Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (12. Zivilsenat) - 12 W 96/16 (KfB), 12 W 97/16 (KfB), 12 W 98/16 (KfB)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten (Rechtsanwälte A. & L.; 12 W 96/16) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Halle vom 7. November 2016 (Beschluss 1) um die Festsetzung ergänzt, dass an die Beklagte zu 1) aufgrund des gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Halle vom 15. September 2016 von dem Kläger und der Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner 125,36 € und von dem Kläger allein weitere 250,72 € zu erstatten sind, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 29. September 2016.

Die sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1) (Rechtsanwalt Sch. ; 12 W 97/16 und 12 98/16) gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Halle vom 8. November 2016 (Beschlüsse 2 und 3) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens 12 W 96/16 trägt der Kläger. Die Kosten der Beschwerdeverfahren 12 W 97/16 und 12 W 98/16 trägt die Beklagte zu 1).

Der Wert der Beschwerdeverfahrens beträgt 376,08 € (12 W 96/16), 361,56 € (12 W 97/16) und 361,56 € (12 W 98/16).

Gründe

I.

1

Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2015, eingegangen am 25. Juni 2015, reichte der Kläger, vertreten durch Rechtsanwälte D., S. & Z., Klage bei dem Landgericht Halle (4 O 154/15) auf Zahlung u.a. von Schadensersatz in Höhe von 7.295,09 € wegen eines Verkehrsunfalls am 21. Januar 2015 gegen die drei Beklagten ein. Unter dem 28. Juli 2015 zeigten Rechtsanwälte A. und L. die Vertretung der drei Beklagten an. Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2015, eingegangen am 22. Juli 2015, reichte die Beklagte zu 1), vertreten durch Rechtsanwalt Sch. , Klage bei dem Landgericht Halle (6 O 305/15) auf Zahlung u.a. von Schadensersatz in Höhe von 19.439,80 € wegen desselben Verkehrsunfalls gegen die nunmehrigen Kläger und Drittwiderbeklagte ein. Unter dem 6. August 2015 zeigten Rechtsanwälte D., S. & Z. die Vertretung des Klägers zu 1) an. Mit Schriftsatz vom 11. August 2015 zeigten Rechtsanwälte E. & Partner die Vertretung beider Beklagten (aktuell Kläger und Drittwiderbeklagte) an. Nach der Übernahme dieses Verfahrens in die 4. Zivilkammer trug es das Geschäftszeichen 4 O 210/15. Durch Beschluss vom 17. September 2015 wurden die Verfahren 4 O 210/15 und 4 O 154/15 (führend) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Kammer wies die Beteiligten durch Beschluss vom 30. September 2015 darauf hin, dass der Kläger im Verfahren 4 O 154/15 als Kläger oder Widerbeklagter bezeichnet werden solle, dass die Beklagten zu 1) bis 3) im Verfahren 4 O 154/15 als Beklagte und die Beklagte zu 1) wahlweise daneben auch als Widerklägerin bezeichnet werden solle und dass die Beklagte zu 2) aus dem ehemaligen Verfahren 4 O 210/15 als Drittwiderbeklagte bezeichnet werden solle.

2

Mit dem am 15. September 2016 verkündeten Urteil hat das Landgericht hinsichtlich der Kosten wie folgt erkannt:

3

Die Kosten der gerichtlichen, sachverständigen Begutachtung werden dem Kläger und der Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner aufgegeben. Von den übrigen Gerichtskosten tragen der Kläger und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 16 %, der Kläger allein weitere 27 % und die Beklagte zu 1) 57 %. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zu 45 %. Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten trägt die Beklagte zu 1) zu 78 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 10 % und der Klägerin allein zu weiteren 20 %. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3).

4

Zugleich hat die Kammer den Streitwert auf 37.753,02 € festgesetzt.

