Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Strafsenat) - 1 Ws 345/13
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal vom 26. April 2013 aufgehoben.
2. Der Antrag des Antragstellers vom 26. Oktober 2011, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den OK-Vermerk aus seiner Gefangenenpersonalakte zu entfernen, wird als unbegründet verworfen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 600 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal hat mit Beschluss vom 26. April 2013 (508 StVK 1270/11) auf den Antrag des Antragstellers vom „01. November 2011“, richtig: 26. Oktober 2011, die Antragsgegnerin verpflichtet, den OK-Vermerk aus der Gefangenenpersonalakte des Antragstellers zu entfernen.
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Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer bei dem Landgericht Stendal am 22. Mai 2013 eingegangenen Rechtsbeschwerde vom selben Tag. Die beteiligte Aufsichtsbehörde ist der Rechtsbeschwerde beigetreten.
II.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 118 StVollzG) eingelegt.
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Sie ist auch statthaft gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG. Die Nachprüfung ist zur Fortbildung des Rechts zur Frage, ob dem streitgegenständlichen Vermerk in der Gefangenenpersonalakte Maßnahmecharakter i. S. d. § 109 Abs. 2 StVollzG zukommt und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Vermerk in die Gefangenenpersonalakte aufgenommen werden darf, geboten.
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2. Die Rechtsbeschwerde hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg.
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a) Dem streitgegenständlichen „OK-Vermerk“ in der Gefangenenpersonalakte des Antragstellers kommt der Charakter einer Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzugs i. S. d. § 109 Abs. 2 StVollzG zu. Er kann daher mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden.
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Nach § 109 Abs. 1 StVollzG sind nur solche Maßnahmen anfechtbar, denen eine unmittelbare Rechtswirkung zukommt. Durch die vollzugliche Maßnahme müssen die Lebensverhältnisse des Gefangenen in irgendeiner Weise mit zumindest auch rechtlicher Wirkung gestaltet werden. Anordnungen, die Maßnahmen nur vorbereiten, Entscheidungshilfen vermitteln und Zuständigkeiten bestimmen, besitzen ebenso wie Vermerke in den Personalakten, denen nur die Funktion eines Merkpostens zukommt, keinen Maßregelcharakter (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02. Januar 2001, 5 Ws 640/00 Vollz, bei Juris). Letzteres ist etwa der Fall bei dem Vermerk „Rückverlegung aufgrund des Verdachts der Vorbereitung neuer Straftaten“ in der Personalakte eines Gefangenen, da sich dieser in der Wiedergabe eines Teils der Begründung des von dem Gefangenen nicht angefochtenen Entscheidung der Vollzugsbehörde über seine Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug (vgl. KG Berlin, NStZ 1993, 304) erschöpft.
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Zwar fehlt innerdienstlichen Vermerken in der Regel die die Lebensverhältnisse des Gefangenen in irgendeiner Weise zumindest auch rechtlich gestaltende Wirkung. Dies hat der Senat etwa für den Hinweis im anstaltsinternen Personalblatt „2 Bedienstete und Hand-/Fußfessel“ angenommen (vgl. Beschluss vom 18. November 2011 - 1 Ws 442/11), da dieser Vermerk lediglich einen Hinweis an den zur Entscheidung über die Art und Weise einer Ausführung eines Gefangenen zuständigen Bediensteten darstellt. Der Senat hat dort aber zugleich eine Differenzierung zu den in der Rechtsprechung entschiedenen Fallgestaltungen eines „OK“-Vermerkes (KG Berlin, Beschluss vom 04. Februar 1998 - 5 Ws 586/97 Vollz), des Vermerks „BtM-Konsument“ (KG Berlin, Beschluss vom 23. November 1989 - 5 Ws 447/89 Vollz) oder des Vermerks „terroristischer Gewalttäter“ (OLG Celle, Beschluss vom 26. August 1980 - 3 Ws 275/80 StrVollz) vorgenommen.
