Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (6. Zivilsenat) - 6 U 46/21

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen I - des Landgerichts Kiel geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Die Beklagte vertreibt unter verschiedenen Marken Haushalts- und Hygieneartikel. Dazu zählen Müllbeutel, die sie unter der eingetragenen Wortmarke X in verschiedenen Varianten anbietet. Die Werbung für Müllbeutel der Produktserie „X klimaneutral“ hält der Kläger für unlauter. Nach vergeblicher Abmahnung (Anlagen K4 und K5) hat der Kläger Klage mit dem Antrag erhoben, der Beklagte die Werbung für Müllbeutel mit der Angabe „klimaneutral“ zu untersagen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Wegen des weiteren Parteivortrags und der im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

2

Das Landgericht hat die Klage aus den §§ 8 Abs. 1 und 3; 5 Abs. 1; 5a Abs. 2 UWG für begründet gehalten. Indem die Beklagte die Angabe „klimaneutral“ neben dem Begriff „X“ stelle, werbe sie wahrheitswidrig für ihr Unternehmen als klimaneutral. Für den durchschnittlichen Verbraucher sei nicht erkennbar, dass es sich bei dem Begriff „X“ nur um eine Marke handelt und der Zusatz „klimaneutral“ für eine Untermarke stehen solle. Er verbinde mit dem Wort „X“ vielmehr das Unternehmen der Beklagten und schließe aus dem Zusatz „klimaneutral“ - unzutreffend - auf eine klimaneutrale Produktion des Unternehmens. Es könne dahingestellt bleiben, ob das von der Beklagten im Übrigen verwendete Unternehmenslogo anders laute, denn dies schränke die Wirkung des Begriffs „X“ nicht ein. Für den durchschnittlichen Verbraucher sei auch nicht ersichtlich, dass durch den Zusatz „klimaneutral“ nur eine Untermarke bezeichnet werden solle. Die Kennzeichnung erwecke vielmehr den Eindruck, dass „X“ Müllbeutel klimaneutral hergestellt würden. Dass sich die Kennzeichnung nur auf bestimmte Müllbeutel beziehen solle, erkenne der Verbraucher nur durch einen Vergleich der Müllbeutel, soweit diese nebeneinander angeboten würden. Ein solcher Vergleich unterbleibe regelmäßig bei einem derartigen geringwertigen Produkt. Auch wenn allgemein bekannt sei, dass klimaneutral nicht mit emissionsfrei gleichzusetzen sei, sei Klimaneutralität doch mit unterschiedlichen Mitteln zu erreichen. Daher sei es für die Entscheidung des Verbrauchers wesentlich, dass er beim Kauf entsprechende Informationen erhalte. Nur so könne er entscheiden, ob er die ergriffenen Maßnahmen für unterstützenswert halte. Der bloße Hinweis auf die Unterstützung von „Goldstandard zertifizierten Klimaschutzprojekten“ sei dafür nicht ausreichend. Erforderlich sei die Angabe der Webseite auf der Verpackung oder ein QR-Code, mit dem die Webseite aufgerufen werden könne, die die entsprechenden Informationen enthalte. Das sei bei der von der Beklagten verwendeten Verpackung nicht der Fall, die nur blickfangmäßig Hinweise auf das Unternehmenskonzept in den Vordergrund stelle. Der Hinweis auf die „Subbrand X klimaneutral“ trete dagegen in den Hintergrund. Dadurch werde auf der Webseite nur der schon durch die Verpackung hervorgerufene Eindruck verstärkt, dass die Beklagte ein klimaneutrales Unternehmen sei. Nähere Informationen befänden sich erst auf weiteren Unterseiten, was dem Erfordernis eine einfache Informationsmöglichkeit des Verbrauchers nicht genüge. Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendung für die Abmahnung sei nach § 13 Abs. 3 UWG begründet.

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In der Berufung rügt die Beklagte, dass sie nie für sich in Anspruch genommen habe, als Unternehmen klimaneutral zu sein, und sich dies aus der streitgegenständlichen Angabe auch nicht entnehmen lasse. Es handele sich bei dem Begriff „X“ auch nicht um ihr Unternehmenskennzeichen und bei dem auf dem Müllbeutel abgedruckten Logo nicht um ihr Unternehmenslogo. Bei der Bezeichnung und dem Logo handele es sich vielmehr um eine seit Jahrzehnten verwendete Marke zur Kennzeichnung bestimmter Produkte. Auch für den Verbraucher sei erkennbar, dass die Kennzeichen „X“ und „X klimaneutral“ nur für das betreffende Produkt gelte. Der angesprochene Verkehr habe jedoch keinerlei Veranlassung zu der Annahme, dass sich die Kennzeichnung als „klimaneutral“ auf die gesamte Produktion der Beklagten beziehe. Um dies zu erkennen, bedürfe es keines aufwendigen Produktvergleichs, wobei ein solcher hier allerdings nicht einmal aufwendig wäre, weil die Müllbeutel der „normalen“ und der „klimaneutralisierten“ X-Serie im Handel regelmäßig nebeneinander angeboten würden und sich äußerlich klar voneinander unterschieden.

