Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (2. Zivilsenat) - 2 W 197/05

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts wird abgeändert; der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

I.

1

Der Beklagte war in der Zeit vom 16.07.2001 bis zum 14.02.2003 Betreuer der Klägerin. Gemäß Beschluss des Amtsgerichts Kappeln vom 16.07.2001 (Anlage K 1) umfasste sein Aufgabenkreis u. a. die Vermögenssorge; für diesen Bereich war ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

2

Durch Beschluss des Landgerichts Flensburg vom 02.03.2003 (Anlage K 2) wurde der Beklagte als Vermögensbetreuer aus seinem Amt entlassen. Es wurde die jetzige Betreuerin der Klägerin, Rechtsanwältin P. als Betreuerin u. a. für den Aufgabenkreis Vermögenssorge eingesetzt. Der Beklagte erstattete über seine Tätigkeit als Vermögensbetreuer gegenüber dem Amtsgericht Kappeln den Jahresbericht vom 06.06.2002 (Anlage B 3) sowie vom 19.05.2002 (Anlage B 4). Das Amtsgericht Kappeln nahm daraufhin seine Amtsführung als ordnungsgemäß ab.

3

Bei der Aufarbeitung der vorhandenen Unterlagen stieß die jetzige Betreuerin der Klägerin auf eine Vielzahl von Verfügungen über deren Konto bei der Vereins- und Westbank, die in die Amtszeit des Beklagten fielen. Die Betreuerin fertigte hierüber eine Aufstellung, überschrieben mit „ungeklärte Verfügungen ab 1.1.2001“, auf deren Inhalt (Anlage K 3) Bezug genommen wird.

4

Mit Schreiben vom 25.11.2003 wandte sich die Betreuerin an den Beklagten und bat unter Übermittlung der Aufstellung über „ungeklärte Verfügungen“ (Anlage K 3) um Auskunft darüber, wer die in die Zeit seiner Betreuertätigkeit fallenden Verfügungen jeweils vorgenommen habe (die Klägerin allein, ein Dritter, in Beisein von wem?), aus welchem Grund die Verfügung und zu wessen Gunsten sie erfolgt sei (Anlage K 4). Nachdem der Beklagte nicht reagierte, forderte ihn das Amtsgericht Kappeln mit Schreiben vom 26.11.2004 unter nochmaliger Übersendung der Auflistung von Kontoabhebungen auf, der jetzigen Betreuerin hinsichtlich der Verwendung des Vermögens innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens Auskunft zu erteilen (Anlage K 5). Nachdem eine Reaktion des Beklagten hierauf nicht erfolgte, reichte die Klägerin unter dem 13.01.2005 beim Landgericht Klage ein, die dem Beklagten unter dem 18.01.2005 zugestellt wurde.

5

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben eine Abrechnung über die von ihm in seiner Eigenschaft als Betreuer getätigten Geschäfte, insbesondere für den Zeitraum vom 16.07.2001 bis 14.02.2003 Auskunft über das Konto 63353300 bei der Vereins- und Westbank wie folgt zu erteilen und zu belegen: Wer Verfügungen jeweils vorgenommen habe, zu welchem Zweck und zu wessen Gunsten die Verfügungen erfolgt seien.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat insbesondere geltend gemacht, dass Ansprüche der Klägerin auf Rechnungslegung und Auskunft erfüllt seien. Dazu trägt er vor, dass ab Januar 2002 eine Frau S. bestellt worden sei, um der Klägerin im Haushalt zu helfen, für sie einzukaufen und sonstige Handreichungen vorzunehmen. Indessen habe die Klägerin im Einvernehmen mit ihm sowie deren beiden Kindern weiterhin ihr Konto geführt. So sei sie auch nach Einrichtung der Betreuung bis weit in das Jahr 2003 hinein jeden Morgen zur Bank gefahren. Frau S. habe sie regelmäßig bei ihrem morgendlichen Gang zur Bank begleitet. Die Klägerin habe regelmäßig nicht unerhebliche Geldbeträge von ihrem Konto abgehoben, und zwar meistens per EC-Karte über den Geldautomaten. Dabei habe es sich nahezu stets um Beträge von 500,- DM gehandelt, die mindestens wöchentlich, zeitweise sogar mehrmals wöchentlich in dieser Größenordnung abgehoben worden seien. Im Laufe des Frühjahrs 2002 habe er - der Beklagte - zunehmend den Eindruck gewonnen, dass Frau S. der Klägerin bei den Bankgeschäften, insbesondere bei den Geldabhebungen, „über Gebühr behilflich“ gewesen sei. Nachdem Frau S. die Klägerin zu der in der Liste „ungeklärter Verfügungen“ (Anlage K 3) für den 14.05.2002 ausgewiesenen Barauszahlung von 1.000,- Euro veranlasst habe, habe er veranlasst, dass der Klägerin für ihren Lebensunterhalt wöchentlich lediglich 300,- Euro ausgezahlt würden. Außerdem seien er als Vermögensbetreuer und der Sohn der Klägerin als Betreuer für persönliche Angelegenheiten übereingekommen, dass die tatsächlichen Betreuungsleistungen für die Klägerin nicht mehr Frau S. sondern mit Wirkung ab 02.06.2002 die Diakonie in Kappeln habe erbringen sollen. So erkläre sich in der Liste „ungeklärter Verfügungen“ (Anlage K 3) die Überweisung von 72,15 Euro für „ambulante Pflege“ per 02.07.2002.