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Vorliegend ist mit dem sogenannten „OK-Vermerk“, der die Zuordnung zur organisierten Kriminalität (weitergehend: „Einbindung in die organisierte Kriminalität“, „Zugehörigkeit zur organisierten Kriminalität“) oder zumindest den Verdacht einer solchen zum Ausdruck bringt, eine Kategorisierung des Gefangenen durch die Antragsgegnerin vorgenommen worden. Solch einem Vermerk kommt indes eine Regelungswirkung und damit ein Maßnahmecharakter zu, denn die darin liegende - nachteilige - Heraushebung aus dem Gefangenenbestand, wobei das Kammergericht im Beschluss vom 02. Januar 2001, 5 Ws 640/00 Vollz, von einer „Brandmarkung“ spricht, entfaltet von sich aus Wirkungen und berührt dessen Rechtsstellung. Die von der Polizei und Staatsanwaltschaft in deren Zuständigkeitsbereich aufgrund ihrer dienstlichen Erkenntnisse getroffene Wertung, die sich die Justizvollzugsanstalt zu eigen gemacht hat, erschöpft sich nicht in der Vorbereitung von Maßnahmen, die dann erst ihrerseits anfechtbar wären. Der Vermerk macht vielmehr für jeden Vollzugsbediensteten, der die Gefangenenpersonalakte oder eine auf dieser Grundlage gefertigte und ebenso diesen Vermerk tragende Sicherheitsverfügung u. a. zur Hand nimmt, deutlich, dass der Gefangene zumindest im Verdacht steht, dass er der organisierten Kriminalität zuzurechnen ist. Die innere Haltung, die ein Vollzugsbediensteter gegenüber einem solchen Gefangenen einnimmt, wird von mehr Vorsicht und Misstrauen geprägt sein als im Regelfall. Danach werden sich auch seine Reaktionen auf außergewöhnliche Vorkommnisse ausrichten. All dies ist von der Anordnung oder Aufhebung besonderer Verwaltungsmaßnahmen, gegen die sich der Gefangene konkret wenden könnte, unabhängig. Wie das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 04. Februar 1998 zutreffend ausführt, kommt hinzu, dass der Gefangene die verwaltungsinternen Anordnungen, die der von ihm ausgehenden, aus der Zuordnung zur organisierten Kriminalität resultierenden Gefahr entgegenwirken sollen, wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht in vollem Umfang kennen kann, so dass er sich gegen sie nicht mit der Behauptung wenden kann, es handele sich um belastende Maßnahmen.
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Der OK-Vermerk kann damit zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden.
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b) Ein sogenannter „OK-Vermerk“ darf dann in die Gefangenenpersonalakte aufgenommen werden, wenn ausreichende Gründe für den Verdacht vorliegen, der Betroffene sei der organisierten Kriminalität zuzurechnen. Ein derartiger Verdacht kann sich grundsätzlich aus der entsprechenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft ergeben. Die dort genannten Beweisanzeichen sind indes in Beziehung zu dem Verhalten des Gefangenen in der Haft, zu den Urteilsgründen und zu allen anderen Umständen zu setzen, die für die Zuordnung zur organisierten Kriminalität von Belang sein können. Bleibt danach ein konkreter Verdacht, so ist die Eintragung gerechtfertigt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 04. Februar 1998 - 5 Ws 586/97 Vollz).
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Die Strafvollstreckungskammer hat bei der Überprüfung des von der Antragsgegnerin angenommenen Verdachts der Zuordnung des Antragstellers zur organisierten Kriminalität die Maßstäbe für die Annahme eines solchen überhöht. Des Weiteren hat sie verkannt, dass allein in einem vollzugskonformen Verhalten eines von einem „OK-Vermerk“ betroffenen Gefangenen oder dem Vorhandenseins von nicht der organisierten Kriminalität zuzuordnenden sozialen Kontakten keine grundsätzlich den auf einer entsprechenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft beruhenden Verdacht der Zuordnung zur organisierten Kriminalität entkräftende Umstände zu sehen sind. Auch soweit die Strafvollstreckungskammer der Auffassung ist, aus dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Urteil müsste sich nach ihren Kriterien der Schluss auf die Zugehörigkeit des Antragstellers zur organisierten Kriminalität ziehen lassen, ist dies unzutreffend.
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Vielmehr ist auf die entsprechende, auf ihren dienstlichen Erkenntnissen beruhende Mitteilung der Staatsanwaltschaft das Verhalten des Gefangenen in der Haft, die Urteilsgründe und alle anderen Umstände, die für eine Zuordnung zur organisierten Kriminalität von Bedeutung sein können, daraufhin zu überprüfen, ob diese den Verdacht abschwächen oder gar beseitigen.
