Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 5 W 224/11 - 100

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Neunkirchen vom 18. Juli 2011 - 16 VI 131/11 - wird aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, der Beschwerdeführerin die beantragte Abschrift zu erteilen.

Gründe

I.

Am 8. April 2011 beantragte der Antragsteller unter Vorlage einer notariellen Urkunde vom selben Tage (Bl. 2 ff. d.A.) die Erteilung eines Erbscheines zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten zum Zwecke der Vorlage beim Grundbuchamt. Ausweislich Seite 3 der notariellen Urkunde versicherte er, „dass der Erbschein gemäß § 107 Abs. 3 KostO nur zur Verfügung über den im Grundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken, Saarländisches Grundbuchamt, von Neunkirchen Blatt 11111 und 2222, verzeichneten Grundbesitz der Erblasserin benötigt wird“. Nach Anhörung der weiteren Beteiligten erteilte das Amtsgericht Neunkirchen am 4. Mai 2011 einen gemeinschaftlichen Erbschein zum ausschließlichen Gebrauch für das Grundbuchberichtigungsverfahren zu ermäßigten Gebühren (Bl. 20 d.A.). Mit Verfügung vom selben Tage (Bl. 19 GA) ordnete es die Übersendung einer Ausfertigung dieses Erbscheines an das Grundbuchamt in Saarbrücken an und teilte dem Antragsteller mit, dass die Erbscheinsausfertigung an das Grundbuchamt übersandt worden sei. Für die Erteilung des Erbscheines wurden nach §§ 107, 107a KostO ermäßigte Gebühren erhoben.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2011 wandte sich die Beschwerdeführerin an das Amtsgericht und bat um Übersendung einer „Abschrift“ des beantragten Erbscheines. Zugleich teilte sie mit, dass sie mit gleicher Post den Antrag auf Grundbuchberichtigung an das Grundbuchamt weitergeleitet habe. Auf Hinweis des Amtsgerichts (Bl. 23 d.A.), es könne weder eine Ausfertigung noch eine Abschrift des Erbscheins erteilt werden, da dieser zum ausschließlichen Gebrauch für das Grundbuchberichtigungsverfahren erteilt worden sei, reagierte sie mit Schreiben vom 23. Mai 2011 (Bl. 24. d.A.) und erklärte, eine Rechtsgrundlage für diese Ansicht sei nicht ersichtlich; wäre sie zutreffend, wäre § 107a KostO unsinnig.

Mit Beschluss vom 18. Juli 2011 (Bl. 29 d.A.) hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers sei am 4. Mai 2011 mitgeteilt worden, dass der Erbschein antragsgemäß erteilt und an das Grundbuchamt gesandt worden sei. § 107a KostO biete jedoch keine Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Abschrift des gebührenermäßigten Erbscheins an den Notar.

Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 17. August 2011 Beschwerde eingelegt (Bl. 32 d.A.) und diese mit Schriftsatz vom 16. September 2001 (Bl. 34 f. d.A.) begründet. Darin vertritt sie die Ansicht, es bestehe ein Anspruch des den Erbscheinsantrag beurkundenden Notars auf Erteilung einer Abschrift des Erbscheines, da nach der Rechtsprechung des BGH eine Amtspflicht des Notars bestehe, den erteilten Erbschein zu prüfen, ob er dem beantragten entspreche. Die Mitteilung des Amtsgerichts, der Erbschein sei wie beantragt erteilt, genüge hierzu nicht. Ein Anspruch auf Abschrifterteilung bestehe auch für einen nach § 107 Abs. 3 KostO für einen bestimmten Zweck beantragten, gebührenermäßigten Erbschein. § 107 Abs. 3 KostO wolle Missbrauch verhindern, welcher bei Abschrifterteilung an einen Notar jedoch nicht zu befürchten sei.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beschwerdeführerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Abschrift.

1.

Die Beschwerde ist zulässig.

a)

Die Beschwerdeführerin hat das Rechtsmittel in eigenem Namen eingelegt. Zwar handelt eine von einem aus Anlass der Beantragung des Erbscheines bevollmächtigte Notarin grundsätzlich im Namen des Antragstellers, sofern sie nicht ausdrücklich etwas anderes angibt (vgl. u. a. BGH, Beschl. v. 18.5.1989 - V ZB 4/89 - NJW 1989, 2059). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist aber die Versagung der Erteilung des beschränkten Erbscheines beantragten Übermittlung einer Abschrift dieses Erbscheines zum Zwecke der Überprüfung durch die Notarin. Sie hat - plausibel - geltend gemacht, sie wolle damit eigene Amtspflichten erfüllen. In einem solchen Fall, in dem die Verletzung eigener Rechte einer Notarin nicht auszuschließen ist, steht ihr auch ein eigenes Beschwerderecht zu, dessen Genehmigung auch konkludent - durch die Erwähnung des Zwecks der Interessenverfolgung - zum Ausdruck gebracht werden kann (vgl. allg. BGH Beschl. v. 1.3.2011 - II ZBG/10 - NJW 2011, 1809).

b)

Die Beschwerde ist auch statthaft.

