstreitig.

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Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

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Für eine Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Die in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen liegen nicht vor.

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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.170,97 € festgesetzt.

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