Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (4. Strafsenat) - 3 OWi 6 SsRs 189/20

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts - Bußgeldrichterin - Sinzig vom 9. März 2020 wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Gründe

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[…] Allerdings genügt der Antrag nicht den besonderen Formanforderungen gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 StPO.

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Der Begründungsschriftsatz enthält keinen ausdrücklichen Antrag, wie er gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 1 StPO erforderlich ist. Auch fehlt es jedenfalls ausdrücklich an der gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 1 StPO erforderlichen Erklärung, ob gegen das Urteil die Verfahrens- oder die Sachrüge erhoben werden soll. Das Fehlen dieser Anträge ist indes unschädlich, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus dem Inhalt der Rechtsmittelschrift

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oder aus dem Gang des bisherigen Verfahrens eindeutig hervorgeht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. § 344 Rn. 2 mwN.). Ein unklares Angriffsziel kann zudem durch Auslegung ermittelt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. Rn. 11). Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrags wendet sich der Betroffene ausschließlich gegen die Ablehnung seines Antrages, die digitalen Falldatensätze inklusive unverschlüsselter Messdaten der gesamten Messeserie, die Statistikdatei zur Messserie, die Wartung- und Instandsetzungsnachweise des Messgerätes seit der letzten Eichung sowie die Eichnachweise seit der ersten Inbetriebnahme und den „Public Key“ des Messgerätes zur Verfügung gestellt zu bekommen, sowie gegen die angeblich unterlassene Aushändigung der Gebrauchsanweisung des Messgerätes. Damit greift der Betroffene ersichtlich ausschließlich verfahrensrechtliche Gesichtspunkte auf. Erkennbare Zielrichtung seines Zulassungsantrags ist mithin die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs und mithin von Rechtsnormen über das Verfahren.

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Auch im Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist indes die zulässige Erhebung der Verfahrensrüge an die formalen Anforderungen gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 1 StPO gebunden (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 1 OWi 6 SsBs 235/19 v. 2. März 2020). Bei der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs handelt es sich um eine Verfahrensrüge, die der Formvorschrift der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen muss (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 1 Ss 337/06 v. 17. November 2006; BayObLG, Beschl. 3 ObOWi 42/96 v. 15. April 1996 – Rn. 5 f. n. juris; OLG Hamm, Beschl. 2 Ss OWi 1021/98 v. 11. September 1998 – Rn. 6 f. n. juris). Das Vorbringen muss mithin so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen zutrifft. Bei der Rüge der unberechtigten Ablehnung eines Beweisantrages bedarf es zudem der inhaltlichen Wiedergabe des Antrags (Beweistatsache und Beweismittel) und der Mitteilung des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses (OLG Brandenburg, Beschl. (1 Z) 53 Ss-OWi 107/19 (84/19) v. 29. März 2019 - BeckRS 2019, 5999 Rn. 1).

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Diesen Anforderungen wird der Beschwerdevortrag nicht gerecht. Weder der genaue Inhalt des Antrags noch der gerichtliche Ablehnungsbeschluss werden in der Begründung des Zulassungsantrags mitgeteilt. Zudem fehlt jeder Vortrag zu dem zu erwartenden Beweisergebnis, welches weder konkret bezeichnet noch bestimmt behauptet wird und es wird auch nicht vorgetragen, welche Umstände zur Aufklärung drängten (vgl. BayObLG, Beschl. 201 ObOWi 291/20 v. 6. April 2020 - juris).

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Daher kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht ohne Rückgriff auf den übrigen Akteninhalt überprüfen, ob das rechtliche Gehör verletzt wurde.

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Zwar ist grundsätzlich ein Rechtsmittel so zu deuten, dass der erstrebte Erfolg möglichst erreichbar ist (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. § 300 Rn. 3). So kann auch im Falle einer unzulässigen Verfahrensrüge gegebenenfalls aus dem Gesamtzusammenhang die Erhebung einer Sachrüge hergeleitet werden (OLG Koblenz, Beschl. 1 OWi 6 SsBs 235/19 v. 2. März 2020). Dies scheitert vorliegend allerdings an der diesbezüglich vorzunehmenden Gesamtschau des Rechtsmittelziels. Bereits im Schriftsatz seines Verteidigers vom 21. Februar 2020 hat der Betroffene erklärt, es gehe ihm ausschließlich um die Rechtsfrage, ob sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt ist, wenn eine Überprüfung der Rohmessdaten etc. nicht ermöglicht wird bzw. möglich ist. Dieses Rechtsschutzziel hat der Betroffene nochmals dadurch bestätigt, dass er in seiner Replik vom 3. Juli 2020 auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vom 8. Juni 2020 die von der Generalstaatsanwaltschaft geäußerte Auffassung, es werde ausschließlich eine Verfahrensrüge erhoben, bestätigt hat. Damit kann eine - möglicherweise die Zulässigkeit des Zulassungsantrags herbeiführende - Auslegung des Rechtsmittels in eine Sachrüge nicht erfolgen, da eine solche dem ausdrücklich mehrfach formulierten Rechtsschutzziel nicht entsprechen würde.

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In der Sache selbst weist der Senat vorsorglich ergänzend auf folgendes hin:

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Eine generelle Verpflichtung zur Beiziehung und Zurverfügungstellung von weitergehenden Daten bzw. Unterlagen lässt sich entgegen der Auffassung des Betroffenen auch der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarland vom 5. Juli 2019 (Saarl. VerfGH, Urt. Lv 7/17 v. 5. Juli 2019 - BeckRS 2019, 13588) nicht entnehmen. Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat in seinem Urteil nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte zu den standardisierten Messverfahren verworfen. Der Gerichtshof geht vielmehr bei seiner Entscheidung ausdrücklich von dieser Rechtsprechung aus. Er hält es lediglich verfassungsrechtlich für geboten, dass das Messergebnis aufgrund gespeicherter Rohmessdaten für den Betroffenen überprüfbar sein muss. Dies ist bei dem hier verwendeten Messgerät PoliScan Speed FM 1 aber grundsätzlich möglich (OLG Zweibrücken, Beschl. 1 OWi 2 SsRs 68/19 v. 23. Juli 2019 - BeckRS 2019, 20220; OLG Koblenz, Beschl. 2 OWi 6 SsRs 394/19 v. 30. April 2020).

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Auch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2020 ändert entgegen der Auffassung des Betroffenen hieran nichts. Die dort angenommene Pflicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde und die zugleich angenommene Pflicht zur Vorlage zum Bundesgerichtshof beruht allein auf der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob ein Einsichtnahmerecht des von einem standardisierten Messverfahren Betroffenen in Gebrauchs- bzw. Bedienungsanleitungen von Messgeräten besteht (vgl. Urteil v. 15. Januar 2020, Ziff. II. 2. lit. b, ee) und stellt die Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens nebst der aus dieser resultierenden Bedeutung für die sachlich-rechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe ebenfalls nicht in Frage.

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Im vorliegenden Verfahren wurde die Gebrauchsanleitung jedoch bereits durch die Bußgeldbehörde am 16. September 2019 dem Verteidiger des Betroffenen in digitaler Form auf einer CD zur Verfügung gestellt. […]

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Durch die Verwerfung des Zulassungsantrags gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG). Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG iVm. § 473 Abs. 1 StPO.

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