Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (2. Strafsenat) - 2 Ws 324/18

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 12. großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. April 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die genannte Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.

Gründe

1

Dem Angeschuldigten wird zur Last gelegt, in der Zeit vom 13. Mai 2014 bis zum 22. Januar 2015 in zehn Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln (Amphetamin) in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, wobei er tateinheitlich jeweils einen anderen dazu angestiftet haben soll, diese Betäubungsmittel unerlaubt in das Bundesgebiet einzuführen (Verbrechen gem. §§ 29a Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 30 Abs. 1 Nr. 4, 3 Abs. 1, 1 Abs. 1 iVm. Anl. I-III, 33 BtMG, 26, 52 StGB). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anklageschrift vom 22. März 2018 (Bl. 1513 ff. d.A.) Bezug genommen. Durch den im Tenor genannten Beschluss (Bl. 1544 ff. d.A.) hat sich die Strafkammer, bei der die Anklage am 11. April 2018 eingegangen ist, für örtlich unzuständig erklärt.

2

Die hiergegen gerichtete (einfache) Beschwerde der Staatsanwaltschaft (vgl. zur Statthaftigkeit: Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 61. Aufl. § 16 Rn. 7; LR-StPO/Erb, § 16 Rn. 16) hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Landgericht Koblenz ist für die Durchführung des Hauptverfahrens örtlich nicht unzuständig.

3

Gemäß § 7 Abs. 1 StPO ist der Gerichtsstand (auch) bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist. Dieser Ort wird durch § 9 StGB näher bestimmt. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist kein Erfolgs-, sondern ein Begehungs- bzw. Tätigkeitsdelikt. Für die Frage, ob der Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 7 Abs. 1 StPO iVm. § 9 Abs. 1 StGB begründet ist, ist deshalb allein auf den Handlungsort abzustellen, wobei sich die Bestimmung desselben nach der Tatsachengrundlage beurteilt, wie sie sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens darstellt (BGH StraFo 2011, 391 mwN.).

4

Bei Begehungsdelikten ist ein Tätigkeitsort überall dort gegeben, wo der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet oder versucht hat (BGH StraFo 2006, 461; LK-StGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl. § 9 Rn. 10), d.h. an dem er einen Teilakt des Tatbestands verwirklicht oder versucht (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. vor § 29 Rn. 294; Weber, BtMG, vor § 29 ff. Rn. 85). Dies betrifft nicht nur Handlungen, die zur Vollendung des Tatbestands führen, sondern auch solche, die über die Vollendung hinausreichen, aber noch mit zur Tatbeendigung gehören (vgl. BGH StGB § 9 Abs. 1 Tatort 3; Weber aaO. Rn. 91). Bei telekommunikativer Übermittlung handelt der Täter auch an demjenigen Ort, an dem seine Kundgabe optisch oder akustisch wahrgenommen wird (KG Berlin NJW 1999, 3500 ; Eser in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. § 9 Rn. 4).

5

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sind die von dem Angeschuldigten unter seinem Decknamen „A.“ geführten Telefonate vom 6. August (TÜ-Quellnr. 449 u. 450, Bl. 133 TÜ-Sonderband) und vom 13. August 2014 (TÜ-Quellnr. 1003 u. 1004, Bl. 281 sowie 1008 u. 1009, Bl. 283 TÜ-Sonderband) mit seinem Abnehmer M. aus E. für das Landgericht Koblenz zuständigkeitsbegründend, denn sie betreffen Modalitäten der Übergabe von - zu Fall 5 der Anklageschrift erfassten - 10 kg Amphetamin an diesen. Da sich M. zum Zeitpunkt der aufgeführten Telefonate in U. und damit im Bezirk des Landgerichts Koblenz aufhielt, hat der Angeschuldigte auch dort im Sinne von § 9 StGB gehandelt. Unschädlich ist, dass die genannten Telefonate lediglich die Übergabemodalitäten eines bereits zu einem früheren Zeitpunkt verabredeten Betäubungsmittelgeschäfts betrafen, denn es handelt sich um Teilakte des Handeltreibens, die noch vor Beendigung dieses Tatbestands erfolgt sind. Im Gegensatz zur Auffassung der Strafkammer lässt sich dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 (BGH StraFo 2011, 391) nicht entnehmen, dass telefonische Erklärungen zwischen den Partnern eines Betäubungsmittelgeschäfts nur dann zuständigkeitsbegründende Handlungen darstellen, wenn sie zum originären Abschluss einer darauf gerichteten Vereinbarung führen.

6

Über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat der Senat nicht selbst zu entscheiden, weil das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens vor sich oder vor einem Gericht niedrigerer Ordnung in seinem Gerichtsbezirk mit der allein tragenden Begründung abgelehnt hat, dass eine örtliche Zuständigkeit nicht gegeben sei. Nach § 199 StPO muss jedoch zunächst das zuständige Gericht darüber entscheiden, ob das Hauptverfahren zu eröffnen ist.

7

Weil daher eine beschwerdefähige Entscheidung in der Sache fehlt, war die Sache an die Strafkammer zurückzuverweisen (vgl. BGHR StPO § 210 Abs. 3 Zurückverweisung 1 mwN.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. Rn. 7).

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