4

Zutreffend sei die Auffassung des Landgerichts, dass „klimaneutral“ nicht mit „emissionsfrei“ gleichzusetzen sei. Richtigerweise gehe es letztlich um das Erreichen einer ausgeglichenen Co2-Bilanz. Dies erwarte der Verbraucher, diese Erwartung werde aber auch erfüllt. Ins Einzelne gehende Hinweise darauf, wie dies geschehe, erwarte der Verbraucher nicht. Er könne sich die Information aber mit Hilfe der Angabe der Webseite auf der Verpackung beschaffen. Der Feststellung des Landgerichts, dass sich die erforderlichen Angaben erst auf weiteren Unterseiten befänden, hält die Beklagte zum einen entgegen, dass die Gestaltung der Internetseite nicht streitgegenständlich gewesen sei und dass die Feststellung auch nicht zutreffe.

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Die Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Es komme nicht darauf an, wie die Beklagte die Verwendung des Logos bewerte, sondern wie der angesprochene Verkehr es verstehe. Er verstehe die Bezeichnung „X“ als Unternehmenskennzeichen der Beklagten. Der Kläger verweist auf Werbung der Beklagten, in der diese selbst die Bezeichnung als solchen „X“ als Bezeichnung für ihr Unternehmen verwende. Durch die Verbindung mit dem Begriff „klimaneutral“ erwecke die Beklagte bei dem angesprochenen Verkehr bewusst und zielgerichtet den Eindruck, dass das Unternehmen als solches klimaneutral sei. Gerade dadurch, dass zahlreiche unterschiedliche Produkte mit dem Begriff „X“ gekennzeichnet würden, erhalte der angesprochene Verkehr den Eindruck, dass es sich bei „X“ um das herstellende Unternehmen und nicht um ein einzelnes Produkt handele. Der Verkehr nehme die Bezeichnung in die nicht als sogenannte „Subbrand“ (Untermarke) wahr. Der Aussagegehalt der Werbung relativiere sich auch nicht dadurch, dass der angesprochene Verkehr einen Produktvergleich anstelle oder sich Informationen beschaffen könne. Beides wäre mit Aufwand verbunden und beides entspreche beim Kauf geringwertiger Produkte wie Müllbeutel nicht der Lebenswirklichkeit. Zudem werde erneut bestritten, dass das streitgegenständliche Produkt derart neben anderen Produkten der Beklagten angeboten werde, dass sich dem Verbraucher der Unterschied ohne weiteres erschließe. Im Hinblick auf den Begriff „klimaneutral“ erwiesen sich die Erwägungen des landgerichtlichen Urteils sogar als zu großzügig. Richtigerweise sei an die Anforderungen zur Vermeidung einer Irreführung ein deutlich strengerer Maßstab anzulegen, als es das Landgericht getan habe. Da der Begriff „klimaneutral“ mehrdeutig sei, müsse eindeutig darüber aufgeklärt werden, woraus sich die Klimaneutralität hier ergebe. Ergänzend verweist die Beklagte darauf, dass die Klimaneutralität der Beklagten und des in Rede stehenden Produkts bestritten sei.

II.

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Die Berufung hat Erfolg.

I.

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Durch Auslegung des Klagantrags ist zunächst der Streitgegenstand des Verfahrens zu klären.

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1. Mit dem Antrag verfolgt der Kläger das Verbot, Müllbeutel als „klimaneutral“ zu bewerben, wenn dies in der aus den Anlagen K 1 und 2 ersichtlichen Ausgestaltung geschieht. Die Anlagen K 1 und 2 enthalten ausschnittweise Abbildungen der Müllbeutel, auf denen neben diese Angabe neben dem Logo „X“ (Anlage K 1) und neben dem blau unterlegten Hinweis auf die Unterstützung Gold Standard zertifizierter Klimaschutzprojekte zu sehen ist (Anlage K 2). Seinem Wortlaut nach zielt der Antrag damit auf das Verbot, Müllbeutel mit der Angabe „klimaneutral“ zu vertreiben, ohne dass sich auf dem Produkt weitergehende Erläuterungen dazu finden. In diesem Sinne hat der Kläger seinen Antrag auch verstehen wollen, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit seinem Prozessbevollmächtigten erörtert worden ist. Dies erschließt sich auch aus dem schriftlichen Klagvorbringen. Schon die vorgerichtliche Abmahnung war ausweislich der vorbereiteten Unterlassungserklärung und des beigefügten Begleitschreibens (Anlagen K 4 und 5) unmissverständlich auf das Fehlen näherer Informationen darüber, woraus sich die „Klimaneutralität“ ergebe, gestützt. In der Klagschrift (S. 4, 12) hat der Kläger den Inhalt des Abmahnschreibens ausdrücklich zum Gegenstand des Klagvortrags erhoben und ausgeführt, dass die angeforderte Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr beseitigt hätte.