5

Mit Schriftsatz vom 26. September 2016 haben Rechtsanwälte A. & L. beantragt, den Betrag von 6.160,76 € gegen die Verfahrensgegner festzusetzen. Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2016 haben Rechtsanwälte D., S. & Z. beantragt, 5.637,48 € zzgl. gezahlter Gerichtskosten gemäß § 106 ZPO auszugleichen. Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2016 haben Rechtsanwälte E. & Partner beantragt, 5.900,71 € und Gerichtskosten gemäß § 106 ZPO auszugleichen. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2016 hat Rechtsanwalt Sch. beantragt, 1.964,15 € zzgl. Gerichtskosten festzusetzen. Rechtsanwalt Sch. hat mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 darauf hingewiesen, dass Rechtsanwälte E. & Partner nur den Kläger und die Drittwiderbeklagte gegen die Klage der Beklagten zu 1) vertreten hätten und dass Rechtsanwälte D., S. & Z. nur den Kläger vertreten hätten, so dass sie nicht zum vollen Streitwert abrechnen könnten. Das Landgericht - Einzelrichter - hat ihm daraufhin mit Verfügung vom 3. November 2016 mitgeteilt, dass es bei der Streitwertfestsetzung bleibe. Mit Verfügung vom 7. November 2016 hat das Landgericht - Rechtspflegerin - ihn darauf hingewiesen, dass Rechtsanwältinnen A. & L. bereits mit Schreiben vom 28. Juli 2015 die Vertretung der Beklagten zu 1) bis 3) angezeigt hätten. Die Bestellung eines zweiten Rechtsanwalts gehörten nicht zu den notwendigen Kosten des Verfahrens. Die Kosten von Rechtsanwalt Sch. seien nicht erstattungsfähig.

6

Mit drei Beschlüssen vom 7. bzw. 8. November 2016 hat das Landgericht - Rechtspflegerin - Kosten festgesetzt:

7

- Von dem Kläger an die Beklagten zu 2) und 3) zu erstattende Kosten von 2.507,18 € nebst Zinsen (Beschluss 1 vom 7. November 2016),

8

- Von der Beklagten zu 1) an die Drittwiderbeklagte zu erstattende Kosten von 1.365,28 € nebst Zinsen (Beschluss 2 vom 8. November 2016),

9

- Von der Beklagten zu 1) an den Kläger zu erstattende Kosten von 1.366,87 € nebst Zinsen (Beschluss 3 vom 8. November 2016).

10

Mit Schriftsatz vom 10. November 2016 hat Rechtsanwalt Sch. korrigierend beantragt, 2.410,40 € zzgl. Gerichtskosten festzusetzen. Rechtsanwälte A. & L. haben mit Schriftsatz vom 18. November 2016 sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. November 2016 erhoben. Die Absetzungen seien nicht gerechtfertigt, da sie neben den Beklagten zu 2) und 3) auch die Beklagte zu 1) vertreten hätten. Rechtsanwalt Sch. hat mit Schriftsatz vom 23. November 2016 Beschwerde gegen die Beschlüsse 2 und 3 eingelegt und die ergänzende Berücksichtigung der Rechtsanwaltskosten gemäß seiner Nachtragsliquidation vom 10. November 2016 begehrt.

11

Das Landgericht - Rechtspflegerin - hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2016 der Beschwerde der Rechtsanwälte A. & L. nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (hiesiges Verfahren 12 W 96/16) mit der Begründung, dass keine Absetzungen vorgenommen worden seien, lediglich der Prokopfanteil der Beklagten zu 2) und 3) festgesetzt worden sei. Mit weiteren Beschlüssen vom 12. bzw. 13. Dezember 2016 hat das Landgericht den Beschwerden des Rechtsanwalts Sch. gegen die Beschlüsse 2 und 3 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (hiesige Verfahren 12 W 97/16 und 12 W 98/16). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte zu 1) die Kosten der Drittwiderbeklagten in Höhe von 78 % bzw. des Klägers in Höhe von 45 % zu tragen habe. Ein gestellter Kostenausgleichungsantrag des Widerbeklagtenvertreters [gemeint Widerklägervertreters] habe auf die Festsetzung keinen Einfluss, da die Widerklägerin nicht in der Kostengrundentscheidung berücksichtigt worden sei und eine "normale Ausgleichung" nicht erfolgen könne. Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2017 hat Rechtsanwalt Sch. seine Beschwerde weiter begründet und darauf hingewiesen, dass eine Trennung von Beklagter und Widerklägerin in der Kostenfolge nicht statthaft sei. Die zugleich beantragte Berichtigung des landgerichtlichen Kostengrundentscheidung ist erfolglos geblieben.