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Dies ist hier nicht der Fall. Den Urteilsgründen ist zwar nicht - wie von der Strafvollstreckungskammer vorausgesetzt - zu entnehmen, dass der Antragsgegner bei der Beschaffung des Falschgeldes mit einem oder mehreren Mittäter zusammengewirkt und dabei von ihr weiter ausgeführte Kriterien erfüllt hat. Aus den im angefochtenen Beschluss in Bezug genommenen Urteilsgründen, die dem Senat zuletzt im Verfahren über die Reststrafenaussetzung - 1 Ws 753/13 - zum wiederholten Male vorlagen, ergibt sich aber, dass der Antragsteller selbst bereits im Jahr 2008 gegenüber potentiellen Abnehmern äußerte, vielfältige und gute Kontakte zu haben, sodass er auch Falschgeld in sehr guter Qualität in großen Mengen beschaffen könne. Dies setzte er in der Folgezeit tatsächlich um, da er in der Lage war, zum Teil binnen weniger Tage große Mengen Falschgeld von sehr guter Qualität in ... zu beschaffen. Außerdem vermochte er eine Bekannte mit einem falschen ... Ausweispapier auszustatten, wobei er diese für seine Finanztransaktionen einsetzte und zudem mit einer ihre falsche Identität stützenden Legende versah. Diese gerichtlichen Feststellungen schwächen weder die zuletzt mit Schreiben vom 19. September 2011 bekräftigte Mitteilung der Staatsanwaltschaft ab noch widerlegen sie diese. Vielmehr enthalten sie mehrere Indizien, die den Verdacht der Zuordnung des Antragstellers zur organisierten Kriminalität bekräftigten. Auch in dem aus dem angefochtenen Beschluss hervorgehenden Verhalten des Antragstellers in der Haft sind keine weiteren Umstände zu erkennen, die den Verdacht, er sei der organisierten Kriminalität zuzuordnen, entscheidend entkräften könnten. Der Antragsteller hat auch während der Haft seine Zuordnung zu Kreisen der organisierten Kriminalität von sich gewiesen. Weiteres ist nicht festgestellt. Damit liegen Umstände, die allein den bestehenden Verdacht der Zuordnung zur organisierten Kriminalität abschwächen oder entkräften könnten, wie etwa eine tätige Abkehr von nunmehr eingestandenen Beziehungen zur organisierten Kriminalität oder etwa die Offenbarung der weiteren Umstände der Tat, die einen OK-Bezug ausschließen würden, - hier etwa durch die Preisgabe der - nicht der OK zuzuordnenden - Bezugsquellen für das Falschgeld, gerade nicht vor. Andere hier zu berücksichtigende Umstände sind von der Strafvollstreckungskammer ebenso nicht festgestellt worden. Auch hat sie die Sachverhaltsermittlung der Antragsgegnerin letztlich für erschöpfend angesehen, da sie ansonsten die Sache an diese zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer hätte zurückgeben müssen, was indes nicht der Fall gewesen ist.
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Danach ist gemäß § 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG der Beschluss des Landgerichts Stendal vom 26. April 2013 aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist (§ 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG), der Antrag des Antragstellers vom 26. Oktober 2011 auf Löschung des OK-Vermerkes in seiner Gefangenenpersonalakte als unbegründet zu verwerfen.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1; § 120 Abs. 1 StVollzG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO.
IV.
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Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf den §§ 65, 60, 52 GKG.
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Referenzen
- 508 StVK 1270/11 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ws 442/11 1x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 119 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde 2x
- StPO § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung 1x
- 5 Ws 447/89 1x (nicht zugeordnet)
- 5 Ws 640/00 2x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 118 Form. Frist. Begründung 1x
- StVollzG § 120 Entsprechende Anwendung anderer Vorschriften 1x
- 5 Ws 586/97 2x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 116 Rechtsbeschwerde 1x
- StVollzG § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung 3x
- 3 Ws 275/80 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ws 753/13 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 65, 60, 52 GKG 3x (nicht zugeordnet)