Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 128/16

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. September 2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Vertrag vom 5./11. Mai 2015 für das Bauvorhaben A. Straße in H. betreffend die Errichtung eines Fassaden-Wärmedämmverbundsystems inklusive Gerüststellung eine Sicherheit gem. § 648a BGB i.V.m. §§ 232 ff. BGB in Höhe von 33.633,75 Euro zu leisten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Schuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB zur Absicherung einer Werklohnforderung.

2

Die Klägerin verpflichtete sich auf Grundlage eines Bauvertrages vom 5. und 11. Mai 2015 (Anlage K1, Bl. 6 ff. GA I) zur Herstellung eines Fassaden-Wärmedämmverbundsystems an dem Bauvorhaben A. Straße in H.. Auf Grundlage der Eingangsbestätigung vom 11. Mai 2015 (Anlage K3, Bl. 23 GA I) und einer Auftragsbestätigung der Beklagten vom selben Tage (Anlage B1, Bl. 82 ff., insbesondere Bl. 89 GA I) waren sich die Parteien darüber einig, dass der im Bauvertrag auf Grundlage eines Leistungsverzeichnisses (Bl. 12 ff. GA I) ausgewiesene Preis von 201.346,50 € ein Festpreis sein und die Preisvereinbarung als Pauschalpreisvereinbarung gelten sollte.

3

Anlässlich einer Begehung vom 9. November 2015 verweigerte die Beklagte die Abnahme der Leistungen, die die Klägerin zu diesem Zeitpunkt als seit dem 9. Oktober 2015 abnahmereif fertiggestellt ansah.

4

Unter dem 17. November 2015 erteilte die Klägerin eine Schlussrechnung über 39.215,22 € (Anlage K5, Bl. 25 ff. GA I). Bereits zuvor, nämlich unter dem 13. November 2015 (Anlage K6, Bl. 34 ff. GA I), hatte die Klägerin die Beklagte zu einer unbezifferten Sicherheitsleistung für den restlichen Werklohn aufgefordert. Nachdem die Beklagte dieses Verlangen aus formalen Gründen zurückgewiesen hatte, wiederholte die Klägerin ihr Verlangen unter dem 25. November 2015 (Anlage K8, Bl. 38 ff. GA I).

5

Unter dem 18. November 2015 erklärte die Beklagte sinngemäß die Kündigung des Bauvertrages und berief sich darauf, dass die Klägerin Nachfristen zur Fertigstellung der erbrachten Leistung und Fristen zur Mängelbeseitigung überschritten habe (Anlage B8, Bl. 140 ff. GA I).

6

Unter dem 14. Januar 2016 (Anlage B 12, Bl. 149 ff. GA I) erklärte die Klägerin ihrerseits die Kündigung des Bauvertrages unter Berufung auf § 648a Abs. 5 BGB.

7

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

8

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für den näher bezeichneten Vertrag eine Sicherheit nach § 648a BGB in Verbindung mit §§ 232 ff. BGB in Höhe von 35.303,32 € zu leisten, und die weitergehende (insgesamt auf eine Sicherheitsleistung in Höhe von 39.215,22 € gerichtete) Klage abgewiesen.

9

Die Klägerin verfüge über einen Anspruch in Höhe der vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung. Diese berechne sich aus dem Pauschalpreis brutto in Höhe von 234.810,29 € unter Abzug der in Höhe von brutto 195.595,07 € geleisteten Abschlagszahlungen und des darauf zu berechnenden Skontos in Höhe von 3.911,90 €. Die zu sichernde Vergütung belaufe sich mithin auf 35.303,32 €.

10

Die Einwendungen der Beklagten, gerichtet darauf, dass die Leistungen der Klägerin nicht vollständig und nicht mangelfrei erbracht worden seien, seien nicht berücksichtigungsfähig. Das ergebe sich aus dem Zweck der Vorschrift des § 648a BGB, wonach die Durchsetzung der Sicherheitsleistung nicht durch einen Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der zu sichernden Vergütung verzögert werden sollten.

11

Sicherung der Vergütung für den unstreitig nicht erbrachten Standsicherheitsnachweis für Traganker der Wetterschale könne die Klägerin verlangen. Die Klägerin habe dazu vorgebracht, dass diese Leistung nicht erforderlich gewesen sei. Unstreitig sei darüber hinaus, dass der Standsicherheitsnachweis durch eigene Mitarbeiter erarbeitet worden wäre, weshalb das Ausbleiben dieser Leistung keine ersparten Aufwendungen zur Folge gehabt habe.

