Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 Ws 17/2003; 2 Ws 17/03

Tenor

Auf die als Beschwerde auszulegende Eingabe der Angeklagten vom 26. Januar 2003 wird die Verfügung des Vorsitzenden des Landgerichts - Große Strafkammer - U. vom 17. Januar 2003 aufgehoben.

Die beantragte Zusammenführung der Angeklagten mit ihrem Ehemann, O. S., geboren am ..., derzeit in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt U., zu einem einmaligen Besuch wird genehmigt.

Zur Durchführung des Besuchs ergehen folgende Anordnungen:

Der Besuch hat in Anwesenheit eines Überwachungsbeamten (Nr. 27 UVollzO) stattzufinden.

Die Besuchsdauer wird auf eine Stunde festgesetzt.

Jeder körperliche Kontakt zwischen der Angeklagten und ihrem Ehemann ist untersagt. Beide dürfen einander keinen Gegenstand übergeben.

Das Gespräch zwischen der Angeklagten und ihrem Ehemann ist in deutscher Sprache zu führen.

Über den Gegenstand des Strafverfahrens darf nicht gesprochen werden.

Der überwachende Beamte hat einzugreifen, wenn ihm der Inhalt der Unterredung im Hinblick auf das Strafverfahren oder mit Rücksicht auf die Ordnung in der Anstalt bedenklich erscheint; falls erforderlich, hat er den Besuch abzubrechen. Dies gilt auch, wenn versucht wird, dem anderen etwas zu übergeben (Nr. 27 Abs. 3 UVollzO).

Die Kosten des Rechtsmittels sowie die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I.
Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann, der Mitangeklagte O. S., befinden sich seit ihrer vorläufigen Festnahme am Vortage seit dem 18. Juni 2002 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts G. - ersetzt durch den Haftbefehl der nunmehr zuständigen Großen Strafkammer des Landgerichts U. vom 09. Dezember 2002 - ununterbrochen in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl wird gegen die Beschwerdeführerin in der Justizvollzugsanstalt S., gegen ihren Ehemann in der Justizvollzugsanstalt U. vollstreckt. Gegen beide wurde am 04. Dezember 2002 Anklage zur Strafkammer erhoben. Dem Angeklagten O. S. wird darin unerlaubtes Handeltreiben in drei Fällen mit insgesamt ca. zwei Kilogramm Heroin zur Last gelegt, der Beschwerdeführerin Beihilfe hierzu in zwei Fällen sowie mittäterschaftliches Handeln in einem Fall. Die Strafkammer eröffnete am 15. Januar 2002 gegen beide das Hauptverfahren, ließ die Anklage zur Hauptverhandlung vor der Strafkammer zu und ordnete Haftfortdauer an. Termin zur Hauptverhandlung wurde bestimmt auf 30. April und 02. Mai 2003. Mit der angefochtenen Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer, ist der (letzte) Antrag der Beschwerdeführerin vom 12. Januar 2003, die Besuchszusammenführung mit ihrem Ehemann zu bewilligen, abgelehnt worden. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer als Beschwerde auszulegenden Eingabe vom 26. Januar 2003.
II.
Die gemäß §§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO, Nr. 74 UVollzO zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Untersuchungsgefangenen dürfen gemäß §§ 119 Abs. 3 und 6, 126 Abs. 2 StPO, nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Anstalt erfordert. Wie alle grundrechtseinschränkenden Bestimmungen ist auch diese Vorschrift an den durch sie eingeschränkten Grundrechten zu messen; ihre Auslegung hat der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht verurteilt ist und deshalb allein den unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden darf (BVerfGE 42, 95 ff.). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, das Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Dieser in Artikel 6 Abs. 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm kommt auch im Haftvollzug besondere Bedeutung zu. Hieraus folgt, dass die zuständigen Behörden die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen müssen, um in angemessenem Umfange Besuche von Ehegatten zu ermöglichen, wobei auch die bisherige Vollzugsdauer zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 42, 95, 100 f.). Diese Grundsätze haben auch für mitangeklagte, in Untersuchungshaft befindliche Eheleute Geltung (vgl. OLG Köln StraFo 1995, 118; OLG Düsseldorf NStZ 1989, 549, 550; OLG Frankfurt MDR 1979, 1043). Die Zusammenführung darf nur dann verweigert werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie zum unzulässigen Austausch von verdeckten Informationen missbraucht und diese Gefahr mit den Mitteln der Besuchsüberwachung nicht ausgeräumt werden kann (vgl. KK-Boujong, StPO, 4. Auflage, § 119 Rdnr. 22 f.). Daran fehlt es hier.
Weder die Beschwerdeführerin noch ihr mitangeklagter Ehemann, die seit ihrer Festnahme vor nahezu acht Monaten bisher keine Gelegenheit zu einer Zusammenkunft erhalten haben, befinden sich wegen Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft (vgl. Haftbefehl der Strafkammer vom 09. Dezember 2002 und Haftfortdauerbeschluss des Senats vom 18. Dezember 2002 - 2 HEs 217/02 -). Darüber hinaus haben auch die Akten keinen Hinweis dahin ergeben, dass konkrete Verdunklungshandlungen und Absprachen zwischen den Eheleuten zu besorgen sind. Während der Ehemann O. S. die ihm vorgeworfenen Taten bislang abstritt, hat sich B. S. nur insoweit eingelassen, dass sie von dem in ihrem Auto versteckten Heroin nichts gewusst habe. Unabhängig von dieser Einlassung fußt die Beweisführung auf der im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift dargestellten Gesamtschau verschiedener anderer Beweismittel (u.a. überwachte Telefongespräche, Zeugenangaben und Augenscheinsobjekte). Der in den Ablehnungsgründen der angefochtenen Verfügung nicht näher begründeten Besorgnis, die Besuchszusammenführung könnte dazu benützt werden, etwa in Form des Austauschens von Kassibern Prozessabsprachen zu treffen, kann durch Überwachung des Besuches auf der Grundlage der vom Senat getroffenen Anordnungen und der Eingriffsbefugnisse des Überwachungsbeamten gemäß Nr. 27 UVollzO hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. auch KK-Boujong a.a.O., Rdnr. 23). Auch organisatorische Schwierigkeiten stehen der Besuchszusammenführung nicht entgegen, da die Justizvollzugsanstalten S. und U. nicht derart weit auseinander liegen.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

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