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Streitgegenständlich ist somit das Verbot, Müllbeutel mit der Angabe „klimaneutral'“ zu bewerben, ohne dass dem nähere Erläuterungen beigefügt sind. Nicht streitgegenständlich ist hingegen die Behauptung des Klägers, dass das Produkt tatsächlich nicht klimaneutral hergestellt sei. Ebenso wenig streitgegenständlich ist die Gestaltung der Webseiten der Beklagten in Inhalt oder Gestaltung. Die diese Fragen betreffenden Ausführungen des Landgerichts gehen damit ins Leere.

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2. Die werbliche Angabe in der gerügten Form könnte in zweierlei Hinsicht irreführend sein. Sie könnte den Eindruck erwecken, dass es ein klimaneutral produzierendes Unternehmen „X“ gebe. Irreführend könnte aber auch das Fehlen näherer Hinweise dazu sein, wie die behauptete Klimaneutralität erreicht werde. Beide Rügen hat der Kläger damit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, indes nur in der Form der alternativen Klagebegründung.

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Der Lebenssachverhalt, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird, ergibt sich aus der in der Klage gerügten konkreten Verletzungsform (BGH GRUR 2018, 431, 432 Rn. 13 - Mogelpackung). Richtet sich also eine Klage gegen ein konkret beschriebenes Verhalten, das Anlass zu Beanstandungen geben kann - die sog. konkrete Verletzungsform -, dann bilden alle Rechtsverletzungen, die hierdurch verwirklicht werden können, den Streitgegenstand. Das Gericht kann eine der Beanstandungen herausgreifen und allein hierauf das Unterlassungsgebot stützen (BGH GRUR 2020, 1226, 1228 Rn. 24 - LTE-Geschwindigkeit; BGH GRUR 2013, 401, 403 Rn. 24 - Biomineralwasser; jurisPK UWG/Seichter, Stand 03.01.2022, § 8 Rnrn. 99, 101; Köhler/ Bornkamm/ Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, § 12 Rnrn. 2.23 e, f). Der Unterlassungsgläubiger kann die in Frage kommenden Rechtsverletzungen zwar auch im Wege der kumulativen Klagehäufung angreifen. In diesem Fall muss das Gericht die beanstandete Anzeige unter jedem der geltend gemachten Gesichtspunkte prüfen. Wird ein Antrag abgewiesen, hat die klagende Partei allerdings die Kosten zu tragen (BGH GRUR 2020, 1226, 1228 Rn. 25 - LTE-Geschwindigkeit; BGH GRUR 2013, 401, 403 Rn. 25; jurisPK UWG/Seichter § 8 Rn. 81; Köhler u. a./ders. § 12 Rnrn. 2.23 b, j).

16

Im Zweifel ist von alternativer Klagebegründung auszugehen. Ist kumulative Klagebegründung gewollt, so muss dies aus dem Klagantrag eindeutig hervorgehen. Alternative Klagebegründung war auch hier gewollt, da weder Klagantrag noch Streitwertvorschlag (25.000 €) erkennen lassen, dass das Verbot mehrfach begründet werden soll. Auch dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.

II.

17

Das Urteil ist zu ändern und die Klage abzuweisen. Der Unterlassungsantrag ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

18

1. Die Gestaltung der Verpackung ist nicht irreführend i. S. d. § 5 UWG.

19

Eine Irreführung nach § 5 UWG liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe in dem angesprochenen Verkehrskreis erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH GRUR 2020, 1226, 1227 Rn. 14 - LTE-Geschwindigkeit).

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a) Die Gefahr einer Täuschung des Verkehrs dahingehend, dass es ein Unternehmen X gebe, das ausschließlich klimaneutral hergestellte Waren anbiete, sieht der Senat nicht. Der Verkehr ist es gewohnt, dass ein Unternehmen ein Produkt unter derselben Kennzeichnung in verschiedenen Varianten vertreibt und dabei die einzelnen Varianten mit Zusätzen versieht, die auf ihre jeweiligen Merkmale hinweisen (Creme x mit und ohne Parfüm, Bier x mit und ohne Alkohol oder mit Zitronengeschmack u. ä., Limonade x mit und ohne Zucker u. v. m.). Er wird deshalb aus der Bewerbung eines Produkts unter einer ihm bekannten Kennzeichnung, bei dem eine bestimmte Eigenschaft hervorgehoben wird, nicht schließen, dass diese Eigenschaft für alle Waren des Unternehmens gelte. Das gilt erst recht, wenn er mehrere Produktvarianten eines Unternehmens unter derselben Kennzeichnung, aber mit einem die jeweilige Variante auszeichnenden Zusatz nebeneinander präsentiert bekommt. So ist es hier, denn die streitgegenständlichen Müllbeutel werden im Geschäft regelmäßig neben deutlich preiswerteren anderen Müllbeuteln der Marke „X“ ohne den Zusatz „klimaneutral“ angeboten. Hiervon hat der Senat als unstreitig auszugehen, da der Kläger die entsprechende Behauptung der Beklagten erstmals verspätet (§ 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) in der Berufungserwiderung bestreitet. Seine Bezugnahme auf angebliches früheres Bestreiten kann nach Aktenlage nicht nachvollzogen werden. Im ersten Rechtszug findet sich ein Bestreiten weder in den Schriftsätzen des Klägers vom 26.03.2021 und 05.05.2021 noch im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2021; auch dem angefochtenen Urteil ist es nicht zu entnehmen.

