Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 32/10 (Hs)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.3.2010 verkündete Teilversäumnis- und Schlussurteil des Landgerichts Magdeburg (36 O 230/09) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf … Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Klägerin verlangt die Rückzahlung von Netznutzungsentgelten für die Zeit vom 1.1.2006 - 30.6.2006 in nicht mehr streitiger Höhe von … Euro. Die Zusammenarbeit zwischen den Parteien beruhte auf einer Vereinbarung über Entgelte für die Nutzung der Netzinfrastruktur für die Zeit ab dem 1.1.2002 (Anlage K 2 - Anlagenband -).
- 2
Die Klägerin ist der Ansicht, dass das von der Beklagten für das Jahr 2006 (bis zur Wirksamwerdung der Netzentgeltregulierungsentscheidung) geforderte Entgelt unbillig und unangemessen und um mindestens 40 % überhöht sei. Die Klägerin verlangt eine Überprüfung anhand von § 315 BGB. Sie ist weiter der Ansicht, dass ihr ein kartellrechtlicher Schadensersatzanspruch zustehen könnte.
- 3
Die Beklagte hat sich am Verfahren in erster Instanz nicht beteiligt. Das Landgericht hat ein teils echtes und teils unechtes Versäumnisurteil erlassen und hat das Entgelt auf 75 % der geleisteten Beträge festgesetzt und die Beklagte anteilig i.H.v. … Euro zur Rückzahlung von Netznutzungsentgelten verurteilt. Das Landgericht hat den Anteil dabei - wie in den Parallelverfahren (1 U 1/10; 1 U 2/10 und 1 U 7/10) auch - anhand eines Vergleichs der von der Beklagten geforderten und den ab dem 1.7.2006 genehmigten Entgelten ermittelt.
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Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrages der Klägerin und der von ihr in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
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Soweit das Landgericht mit unechtem Versäumnisurteil entschieden hat, wendet sich die Klägerin dagegen mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter verfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 17.5.2010 (Bl. 1 - 18 II/hinsichtlich des in der Berufungsinstanz gestellten Antrages auf Seite 2 der Berufungsbegründung [Bl. 2 II]).
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Die Beklagte wird in der Berufungsinstanz anwaltlich vertreten und beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Anspruch der Klägerin verwirkt sei. Die Beklagte ist unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.8.2008 (KVR 39/07 [z.B. ZNER 2008, 217]; hier. zitiert nach juris) weiter der Ansicht, dass jedenfalls ab dem 29.10.2005 kein Rückzahlungsanspruch bestehen könne. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 24.6.2010 (56 - 64 II).
II.
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Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird auch die Beschwer von 600,-- Euro (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erreicht. Zwar hat die Klägerin in der Klageschrift den Streitwert mit (geschätzt) 680,-- Euro angegeben. Sie hat aber - wie in den vorgenannten Parallelverfahren auch - zum Ausdruck gebracht, dass sie die Rückzahlung des gesamten gezahlten Netznutzungsentgeltes verlangt. Konsequent hat das Landgericht im angefochtenen Urteil den Streitwert auch auf den vollen Betrag (… Euro - LGU S. 2 -) festgesetzt. Die Beschwer der Klägerin liegt damit bei … Euro.
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Die Berufung ist aber in vollem Umfang unbegründet. Es kann dahinstehen, ob eine Schätzung gemäß § 287 ZPO des billigen Entgeltes auch dann in Betracht kommt, wenn das Energieversorgungsunternehmen keinen (ausreichenden) Vortrag zu den kalkulatorischen Grundlagen der Preisbildung hält.
- 10
Für die Zeit ab dem 29.10.2005 steht der Klägerin jedenfalls kein klagbarer Anspruch zu:
- 11
Gemessen an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 14.8.2008 (KVR 39/07 [z.B. ZNER 2008, 217]; ausdrücklich bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2009 - 1 BvR 2738/08 - [z.B. RdE 2010, 92]; jeweils zitiert nach juris) kann ein Rückforderungsanspruch für die Zeit ab dem 29.10.2005 nicht mehr isoliert eingeklagt werden. Der Bundesgerichtshof sieht in § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG quasi eine Sperre für die isolierte Geltendmachung einer Rückforderung für die Zeit nach Stellung des 1. Regulierungsantrages. Die Netzbetreiber dürften (rechtgrundlos) vereinnahmte Mehrerlöse zwar nicht behalten. Der Ausgleich habe aber dadurch zu erfolgen, dass der Netzbetreiber periodenübergreifend abrechnen müsse. Ob der Klägerin ein Rückforderungsrecht auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten zustehen kann (z.B. kartellrechtlicher Schadensersatzanspruch), bedarf keiner Entscheidung. Dem Landgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass ein solcher Anspruch tatsächlich nicht besteht (LGU S. 4/5). Letztlich kann aber auch dies dahinstehen: Auch bei einem Schadensersatzanspruch ginge es letztlich auch um die Rückforderung (andere Schadenspositionen legt die Klägerin nicht dar) überzahlter Netznutzungsentgelte. Dann muss aber auch für solche Anspruchsgrundlagen die vom Bundesgerichtshof angenommene Klagbarkeitssperre aus § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG ebenfalls gelten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Frage einer Klagbarkeitssperre für Rückforderungsansprüche nach dem 29.10.2005 ist höchstrichterlich geklärt. Auf die in den Parallelverfahren entscheidungserhebliche Frage, auf welche Höhe das Netznutzungsentgelt festzusetzen ist, wenn der Netzbetreiber seine Kalkulationsgrundlage nicht offen legt (OLG Düsseldorf [a.a.O.] einerseits; OLG München [IR 2009, 232] andererseits), kommt es vorliegend nicht an.
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Den Inhalt des Schriftsatzes vom 29.07.2010 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Er sieht keine Veranlassung zu einer abweichenden Bewertung.
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Referenzen
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- § 23 a Abs. 5 S. 1 EnWG 2x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 2738/08 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- 1 U 7/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei 1x
- ZPO § 511 Statthaftigkeit der Berufung 1x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- 1 U 2/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1 U 1/10 1x (nicht zugeordnet)
- 36 O 230/09 1x (nicht zugeordnet)