II.

12

1. Die zulässige sofortige Beschwerde der Rechtsanwälte A. & L. für die drei Beklagten gegen den Beschluss 1 vom 7. November 2016 (12 W 96/16) hat zu einem geringen Teil Erfolg. Das Landgericht hat zu Unrecht die durch den Kläger an die drei Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten um ein Drittel - die auf die Beklagte zu 1) entfallenden Kosten - gekürzt. Dabei ist übersehen worden, dass die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) nach der Kostengrundentscheidung der Kammer vom 15. September 2016 der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 10 % (dies sind 125,36 €) und der Kläger (nur irrtümlich als "Klägerin" bezeichnet) allein zu weiteren 20 % (dies sind 250,72 €) zu tragen haben.

2.

13

Die zulässigen und durch den Einzelrichter zu entscheidenden sofortigen Beschwerden des Rechtsanwalts Sch. für die Beklagte zu 1) gegen die Beschlüsse 2 und 3 vom 8. November 2016 (12 W 97/16 und 12 W 98/16) haben keinen Erfolg. Es ist im Ergebnis vertretbar, dass das Landgericht von einer Kostenausgleichung unter Berücksichtigung der von Rechtsanwalt Sch. geltend gemachten Kosten abgesehen hat.

14

Zwar soll der Kostenausgleich an sich einheitlich über Ansprüche und Gegenansprüche ergehen, sofern beide Seiten ihre Kosten anmelden, wie vorliegend auch geschehen. Das Landgericht hat auch zu Unrecht generell die Berücksichtigung der von Rechtsanwalt Sch. geltend gemachten Kosten für sein Mandat abgelehnt. Diese Kosten sind vielmehr notwendig im Sinne des § 91 ZPO gewesen. Zwar gehören die durch die Bestellung eines zweiten Rechtsanwalts generierten Gebühren grundsätzlich nicht zu den notwendigen Kosten. Insbesondere die Bestellung eines eigenen Anwalts durch den Versicherungsnehmer bei Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer und des Schadensersatzanspruches gegen den Halter/Fahrer des versicherten Fahrzeuges in einem gemeinsamen Rechtsstreit ist dann nicht notwendig und die damit verursachten Kosten sind auch nicht erstattungsfähig, wenn kein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts besteht (z. B. BGH, NJW-RR 2004, 536). Im vorliegenden Fall ist dies allerdings abweichend zu beurteilen. Ursprünglich hatte die Beklagte zu 1) am 22. Juli 2015 mithilfe des zulässigerweise von ihr selbst gewählten Rechtsanwalts Sch. in einem gesonderten Verfahren vor dem Landgericht Halle (4 O 210/15) Klage gegen - nunmehr - Kläger und Drittwiderbeklagte erhoben. Nahezu zeitgleich hatten sich Rechtsanwälte A. & L. am 30. Juli 2015 im Verfahren 4 O 154/15 für die drei Beklagten legitimiert, das der Kläger zuvor gegen sie eingeleitet hatte. Erst durch die vom Landgericht beschlossene Verbindung der beiden Verfahren ist eine Situation eingetreten, in der die Beklagte zu 1) formal über zwei Prozessbevollmächtigte verfügt. Bei dieser Sachlage kann nicht erkannt werden, dass nur die Kosten desjenigen Rechtsanwalts als notwendig betrachtet werden können, der in zeitlicher Hinsicht in dem einen oder dem anderen Verfahren früher gegenüber dem Gericht die Vertretung der Beklagten zu 1) angezeigt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in einem Verkehrshaftpflichtfall über die Auswahl des Prozessbevollmächtigten auf Beklagtenseite in erster Linie nicht der in Anspruch genommene Versicherte, sondern seine mitverklagte Verkehrshaftpflichtversicherung entscheidet. Nach der einschlägigen Ziffer E.2.4 der AKB 2014 hat der Versicherungsnehmer nämlich die Führung des Rechtsstreits dem Versicherer zu überlassen. Dieser ist insbesondere berechtigt, auch im Namen des Versicherungsnehmers einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

