Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 AR 19/14

Tenor

Örtlich zuständig ist das Landgericht Halle.

Gründe

I.

1

Die Klägerin schloss u.a. mit der Beklagten zu 1. mehrere, auf die Errichtung einer Hörfunkzentrale in H. gerichtete Verträge. Bestandteil dieser nach dem Parteiwillen wirtschaftlich und rechtlich im Zusammenhang stehenden Vereinbarungen war auch ein Immobilienleasingvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1.

2

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1. wegen einer zugesagten (Miet-) Subvention in Höhe von 8 Mio. DM (nebst Zinsen) in Anspruch. Unter Hinweis auf § 29a ZPO reichte die Klägerin ihre Klageschrift beim Landgericht Halle ein und vertrat die Auffassung, eine mietvertragliche Forderung geltend zu machen. Dies treffe auch auf die als Gesellschafter der Beklagten zu 1. akzessorisch haftenden übrigen Beklagten zu.

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Die Klage konnte zunächst den Beklagten zu 4a) und 4b) nicht zugestellt werden, was die Klägerin die öffentliche Zustellung beantragen ließ. Die übrigen Beklagten rügten die örtliche Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts, weil es sich um ein Finanzierungsgeschäft gehandelt und man eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen habe.

4

Das Landgericht Halle hat mit Beschluss vom 15.5.2014 darauf hingewiesen, dass es § 29a ZPO nicht für anwendbar halte. Das Leasingverhältnis werde nicht von mietvertraglichen, sondern von Finanzierungselementen geprägt. Daraus leite sich gerade auch der geltend gemachte Anspruch her, der auf das Erreichen des der Klägerin zugesagten Barwertvorteils gerichtet sei. Es gehe um die Frage, ob nach dem Gesamtkonzept des Vertragswerkes angesichts geänderter Umstände ein Anspruch auf den vollen Barwertvorteil und damit auf die Subvention bestehe. Vor diesem Hintergrund sei eine Zuständigkeit des Landgerichts Halle nicht zu erkennen, weshalb ein Antrag nach § 36 I Nr. 3 ZPO angeregt werde.

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Dieser Anregung folgte die Klägerin nicht. Sie beantragte mit Blick auf die in der notariellen Urkunde vom 5.10.1995 (Anlage 1) unter Ziff. II Bst. F § 2 II getroffene Vereinbarung des Gerichtsstandes Leipzig hilfsweise die Verweisung an das dortige Landgericht. Mit Beschluss vom 17.7.2014 hat sich das Landgericht Halle für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Leipzig verwiesen. Die Bewilligung der öffentlichen Zustellung an die Beklagten zu 4a) und b) wurde dem im Verweisungsbeschluss bezeichneten Gericht überlassen.

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Das Landgericht Leipzig veranlasste nach Bekanntwerden der ladungsfähigen Anschriften der Beklagten zu 4. die Klagezustellung. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat es sodann mit Beschluss vom 2.10.2014 den Rechtsstreit an das Landgericht Halle zurückgegeben. Der Verweisungsbeschluss binde nicht und die Gerichtsstandsvereinbarung sei angesichts der sich aus § 29a ZPO ergebenden ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts Halle nicht zulässig.

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Das Landgericht Halle hält an seiner Auffassung fest und legt die Sache dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

II.

8

Gemäß §§ 36 I Nr. 6, II; 37 I ZPO ist das Landgericht Halle als das zuständige Gericht zu bestimmen.

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1. Der Senat ist, nachdem die Klage nunmehr auch an die Beklagten zu 4.a) und b) zugestellt werden konnte, nicht an der gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit gehindert. Die für rechtskräftige Unzuständigkeitserklärungen der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte grundsätzlich erforderliche Rechtshängigkeit (vgl. BGH NJW 1980, 1281, 1282; NJW-RR 1996, 254) ist damit für alle Beklagten eingetreten (§§ 253 I; 261 I; 81; 171; 172 I ZPO), wenn auch erst nach dem Verweisungsversuch des Landgerichts Halle. Letzteres ist unschädlich. Nachfolgend haben sich beide Landgerichte nochmals durch einer Verweisung gleichstehende Beschlüsse für unzuständig erklärt. Ausdrücklich musste das nicht geschehen; es genügt der unzweifelhaft zum Ausdruck gebrachte Wille (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 36 Rdn. 24).