12

Zu den Positionen 05.01.0040 und 05.01.0090 (Drempellüfter und Putzleisten) habe die Klägerin vorgebracht, diese Leistungen ordnungsgemäß ausgeführt zu haben. Soweit sie vorprozessual unter dem 25. November 2015 (Anlage K8, Bl. 38, 40 GA I) eingeräumt habe, in bestimmten Bereichen die Putzleisten nicht erbracht zu haben, habe sie sich darauf berufen, dass dies bautechnisch nicht möglich gewesen sei. Ob dies zur Reduzierung des Vergütungsanspruchs führen könne, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab und könne im Verfahren um die Sicherheitsleistung nicht entschieden werden.

13

Der unter Position 05.01.0260a abgerechnete zweite Sockelanstrich sei nach dem Vorbringen der Klägerin von der Beklagten abgelehnt worden. Damit sei nicht unstreitig, dass die Parteien sich einvernehmlich auf eine Reduktion des Leistungsumfangs geeinigt hätten. Die einseitige Verweigerung der Annahme einer Leistung berechtige nicht dazu, die Vergütung zu kürzen.

14

Hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ausführung der Fensterbänke (abgerechnet unter Position 05.01.0420) bestehe Streit, was im Verfahren um die Sicherheitsleistung nicht zu beachten sei.

15

Die auf die Vorschrift des § 648a Abs. 5 BGB gestützte Kündigung der Klägerin stehe dem Sicherheitsverlangen nicht entgegen.

16

Ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf die von der Klägerin ihrerseits nicht erbrachte Sicherheit stehe der Beklagten nicht zu. Unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 28. Januar 2011 zu 19 U 155/10 und Urteil vom 8. Oktober 2015 zu 21 U 71/15) vertritt das Landgericht die Auffassung, dass § 648a Abs. 7 BGB entnommen werden könne, dass das Sicherheitsverlangen des Auftragnehmers nicht von der Gewährung eigener Sicherheiten abhänge.

17

Mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat, wendet sich die Beklagte in vollem Umfang gegen das Urteil.

18

Das nach einer Kündigung des Werkvertrages ausgesprochene Sicherheitsverlangen setze voraus, dass die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen schlüssig dargestellt seien. Daran fehle es hier.

19

Unstreitig habe die Klägerin drei Positionen nicht erbracht.

20

Das gelte für den Standsicherheitsnachweis, der von der Beklagten mit dem bereits erstinstanzlich als Anlage B9 vorgelegten Schreiben vom 13. November 2015 (Bl. 144 ff. GA I) zur Vorlage aufgefordert worden sei. Es werde bestritten, dass diese Leistung nicht erforderlich gewesen sei.

21

Auch die Position "Drempellüfter" und "Putzleisten" sei unstreitig teilweise nicht erbracht. Daher setze die Abrechnung dieser Leistung ein Aufmaß voraus. Im Übrigen habe die Klägerin nicht im Wege der Behinderungsanzeige darauf hingewiesen, dass die baulichen Voraussetzungen für Teile dieser Leistung nicht vorlegen.

22

Den zweiten Sockelanstrich habe die Beklagte nicht abgelehnt. Das entsprechende Vorbringen der Klägerin habe die Beklagte in erster Instanz im Schriftsatz vom 14. September 2016, Seite 7 (Bl. 183 GA I) bestritten.

23

Den gegen die für die Fensterbänke abgerechneten Werklohn gerichteten Einwand habe das Landgericht zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Mangelhaftigkeit im Verfahren über die Sicherheitsleistung nicht zu prüfen sei. Die Beklagte habe sich vielmehr darauf berufen, dass diese Leistung nicht erbracht worden sei. In diesem Zusammenhang beruft sich die Beklagte auf die im selbständigen Beweisverfahren gewonnene Erkenntnis, dass die Fensterbankhalter ohne Montage hinter die Dämmung gesteckt worden seien und die erforderliche Stabilität der Fensterbänke nicht gewährleisteten. Das Verhalten erfülle den Tatbestand der Arglist.

24

Schließlich verteidigt die Beklagte ihre bereits erstinstanzlich vertretenen Auffassung, in Höhe des ihr zustehenden Sicherheitseinbehalts von 4.026,93 € stehe der Klägerin kein Anspruch auf Sicherheitsleistung zu.

25

Zusammenfassend verweist die Beklagte auf das im selbständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten des Sachverständigen M. S. vom 16. Dezember 2016 (Anlage B 14, Bl. 65 ff. GA II), aus dem sich ergebe, dass unvollständige und mangelbehaftete Leistungen im Wert von mehr als 170.000,00 € vorlägen. Die Verwendung eines vom Angebot abweichenden Wärmedämmfassadensystems habe dazu geführt, dass die Wärmedämmfassade die Bauzulassung verloren habe.

