Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - 7. Strafvollstreckungskammer - Ravensburg vom 13. Januar 2003 aufgehoben.
Die vom 28. Oktober 2001 bis zum 24. Januar 2002 in der Slowakei erlittene Auslieferungshaft des Verurteilten wird auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lindau vom 26. Oktober 1999 - Ls 136 Js 8457/99 - angerechnet.
Das Anrechnungsverhältnis wird auf 1 : 1 festgesetzt.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird um ein Drittel ermäßigt. Von den dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse ein Drittel.
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Die 7. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ravensburg hat mit dem angefochtenen Beschluss auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft Kempten als Vollstreckungsbehörde gemäß § 450 a Abs. 3 StPO die Anrechnung der von dem Beschwerdeführer in der Zeit vom 28. Oktober 2001 bis 24. Januar 2002 in der Haftanstalt "UZVaJs" in Bratislava/Slowakei erlittenen Auslieferungshaft auf die durch Urteil des Amtsgerichts Lindau derzeit u.a. wegen Betrugs zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren abgelehnt. Der Beschwerdeführer habe die ihm im Zusammenhang mit einer Nachfolgeoperation am Kniegelenk bis 30. April 2001 gewährte Unterbrechung der zuvor in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg verbüßten Strafhaft nicht nur zur Flucht missbraucht, sondern durch Fälschen zweier ärztlicher Atteste und Unterschlagung eines Pkw zur Verhinderung der Fortsetzung der Strafvollstreckung insgesamt drei weitere Straftaten begangen. Dieses Verhalten habe ein erhebliches Maß an Skrupellosigkeit und krimineller Energie gezeigt und die Auslandsflucht, die zu einer erheblichen Vollstreckungsverzögerung von mehreren Monaten führte, erst ermöglicht. Die Begehung dieser Straftaten und deren Hintergründe stellten derart schwerwiegende Umstände dar, die von den üblichen Fällen der Auslandsflucht zu Lasten des Beschwerdeführers abweichen und deshalb eine Anrechnung der Auslieferungshaft als nicht angemessen erscheinen ließen. Vor Erlass der angefochtenen Entscheidung hatte die Vollstreckungsbehörde mit Verfügung vom 06. Februar 2002 noch die Anrechnung seiner in der Slowakei erlittenen Auslieferungshaft im Verhältnis eins zu eins bestimmt. Am 26. August 2002 beantragte der Beschwerdeführer, für die Auslieferungshaft einen Maßstab von eins zu drei zu bestimmen. Nachdem er am 08. November 2002 an seinem Antrag festhielt, stellte die Vollstreckungsbehörde am 15. November 2002 gegenüber der Strafvollstreckungskammer indes den Antrag gemäß § 450 a Abs. 3 StPO, dass die erlittene Auslieferungshaft überhaupt nicht mehr nicht auf die derzeit vollstreckte Freiheitsstrafe angerechnet werde. Dem trat der Verurteilte entgegen. Zugleich hielt er seinen früheren Antrag im Hinblick auf den Anrechnungsmaßstab aufrecht. Wegen der weiteren Daten zum Vollstreckungsverlauf und zu den Einzelheiten des Vortrags des Beschwerdeführers wird auf dessen Schriftsätze und auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
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1. Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer sind nicht geeignet, die Versagung der Anrechnung der Auslieferungshaft nach § 450 a Abs. 3 StPO zu rechtfertigen.
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Die Anrechnung im Ausland erlittener Auslieferungshaft stellt gemäß § 450 a Abs. 1 StPO den Regelfall dar. Nur ausnahmsweise kann diese Anrechnung gemäß § 450 a Abs. 3 StPO ganz oder zum Teil unterbleiben, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils unangemessen erscheint (vgl. OLG Bremen StV 1997, 371; KK-Fischer, StPO, 4. Aufl., § 450 a Rdnr. 10). Es ist anerkannt, dass die bloße Flucht des Verurteilten ins Ausland etwa unter Ausnutzung des Hafturlaubs die Versagung nicht zu begründen vermag (vgl. OLG Bremen a.a.O.; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1996, 241; OLG Karlsruhe MDR 1984, 165; OLG Zweibrücken GA 1983, 280; KK-Fischer a.a.O.). Erst wenn besonders erschwerende Umstände hinzutreten, wie die in der Kommentarliteratur und in der Rechtsprechung genannten Beispielsfälle des gewalttätigen Ausbruchs aus der Haftanstalt, der Verbringung der Tatbeute ins Ausland, der missbräuchlichen Verwendung von Geldern zur Fortsetzung der Flucht oder der böswilligen Verschleppung des Strafvollstreckungsverfahrens (vgl. LR-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 450 a Rdnr. 17; KK-Fischer, a.a.O. jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung), erscheint die Nichtanrechnung vertretbar.
