Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 126/05

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Vorsitzenden der 21. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 31.05.2005 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 300.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, der Sache nach jedoch ohne Erfolg.
A.
Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zusammenfassend:
Die Klägerin als Berufshaftpflichtversicherer eines Architekten B. F. macht aus übergegangenem (§ 67 VVG) oder abgetretenem (K 6 = Bl. 64) Recht einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB gegen die beiden Beklagten - Beklagte Ziff. 1 Gerüstbauunternehmen, Beklagter Ziff. 2 ihr zuständiger Bautechniker für Gerüstbau - aus einem Schadensfall vom 10.11.1993 geltend, bei welchem der Dachdecker D. R., auf dem Dach des Erweiterungsbaus der A.-F.-Schule, F., stolpernd und vom Dach fallend, sich eine Querschnittslähmung zugezogen hat.
Im Klageverfahren dieses Unfallopfers gegen den Versicherungsnehmer der Klägerin, dortigen Beklagten Ziff. 1, und die jetzigen Beklagten, die dortigen Beklagten Ziff. 2 und 3, hatte der Senat unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 1/4 beim Opfer R. alle Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt sowohl zur Zahlung eines Schmerzensgeldes als auch auf Feststellung der Eintrittspflicht für den aus diesem Schadensereignis erwachsenden materiellen Schaden, soweit kein Anspruchsübergang stattgefunden hat (U. v. 12.03.1999 - 2 U 74/98 - K 1 = Bl. 16; veröffentlicht in NJW-RR 2000, 752). Dabei ging der Senat in jenem Verfahren, in welchem keine Streitverkündung unter den Beklagten stattgefunden hatte, davon aus, dass das von der Beklagten am Rohbau angebrachte Gerüst nach Schaffung eines Dachvorsprungs von 52 cm (Dachrinnenkonstruktion, vgl. B 2 = Bl. 40 - Anl.; Lichtbilder K 7 = Bl. 67 - Anl.) die nach den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften [UVV] vorgeschriebene Belags- und Fangbreite von 90 cm nicht mehr aufgewiesen habe. Die - hiesige - Beklagte Ziff. 1 hafte aus Vertrag und Delikt, der - hiesige - Beklagte Ziff. 2 aus Delikt. Der Verstoß gegen die UVV lasse eine nicht ausgeräumte Kausalitätsvermutung greifen, dass es bei vorgeschriebener Fangbreite nicht zum Schaden gekommen wäre. Der Senat maß dem Einwand der - hiesigen - Beklagten, sie seien davon ausgegangen, das Gerüst werde in zwei Abschnitten errichtet (zunächst für Fassadenarbeiten, danach Ergänzung mit den entsprechenden Schutzvorkehrungen für Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten) keine Bedeutung bei, da die insoweit in Bezug genommene Passage im Leistungsverzeichnis bloße Kostenregelung sei, jedenfalls sei das Gerüst gerade nicht etappenweise, vielmehr von vornherein auf die Endhöhe hochgezogen gewesen. Auch könne offen bleiben, ob den - hiesigen - Beklagten zuvor Pläne zur Verfügung gestellt worden seien, aus denen sich der Dachvorsprung ergeben habe. Denn jedenfalls hätte sich diese Dachgestaltung aus der Art der Ausführung am Hauptgebäude, an welches der Erweiterungsbau nur angeschlossen wurde, geradezu aufgedrängt. Daneben hafte auch der Beklagte Ziff. 1 - hier: Versicherungsnehmer der Klägerin - als Gesamtschuldner. Zwar seien die Fachunternehmer in erster Linie verkehrssicherungspflichtig. Eine sog. sekundäre Verkehrssicherungspflicht des Architekten entstehe jedoch dann, wenn er erkannt hat oder erkennen musste, dass die Gerüstbauer ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht hinreichend nachgekommen sind. Diese Lage sei zu bejahen.
Die Klägerin hat aufgrund dieses rechtskräftig gewordenen Urteils an Leistungen für das Unfallopfer 247.567,95 EUR erbracht, was der Hälfte des erforderlichen Zahlungsaufwandes entsprach; die Versicherung der - hiesigen - Beklagten hat die jeweils andere Hälfte geleistet.