26

Die Beklagte beantragt,

27

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

28

Die Klägerin beantragt,

29

die Berufung zurückzuweisen.

30

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die unstreitig nicht erbrachte Leistung "Standsicherheitsnachweis" hält sie im Rahmen des Festpreisvertrages für abrechnungsfähig, weil das Ausbleiben der Leistung auf tatsächliche Gründe zurückzuführen sei, die darin lägen, dass - von der Beklagten bestritten - keine Traganker vorhanden gewesen sein.

31

Putzleisten fehlten lediglich an wenigen Fenstern, weil sie aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht montiert werden konnten, wie es im Vorfeld abgesprochen und vereinbart worden sei.

32

Auch für den Sockelanstrich und die Fensterbänke sei das Landgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der darüber geführte Streit nicht im Verfahren über die Sicherheitsleistung auszutragen sei. Insgesamt berufe sich die Beklagte der Sache nach auf die Mangelhaftigkeit der ausgeführten Leistungen.

33

Wegen des weiteren Parteivorbringens zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze vom 10. Januar, vom 3. Februar und 1. März 2017 verwiesen.

II.

34

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der weiteren Abweisung der Klage hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 1.669,57 €. Der darüber hinaus gehende Berufungsantrag, gerichtet auf die vollumfängliche Abweisung der Klage, hat keinen Erfolg, weil die Klägerin Sicherheitsleistung in Höhe des zugesprochenen Betrages gemäß § 648a BGB verlangen kann.

1.)

35

Unbegründet ist die Berufung, soweit sie auf die Abweisung der Klage in Höhe von 33.633,75 Euro gerichtet ist.

36

Gemäß § 648a Abs. 1 BGB kann der Unternehmer eines Bauwerks vom Besteller Sicherheit für die noch nicht gezahlte Vergütung verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Besteller das Vertragsverhältnis gekündigt hat (BGH, Urteil vom 6. März 2014, VII ZR 349/12, zitiert nach juris, RN 12).

37

Nach einer außerordentlichen Kündigung des Bestellers aus wichtigem Grund steht dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung nur für die erbrachte Leistung zu. Auch diesen Anspruch muss der Unternehmer schlüssig darlegen. Allerdings kann, sofern dies den Rechtsstreit verzögert, der Besteller nicht mit der Behauptung gehört werden, es lägen die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund vor, wenn die dieser Behauptung zu Grunde liegenden Tatsachen bestritten sind und der Unternehmer deshalb die Auffassung vertritt, es läge eine freie Kündigung vor und eine Sicherung seines Anspruchs nach § 649 S. 2 BGB verfolgt (BGH, a.a.O., RN 22 und 29).

38

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin den zu sichernden Vergütungsanspruch ausreichend dargelegt hat, indem es den Pauschalpreis unter Abzug der Abschlagszahlungen berechnet hat.

39

Die Klägerin hat behauptet, die Leistungen bereits vor der Kündigung, nämlich am 9. Oktober 2015, abnahmereif fertiggestellt zu haben. Damit hat sie geltend gemacht, die vertragliche Leistung in vollem Umfang erbracht zu haben. Da die Parteien eine Pauschalpreisvereinbarung getroffen haben, genügt die Klägerin ihrer Verpflichtung zur schlüssigen Darstellung der sicherungsfähigen Vergütung, in dem sie den vereinbarten Pauschalpreis unter Abzug der Abschlagszahlungen geltend macht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kündigung der Beklagten ein wichtiger Grund zur Seite stand, oder diese Kündigung als freie Kündigung anzusehen war. Im einen wie im anderen Fall ist im hier vorliegenden Fall grundsätzlich der gesamte noch ausstehende Teil des Pauschalpreises sicherungsfähig. Die Klägerin macht nämlich grundsätzlich geltend, die Leistung vollständig abgeschlossen und erbracht zu haben. Dem steht nicht entgegen, dass das Ausbleiben der Position "Standsicherheitsnachweis" tatsächlich unstreitig ist, und die Klägerin darüber hinaus einräumt, die Putzleisten teilweise nicht angebracht und den zweiten Sockelanstrich nicht vorgenommen zu haben. Diese Leistungsdefizite haben nach dem Vorbringen der Klägerin ihre Ursache nicht darin, dass die Bauleistung bis zum Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte noch nicht fertig gestellt war. Vielmehr bringt die Klägerin vor, dass der Standsicherheitsnachweis entgegen der ursprünglichen Annahme bei Vertragsschluss nicht erforderlich gewesen sei. Den Sockelanstrich habe sie nicht erbracht, weil er von der Beklagten abgelehnt worden sei. Die Klägerin macht also geltend, dass sich das Leistungssoll infolge unterschiedlicher Umstände reduziert habe mit der Folge, dass das Ausbleiben dieser unstreitig nicht erbrachten Leistungen an der Fertigstellung der Bauleistung insgesamt nichts ändert.

