Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Strafsenat) - 1 Ws 36/13

Tenor

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Halle vom 19. Dezember 2012 gegen den Beschluss des Landgerichts Halle vom 21. Dezember 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Halle hat am 26. Juni 2012 (395 Gs 358/12 ) gegen den Angeklagten wegen des dringenden Tatverdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 32 Fällen Haftbefehl erlassen. Der Haftbefehl ist auf den Haftgrund der Fluchtgefahr, subsidiär auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr, gestützt. Der Angeklagte wurde am 17. Juli 2012 festgenommen.

2

Die Staatsanwaltschaft Halle erhob am 23. Oktober 2012 Anklage vor dem Landgericht Halle. Mit Beschluss vom 30. November 2012 hat das Landgericht Halle die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Eine Haftentscheidung erging nicht.

3

Nach einer am 19. Dezember 2012 durchgeführten mündlichen Haftprüfung hat das Landgericht Halle mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 den Haftbefehl des Amtsgerichts Halle vom 26. Juni 2012 (395 Gs 358/12) aufrechterhalten und den Vollzug des Haftbefehls gegen Auflagen ausgesetzt. Der Angeklagte wurde am 21. Dezember 2012 aus der Untersuchungshaft entlassen.

4

Bereits in der mündlichen Haftprüfung vom 19. Dezember 2012 verlas der Staatsanwalt einen Antrag, der als Anlage 2 zum Haftprüfungsprotokoll genommen worden ist. In diesem Schriftsatz heißt es u. a.:

5

" … wird für den Fall, dass die 8. Große Strafkammer beabsichtigt den Haftbefehl gegen den Angeklagten gemäß § 116 StPO außer Vollzug zu setzten,

6

a) Beschwerde gemäß § 304 Abs.1 StPO gegen die Außervollzugsetzung eingelegt…"

7

Am 27. Dezember 2012 hat das Landgericht Halle der "vorsorglich" eingelegten Beschwerde der Staatsanwaltschaft Halle gegen die Außervollzugsetzung des Haftbefehls nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorlegt.

8

Der Senat hat dem Angeklagten rechtliches Gehör gewährt, wovon er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16. Januar 2013 Gebrauch machte. Er hält die Beschwerde schon für unzulässig.

II.

9

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 19. Dezember 2012 ist unzulässig.

10

1. Ein Rechtsmittel kann erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingelegt werden  (BGH, Beschluss vom 16. Mai 1973, 2 StR 497/72, BGHSt 25, 187,189; Meyer- Goßner, StPO, 55. Aufl.; Vor § 296 StPO, Rd. 4; Plöd in KMR 51. EL, Stand 2008, Vor § 296 StPO, Rd.11; siehe auch: Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., Vor § 296 StPO, Rd. 2). Die Einlegung eines Rechtsmittels soll nach der Systematik der StPO erst dann erfolgen, wenn eine Entscheidung bereits ergangen ist. Präventive Rechtsmittel, insbesondere um die Entscheidungsfindung einer Strafkammer unzulässig zu beeinflussen, sind in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen. Die Rechtsmitteleinlegung gegen eine vorerst nur drohende Entscheidung ist folglich unzulässig (siehe: Frisch in SK, StPO, Vor § 296 StPO, Rd. 74). Ein vor Erlass der angefochtenen Entscheidung eingelegtes Rechtsmittel ist daher unwirksam (siehe: LR, StPO, 25. Aufl., Vor § 296 StPO, Rd. 30).

11

Die hier angefochtene Entscheidung vom 21. Dezember 2012 war zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung durch die Staatsanwaltschaft am 19. Dezember 2012 noch nicht existent. Vor Erlass eingelegte Rechtsmittel sind unzulässig (Plöd, a. a. O).

12

Zwar kann eine bereits erlassen Entscheidung auch dann wirksam angefochten werden, wenn der Anfechtende die Entscheidung noch nicht kennt (BGH, a. a. O), jedoch sollte die Staatsanwaltschaft als objektive Behörde vor Einlegung von Rechtsmittel die Gründe einer Entscheidung zur Kenntnis nehmen, um dann eine sachgerechte Prüfung vorzunehmen und um danach zu entscheiden, ob sie die Gründe der Entscheidung für überzeugend hält oder ob sie es für angezeigt hält, Rechtsmittel einzulegen.

13

2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird auch nicht deshalb zulässig, da sie "für den Fall, dass die 8. Große Strafkammer beabsichtigt den Haftbefehl gegen den Angeklagten gemäß § 116 StPO außer Vollzug zu setzten" eingelegt wurde.

14

Die Staatsanwaltschaft Halle knüpft ihre Beschwerde nicht nur an etwas Gegebenes, insbesondere an eine Rechtslage – wie die bereits erlassene Entscheidung (siehe hierzu: BGH, a. a. O), sondern stellt vielmehr auch auf den Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses – nämlich die von ihr befürchtete Außervollzugsetzung des Haftbefehls – ab (siehe hierzu: Meyer- Goßner, a. a. O., Einleitung, Rd.118). Daher handelt es sich bei der von der Staatsanwaltschaft gemachten Bedingung ("für den Fall, dass...") nicht nur um eine Rechtsbedingung, sondern auch um eine echte Bedingung. Die bedingte Einlegung von Rechtsmittel ist jedoch unzulässig (Meyer- Goßner, a. a. O, Vor § 296 StPO, Rd. 5).

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.


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