7

Nach Einrichtung der Kontosperre am 22.05.2002 sei die Bezahlung der Frau S. in der Weise erfolgt, dass diese die geleisteten Stunden aufgeschrieben und Monatsabrechnungen erstellt habe. Diese habe er - der Beklagte - in Anwesenheit der Klägerin überprüft und bei Richtigkeit unterschrieben. Mit den unterschriebenen Abrechnungen seien die Klägerin und Frau S. dann zur Bank gegangen und hätten dort das zu deren Entlohnung erforderliche Geld abgehoben.

8

Die Klägerin habe Barauszahlungen und Geldabhebungen über den Geldautomaten nicht nur während ihrer täglichen Gänge zur Bank mit Frau S. vorgenommen; vielmehr sei sie gelegentlich auch von ihrer Tochter A. K. zur Bank begleitet worden. Er - der Beklagte - habe keine einzige Barabhebung zu Lasten der Klägerin vorgenommen. Er habe keine EC-Karte für deren Konto gehabt und auch die Geheimnummer nicht gekannt.

9

Am 17.17.2001 habe die Klägerin zusammen mit Frau S. bei der Bank eine Überweisung B.-GmbH in Höhe von 290,- DM veranlasst. Um was es sich bei dieser Rechnung gehandelt habe, wisse er - der Beklagte - nicht. Möglicherweise befinde sich die Rechnung der B.-GmbH beim Steuerberater der Klägerin. Für die Überweisungen vom 08.08.2001 an Dr. R., vom 15.08.2001 an das Autohaus S., vom 04.10.2001 an Rechtsanwalt W., vom 06.11.2001 an J. N., vom 18.11.2001 an F. J., vom 19.12.2001 an W. K., vom 11.01.2001 an M. A. sowie für die weiteren Überweisungen und Lastschriften auf den nächsten beiden Seiten der Liste „ungeklärter Verfügungen“ (Anlage K 3) bis einschließlich 15.05.2002 gelte Entsprechendes.

10

Wenn es zu noch höheren Barauszahlungen, wie beispielsweise 6.000,- DM am 27.07.2001 und 2.000,- DM am 30.07.2001 gekommen sei, dann möge dies seinen Grund in ausgedehnten Urlaubs- und Einkaufsfahrten der Klägerin gehabt haben, die sich mit Frau S. insbesondere auch nach Wismar ins Hotel St. begeben habe. Über diese Urlaubsausgaben existierten Aufstellungen, über die er - der Beklagte - nicht verfüge. Die Kontoabhebung vom 16.07.2002 über 800,- € sei durch Frau S. mit seiner Genehmigung für eine Reise nach Oslo erfolgt.