40

Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist dem Unternehmer eine Sicherheit zu gewähren, die ihren Zweck nicht verfehlt, ihn vor dem Ausfall des Bestellers zu schützen. Deshalb kann ein den Rechtsstreit über die Stellung einer Sicherheit verzögernder Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs nicht zugelassen werden (BGH, a.a.O., RN 19). Die Beklagte bestreitet die tatsächlichen Voraussetzungen, auf die sich die Klägerin zur Begründung der von ihr ins Feld geführten Reduzierung des geschuldeten Leistungsumfangs stützt. Sie behauptet, dass der Standsicherheitsnachweis erforderlich und der Sockelanstrich nicht abgelehnt worden sei. Die Aufklärung dieser streitigen Umstände kann im Verfahren über Sicherungsverlangen der Klägerin nicht zugelassen werden.

41

Damit besteht der sicherungsfähige Vergütungsanspruch grundsätzlich im Pauschalpreis. Veränderungen des Leistungsumfangs sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie vom Unternehmer selbst vorgebracht werden oder unstreitig sind und nach der Struktur des Pauschalpreisvertrages Einfluss auf die Vergütung haben können.

42

Die unstreitig nicht erbrachte Leistung "Standsicherheitsnachweis" erfüllt diese Voraussetzung nicht. Mehr- und Minderleistungen sind beim Pauschalvertrag grundsätzlich nicht auszugleichen, soweit sie sich im Rahmen des vertraglichen Leistungsumfangs halten, weil die Vertragsparteien das Leistungsziel in den Vordergrund ihrer vertraglichen Vereinbarungen stellen, den Leistungsumfang bewusst pauschalieren und hierfür einen Festpreis vereinbaren. Lediglich dann, wenn der tatsächliche Leistungsumfang von dem vertraglich vorgesehenen so erheblich abweicht, dass einer Partei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist, an dem vereinbarten Pauschalpreis festzuhalten, muss dieser dem geänderten Leistungsumfang angepasst werden. Dies wird regelmäßig erst bei einer Abweichung im Leistungsumfang von mehr als 20% der Fall sein (OLG Hamm, Urteil vom 16. Juni 1992,21 U 18/92, zitiert nach juris, RN 16).

43

Die Position "Standsicherheitsnachweis" ist im Leistungsverzeichnis mit 2.100,00 Euro bewertet. Dies entspricht etwa einem Prozent des gesamten Pauschalpreises. Der nach dem Vorbringen der Klägerin mangels Erforderlichkeit eingetretene Wegfall dieser Position vermag keinen Anpassungsanspruch zu begründen.

44

Ähnliches gilt für die Positionen "Drempellüfter" unter "Putzleisten". Zu dieser Position hat die Klägerin eingeräumt, in kleinerem Umfang die Leistung nicht erbracht zu haben, weil dies bautechnisch nicht möglich gewesen sei. Dies führt jedoch entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht dazu, dass die tatsächliche Leistung durch Aufmaß nachzuweisen war. Hat sich der Unternehmer verpflichtet, die in einem Leistungsverzeichnis detailliert beschriebene Leistung zu einem Pauschalpreis auszuführen, ist ein gemeinsames Aufmaß entbehrlich (Werner, in der Werner/Pastor, der Bauprozess, 15. Aufl., RN 1515). Daraus ergibt sich, dass kleinere Veränderungen des Leistungsolls nicht dazu führen, dass die tatsächlich erbrachte Leistung durch Aufmaß darzulegen ist.

45

Auch der für die Fensterbänke in Ansatz gebrachte Werklohn ist sicherungsfähig. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung macht die Beklagte nicht geltend, dass die Leistung nicht erbracht worden sei. Die fehlende Stabilität der Fensterbänke, die nach dem Vorbringen der Beklagten auf unzureichende Montage zurückzuführen sei, stellt einen Mangel dar. Dieser Mangel mag ausgesprochen gravierend sein, ist jedoch weder unstreitig noch rechtskräftig festgestellt. Er kann deswegen im Rechtsstreit über die Sicherheitsleistung keine Berücksichtigung finden.