Die Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch in einer Nachlasssache (§ 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG) nach § 13 FamFG ist kein Akt der Justizverwaltung, sondern zählt zur Verfahrensführung durch das Gericht, so dass sich die Anfechtbarkeit der Entscheidung grundsätzlich nach den Vorschriften des FamFG beurteilt (OLG Jena, Beschl. v. 09.08.2011 - 6 W 206/11; Sternal, in Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 13 Rn. 64). Allerdings gilt: ist der von der Entscheidung über ein Gesuch um Akteneinsicht Betroffene zugleich Beteiligter des Verfahrens, soll die ablehnende Entscheidung als bloße Zwischenentscheidung nicht selbstständig mit der Beschwerde angreifbar sein; der Betroffene soll eine Verletzung seiner Rechte nur mit einer Beschwerde oder Rechtsbeschwerde gegen die Endentscheidung in der Sache unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Verstoßes gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend machen können.

Anders liegt der Fall aber, wenn die Entscheidung einen am Verfahren Unbeteiligten betrifft, was hier nicht der Fall ist, oder wenn es sich - wie hier - nicht um eine in einem laufenden Verfahren ergehende Zwischenentscheidung handelt, sondern die Entscheidung über die Ablehnung der Akteneinsicht bzw. der Erteilung von Abschriften aus den Akten durch nach Abschluss des Verfahrens ergangenen Beschluss erfolgt. Dann ist das Akteneinsichtsgesuch nicht Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Beteiligten, der diesem die effektive Mitwirkung bei der Wahrheitsfindung des Gerichts ermöglichen soll, sondern sie dient - vergleichbar einem nicht am Verfahren beteiligten Dritten - davon abweichenden Interessen (OLG Jena, Beschl. v. 09.08.2011 - 6 W 206/11). In einem solchen Fall steht die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch in ihren Rechtswirkungen einer Endentscheidung gleich und unterliegt deshalb der Anfechtung im Wege der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG (Sternal, in: Keidel a.a.O. § 13 Rn. 72; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., § 13 FamFG Rn. 17).

Die Beschwerdeführerin hat das Gesuch auf Erteilung einer Erbscheinsabschrift zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem das Nachlassgericht über den Antrag auf Erteilung des Erbscheines bereits entschieden hatte. Der Antrag auf Erteilung der Erbscheinsabschrift diente damit nicht dem Ziel der Einflussnahme auf die Endentscheidung des Gerichts, sondern allein der Überprüfung, ob ein bereits erteilter Erbschein ordnungsgemäß ausgestellt worden ist. In einem solchen Fall steht die Versagung der Erteilung der Abschrift einer Endentscheidung gleich, so dass hiergegen die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG statthaft ist.

c)

Die Beschwerde ist auch im übrigen zulässig, nämlich form- und fristgerecht (vgl. § 63 Abs. 1, §§ 64, 65 FamFG) eingelegt worden. Die Beschwerdeführerin ist auch in eigenen Rechten beschwert und damit gem. § 59 Abs. 1, 2 FamFG beschwerdeberechtigt.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte den Antrag auf Erteilung einer Abschrift des Erbscheines nicht mit der Begründung zurückweisen dürfen, § 107a KostO bietet keine Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Erbscheinsabschrift.

a)

Gemäß § 13 Abs. 1 FamFG können die Beteiligten die Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle einsehen, soweit nicht schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen. Personen, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind, kann Einsicht gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Soweit Akteneinsicht gewährt wird, können sich die Berechtigten auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 FamFG).

So liegt der Fall auch hier. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin i. S. d. § 13 Abs. 1 FamFG „Beteiligte“ eines nach Erbscheinserteilungsverfahrens eigenständigen „Akteneinsichtsverfahrens“ ist oder, was nahe liegt, „Informationsberechtigte“ nach dessen Abschluss.

b)

Denn auch als Solche hätte sie - unzweifelhaft - ein Akteneinsichts- und Abschriftenerteilungsrecht nach § 13 Abs. 2 FamFG.