21

Auf den von dem Kläger hervorgehobenen Umstand, dass der Verbraucher beim einem Blick auf die Webseite der Beklagten aber den Eindruck gewinnen könne, „X“ bezeichne das Unternehmen, und dass das vermeintliche Unternehmen „X“ auf einer Unterseite seiner homepage jedenfalls früher mit der Aussage „wir sind klimaneutral“ geworben habe, kommt es nicht an. Es bedarf deshalb auch keiner Auseinandersetzung damit, inwieweit diese Aussage durch die dort zu findende weitere Erklärung relativiert wird, dass die Beklagte habe „einen wesentlichen Teil“ seiner Produkte, also keineswegs sein ganzes Angebot, „klimaneutralisiert“ habe (Anlage K 8). Streitgegenständlich ist jedenfalls nur die auf den Müllbeuteln aufgedruckte Werbung, nicht der Internetauftritt der Beklagten. Er kann deshalb nicht zur Auslegung der Werbung herangezogen werden. Zu Recht weist der Kläger selbst darauf hin, dass der Verbraucher bei einem niedrigpreisigen Produkt wie Müllbeuteln seine Kaufentscheidung anhand der vor ihm liegenden Produktverpackung treffen wird, ohne zuvor Internetrecherchen zu betreiben. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Internetauftritt der Beklagten so bekannt wäre, dass er einem erheblichen Teil der Verbraucher präsent und von Einfluss auf ihre Wahrnehmung der Angaben auf den Müllbeuteln wäre.

22

Auf die zuletzt vorgebrachte Behauptung der Beklagten, dass ihr Unternehmen jetzt sogar als solches klimaneutral sei (Bl. 299R d. A. mit Bescheinigung Anl. K 41), kommt es nach Allem ebenfalls nicht an.

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b) Die Angabe „klimaneutral“ ist nicht dadurch irreführend, dass der Verbraucher ohne nähere Erläuterungen nicht beurteilen kann, wie Klimaneutralität erreicht werde. Entscheidend darin hat der Kläger ausweislich seines Abmahnschreibens ursprünglich die irreführende Wirkung der Aussage gesehen.

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aa) Für die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen gilt ähnlich wie für die Gesundheitswerbung ein strenger Maßstab. Die beworbene Umweltverträglichkeit einer Ware hat mittlerweile großen Einfluss auf das Kaufverhalten. Zugleich sind die hierbei verwendeten Begriffe - wie etwa umweltfreundlich, umweltverträglich, umweltschonend oder bio - vielfach unklar. Deshalb besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis des angesprochenen Verbraucherkreises über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner angeblichen Umweltfreundlichkeit bestimmen. Fehlen die gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht im besonders hohen Maß die Gefahr einer kaufentscheidenden Täuschung der Verbraucher (grundlegend BGH NJW 1989, 711, 712 unter Ziff. II.2.a - Umweltengel; BGH GRUR 1996, 367 unt. Ziff. II.3a - Umweltfreundliches Bauen; OGH GRURInt 2013, 580, 583 unter Ziff. 2.2; OLG Hamburg BeckRS 2008, 7230 Rn. 16 - schnell biologisch abbaubar; OLG Koblenz wrp 2011, 1499, 1501 - CO²-neutral; Köhler/Bornkamm/Feddersen/ Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, § 5 Rn. 2.182; krit. Büscher/ders., 2019, § 5 Rn. 348).

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Bei einer blickfangmäßigen Werbung mit der Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses muss wegen der unterschiedlichen damit verbundenen Vorstellungen und Erwartungen darüber aufgeklärt werden, woraus sich die Umweltfreundlichkeit ergeben soll (BGH NJW 1989, 711 - Umweltengel; JurisPK-UWG/Diekmann, Stand 15.01.2021, § 5 Rn. 381). Jede einzelne zur Umweltfreundlichkeit getroffene Aussage muss erkennen lassen, welcher Umweltvorzug herausgestellt werden soll, um die Gefahr einer Irreführung durch die Verwendung des unscharfen Begriffs der Umweltfreundlichkeit auszuschließen. Mehr allerdings, auch dies ist zu beachten, verlangen die §§ 3, 5 UWG nicht. Sie enthalten ein Irreführungsverbot, begründen aber kein Informationsgebot (BGH GRUR 1996, 367, 368 unt. Ziff. II.3.a - Umweltfreundliches Bauen - zu § 3 UWG; OLG Hamburg BeckRS 2008, 7230 Rn. 17 - schnell biologisch abbaubar - zu § 5 UWG).

