Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg - 12 Wx 16/15

Tenor

Die Grundbuchbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Grundbuchamtes - Amtgericht - Bernburg vom 5. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 5.000,- Euro.

Gründe

I.

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Die Beteiligten sind als Gesellschafter der G. Immobiliengesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümer der im Grundbuch von N. Blätter 2867, 3063, 3083, 3084, 3085, 3116, 3141, 3148, 3184, 3185, 3205, 3268, 3270, 3272, 3298, 3299 und 3369 verzeichneten Grundstücke. Die in den Blättern 2867, 3063, 3083, 3084, 3085, 3116, 3141, 3148, 3184, 3185, 3205, 3268, 3270, 3298, 3299 und 3302 eingetragenen Grundstücke sind - lastend auf dem übertragenen Anteil eines ausgeschiedenen Gesellschafters der Beteiligten - ausweislich Abteilung II mit einem Nießbrauch für H. G. belastet. Mit einem Erbbaurecht zu Gunsten jeweils unterschiedlicher Dritter nebst Vorkaufsrecht belastet sind die in den Blättern 3083, 3084, 3085, 3116, 3141, 3148, 3184, 3185, 3205, 3268, 3270, 3298, 3299 und 3302 eingetragenen Grundstücke.

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Mit Schreiben des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 17. März 2014 beantragten die Beteiligten, die in den Grundbuchblättern 2867, 3063, 3083, 3084, 3085, 3104, 3105, 3116, 3141, 3148, 3184, 3185, 3205, 3268, 3270, 3272, 3298, 3299, 3302 und 3369 gebuchten Grundstücke auf ein neu anzulegendes Grundbuchblatt aufgrund gegebener Unübersichtlichkeit abzuschreiben und die ursprünglichen Grundbücher zu schließen. Gegen die angeregte Verfahrensweise erhob das Grundbuchamt mit Hinweisschreiben vom 16. September 2014 Bedenken, da die Gefahr der Verwirrung bestehe. Die Aussage der Eigentümerin, dass die einzelnen Grundbücher unübersichtlich seien, sei unsubstantiiert und könne anhand der eingesehenen Grundbücher nicht nachvollzogen werden. Aus den Grundbüchern sei sowohl die Belastung der einzelnen Grundstücke als auch die Fortführung im Bestandsverzeichnis ohne Probleme nachvollziehbar. Diverse Grundstücke seien im Übrigen mit Erbbaurechten, Vorkaufsrechten für den jeweiligen Erbbauberechtigten und Nießbrauchsrechten belastet. Bei einer Buchung aller Grundstücke auf einem Grundbuchblatt würde die Zusammenschreibung zu einer Unübersichtlichkeit führen.

3

Demgegenüber erklärte der Verfahrensbevollmächtigte, dass die Buchung auf ein neu anzulegendes Grundbuchblatt beantragt werde, damit alle Eintragungen und Belastungen neu sortiert werden könnten, so dass eben keine Verwirrung entstehe. Der aktuelle Ist-Zustand sorge für mehr Verwirrung als die Buchung auf einem gemeinsamen Grundbuchblatt. Derzeit seien einige Erbbaurechte zusammengefasst unter einem Grundbuchblatt, weitere Erbbaurechte seien auf gesonderten Grundbuchblättern.

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Das Grundbuch von N. Blatt 3272 wurde am 4. November 2014 wegen Übertragung des Bestandes in das Grundbuch von N. Blatt 2867 geschlossen.

