Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Strafsenat) - 1 Ws (RB) 19/16
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal vom 26. Februar 2016 aufgehoben und der Antrag des Antragstellers vom 10. Dezember 2015 als unzulässig verworfen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Mit Antrag vom 10. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller, "die Festlegung des Anstaltsleiters vom 01.12.2015 zum Verbot von selbstklebenden Briefmarken als Briefeinlage aufzuheben".
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Zuvor hatte der Leiter der Antragsgegnerin am 1. Dezember 2015 einen alle Gefangenen gleichermaßen betreffenden Info-Zettel ausgehängt, wonach unter Änderung der Stationsordnung selbstklebende Briefmarken als Briefbeilage nicht mehr gestattet seien.
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Mit Beschluss vom 26. Februar 2016 (509 StVK 580/15), der Antragsgegnerin zugestellt am 2. März 2016, hat die Strafvollstreckungskammer die "Entscheidung der Antragsgegnerin, ab dem 01.12 2015 dem Antragsteller selbstklebende Briefmarken als Briefeinlagen nicht mehr zu gestatten", aufgehoben.
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Mit ihrer Rechtsbeschwerde vom 10. März 2016, beim Landgericht Stendal eingegangen am 11. März 2016, rügt die Antragsgegnerin im Wesentlichen, dass der allgemeine Aushang keine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten i.S.d. § 109 StVollzG darstelle, Briefeinlagen nach der Rechtsprechung des 2. Strafsenats des OLG Naumburg nicht in den Schutzbereich der §§ 28 ff StVollzG fielen und die Änderung der Zulassungspraxis aus rein sachlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Eignung zugesandter Briefmarken als Träger für Rauschmittel, erfolgt sei, nachdem in der JVA verstärkt Fälle des Konsums sog. "legal highs" aufgetreten seien.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§§ 166 Nr. 3 JVollzG LSA, 116 Abs. 1 StVollzG). Die angefochtene Entscheidung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 116, Rn. 3), wonach die Annahme und Aushändigung von selbstklebenden Briefmarken aufgrund der Möglichkeit, den Klebefilm mit Betäubungsmitteln zu tränken, wegen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung verboten werden dürfen (Beschl. v. 2. November 2011, 2 Ws 159/11).
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Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg (§§ 166 Nr. 3 JVollzG LSA, 119 Abs. 4 S. 1 und 2 StVollzG).
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Der Antrag vom 3. Februar 2016 war bereits unzulässig. Haus- oder Rundverfügungen des Anstaltsleiters stellen keine Regelungen einzelner Angelegenheiten i.S.d. § 109 Abs. 1 S. 1 StVollzG dar, es sei denn, sie entfalten bereits unmittelbare Wirkung im Einzelfall (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 109, Rn. 10). Dass letzteres bereits im Zeitpunkt des Aushangs des Info-Zettels (1. Dezember 2015) der Fall war, ist nicht ersichtlich.
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Im Übrigen wäre der Antrag unbegründet.
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Wie der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg in seinem Beschluss vom 2. November 2011 (2 Ws 159/11) bereits überzeugend ausgeführt hat, unterfallen Annahme und Aushändigung von Briefeinlagen nicht dem § 28 StVollzG, sondern dem § 33 StVollzG, und dürfen aufgrund der Möglichkeit, den Klebefilm mit Betäubungsmitteln zu tränken, gem. §§ 33 Abs. 1 S. 4, 22 Abs. 2 S. 1 StVollzG wegen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt verboten werden. Daran hat sich seit dem Inkrafttreten des JVollzG LSA (1. Januar 2016) nichts geändert, weil die §§ 44 Abs. 1 S. 4, 54 Abs. 1 S. 2 JVollzG LSA eine gleichlautende Regelung enthalten. Da der am 1. Dezember 2015 vom Anstaltsleiter ausgehängte Info-Zettel alle Gefangenen gleichermaßen betraf, stellt sich im vorliegenden Fall auch das vom 2. Strafsenat seinerzeit aufgeworfene Problem eines auf einer Ungleichbehandlung beruhenden Ermessensfehlers nicht.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es auch nicht darauf an, ob in seiner Person konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung vorliegen. Zwar ist - vornehmlich anhand von § 70 Abs. 3 StVollzG - in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass für den Betroffenen nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes Bestandschutz besteht, wenn nicht neuerdings wichtige Gründe eingetreten sind, die einen Widerruf einer zuvor bestehenden Erlaubnis rechtfertigen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 14. Mai 2013, III-1 Vollz (Ws) 139/13, Rn. 2, m.w.N., zitiert nach juris). Stellt sich allerdings heraus, dass einem Gegenstand eine gewisse Gefährlichkeit innewohnt, schließt bereits dies ein Recht auf dessen Besitz im Strafvollzug aus (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rn. 3). In einem solchen Fall wiegen die Widerrufsgründe schwerer als der Bestandschutz (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 17. März 2014, 1 Ws (Vollz) 192/13, Rn. 31, zitiert nach juris). Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, als er ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 54 Abs. 2 JVollzG LSA in den §§ 44 Abs. 1 S. 2, 54 Abs. 2, 61 Abs. 4 s. 2 JVollzG das Einbringen von Nahrungs- und Genussmitteln wegen deren Eignung zum Verstecken von Gegenständen generell untersagt hat. In diesen Regelungen kommt der klare Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Möglichkeiten zum Einschleusen von Gegenständen, welche die Sicherheit und Ordnung in der JVA gefährden, so weit wie möglich einzuschränken. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin, nachdem verstärkt sog. "legal highs" in die JVA eingebracht worden sind, Briefmarken wegen deren Verwendbarkeit als Rauschmittelträger als Beilagen zu Briefen gem. § 54 Abs. 1 S. 2 JVollzG LSA nicht mehr zulässt, zumal den Interessen der Strafgefangenen durch den Erwerb von Briefmarken und Schreibwaren über den Anstaltskaufmann in der Regel genügt werden kann (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 2. November 2011, 2 Ws 159/11). Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 61 Abs. 2 JVollzG LSA ergibt, ist das dortige Angebot nicht auf die in § 61 Abs. 2 S. 1 Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel beschränkt, sondern kann beispielsweise auch Briefpapier, Lernmittel und technische Geräte und damit auch Briefmarken umfassen.
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Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen folgt aus §§ 166 Nr. 3 JVollzG LSA, 121 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, StVollzG, 465 Abs. 1, 464 Abs. 2 StPO. Der Gegenstandswert wurde gem. §§ 65, 60, 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.
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