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bb) Auch nach dem demnach gebotenen strengen Maßstab ist die Werbung nicht zu beanstanden.

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aaa) Der Senat hält die Werbung mit „klimaneutral“ schon für sich betrachtet - also ohne aufklärende Hinweise - nicht zwangsläufig für irreführend. Anders als der unscharfe Begriff der Umweltfreundlichkeit enthält der der Klimafreundlichkeit eine klare und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Aussage.

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(1) In der DIN EN ISO 14021, die die Anforderungen an umweltbezogene Anbietererklärungen regelt (Anlage K 10), wird der Begriff „CO²-neutral“ so bestimmt, dass er sich auf ein Produkt beziehe, bei dem der Carbon Footprint null oder ausgeglichen worden sei (DIN EN ISO S. 47 Ziff. 7.17.3.1). Der Begriff umfasst also beides, entscheidend für die „Neutralität“ ist die Bilanz unter erlaubter Berücksichtigung von Kompensationsmaßnahmen. Es darf davon ausgegangen werden, dass er sich in diesem Sinne im Verständnis des an Umweltaussagen interessierten Verbraucherkreises etabliert hat (ebenso OLG Koblenz wrp 2011, 1499, 1501). Belegt wird dies auch durch die Pressemitteilungen des BMZ und des BMU, in denen die Ministerien die angestrebte behördeneigene Klimaneutralität darstellen und dabei als selbstverständlich zugrunde legen, dass in gewissem Umfang CO²-Ausstoß unvermeidlich ist und durch Emissionszertifikate kompensiert werden muss (BMU Anl. B 12; BMZ Anl. B 13, S. 8 u. a.).

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Für die Angabe „klimaneutral“ auf den Müllbeuteln folgt daraus, dass sie dem Verbraucher zwar eine Produktion mit ausgeglichener CO²-Bilanz verspricht. Insoweit weckt sie eine klare Erwartung. Sie lässt aber offen, in welcher Weise dies geschieht. Es ist schon zweifelhaft, dass ein erheblicher Teil der verständigen Verbraucher dem Irrtum unterliegen könnte, dass Müllbeutel wie die beworbenen könnten ohne jeden CO²-Ausstoß hergestellt werden könnte. Der Kläger räumt selbst ein dass die Unvermeidbarkeit von Emissionen im Herstellungsprozess offensichtlich ist (Schriftsatz vom 05.05.2021 S. 8). Doch auch wenn der Verbraucher eine emissionsfreie Herstellung für grundsätzlich möglich hielte, kann er der schlichten Angabe der Klimaneutralität nicht entnehmen, dass dies hier gelungen ist. Er kann ihr nur das Versprechen einer - wie auch immer - ausgeglichenen Emissionsbilanz entnehmen. Gerade deshalb fehlt es hier an einer Irreführung. Irreführung setzt das Hervorrufen einer Fehlvorstellung voraus. Der Begriff der Klimaneutralität erweckt aber keine Fehlvorstellung über die Art und Weise, wie die ausgeglichene Klimabilanz erreicht wird, sondern beinhaltet nur die Zusage eines entsprechenden Ergebnisses.

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(2) Die von dem Kläger in Bezug genommene landgerichtliche Rechtsprechung steht der hiesigen Bewertung - mit Ausnahme einer Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/M. - nicht entgegen.

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Die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (Urteil vom 19.07.2013 - 38 O 123/12, BeckRS 2013, 18721), dass die Bewerbung von Kerzen als „klimaneutral“ irreführend i. S. d. § 5 UWG sei, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Die Irreführung lag aus Sicht des Landgerichts offenbar darin, dass eine klimaneutrale Verbrennung der Kerzen nicht nachgewiesen sei. Dahin ging ausweislich des Tatbestands jedenfalls auch der Klägervortrag. Nicht die emissionsfreie Herstellung, sondern die in der Tat vielleicht vorstellbare CO²-freie Nutzung der Kerzen war missverständlich beworben worden. Um einen Fall dieser Art geht es hier jedoch nicht, denn eine Irreführung über den klimaneutralen Gebrauch der Müllbeutel und die an eine solche Behauptung zu stellenden Anforderungen steht hier nicht in Rede.

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Das von dem Kläger als Anlage K 9 vorgelegte Unterlassungsurteil des Landgerichts Frankfurt/M. (Urteil vom 21.05.2016 - 3-06 O 40/16) hat die irreführende Wirkung der Angabe „klimaneutral“ ausdrücklich daraus abgeleitet, dass sie „anders als bei der Werbung anderer Unternehmer mit dem Schlagwort einer Klimaneutralität“ weitere Angaben enthalte; dies sei entscheidend. In den weiteren Angaben erwecke die dortige Beklagte nämlich den Eindruck, dass ihr eine CO²-ausstoßfreie Produktionskette gelungen sei. Ersichtlich also hat das Landgericht Frankfurt allein dem Schlagwort der „Klimaneutralität“ eine solche Aussage nicht entnehmen wollen.