11

Als Anlage zur Klageerwiderung vom 29.03.2005 hat der Beklagte als Anlagenkonvolut B 1 die Monatskontoauszüge von Mai 2001 bis Januar 2003 vorgelegt. Der Beklagte behauptet, dass diese Kontoauszüge in der Betreuungsakte beim Landgericht Kappeln abgeheftet seien - was unstreitig ist. Im Übrigen habe er die Klägerin bzw. ihre Betreuerin bei der Aushändigung seiner Unterlagen auf die bereits bei der Betreuungsakte befindlichen beiden Jahresberichte vom 06.06.2002 und 19.05.2003 verwiesen.

12

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe ihr vorgerichtlich lediglich mitgeteilt, dass Geld ausgegeben worden sei, aber nicht für wen und zu wessen Gunsten.

13

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.07.2005 den Rechtsstreit für erledigt erklärt; der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 09.08.2005 angeschlossen. Die Parteien haben wechselseitig Kostenanträge gestellt.

14

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.09.2005 der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin gegen den Beklagten ursprünglich einen Anspruch auf Rechnungslegung gemäß §§ 1890, 1808 i BGB gehabt habe, der Beklagte diesen jedoch vor Rechtshängigkeit der Klage gemäß § 1890 Satz 2 durch seine vom Amtsgericht Kappeln akzeptierten Jahresberichte vom 06.06.2002 und 19.05.2002 erfüllt habe. Ein Auskunftsanspruch gemäß §§ 1839, 1908i BGB habe der Klägerin nicht zugestanden. Auch insoweit habe es der jetzigen Betreuerin oblegen, zunächst die Betreuungsakte einzusehen; darin befänden sich die aussagekräftigen Kontoübersichten ebenso wie die Jahresberichte der Beklagten vom 06.06.2002 und 19.05.2003.

15

Die Klägerin hat gegen diesen Beschluss mit Schriftsatz vom 14.09.2005 fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 06.10.2005 nicht abgeholfen.

II.

16

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (vgl. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, der Auskunftserteilung des Beklagten im Rahmen seiner Klageerwiderung, wäre dieser in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen gewesen. Die Klage wäre zulässig (1.) und begründet (2.) gewesen.

17

1.) Für die Klage hat ein Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Ob der Betreuer seine Pflicht zur Rechenschaftslegung (§§ 1890 Satz 1, 2. Alt., 1909i Abs. 1 BGB) materiell erfüllt hat, kann allein das Prozessgericht im Rahmen eines Klageverfahrens entscheiden (Jürgens/Klüsener, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1890 Rn. 4; Staudinger/Engler, BGB, Neubearb. 2004, § 1890 Rn. 22). Das Vormundschaftsgericht kann lediglich die Einreichung einer formell ordnungsgemäßen Schlussrechnung verlangen und den Betreuer hierzu mit Zwangsmitteln anhalten (MünchKomm/Wagenitz, 4. Aufl., § 1890 Rn. 9).

18

2.) Der Auskunftsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten hat sich aus §§ 1890 Satz 1, 2. Alt., 1908i Abs. 1 BGB ergeben. Nach diesen Vorschriften hat der Betreuer nach der Beendigung seines Amtes den Betreuten über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen. Der Umfang dieser Pflicht bestimmt sich nach §§ 259 ff. BGB; der Betreuer hat Auskunft über die Führung des Amtes zu erteilen, die Entwicklung des Vermögens darzulegen und eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben zu fertigen (OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 374; Jürgens/Klüsener, § 1890 Rn. 5). Die Verpflichtung des Betreuers umfasst neben einer formell und sachlich richtigen Schlussrechnung und der Vorlage von Belegen auch die Erteilung von Auskünften zur sachlichen Rechtfertigung der Vermögensdispositionen (OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 374; MünchKomm/Wagenitz, § 1890 Rn. 6).

19

Diesen Auskunftsanspruch hat der Beklagte erst nach Rechtshängigkeit, nämlich im Rahmen seiner Klageerwiderung vom 29.03.2005 erfüllt. Erst hier hat er ausführlich erläutert, wie die Vielzahl von Geldabhebungen, insbesondere am Geldautomaten, zustande gekommen ist. Insbesondere hat er mitgeteilt, wer die Abhebungen gegebenenfalls in Begleitung welcher Person getätigt hat. Darüber hinaus hat er einen großen Teil der einzelnen Verfügungen unter Nennung des Datums erläutert und schließlich - soweit ihm dies bekannt gewesen ist - mitgeteilt, zu wessen Gunsten diese erfolgt sind.

