Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (Senat für Bußgeldsachen) - 2 Ss (OWi) 282/09 I 206/09

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 21.08.2009 - 21 OWi 236/09- wird aufgehoben.

2. Der Beschwerdeführer wird freigesprochen.

3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

1

Nach den vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, befand sich der Betroffene am 25.10.2008 gegen 12.10 Uhr mit einer weiteren Person mit einem Boot auf dem F. See im Landkreis Mecklenburg-Strelitz und angelte dort mit einer Handangel. Der zuständige Fischereiaufseher, der Zeuge B., forderte vom Seeufer aus beide Angler auf, ihm die Fischereierlaubnis und den Fischereischein zur Kontrolle auszuhändigen und ihre Personalien durch den Personalausweis zu belegen und zu diesem Zweck zu ihm ans Ufer zu kommen. Letzteres verweigerten die Angler. Der Zeuge B. beschaffte sich sodann ein Boot und führte die Kontrolle auf dem Wasser durch, wobei der Betroffene sofort die genannten Papiere vorzeigte. Das zuständige Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern erließ daraufhin unter dem Datum vom 06.01.2009 einen Bußgeldbescheid über eine Geldbuße von 150 € unter Hinweis auf §§ 26 Abs. 1 Nr. 27, 29 i.V.m. § 25 Abs. 3 Nr. 1 und 3 LFischG MV. Der Betroffene habe eine vorsätzliche bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dergestalt begangen, als er gegen die Pflicht verstoßen habe, den Fischereiaufsehern jederzeit die Fischereierlaubnis und den Fischereischein zur Kontrolle auszuhändigen und die Personalien durch den Personalausweis zu belegen. Dazu zähle auch die Pflicht, zur Kontrolle an Land zu kommen. Auf den fristgerechten Einspruch des Betroffenen verurteilte das Amtsgericht Rostock den Betroffenen mit Urteil vom 21.08.2009, wegen vorsätzlicher Nichtaushändigung der Fischereierlaubnis und des Fischereischeins zur Prüfung und Nichtangabe der Personalien auf Verlangen (§§ 25 Abs. 3 Nr. 1, 3, 26 Abs. 1 Nr. 27, 29 LFischG MV) zu einer Geldbuße von 150 € und führte dazu u.a. aus, die genannten Aushändigungs- und Vorlagepflichten umfassten auch die Pflicht, sich für diesen Zweck ggf. ans Ufer zu bewegen.

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Mit am selben Tage beim Amtsgericht Rostock eingegangen Antrag vom 28.08.2009 begehrt der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde sowie die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Amtsgericht Rostock. Der Generalstaatsanwalt hat die Verwerfung des Zulassungsantrags als unbegründet beantragt. Mit Beschluss vom 11.01.2010 hat der Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Rostock die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

II.

3

Die nach Zulassung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zum Freispruch des Betroffenen, denn der festgestellte Sachverhalt erfüllt keinen Ordnungswidrigkeitentatbestand.

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Gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 27 und 29 LFischG kann gegen denjenigen ein Bußgeld verhängt werden, der entgegen § 25 Abs. 3 Nr. 1 LFischG die Fischereierlaubnis oder den Fischereischein nicht auf Verlangen zur Prüfung vorlegt (Nr. 27) oder der entgegen § 25 Abs. 3 Nr. 3 LFischG seine Personalien nicht auf Verlangen angibt (Nr. 29).

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Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Betroffenen nicht vor, denn er hat unstreitig dem zuständigen Fischereiaufseher, nachdem dieser mit einem Boot längsseits des vom Betroffenen geführten Boots gegangen war, die geforderten Papiere vorgelegt und seine Personalien angegeben.

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Soweit die Ordnungsbehörde und mit ihr das Amtsgericht einen Verstoß gegen die genannten bußgeldbewehrten Vorschriften darin sehen, dass der Betroffene zuvor der Aufforderung des Fischereiaufsehers nicht gefolgt ist, die genannten Papiere an Land vorzuzeigen und zu diesem Zweck ans Ufer zu kommen, ist dies rechtsfehlerhaft, denn die genannten Normen beinhalten nicht die Pflicht, zur Ermöglichung der Kontrolle an das Ufer zu kommen.

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Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus § 25 Abs. 3 Nr. 1 und 3 LFischG MV noch aus § 26 Abs. 1 Nr. 27 und 29 LFischG MV. Ausdrücklich ist nur die - in § 26 bußgeldbewehrte - Pflicht geregelt, den Fischereischein oder die Fischereierlaubnis auszuhändigen und die Personalien anzugeben und durch den Personalausweis zu belegen. Eine darüber hinausgehende Pflicht des Betroffenen zur aktiven Mitwirkung an einer derartigen Kontrolle dergestalt, dass er sich beim Fischen auf einem Gewässer zu diesem Zweck ans Ufer begeben muss, ist gesetzlich nicht geregelt und deshalb auch nicht bußgeldbewehrt.