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Das Landgericht Mönchengladbach (Urteil vom 25.02.2022 - 8 O 17/21, Anlage K 14) führt aus (UA Ziff. I. 2b), dass das Konzept der Klimaneutralität durch Kompensation zwar als bekannt vorausgesetzt werden könne, der durchschnittliche Verbraucher sich aufgrund der konkreten Formulierung der Werbeaussage jedoch keine bilanzielle Kompensation vorstelle, sondern die Aussage auf das konkrete Produkt und damit auf den Herstellungsprozess beziehe. Die Entscheidung beruht also auf der Gestaltung der konkreten Werbung, geht im Ausgangspunkt aber davon aus, dass der Begriff der Klimaneutralität an sich nicht mehr als eine ausgeglichene Blianz verspricht.

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Das Landgericht Oldenburg (Urteil vom 16.12.2021 - 15 O 1469/21, Anlage K 15) stellt klar, dass der durchschnittliche Verbraucher bei dem Begriff „klimaneutral“ bezogen auf Fleischprodukte davon ausgehe, dass bei der Produktion und Vertrieb der Produkte das ausgestoßene klimaschädliche CO²-Gas entweder im Sinne einer ausgeglichenenen CO²-Bilanz an anderer Stelle eingespart bzw. kompensiert werde oder dass CO² gar nicht erst ausgestoßen werde. Zu einem Fehlverständnis könne es hier durch weitere Angaben der Beklagten in der Werbung kommen.

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Einen sehr strengen Maßstab hat hingegen Landgericht Frankfurt/M.in dem Urteil vom 17.03.2022 (Anlage K 16) angelegt und gefordert, dass eine beworbene Klimaneutralität näher erläutert werden müsse. Dem folgt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Das Landgericht Frankfurt geht in dieser Entscheidung davon aus, dass der Claim „klimaneutral“ ebenso wenig fest umrissen sei wie der Begriff „umweltfreundlich“, da die Zertifizierungskriterien äußerst vielschichtig und die Wege zum Erreichen der Zertifizierung äußerst unterschiedlich seien (UA S. 25, 27). Dieser Ausgangspunkt ist deshalb nicht zutreffend, weil zwar der Begriff „umweltfreundlich“ in der Tat keinen klaren Inhalt hat, der Begriff „klimaneutral“, wie dargelegt, jedoch durchaus. Sie enthält die nachprüfbare Erklärung einer ausgeglichenen Emissionsbilanz. Der Vorwurf, dahinter könne sich „Greenwashing“ verbergen, ist nicht gerechtfertigt, weil sich die Erklärung erkennbar nur auf das Ergebnis bezieht und offenlässt, wie es erreicht wird.

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(3) Fernliegend ist die Annahme, der Verbraucher könne dem Irrtum unterliegen, dass etwaige Ausgleichsmaßnahmen für den CO²-Ausstoß in Deutschland erfolgten. Zu dieser Vorstellung soll er - so der Kläger - durch die auf der Verpackung abgebildete Deutschlandflagge gelangen. Diese ist dort jedoch im Zusammenhang mit Aussagen und Symbolen zur äußeren Beschreibung des Produkts abgebildet; sie soll hier die Herstellung in Deutschland ausdrücken. Dies wird auf der Produktverpackung auch noch einmal ausdrücklich an anderer Stelle erläutert, indem die Deutschlandflagge hinter der Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ abgedruckt wird. Weshalb der Verbraucher sie gerade mit der Aussage der Klimaneutralität in Verbindung bringen soll, erschließt sich nicht.

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bbb) Eine Irreführung enthält die Angabe „klimaneutral“ hier erst recht deshalb nicht, weil auf der Verpackung gut sichtbar darauf hingewiesen wird, dass die Klimaneutralität durch Kompensation erreicht werde. Es heißt dort, dass das Produkt Gold Standard zertifizierte Klimaschutzprojekte unterstütze. Der Hinweis ist nicht etwa erst beim Drehen der Verpackung sichtbar. Er fällt zugleich mit dem Logo „X“ und der Angabe „klimaneutral“ ins Auge und ist auch deshalb nicht zu übersehen, weil er sich zwischen der näheren Beschreibung der Müllbeutel (extra stark usw.) und Erläuterungen zu den bei der Beschreibung benutzten Piktogrammen findet. Durch die graphische Gestaltung wird der Zusammenhang des Hinweises mit der „Klimaneutralität“ unterstrichen, denn im Textfeld ist erneut das neben dem Logo „X“ abgebildete kreisförmige Bild mit der Inschrift „klimaneutral“ abgedruckt.