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Mit Beschluss vom 5. November 2014 hat das Grundbuchamt den Antrag der Beteiligten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Antrag hinsichtlich der Grundbücher von N. Blatt 3104 und 3669 bereits deshalb scheitere, weil nicht die Beteiligten als Eigentümer eingetragen seien, sondern dritte Personen. Im Übrigen sei der Antrag wegen der Besorgnis der Verwirrung zurückzuweisen, da der überwiegende Teil der Grundstücke mit Nießbrauchsrechten, Erbbaurechten und Vorkaufsrechten belastet sei. Sowohl für den Eigentümer als auch für Dritte werde sich der Grundbuchinhalt nach Zusammenschreibung derart unübersichtlich darstellen, dass es für den Einzelnen mit wesentlich mehr Aufwand und Mühe als derzeit erkennbar sein werde, inwiefern die einzelnen Grundstücke belastet sind. Die Zusammenschreibung hätte - so das Grundbuchamt - außerdem die Folge, dass in den betroffenen Erbbaugrundbüchern, die nicht im Eigentum der Beteiligten stehen, ebenfalls die Blattnummer und die Nummer des belasteten Grundstücks zu ändern wären. Schließlich seien es die Beteiligten selbst gewesen, die im Jahre 2005 die Buchung der mit den Erbbaurechten belasteten Grundstücke auf jeweils einzelne Grundbuchblätter beantragt hätten, dies offensichtlich aus dem Grund, Übersichtlichkeit für die einzelnen Grundstücke zu schaffen.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit Schreiben vom 31. März 2015 eingelegte Beschwerde der Beteiligten, mit der sie ihren Antrag auf Übertragung auf ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt weiter verfolgen. Hinsichtlich der Grundbuchblätter 3104, 3105 und 3369 haben sie allerdings den Antrag zurückgenommen, weil das Eigentum zwischenzeitlich an Dritte übertragen worden ist. Zur Begründung ihrer Beschwerde führen die Beteiligten aus, dass die Grundstücke ein Baugebiet, bestehend aus zwei Bauabschnitten, darstellen würden. In einigen Grundbüchern seien mehrere, in anderen einzelne Grundstücke gebucht. Es liege im Ermessen der Eigentümerin, ein gemeinschaftliches Grundbuch zu haben. Es sei aus ihrer Sicht verwirrend, stets die einzelnen Grundstücke in den einzelnen Grundbuchblättern suchen zu müssen.

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Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

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Mit weiterem Schreiben vom 26. Juni 2015 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten die Beschwerde hinsichtlich des Grundstücks Blatt 3141 zurückgenommen, weil das Grundstück inzwischen weiter veräußert worden ist.

II.

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Die Grundbuchbeschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Führung eines gemeinschaftlichen Grundbuchblattes stellt keine Eintragung im Sinne des § 71 Abs. 2 S. 1 GBO dar, so dass die Zusammenschreibung und deren Ablehnung mit der Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO unbeschränkt anfechtbar ist (z. B. Demharter, GBO, 10. Aufl., Rdn. 10 zu § 4 GBO; Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., Rdn. 25 zu § 4 GBO; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 568). Als Eigentümer der - nach teilweiser Rücknahme - noch betroffenen Grundstücke sind die Beteiligten auch beschwerdeberechtigt (z. B. Demharter, Rdn. 10 zu § 4 GBO).

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Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das Grundbuchamt hat die begehrte gemeinschaftliche Buchung der Grundstücke auf einem Grundbuchblatt zu Recht abgelehnt.

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Nach § 4 Abs. 1 GBO kann - unter Durchbrechung des Grundsatzes des § 3 Abs. 1 S. 1 GBO - über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt angelegt werden (sog. Zusammenschreibung), wenn hiervon keine Verwirrung des Grundbuches zu besorgen ist. Diese Vorschrift bezweckt - insbesondere in Gegenden mit zersplittertem Grundbesitz - das Verfahren des Grundbuchamtes zu vereinfachen und dem Eigentümer die Verfügungen über seinen Grundbesitz und dessen Verwaltung zu erleichtern. Liegen die sachlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 GBO vor, kann das Grundbuchamt nach pflichtgemäßem Ermessen die Zusammenschreibung der Grundstücke auf einem Grundstückblatt veranlassen. Die Zusammenschreibung selbst stellt dabei allerdings nur eine grundbuchtechnische Maßnahme dar, der allein formelle Bedeutung zukommt. Die unter jeweils eigener Nummer gemeinschaftlich gebuchten Grundstücke bleiben dagegen rechtlich selbständig, der Eigentümer kann über jedes gesondert verfügen (z. B. Demharter, Rdn. 11 zu § 4 GBO).