Die Klägerin hat im Wesentlichen dafür gehalten,
dass im Innenverhältnis die Alleinschuld bei den Beklagten liege, weshalb sie im Innenausgleich von ihrer Leistung befreit werden müsse. Dabei hat die Klägerin schon in Frage gestellt, dass ihr Versicherungsnehmer überhaupt der maßgebliche Bauleiter gewesen und auch, dass überhaupt ein Fangnetz geboten gewesen sei. Jedenfalls aber habe die Ausschreibung eine Gerüsterstellung in einem Zuge vorgegeben. Eine etappenweise Errichtung habe nie zur Debatte gestanden. Wären die Beklagten vertragsgerecht vorgegangen, hätte sich bereits eine Ausführungsbreite ergeben, welche von vornherein die Fangfunktion erfüllt hätte. Jedenfalls aber seien den Beklagten am 08.10.1993, also über einen Monat vor dem tragischen Geschehen, Pläne übergeben worden (K 4 = Bl. 67 - Anl.), aus denen sich der Dachvorsprung und damit die daran auszurichtende Gerüstkonstruktion ergeben habe. Auch seien die Beklagten ihrer Pflicht zu Kontrollgängen nicht nachgekommen. Diese Pflichtenverstöße beträfen nach Vertrag und Gesetz originäre Sicherungsaufgaben der Beklagten. Demgegenüber habe der Versicherungsnehmer der Klägerin Defizite an der Arbeit der Beklagten nicht erkennen können noch müssen. Auf jeden Fall verkörpere sich in einem solchen gedachten Überwachungsauftrag allenfalls eine sog. sekundäre Verkehrssicherungspflicht, welche im gebotenen Abgleich der Verursachungs- und insbesondere Verschuldensbeiträge hinsichtlich des Schadensgeschehens in der Gewichtung zurückträte gegenüber dem schweren, vorwerfbaren Versäumnis der eigentlich Verkehrssicherungspflichtigen, den Spezialisten für das Gewerk und seine Sicherungsanforderungen, der Beklagten.
Die Klägerin hat beantragt
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- wie zweitinstanzlich erneut angestrebt -.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben hauptsächlich eingewandt,
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nach Leistungsverzeichnis und Absprache mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin, welcher der verantwortliche Bauleiter gewesen sei, sei eine Errichtung in zwei Abschnitten gefordert gewesen. Der erste, tatsächlich ausgeführte Leistungsteil sei vertragsgerecht gewesen und habe für diesen Bauabschnitt (Fassadenarbeiten) den Sicherheitsvorschriften entsprochen. Von einem baulichen Vorsprung und danach einer anderen Gerüstführung im oberen Bereich habe man zum Unfallzeitpunkt nicht ausgehen müssen, weil ihnen keine Pläne übergeben worden seien und eine Ergänzung erst nach dem Unfall abgerufen und über Nachtragsangebote gesondert vergütet worden sei. Danach liege die ausschließliche Verantwortung beim Versicherungsnehmer der Klägerin, sodass jedenfalls von einer hälftigen Zahlungspflicht im Innenverhältnis nicht zu Gunsten der Klägerin abzuweichen sei.
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Das Landgericht erhob Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, welches der Sachverständige ergänzte. Das Landgericht wies die Klage ab, weil das Leistungsverzeichnis eine etappenweise Errichtung und im Übrigen von vornherein keine Belags- und Fangbreite von 90 cm vorgegeben habe. Der Versicherungsnehmer der Klägerin hätte danach, bevor er dem Dachdecker den Zugang eröffnete, die erforderliche Gerüstergänzung für dessen Sicherheitsbelange bei den Beklagten abrufen müssen. Die Kenntnis dieser Sicherheitsanforderungen gehörte zu seinem beruflichen Sorgfaltsprofil. Danach sei der Zahlungsanteil nicht zu beanstanden.
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Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin ,
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die ihre erstinstanzlichen Bewertungen zu Berufungsrügen erhebt und insbesondere daran festhält, dass die Beklagten das alleinige Verschulden und danach im Innenverhältnis die alleinige Zahlungspflicht träfe, da nach Leistungsverzeichnis oder Absprache nie eine etappenweise Gerüsterrichtung in Rede gestanden habe, den Beklagten auch durch Übergabe von entsprechenden Planunterlagen die Auskragung der Dachkonstruktion vor Augen geführt gewesen sei und danach eine entsprechende Ausbildung der Gerüstkrone hätte klar sein müssen. Dies nicht getan, im Übrigen den Versicherungsnehmer der Klägerin nicht entsprechend hingewiesen und auch den vertraglich auferlegten Kontrollgängen nicht nachgekommen zu sein und so den Zugang zum Dach ohne ausreichende Sicherung veranlasst zu haben, nehme die Fachleute für Gerüstbau, welche die maßgebliche Verkehrssicherungspflicht träfe, im Innenverhältnis allein in die Pflicht, was sich auch schon aus dem Urteil des Senats vom 12.03.1999 ergebe, da eine Haftung des Architekten ohnehin nur über eine sog. sekundäre Verkehrssicherungspflicht bejaht worden sei, also eine Kontrollpflicht erst bei Versagen der maßgeblichen Verkehrssicherungspflichtigen. Diese Kontrollpflicht bestehe aber allenfalls im Interesse Dritter, nicht zum Schutz der eigentlichen Schutzpflichtigen.
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Die Klägerin beantragt:
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1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 31.05.2005, Az. 21 O 376/03, wird aufgehoben.