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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat der Auslegung, dass der Hinweis hinreichend über den Weg zur Klimaneutralität des Produkts aufkläre, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat entgegengehalten, dass er missverständlich sei. Der Hinweis auf die Unterstützung von Klimaschutzprojekten könne so verstanden werden, als werde die Klimaneutralität durch Ausgleichsmaßnahmen erreicht. Eben so wohl könne er aber als Hinweis auf darüber hinausgehende Anstrengungen der Beklagten zum Schutz des Klimas verstanden werden, die sie zusätzlich zur klimaneutralen Produktion ihrer Müllbeutel unternehme. Der Senat hält diesen Einwand nicht für durchgreifend. Sowohl durch die Angabe, dass „dieses Produkt“ Klimaschutzprojekte unterstütze, als auch durch die im Hinweisfeld abgebildete Angabe „klimaneutral“ wird ein Bezug zwischen der behaupteten Klimaneutralität des Produkts und unterstützten Klimaschutzprojekten hergestellt. Jedenfalls kann der Verbraucher spätestens nach diesem Hinweis nicht mehr ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Klimaneutralität durch vollständige CO²-Vermeidung erreicht werde.

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2. Fehlt es an einer irreführenden geschäftlichen Handlung i. S. d. § 5 Abs. 1 UWG, weil es an einer irregeleiteten Fehlvorstellung des Verbrauchers fehlt, so kann doch eine Verletzung der Informationspflicht des Werbenden vorliegen, weil dem Verbraucher eine für seine Entscheidung wesentliche Information vorenthalten wird (BGH GRUR 2020, 1226, 1229 Rn. 37 - LTE-Ggeschwindigkeit). Während § 5 UWG ein Irreführungsverbot regelt und voraussetzt, dass der Werbende eine Fehlvorstellung bei dem Verbraucher hervorruft, ist nach § 5a Abs. 2 - 6 UWG die Verletzung von Informationsgeboten unlauter (Büscher/ders. § 5a Rn. 16; Harte-Bavendamm u. a./Dreyer § 5a Rn. 41; Köhler u. a./ders. § 5a Rn. 1.14).

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a) Nach § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Information vorenthält, die er benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Wesentlich ist eine Information nicht schon dann, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt. Letztendlich bestimmt sich die Wesentlichkeit einer Information also aus von einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Falles heraus (BGH GRUR 2016, 1076 Ls. 2 und S. 1078 Rn. 31 - LGA-tested; Büscher/ders. § 5a Rnrn. 38 f; Köhler u. a./ders. § 5a Rn. 3.14).

41

Ist eine Information nach diesem Maßstab wesentlich, muss sie gegeben werden, auch wenn sie keinen der in § 5a Abs. 3 UWG aufgeführten Umstände betrifft. Die in § 5a Abs. 3 UWG geregelte Informationsanforderung ist nicht abschließend. Im Einzelfall kann es geboten sein, weitere Umstände mitzuteilen, die für eine Beurteilung der Ware oder Dienstleistung von Bedeutung erscheinen (Begr. RegE BT-Drucks. 16/10145 S. 26; BGH GRUR 2016, 1076, 1081 Rn. 48 - LGA-tested; Harte-Bavendamm u. a./Dreyer § 5a Rn. 80; jurisKP/ Seichter § 5a Rn. 123; einschränkend Büscher in ders. § 5a Rn. 40; Köhler in ders. u. a. § 5a Rn. 3.20: Abs. 3: weitere Informationspflicht nach Abs. 2 nur, soweit sie keine in Abs. 3 genannten Umstände betrifft).

42

b) Zweifellos „wesentlich“ sind gesetzlich vorgeschriebene Informationen. Es gibt jedoch keine Vorschrift, derzufolge bei der Werbung mit „Klimaneutralität“ näher erläutert werden muss, auf welche Weise die Klimaneutralität erreicht wird. Zwar enthält die DIN EN ISO 14021 entsprechende Regelungen. Der DIN zufolge darf eine uneingeschränkte Aussage zu „CO²-neutral“ nicht gemacht werden (DIN EN ISO S. 47 Ziff. 7.17.3.2). Aussagen zur CO²-Neutralität müssten entweder eine Erklärung, dass der „Carbon Footprint“ eines Produktes gleich null sei, oder eine eindeutige Erklärung darüber, für welche Abschnitte des Produktlebensweges ein Ausgleich erfolge, enthalten (Ziff. 7.17.3.3 ebd.). Mit „Carbon Footprint“ wird die Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Treibhausgasemissionen bezeichnet (Ziff. 7.17.1 i. V. m. Ziff. 3.1.9 ebd.). Die Vorgaben der DIN EN ISO 14021 sind jedoch nicht verpflichtend. Die dort geforderten Angaben sind freiwillig (Umweltinformationen des BMU u. a., Anlage K 11, S. 13).

43

c) Angaben dazu, wie die beworbene Klimaneutralität erreicht wird, sind auch nicht aufgrund einer Abwägung der Interessen von Unternehmer und Verbraucher als wesentliche Information anzusehen.