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Eine Grundbuchverwirrung ist anzunehmen, wenn die Eintragungen derart unübersichtlich und schwer verständlich werden, dass der gesamte grundbuchliche Rechtszustand des Grundstücks nicht mehr mit der für den Grundbuchverkehr erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit erkennbar ist und die Gefahr von Streitigkeiten zwischen den Realberechtigten untereinander oder mit Dritten oder mit Verwicklungen, namentlich im Falle der Zwangsversteigerung besteht (z. B. Senatbeschluss vom 10. April 2013, FGPrax 2013, 204; Böttcher, in: Meikel, Rdn. 12 zu § 4 GBO). Auch wenn der Grundbuchinhalt erst nach genauer Untersuchung und längerer Überlegung erkannt werden kann, könnte ein solcher Fall vorliegen (z. B. Schöner/Stöber, Grundbuchordnung, Rdn. 565, 636). Ob eine Zusammenschreibung in diesem Sinne Verwirrung befürchten lässt, richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls (z. B. Senatbeschluss a. a. O.; Demharter, Rdn. 6 zu § 4 GBO), wobei zu berücksichtigen ist, dass das Tatbestandsmerkmal „Besorgnis der Verwirrung“ einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, nämlich einen Begriff mit umschriebenen und damit nachprüfbaren rechtlichem Inhalt, so dass für eine Ermessensentscheidung kein Raum ist (z. B. BayObLG MDR 1977, 930; Schöner/Stöber, Rdn. 565, 634). Bei der Beurteilung der Verwirrungsgefahr kommt es maßgeblich auf den Stand des Grundbuches zur Zeit der begehrten Verbindung der Grundbuchblätter an, die Gefahr zukünftiger Verwicklungen rechtfertigt die Annahme hingegen nicht (z. B. OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 608). Insgesamt wird das Grundbuchrecht von dem Grundsatz der Grundbuchklarheit beherrscht, dem gerade auch das Grundbuchamt verpflichtet ist (z. B. BGH MDR 2013, 328). Es hat insoweit darüber zu wachen, dass der Grundbuchinhalt für den Rechtsverkehr und damit für die an Grundstücken Berechtigten selbst jederzeit allgemein klar und sicher überschaubar ist (z. B. OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 608).

13

Nach diesen Grundsätzen hat das Grundbuchamt im vorliegenden Fall eine Zusammenschreibung der Grundstücke und Übertragung auf ein gemeinsames Grundbuchblatt aber letztlich zu Recht abgelehnt. Die hier vorliegende Verschiedenheit der Belastung der einzelnen Grundstücke kann allerdings einen Hinderungsgrund für die Führung eines gemeinschaftlichen Grundbuchblattes (bei Hinzutreten weiterer Umstände) darstellen, weil dies zur Verwirrung des Grundbuchs beitragen kann (z. B. Senatbeschluss a. a. O.; Böttcher, in: Meikel, Rdn. 13 zu § 4 GBO; Demharter, Rdn. 6 zu § 4 GBO). Hinzu kommt, dass hier eine Vielzahl von Einzelgrundstücken auf einem Grundbuchblatt zusammengefasst werden soll und die Unübersichtlichkeit zunimmt, je mehr Grundstücke auf einem gemeinsamen Blatt gebucht werden (z. B. Senatsbeschluss a. a. O.; Böttcher, in Meikel, Rdn. 12 zu § 4 GBO). Die Verschiedenheit der Belastungen der auf einem gemeinsamen Blatt gebuchten Grundstücke allein genügt jedoch noch nicht, um eine Gefahr der Verwirrung zu begründen. Denn nach den Grundbuchformularen können diese in der Abteilung II und III durchweg klar und übersichtlich dargestellt werden (z. B. Schöner/Stöber, Grundbuchordnung, Rdn. 565; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 608), soweit die Eintragungen §§ 10 und 11 GBV entsprechen. Aus dem Grundbuch kann insbesondere ohne größeren Aufwand nachvollzogen werden, auf welchen Grundstücken welches Recht mit welchem Rang lastet. Denn durch die Angabe der Nummer des Bestandsverzeichnisses lässt sich das jeweils belastete Grundstück dem Grundpfandrecht nach Grundbuchlage zuordnen. In das Grundbuch Einsicht nehmenden Kaufinteressenten und Gläubigern kann diese Mühewaltung bei der Zuordnung nach dem Grundbuchinhalt jedenfalls durchaus noch zugemutet werden (z. B. Senatbeschluss a. a. O.). Für den Fall einer Grundstücksvereinigung nach § 5 GBO ist in der Rechtsprechung wiederholt festgestellt worden, dass die unterschiedlichen Belastungen der zu verbindenden Grundstücke - wie auch schon § 1131 BGB zeigt, der die Verschiedenheit der Belastung voraussetzt - für sich allein noch nicht die Besorgnis der Verwirrung der Grundbuchlage begründen können (z. B. OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 608; OLG Hamm DNotZ 2007, 225). Dies muss aber erst Recht für den Tatbestand der bloßen Zusammenschreibung nach § 4 GBO gelten, bei der es sich nur um eine grundbuchtechnische Maßnahme ohne materiell-rechtliche Folgewirkungen handelt (z. B. Senatbeschluss a. a. O).