15

Die vorstehenden Überlegungen gelten in gleicher Weise für die mehrfachen Prozessbevollmächtigten auf Seiten des Klägers. Zwar bestehen auf der Grundlage der erwähnten Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2004, 536) Zweifel an der Notwendigkeit zweier Prozessbevollmächtigter, soweit sich in dem ursprünglichen Verfahren 4 O 210/15 auf Seiten der dortigen Beklagten die Rechtsanwälte D., S. & Z. nur für den dortigen Beklagten zu 1) und Rechtsanwälte E. & Partner für die beiden dortigen Beklagten legitimiert haben. Selbst wenn aber der dortige Beklagte zu 1) auf eine Niederlegung des Mandats der Rechtsanwälte D., S. & Z. hingewirkt hätte, um nicht zu erstattende Kosten zu vermeiden: Allein durch die Verbindung der beiden Verfahren ist er als Kläger des verbundenen Verfahrens erneut und nicht anders als die Beklagte zu 1) formal in die Lage versetzt worden, über zwei Prozessbevollmächtigte (einmal als ursprünglicher Kläger und einmal als ursprünglicher Beklagter) zu verfügen. Insofern verbietet es sich ebenso, die Kosten der Rechtsanwälte D., S. & Z. als nicht notwendig zu betrachten.

16

Im Übrigen scheidet eine Erstattung der Kosten des Rechtsanwalts Sch. auch nicht deshalb aus, weil zu Gunsten der Widerklägerin in dem Urteil vom 15. September 2016 gar keine Kostengrundentscheidung getroffen worden wäre. Das Landgericht hat vielmehr zutreffend keine gesonderten Kostenanordnungen für die "Widerklägerin" und die "Beklagte zu 1)" getroffen. Die vom Landgericht zu Gunsten der Beklagten zu 1) getroffene Kostenentscheidung erfasst vielmehr alle ihre in den beiden verbundenen Verfahren entstandenen notwendigen Kosten, gleich ob sie aus ihrer ursprünglichen Stellung als Klägerin im Verfahren 4 O 210/15 und nunmehr Widerklägerin oder als Beklagte zu 1) in dem von dem Kläger gegen sie angestrengten Verfahren 4 O 154/15 herrühren.

17

Dessen ungeachtet erscheint es geboten angesichts der Vielzahl der Parteien, von denen mehrere untereinander in unterschiedlichem Maße und zum Teil auch gesamtschuldnerisch zum Tragen von Kosten verpflichtet sind und deren eigene Kosten (betr. Kläger und Drittwiderbeklagte) auch schon jetzt in zwei unterschiedlichen Beschlüssen festgesetzt sind, von einer Kostenausgleichung abzusehen und die Festsetzung der noch nicht beschiedenen und von dem Landgericht ausdrücklich ausgeklammerten außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) (Gebühren von Rechtsanwalt Sch. gemäß Korrekturantrag vom 10. November 2016) nun noch durch gesonderten Beschluss vorzunehmen.

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Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 91 ZPO.


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