44

Für die Wesentlichkeit solcher Angaben spräche, dass Verbraucher, die sich bewusst für ein „klimaneutrales“ Produkt entscheidet, ein hohes Interesse daran haben können, zu wissen, in welchem Umfang bei der Herstellung ein CO²-Ausstoß vermieden und in welchem Umfang und durch welche Maßnahmen er ausgeglichen wird. Das verlangt zwar eine ins Einzelne gehende Darstellung. Für die Beklagte folgt daraus aber keine unzumutbare Belastung. Sie muss sich diese Informationen nicht selbst erst mühsam beschaffen, denn sie musste die entsprechenden Daten ohnehin aufbereiten, um die Zertifizierung der Müllbeutel als „klimaneutrales Produkt“ (Anlage B 10) zu erhalten. Die Wirkung des Begriffs „klimaneutral“ als Blickfang wird durch die weiteren Erläuterungen nicht beeinträchtigt.

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Andererseits liegt auf der Hand, dass ins Einzelne gehende Erläuterungen nicht auf der Verpackung angebracht werden können. Lebensfremd wäre auch, die Beklagte zu verpflichten, den Müllbeuteln eine Art Beipackzettel anzuheften. Es muss genügen, auf der Verpackung den Hinweis auf eine Internetseite anzubringen, auf der sich die Erläuterungen finden. Insoweit kann nichts anderes als bei der Werbung mit Testsiegeln gelten, bei denen eine solche Verweisung für zulässig erachtet wird (dazu BGH GRUR 2016, 1076, 1079 Rn. 35 - LGA-tested). Auch sonst ist anerkannt, dass eine räumliche Beschränkung des Werbemediums es rechtfertigen kann, die Informationspflicht durch die Angabe einer Internetadresse zu erfüllen, auf der sich die notwendigen Angaben finden (EuGH wrp 2017, 674, insb. S. 676 Rn. 30 - Verband soz. Wettbewerb - DHL; BGH GRUR 2016, 1076, 1079 Rn. 34 - LGA-tested; jurisPK UWG/'Seichter § 5a Rn. 126).

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Der notwendige Verweis auf der Verpackung ist hier erfolgt. Gut sichtbar ist dort in dem blauen Feld, in dem sich der kurze Hinweis auf die Unterstützung von Ausgleichsmaßnahmen findet, die Internetadresse der Beklagten angegeben (www.P.de). Dort wiederum sind unstreitig entsprechende Erläuterungen zu lesen. Ob diese inhaltlich und in der Aufmachung lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen genügen, ist nicht zu entscheiden. Die Gestaltung der homepage ist nicht Gegenstand des Klagantrags (s. o. Ziff. I.1).

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte nicht gehalten, auf der Verpackung zumindest grob kenntlich zu machen, in welchem Umfang sich die Klimaneutralität aus Maßnahmen zur Vermeidung einerseits und zum Ausgleich nicht vermiedener Emissionen andererseits zusammensetze. Der Kläger schlägt Angaben wie „100 % klimaneutral dank eigener Anstrengungen“, „20 % klimaneutral dank eigener Anstrengungen und zu 80 % durch zugekaufte Zertifikate für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern“ oder „80 % klimaneutral dank eigener Anstrengungen und 20 % durch zugekaufte Zertifikate für Klimaschutzprojekte in Deutschland“ vor (Klagschrift S. 9,).

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Auf den ersten Blick könnten Hinweise dieser Art als erste grobe Orientierung hilfreich sein. Bei genauerer Betrachtung wären sie jedoch im Gegenteil irreführend. Angaben dazu, in welchem Verhältnis Emissionsvermeidung und -ausgleich zueinander stehen, setzen voraus, dass ihnen eine feststehende Bezugsgröße zugrunde liegt. An einer solchen fehlt es. Bezugsgröße kann nicht der übliche CO²-Ausstoß bei der Herstellung gleichartiger Müllbeutel sein, weil es einen solchen Wert nicht gibt. Der Emissionsausstoß bei der Produktion muss zwangsläufig von Werk zu Werk je nach Gebäudestandard, örtlicher Lage oder Lieferbeziehungen unterschiedlich hoch sein. Die Beklagte wirbt auch nicht mit einem Vergleich dieser Art. Es ließe sich auch kein Vergleich zwischen dem jetzigen und dem früheren Emissonsausstoß bei der Produktion im Werk der Beklagten ziehen, denn es kann ausgeschlossen werden, dass sich ein klar bestimmter Zeitpunkt finden lässt, ab dem die Beklagte mit der Emissionsvermeidung begonnen hat. Hinweise dieser Art wären damit zur Aufklärung ungeeignet und könnten ohnehin nichts daran ändern, dass Verbraucher die Webseite der Beklagten aufsuchen müssen, wenn sie sich dafür interessieren, wie die Beklagte die Klimaneutralität ihres Produkts erreicht.

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3. Auf eine Irreführung durch fälschlich behauptete Klimaneutralität des Unternehmens der Beklagten oder jedenfalls der beworbenen Ware kommt es nicht an. Die Behauptung ist zwischen den Parteien zwar umstritten, aber nicht streitgegenständlich (s. o. Ziff. II.1).

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4. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach dem hier noch anzuwendenden § 12 Abs. 1 S. 2 UWG steht dem Kläger nicht zu, weil die Abmahnung aus den dargelegten Gründen nicht berechtigt war.

III.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 709, 708 Nr. 10 ZPO.


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