46

Das gilt insgesamt für die Mängel, auf die sich die Beklagte unter Vorlage des im Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachtens beruft.

47

Ohne Erfolg bleibt die Argumentation der Beklagten, die Klägerin könne Sicherheitsleistung für den Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 4.026,93 €, den sie ihrerseits durch bisher nicht erbrachte Sicherheitsleistung ablösen könnte, nicht verlangen. Das Landgericht Freiburg hat im Urteil vom 5. September 2005 zu 5 O 72/05, im Leitsatz veröffentlicht bei juris, mit Entscheidungsgründen in NZBau 2006, 48, diese Auffassung vertreten. Soweit ersichtlich, hat sie in der Literatur oder obergerichtlichen Rechtsprechung kein Echo gefunden. Vielmehr hat das Oberlandesgericht Hamm in seiner in der angefochtenen Entscheidung zitierten Rechtsprechung (Urteil vom 8. Oktober 2015 zu 21 U 71/15, zitiert nach juris, RN 66) mit überzeugender Begründung ausgeführt, warum auch der Gewährleistungseinbehalt zum sicherungsfähigen Teil der Werklohnforderung des Unternehmers gehört. Das Oberlandesgericht Hamm hat das von ihm gewonnene Ergebnis im Kern darauf gestützt, dass bereits nach altem Recht das Sicherungsverlangen des Unternehmers von einem möglichen Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers wegen der Mangelhaftigkeit der unternehmerischen Leistung unberührt geblieben sei. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZBau 2007, 129, 131) hat das Oberlandesgericht Hamm darauf hingewiesen, dass ein solches Leistungsverweigerungsrecht allein dem Zahlungsanspruch, nicht aber dem Sicherheitsverlangen entgegengesetzt werden könne. Nichts anderes könne für einen vereinbarten Gewährleistungseinbehalt gelten. Auch der Wortlaut des § 648a Abs. 1 S. 1 BGB, nach dem Sicherheit für die gesamte "vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung" verlangt werden kann, streite für dieses Verständnis. Das gesetzgeberische Ziel, das Sicherungsinteresse des Unternehmers konsequent in den Vordergrund zu stellen, werde daran deutlich, dass der Sicherungsanspruch vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an geltend gemacht werden könne. Wenn aber weder Abnahme noch Fälligkeit des Werklohnanspruchs Voraussetzung des Sicherungsanspruchs seien, könne auch ein vereinbarter Gewährleistungseinbehalt dem Sicherungsverlangen nicht entgegenstehen. Der Gewährleistungseinbehalt werde durch das Sicherungsverlangen des Unternehmers nicht entwertet, weil die Mängeleinrede den Besteller ausreichend sichere, indem sie dem Zahlungsanspruch entgegengesetzt werden könne. Die zwischen dem Sicherungsanspruch und dem Zahlungsanspruch differenzierende Betrachtungsweise werde den Interessen der Parteien des Werkvertrages ausreichend gerecht. Dieser Begründung schließt der Senat sich an.

2.)

48

Begründet ist die Berufung dagegen, soweit sie auf die Abweisung der auf die Sicherung des für den zweiten Sockelanstrich beanspruchten Werklohns in Höhe von 1.669,57 € gerichtet ist.

49

Die Sicherung des für den zweiten Sockelanstrich geltend gemachten Werklohnes kann die Klägerin nicht verlangen. Die Klägerin selbst macht geltend, dass der Sockelanstrich von der Beklagten zurückgewiesen worden sei. Damit ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin eine freie Teilkündigung der Beklagten hinsichtlich dieser Position. Gemäß § 649 S. 2 BGB kann der Unternehmer in einem solchen Fall die vereinbarte Vergütung nur unter Abzug der ersparten Aufwendungen verlangen. Diese ersparten Aufwendungen hat die Klägerin nicht dargelegt. Es liegt aber ausgesprochen nahe, dass Aufwendungen (Farbe und Arbeitsstunden) in erheblichem Umfang erspart wurden. Das Fehlen jeglichen Sachvortrags der Klägerin zu diesen Ersparnissen hat zur Folge, dass der Vergütungsanspruch für diese Position in Höhe von 1.403,00 € netto, wie er sich aus Position 05.01.0260a des Leistungsverzeichnisses (Bl. 19 R GA I) ergibt, mithin in Höhe von 1.669,57 € brutto, nicht sicherungsfähig ist.

III.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

51

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

52

gez. Dr. Holthaus               gez. Lanza-Blasig               gez. Haberland


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