Allerdings war das Begehren des Antragstellers selbst ausweislich der notariellen Urkunde vom 8. April 2011 zunächst auf die „Ausstellung eines Erbscheines (…) zu Händen der Notarin E. O. (…) zum Zwecke der Vorlage beim Grundbuchamt“ gerichtet (Bl. 3 d.A.). Dieser Antrag war mit Blick auf den beabsichtigten Zweck und die ausdrückliche Bezugnahme auf § 107 Abs. 3 KostO offensichtlich missverständlich. Denn § 107 Abs. 3 KostO betrifft den Fall, dass dem Nachlassgericht glaubhaft gemacht wird, dass der Erbschein nur zur Verfügung über Grundstücke oder im Grundbuch eingetragene Rechte oder zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs gebraucht wird; für die Erteilung eines solchen Erbscheines fallen nur ermäßigte Gebühren an. Dann aber ist der Erbschein gemäß § 107a Abs. 2 Satz 1 KostO in Ausfertigung (nur) dem Gericht oder der Behörde, das diesen benötigt, zur Aufbewahrung bei den Akten zu übersenden. Das Amtsgericht hat den Antrag vom 8. April 2011 folglich in diesem Sinne behandelt, ohne den inhaltlichen Widerspruch zuvor - durch eine mögliche Rückfrage - aufzuklären. Folgerichtig hat es auch in Beachtung des durch § 107a Abs. 2 KostO vorgeschriebenen Verfahrens die unmittelbare Übersendung der Ausfertigung des Erbscheins an das Grundbuchamt zur Aufbewahrung bei den Akten verfügt. Ob damit dem Antrag vom 8. April 2011 vollumfänglich entsprochen wurde, mag dahinstehen. Der Antragsteller hat die Erteilung eines beschränkten Erbscheines ausdrücklich hingenommen, wie aus dem Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Mai 2011 (Bl. 22 d.A.) hervorgeht. Dort wird mitgeteilt, dass der Antrag auf Grundbuchberichtigung mit gleicher Post weitergeleitet worden sei und - nunmehr - um die „Übersendung einer Abschrift“ dieses Erbscheines gebeten.

bb)

Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 FamFG findet im vorliegenden Fall, in dem lediglich eine einfache „Abschrift“ des Erbscheins beantragt wird, Anwendung. Der speziell für das Nachlassverfahren vorgesehene § 357 Abs. 2 Satz 1 FamFG betrifft nur die Erteilung einer Ausfertigung des Erbscheines für den Antragsteller, um die es ihm und der Beschwerdeführerin hier jedoch nicht mehr geht. Vielmehr begehrt die Beschwerdeführerin (nur) noch eine einfache Erbscheinsabschrift. Ein solches Gesuch ist nach § 13 Abs. 1-3 FamFG zu beurteilen (vgl. Bumiller/Harders, a.a.O., § 357 FamFG Rn. 8).

cc)

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abschrift des beantragten Erbscheines an die Beschwerdeführerin liegen offensichtlich vor. Ihr steht kraft ihres Amtes und der damit verbundenen Amtspflichten ein berechtigtes Interesse daran zu. Schutzwürdige, dem widerstreitende Interessen sind nicht erkennbar.

b)

Aus § 107a Abs. 2 Satz 1 KostO folgt nichts anderes; insbesondere wird durch diese Vorschrift das Recht der Notarin zur Einsicht in die Gerichtsakten und zur Erteilung von Abschriften nicht ausgeschlossen.

aa)

Zwar trifft es zu, dass die Erteilung einer Abschrift des Erbscheines - zu anderen Zwecken - eine Verpflichtung des Antragstellers zur Nachentrichtung der - bislang nur in reduziertem Umfange angefallenen - Gebühren zur Folge hat. Wird nämlich eine Ausfertigung oder - wie hier - eine Abschrift des Erbscheins für andere Zwecke erteilt, so hat der Antragsteller die in § 107 Abs. 1 KostO genannten Gebühren nach dem in § 107 Abs. 2 KostO bezeichneten Wert nachzuentrichten (§ 107a Abs. 2 Satz 2 KostO). Die hier beantragte Erteilung einer Erbscheinsabschrift „zu Überprüfungszwecken“ durch die Beschwerdeführerin stellt jedoch keine Erteilung für einen „anderen Zweck“ im Sinne dieser Vorschrift dar. Insoweit genügt es zwar grundsätzlich, dass die vom Nachlassgericht erteilte Abschrift für einen anderen Zweck als für ein gerichtliches oder behördliches Verfahren im Sinne von § 107a Abs. 2 Satz 1 KostO erfolgt (Hartmann, a.a.O. § 107a Rn. 5; Lappe, in: Korintenberg, Kostenordnung, 18. Aufl., § 107a Rn. 8). Das aber ist nicht der Fall, wenn eine den ursprünglichen Antragsteller vertretende Notarin die Abschrift zur Wahrnehmung ihrer Amtspflichten - oder schlicht zur Vervollständigung ihrer Aktenanforderung - begehrt. Sie verfolgt damit keinen das ursprüngliche Begehren funktional überschreitenden Zweck. Der Erbschein soll nicht Dritten gegenüber eingesetzt werden können. Es handelt sich vielmehr um einen verfahrensabschließenden Annex des von Anfang verfolgten grundbuchtechnischen Nachweisziels. (so Braun, Anmerkung zu a. A. d. LG Aachen v. 25.01.2006, RPfleger 2006, 410, 412).

bb)

§ 107 a KostO steht dem nicht entgegen. Das Amt einer Notarin, der die Regelung der kostenrechtlichen Vorschriften bekannt sind, deren Beachtung gleichfalls zu ihren Amtspflichten zählt, lässt - soweit wie hier keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen - Missbrauch von vornherein nicht erwarten.

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Nach § 131 Abs. 3 KostO ist das Verfahren im Beschwerderechtszug gebührenfrei.

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