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Derart erschwerende Umstände liegen hier nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer zwei ärztliche Atteste gefälscht hatte, um über die ihm aus gesundheitlichen Gründen zunächst gewährte Haftverschonung hinaus auch über seine weitere Haftfähigkeit zu täuschen, erkannte der zuständige Sachbearbeiter der Strafvollstreckungsbehörde nach Vorlage der Urkunden umgehend deren Unrichtigkeit und lehnte die weitere Unterbrechung der Vollstreckung ab. Bereits am 03. Mai 2001 erging gegen den nunmehr flüchtigen Beschwerdeführer Haftbefehl. Dass diese Täuschung die Flucht ins Ausland erst ermöglichte, ist nicht erkennbar geworden. Überdies sind die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer begangenen Urkundendelikte durch Urteil des Amtsgerichts Kempten vom 24. Juni 2002 - 2 Ds 221 Js 9238/01 - mit drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe geahndet worden. Dass die Vollstreckungsbehörde aus Gründen der Spezialität davon absehen musste, diese Strafe zu vollstrecken (vgl. Vermerke der Staatsanwaltschaft Kempten vom 04. und 08. November 2002, Bl. 17 und 18 im Vollstreckungsheft - 221 VRs 9238/01 -), hat der Beschwerdeführer nicht zu verantworten. Soweit die Vollstreckungskammer ihm weiterhin anlastet, er sei im Mai 2001 mit einem unterschlagenen und nicht zum Verkehr zugelassenen Pkw geflüchtet, bestreitet er dies mit einer anderen, von vornherein nicht unglaubhaft erscheinenden Sachverhaltsdarstellung. Aus den dem Senat vorliegenden Vollstreckungsakten hat sich bisher lediglich der Verdacht einer Unterschlagung ergeben (vgl. Bl. 113 im hiesigen Vollstreckungsheft Bd. I). Eine entsprechende Verurteilung des Beschwerdeführers ist nicht bekannt geworden. Für den Senat ist deshalb im Gegensatz zur Vollstreckungskammer nicht hinreichend geklärt, ob er den Pkw auch tatsächlich zur Flucht in das Ausland benutzt hat. Dieser Umstand kann jedoch dahinstehen, denn selbst im Falle des Erwiesenseins einer Unterschlagung ließe sich ein solcher Fluchtvorgang nach Auffassung des Senats nicht mit den oben genannten besonders schwerwiegenden Sachverhalten vergleichen, die ausnahmsweise zu einer Versagung der Anrechnung von Auslieferungshaft gemäß § 450 a Abs. 3 StPO führen können. Da zusätzlich besonders belastende Umstände auch nicht in der am 27. November 2002 zum Amtsgericht -Strafrichter - Frankfurt erhobenen Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen des Vorwurfs, in Frankfurt am 27. September 2001, 07. Oktober 2001 und am 09. Oktober 2001 drei Betrugstaten begangen zu haben, zu sehen sind, hat es beim Grundsatz, dass die Auslieferungshaft anzurechnen ist, zu verbleiben. Deshalb ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Antrag der Vollstreckungsbehörde gemäß § 450 a Abs. 3 StPO vom 15. November 2002 abzulehnen.
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2. Aufgrund der auszusprechenden Anrechnung der Auslieferungshaft hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB den Umrechnungsmaßstab zu bestimmen (vgl. OLG Stuttgart MDR 1986, 779; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 450 a Rdnr. 3). Nachdem die Strafvollstreckungsbehörde bereits mit dem Umrechnungsmaßstab befasst war, ist der Senat, der als Beschwerdegericht anstelle der im ersten Rechtszug zuständigen Strafvollstreckungskammer entscheidet, hierzu auch befugt (vgl. OLG Zweibrücken GA 1983, 280, 281). Der Senat sieht keinen Anlass zugunsten des Beschwerdeführers von dem regelmäßigen Anrechnungsmaßstab von eins zu eins abzuweichen.