20

Eine Erfüllung des Rechenschaftsanspruchs vor Rechtshängigkeit ist auch nicht gemäß § 1890 Satz 2 BGB durch Bezugnahme auf die dem Vormundschaftsgericht gelegte Rechnung erfolgt. Zwar ist es zwischen den Parteien streitig geblieben, ob der Beklagte die Klägerin bzw. ihre Betreuerin bei der Aushändigung seiner Unterlagen auf die bereits bei der Betreuungsakte befindlichen beiden Jahresberichte vom 06.06.2002 und 19.05.2003 hingewiesen hat - wie der Beklagte behauptet - oder ob er lediglich mitgeteilt hat, dass Geld ausgegeben wurde, aber nicht für wen und zu wessen Gunsten - wie die Klägerin vorträgt. Aber selbst wenn eine solche Bezugnahme auf die Betreuungsakte erfolgt sein sollte, so hindert dies den Betreuten bzw. seinen neuen Betreuer nicht, Rechnungsposten zu beanstanden, die das Vormundschaftsgericht unbeanstandet gelassen hat (vgl. MünchKomm/Wagenitz, § 1890 Rn. 7). Sofern der Betreute eine ergänzende Auskunft zur sachlichen Rechtfertigung von bestimmten Vermögensdispositionen benötigt, weil sie sich aus der gegenüber dem Vormundschaftsgericht gelegten Rechnung nicht ergeben, so steht ihm ein ergänzender Auskunftsanspruch zu. Denn aufgrund der Auskunft im Rahmen der Rechenschaftspflicht, soll der Betreute bzw. sein gegenwärtiger Betreuer entscheiden können, ob er den vorangegangenen Betreuer entlastet oder ob Ansprüche wegen pflichtwidriger Verwaltung geltend zu machen sind (Jürgens/Klüsener, § 1890 Rn. 6). Eine solche Entscheidung hat die jetzige Betreuerin der Klägerin aber erst treffen können, nachdem ihr der Beklagte die zahlreichen Verfügungen, namentlich die Auszahlungen am Geldautomat, im Hinblick auf die übermittelten Fragen erläutert hat.

21

Die von der jetzigen Betreuerin benötigten Angaben ergeben sich nicht bereits aus der Betreuungsakte, etwa aus den darin befindlichen Jahresberichten vom 26.06.2002 und 19.05.2003 sowie aus den als Anlage B 1 vorgelegten Monatskontoauszügen für den Zeitraum vom 02.05.2001 bis 31.01.2003. Dem Jahresbericht vom 06.06.2002 war insoweit nur zu entnehmen, dass Frau S. bei Barverfügungen der Klägerin „stark behilflich“ gewesen ist, was immer darunter zu verstehen sein mag. Aus den Monatskontoauszügen ergeben sich zwar die Daten und Beträge der an den Geldautomaten erfolgten Abhebungen; über deren Zweck, die abhebende Person und (gegebenenfalls) den Drittempfänger des Geldes können diese Unterlagen naturgemäß keine Auskunft geben. Die Einzelheiten der zahlreichen Geldabhebungen sowie der Zusammenhang mit der Lebensführung der Klägerin erschließen sich erst durch Lektüre der Klageerwiderung vom 29.03.2006. Diese Auskünfte hätte der Beklagte als ehemaliger Betreuer der Klägerin im Bereich der Vermögenssorge jedoch schon nach Anforderung der neuen Betreuerin vom 25.11.2003, spätestens aber auf das Schreiben des Amtsgerichts Kappeln vom 26.11.2004 hin erteilen müssen.

22

Nach alledem hat der Beklagte seine Pflicht zur Rechenschaftslegung gemäß §§ 1890 Satz 1, 2. Alt., 1908i Abs. 1 BGB vor Erhebung der Klage am 18.01.2005 (Datum der Zustellung) nicht erfüllt, so dass ihm die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen sind.


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