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Eine solche Pflicht oder eine entsprechende Bußgeldbewehrung ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der angeführten Regelungen. Zwar kann der materielle Gehalt einer Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sowie aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte über den Wortlaut der Norm hinausgehen, jedoch markiert der mögliche Wortsinn aus der Sicht des Bürgers die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (BVerfGE 71, 108, 115; Göhler, OWiG, 15.Aufl. 2009, § 3 Rdnr. 6 m.w.N.). Dabei sind im Hinblick auf den mit der Erfüllung eines Bußgeldtatbestandes verbundenen Unrechtsvorwurf an die Bestimmtheit des Tatbestandes einer mit Geldbuße bewehrten Handlung besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die mit Geldbuße bedrohte Handlung muss so genau gekennzeichnet sein, dass für den Bürger vorausschauend erkennbar ist, ob sein Handeln mit einer Geldbuße geahndet werden könnte (BVerfGE 81, 228, 237; Göhler a.a.O., Rdnr. 5)

9

Bei einer solchermaßen vorzunehmenden Auslegung der Handlungsgebote des § 25 Abs. 3 Nr. 1 und 3 LFischG MV und der entsprechenden Bußgeldtatbestände der § 26 Abs. 1 Nr. 27, 29 LFischG MV ist eine bußgeldbewehrte Verpflichtung, zum Zwecke der Kontrolle ggf. ans Ufer zu kommen, nicht zu erkennen. Bereits nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 3 1. Halbsatz verlangt dieser, dass die zu kontrollierende Person vom Fischereiaufseher "angetroffen" worden sein muss. "Angetroffen" meint dabei offensichtlich ein räumlich enges Zusammentreffen, das zum einen ohne weitere Zwischenschritte die körperliche Übergabe der genannten Erlaubnisse ("aushändigen") als zum anderen die gleichzeitige, nämlich die gemäß § 25 Abs. 6 "bei Ausübung der Befugnisse" zu erfolgende Legitimierung des Kontrollierenden ("Dienstausweis vorzuzeigen") ermöglicht. Wollte man den Wortsinn des § 25 auf eine Pflicht des zu Kontrollierenden zur Anlandung auf Zuruf vom Ufer aus erweitern, liefe die dem Kontrollierenden obliegende Legitimationspflicht entgegen der Regelung des § 25 Abs. 6 -jedenfalls zunächst- ins Leere. Gegen eine solche Pflicht spricht auch, dass der Gesetzgeber in § 25 Abs. 3 1. Halbsatz das Antreffen sowohl auf als auch an Gewässern geregelt hat. Ersteres liefe jedenfalls zum Teil leer, wollte man eine Pflicht zum Anlanden auf Zuruf als vom Sinn und Zweck der Norm gedeckt ansehen.

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Gegen die weite Auslegung des Wortlauts spricht auch, dass aus der o.g. maßgeblichen Sicht des betroffenen Bürgers gerade das von der Behörde abgeforderte Anlanden den entscheidenden Eingriff in die Freiheitsrechte darstellt. Das Fischereirecht steht als Ausfluss aus Art. 2 GG lediglich unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und ist zur Gewährleistung einer effektiven Sicherung dieses Erlaubnisvorbehalts mit einem - insoweit tiefgreifenden - verdachtsunabhängigen Kontrollrecht verbunden. Bei dieser Kontrolle werden jedoch die Rechte des Betroffenen im Hinblick auf die Verdachtsunabhängigkeit der Überprüfung insoweit gewahrt, als er sein Freiheitsrecht während dieser Kontrolle ohne Einschränkung weiter ausüben kann. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, während der Kontrolle das Fischen einzustellen. Gerade das wird ihm aber mit der Aufforderung, ans Ufer anzulanden, abgefordert und geht damit über den vom LFischG MV vorgesehenen Eingriff deutlich hinaus. Will die zuständige Behörde Kontrollen von nicht an, sondern auf Gewässern fischenden Personen durchführen, ist sie daher gehalten, sich der zu diesem Zweck eingeräumten Ermächtigung von Kontrollen auf dem Gewässer zu bedienen, wie sie es im vorliegenden Fall nach der berechtigten Weigerung des Betroffenen auch getan hat.

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Vorstehende Auffassung wird auch von den entsprechenden Regelungen der §§ 163b, 163c StPO bestätigt, wonach die betroffenen Personen lediglich zur passiven Duldung von Maßnahmen zu ihrer Identifizierung, nicht jedoch zu einer aktiven Mitwirkung verpflichtet sind.

12

Auch § 29 Abs. 2 SOG MV sieht lediglich ein "Anhalterecht" der Polizei zum Zwecke der Identitätsfeststellung vor, nicht jedoch eine Verpflichtung des Betroffenen, sich zum Zwecke der Kontrolle zur Polizei zu begeben.

13

Entgegen der Auffassung der Bußgeldbehörde ist die Aufforderung, mit dem Boot ans Ufer zu kommen, auch nicht von der Regelung des § 25 Abs. 2 Nr. 4 LFischG MV gedeckt, wonach der Fischereiaufseher ermächtigt ist, Führer von Wasserfahrzeugen aufzufordern, einen bestimmten Hafen anzulaufen. Bereits nach dem Wortsinn ist der hier zu Grunde liegende Sachverhalt, das Anlanden an einem Seeufer, nicht vom Begriff des Anlaufens eines Hafens gedeckt. Selbst wenn man diesen Begriff als erfüllt ansehen wollte, besteht diese Befugnis gemäß § 25 Abs. 2 1. Halbsatz nur dann, wenn dies zur Erfüllung der Aufgabe erforderlich ist. Das ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn damit die Arbeit der Kontrollbehörde erleichtert werden würde, sondern nur dann, wenn es keine einfachere und weniger in die Grundrechte des Fischenden eingreifende Möglichkeit der Kontrolle gäbe. Das war aber vorliegend, wie die auf dem Gewässer durchgeführte Kontrolle auch ergeben hat, ersichtlich der Fall.

III.

14

Nachdem der festgestellte Sachverhalt unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt und diesbezügliche Feststellungen auch nicht mehr zu erwarten sind, war der Betroffene vom Senat freizusprechen, § 79 Abs. 3 OWiG, § 354 Abs. 1 StPO.

IV.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO.

V.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO)

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