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Nach dem in dieser Vollstreckungssache vom Senat eingeholten Bericht der deutschen Botschaft in der Slowakei vom 31. Januar 2003 ist davon auszugehen, dass die Haftbedingungen in der Haftanstalt "UZVaJs" in Bratislava korrekt waren und keine besonderen Erschwernisse im Vergleich mit deutschen Gefängnissen aufwiesen. Der Senat hat keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit des Berichts zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer hat den Inhalt der ihm zur Stellungnahme zugeleiteten Erhebungen der Botschaft nicht angegriffen. Danach hatte der in der Auslieferungshaft an verschiedenen Tagen von Konsularbeamten aufgesuchte Beschwerdeführer damals angegeben, nur mit vier - anstatt der heute behaupteten sieben - weiteren Personen auf einer Zelle zu liegen. Mit Ausnahme von gesundheitlichen Problemen, mit denen er bereits im vorausgegangenen deutschen Strafvollzug behaftet war, hat er lediglich beklagt, dass er - vom 28. Oktober 2001 bis Anfang Januar 2002 - nicht über Bargeld verfügen konnte. Weitere Beschwerden wurden von ihm im Rahmen der konsularischen Betreuung nicht vorgebracht.
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Wie anlässlich einer im Juli 2002 stattgefundenen eingehenden Besichtigung dieses vornehmlich als Untersuchungshaftanstalt genutzten Gefängnisses von einem Mitarbeiter der Botschaft in einem ausführlichen, dem Senat übermittelten und dem Beschwerdeführer ebenfalls zur Kenntnis gebrachten Vermerk mit einer überaus anschaulichen Beschreibung der Gefängnisanlage festgehalten wurde, sind die allgemeinen Haftbedingungen der Anstalt, die seinerzeit nur geringfügig überbelegt war, denen der deutschen Vollzugsanstalten ähnlich. Insbesondere die hygienischen Zustände der Zellen, des Duschraumes, der Küche, der Krankenstation und der zwei Gefängnishöfe, waren, wie auch Art und Menge der Verpflegung, nicht zu beanstanden. Lediglich die körperliche Bewegungsfreiheit der Inhaftierten wurde aufgrund baubedingter Enge der Höfe als eingeschränkt empfunden. Die Haftzellen waren mit vier bis sechs Häftlingen belegt.
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Soweit der Beschwerdeführer sich heute insbesondere über die Zellenbelegung, die unzureichende Zubereitung und Menge der Mahlzeiten sowie die bauliche Beschaffenheit der Zellentoilette (Rohr im Boden ohne Spülung nach Art eines sog. Plumpsklos) beklagt, haben diese vornehmlich subjektiv gefärbten Beeinträchtigungen nach Auffassung des Senats kein solches Ausmaß, dass eine erhöhte Anrechnung der in Bratislava verbrachten Haftzeit gerechtfertigt wäre. Wie der Senat insoweit bereits in einem vergleichbaren Fall entschieden hat (betreffend Spanien: vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2000 - 2 Ws 104/00 -), muss jemand, der sich der Strafvollstreckung durch Flucht ins Ausland entzieht, im Falle seiner Verhaftung auch gewisse landesspezifische Besonderheiten - klaglos - in Kauf nehmen. Dass der Beschwerdeführer durch den nur unzureichenden Hofgang in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit ein-geschränkt war, fällt angesichts der damals bei ihm vorhanden gewesenen Erkrankung des Kniegelenks und vor dem Hintergrund der vergleichsweise geringen Dauer der Auslieferungshaft, die nach seiner alsbald erklärten Zustimmung zur Auslieferung ohnehin einen absehbaren Zeitraum betraf, nicht entscheidend ins Gewicht. Es liegt auf der Hand, dass das zuvor in Deutschland wiederholt operierte Kniegelenk in der slowakischen Haftanstalt zunächst nur einer - dem Beschwerdeführer zuzumutenden - ärztlichen Grundversorgung (u.a. durch Anlegung der orthopädischen Kniestütze) und keiner optimalen fachärztlichen Behandlung zugeführt werden konnte. Diesen Umstand hat jedoch allein der Beschwerdeführer zu verantworten. Er selbst ist ein solches Behandlungsrisiko durch den von ihm gewählten Auslandsaufenthalt eingegangen.
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Nach einer Gesamtschau aller Umstände weicht der Senat nicht von dem regelmäßigen Anrechnungsmaßstab von eins zu eins ab.
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3. Die auf § 473 Abs. 4 beruhende Kosten- und Auslagenentscheidung entspricht dem Verhältnis des Erfolgs der Anträge des Beschwerdeführers und der Vollstreckungsbehörde.
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