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Darüber hinaus ist zu beachten, dass die rein grundbuchtechnische Frage im Zusammenhang mit der Anlegung und Führung des Grundbuches, ob die Zusammenschreibung der Grundstücke auf einem gemeinsamen Grundbuchblatt im Interesse besserer Übersichtlichkeit und Transparenz geboten ist, in erster Linie dem Grundbuchamt vorbehalten ist. Ihm allein obliegt es, das Grundbuch etwa in den Verfahren nach §§ 84 ff GBO und § 90 GBO zu bereinigen und Verwirrung im Grundbuch zu verhindern sowie über die Klarheit der bei ihm geführten Grundbücher zu wachen (z. B. BGH MDR 2013, 328). Dass dieser Grundsatz hier nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden wäre, weil die geforderte gemeinschaftliche Buchung unterlassen wurde, ist nicht ersichtlich. Dem Grundbuchamt darf in diesem Zusammenhang vielmehr durchaus ein Einschätzungsvorrang zugebilligt werden (z. B. Senatsbeschluss a. a. O). Der Senat sieht jedenfalls derzeit keinen Anlass, an der Einschätzung des Grundbuchamtes zu zweifeln. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass es bei seiner Einschätzung erhebliche Folgeänderungen berücksichtigt hat. Denn eine Zusammenschreibung hätte u. a. die Folge, dass in den betroffenen Grundbüchern über Erbbaurechte, deren Inhaber nicht die Beteiligten sind, die Blattnummer und die Nummer des belasteten Grundstücks geändert werden müsste. Zudem hat das Grundbuchamt zu Recht darauf verwiesen, dass es dem Grundeigentümer nicht freisteht, nach Belieben zwischen einem Realfolium und einem Personalfolium zu wechseln. Dies gilt hier umso mehr, als die seinerzeitige Aufteilung auf diverse Grundbücher in 2005 auf Betreiben der Beteiligten erfolgt ist. Im Übrigen ist eine Zusammenschreibung auch nach dem Charakter der Grundstücke nicht zweckmäßig. Die Grundstücke zählen zu einem aus zwei Bauabschnitten bestehenden Baugebiet, zu dem insgesamt 72 Grundstücke gehören. Manche - der Umfang ist nicht näher bekannt - dieser Grundstücke stehen schon nicht mehr im Eigentum der Beteiligten. Alle anderen Grundstücke gehören weiter den Beteiligten, für manche von ihnen ist allerdings ein Erbbaurecht bestellt. Dabei werden auch immer wieder Grundstücke an Dritte veräußert, so geschehen allein in vier Fällen während des laufenden Verfahrens hinsichtlich der in den Grundbuchblättern 3104, 3105, 3141und 3369 verzeichneten Grundstücke. Werden aber, was bei einem solchen Baugebiet naheliegt, fortwährend Grundstücke verkauft, erscheint ein Zusammenschreiben schon deshalb weniger sinnvoll, weil bei jeder Eigentumsumschreibung die Zusammenschreibung aufgehoben und wieder ein neues Grundbuchblatt angelegt werden müsste.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 84 FamFG.

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Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 GNotKG, wobei der Senat mangels anderweitiger Anhaltspunkte den Regelwert zugrunde gelegt hat.


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