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2. Daraus wird bereits deutlich, dass der Beschluss des Landgerichts Halle vom 17.7.2014 das Landgericht Leipzig nicht nach § 281 II 4 ZPO binden konnte. Ohne vorausgegangene Zustellung der Klage an alle Beklagten war kein Raum für die Verweisung des gesamten Rechtsstreits. Die Verweisung nach § 281 ZPO setzt die Rechtshängigkeit voraus (BGH NJW-RR 1994, 1282). Eine Teilverweisung erfordert die vorherige Trennung nach § 145 I ZPO (Zöller/Greger, § 281 Rdn. 8), die dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts Halle nicht zu entnehmen ist. Damit wurde auch nicht allen Beklagten das für die bindende Verweisung notwendige rechtliche Gehör (vgl. bspw. BGH NJW 1995, 534) gewährt.

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3. Ausschließlich zuständig ist das Landgericht Halle (§ 29a I ZPO), womit die Gerichtsstandsvereinbarung für den geltend gemachten prozessualen Anspruch keine Wirksamkeit entfaltet (§ 40 II 1 Nr. 1 ZPO).

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Das Landgericht Halle hat richtig erkannt, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits möglicherweise nicht nur auf den Immobilienleasingvertrag, sondern das der Finanzierung der Hörfunkzentrale dienende Gesamtgeschäft ankommt. Den Gerichtsstand beeinflusst dies allerdings nicht. Wie das Landgericht Leipzig zutreffend anmerkt, richtet sich der Gerichtsstand nach der schlüssigen Behauptung der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen durch die Klägerin. Hierzu verweist die Klägerin auf den Immobilienleasingvertrag und den nach ihrem Vorbringen dort für das erste Jahr um 8 Mio. DM reduzierten Mietzins, in dessen Genuss sie nicht gekommen sei, weshalb sie diese Subvention weiter beanspruche. Im Streit stehen damit Ansprüche aus einem Raummietverhältnis, worunter alle aus dem Leasingverhältnis der Parteien über das bebaute Grundstück folgenden Ansprüche fallen. § 29a I ZPO betrifft auch Immobilienleasingverträge als atypische Mietverträge, denn zumeist überwiegen auch dort die mietvertraglichen Elemente (Patzina, in: MünchKomm.-ZPO, § 29a Rdn. 10; Musielak/Heinrich, ZPO, 11. Aufl., § 29a Rdn. 7 m.w.N.; Toussaint, in: BeckOK-ZPO, Stand: 15.9.2014, § 29a Rdn. 3). Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. geschlossene Vertrag regelt ebenso die vorübergehende Gebrauchsüberlassung an die Leasingnehmerin und die in diesem Zusammenhang bestehenden beiderseitigen Rechte und Pflichten, insbesondere die von der Klägerin zu erbringenden Zahlungen (u.a. die Miete).

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Die Einbettung des Immobilienleasingvertrages in das aus mehreren wirtschaftlich und rechtlich zusammenhängenden Verträgen bestehende und auf die Errichtung der Hörfunkzentrale gerichtete Gesamtgeschäft nimmt dem Anspruch der Klägerin nicht den mietvertraglichen Charakter. Auch im Falle einer Verbindung mehrerer Verträge richtet sich der einzelne Anspruch unter Berücksichtigung der für gemischte oder zusammengesetzte Verträge geltenden Grundsätze nach dem Recht des Vertragstyps, dem er entspringt. Es spielt insoweit keine Rolle, dass die im Immobilienleasingvertrag zugesagte Mietsubvention Bestandteil des an anderer Stelle vereinbarten Barwertvorteils der Klägerin von 12,2% ist. Hieraus erklärt sich nur die im Leasingvertrag getroffene Vereinbarung. Selbst wenn die Einwände der Beklagten gerade bei diesen Grundlagen ansetzen, findet sich der Rechtsgrund der Subvention im Immobilienleasingvertrag und dem dort versprochenen Mietnachlass des ersten Jahres. Schließen die Parteien ausdrücklich einen besonderen Leasingvertrag, wird ihr Wille in der Regel darauf gerichtet sein, die daraus folgenden Pflichten auch den für dieses Rechtsverhältnis geltenden Vorschriften zu unterwerfen.

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Um eine im Grundstückskaufvertrag geregelte Leistungsstörung im Sinne der Vorbemerkung der Urkunde vom 5.10.1995 geht es bei dem geltend gemachten Erfüllungsanspruch der Klägerin nicht.

15

Da die übrigen Beklagten nach dem Klagevorbringen für die Gesellschaftsverbindlichkeiten der Beklagten zu 1. analog §§ 128 1; 129 I HGB akzessorisch haften (vgl. bspw. BGH NJW 2002, 1642 m.w.N.), gilt für sie der sich aus § 29a ZPO ergebende ausschließliche Gerichtsstand gleichermaßen (BGH NJW 1981, 2644, 2646; NJW-RR 1991, 423, 424).


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