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2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin EUR 247.567,95 nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin von allen weiteren Schadensersatzzahlungen aus dem Unfallereignis vom 10.11.1993 in F. auf der Baustelle Erweiterungsbau A.-F.-Schule (Gerüstunfall) freizustellen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung als richtig.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
B.
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1. Durch den Rechtsstreit des Opfers ist im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander nichts bestimmt. Die Gesamtschuld als solche bewirkt grundsätzlich keine materiell-rechtliche Erstreckung der Rechtskraftwirkung etwa auf die am Prozess nicht beteiligten Gesamtschuldner (BGH NJW-RR 1993, 1266, 1267; Staudinger/Noack, BGB [2005], § 425, 70; Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 425, 8; Bydlinski in MünchKomm, BGB, 4. Aufl., § 425, 29; Wolf in Soergel, BGB, 12. Aufl., § 425, 19). Das gegen einen anderen Gesamtschuldner ergangene Urteil hat auch nicht die Wirkung, dass dem jetzt verklagten Gesamtschuldner irgendwelche Einwendungen, die im Erstprozess mit dem anderen Beklagten erhoben werden konnten, abgeschnitten sind (Staudinger/Noack a.a.O. 71; vgl. auch Wolf in Soergel a.a.O. 19). Abgesehen von einer Streitverkündung erzeugt die Verurteilung als Gesamtschuldner im Innenverhältnis keine Rechtskraft (Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 421, 13; Wolf a.a.O. 19). Dies gilt auch, wenn die Gesamtschuldner gleichzeitig, also in einem Prozess verklagt und verurteilt werden. Denn die Rechtskraft des in einem solchen Verfahren ergangenen Urteils erstreckt sich nur auf das Verhältnis im jeweiligen Prozessrechtsverhältnis. Die Rechtskraft wirkt nur zwischen den auf der einen Parteiseite Stehenden gegen die andere Parteiseite. Sie wirkt nicht für die Gesamtschuldner im Gesamtschuldnerverhältnis untereinander. Auch dem Umstand der Zahlung kommt keine sich aus § 325 ZPO ergebende Bindungswirkung zu, wenn es an einer Ausgleichsverpflichtung fehlt (OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 922, 923; Staudinger/Noack a.a.O. § 425, 118).
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2. Zwar hat die Klägerin bestritten, dass ihr Versicherungsnehmer überhaupt Bauleiter gewesen sei (Bl. 97), obwohl sie dies zuvor beständig schon selbst vorgetragen hatte (Bl. 5, 10, 11, 56, 57). Ungeachtet der Frage, ob dadurch bereits eine prozessuale Selbstbindung eingetreten war, ändert - worauf die Beklagten bereits zutreffend hingewiesen haben - auch die dann eingeschränkte Darstellung der Klägerin, ihr Versicherungsnehmer habe diese Funktion nur gefälligkeitshalber ohne Honorarforderung erledigt (Bl. 98), an der haftungsrechtlichen Stellung des Versicherungsnehmers der Klägerin nichts. Denn übernimmt ein Architekt gefälligkeitshalber die Überwachung eines zu errichtenden Objekts, haftet er angesichts der überragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer sorgfältigen Bauüberwachung nach denselben Maßstäben wie ein Architekt (OLG Hamm BauR 2002, 1427, 1428 - BGH NAB v. 18.04.2002 - VII ZR 281/01). Dies gilt nicht nur in Bezug auf den jeweiligen Bauherrn, sondern - was Verkehrssicherungspflichten anbelangt - auch bezüglich der in diesen Schutzbereich einbezogenen Personen (vgl. allgemein Palandt/Sprau a.a.O. § 823, 50).
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3. Dem Landgericht kann auch darin beigetreten werden, dass nach dem Leistungsverzeichnis (Pos. 01 des Gewerkes Arbeitsgerüste - K 5 = Bl. 67 - Anl.) der (spätere) Umbau des Gerüstes für die Bedürfnisse der Nachfolgehandwerker, eben gerade auch für den Dachdecker, vorgegeben war. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der entsprechenden Vertragspassage, deren Verständnis im Sinne einer ausgeschriebenen zeitlich gestaffelten Gerüsterrichtung auch aus technischer Sicht nach den prägnanten, klar und anschaulich gehaltenen, nachvollziehbar begründeten und damit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen L. zwingend ist. Das Leistungsverzeichnis hat danach klar und eindeutig gefordert, dass die Gerüsterrichtung in zwei Abschnitten zu erfolgen habe (vgl. Sachverständiger Bl. 144), dass das Gerüst zu einem späteren Zeitpunkt umgebaut werden soll, nämlich für die Anforderungen der Dachdecker und Flaschner (Bl. 145; vgl. auch Bl. 186). Das bis dahin errichtete Gerüst war - wie das insoweit ebenfalls detaillierte und auch den Vorhalten der Klägerin überzeugende Begründungen entgegenstellende Sachverständigengutachten ausweist - vertragsgerecht und vorschriftsgemäß, auch gemessen an den hinsichtlich dieses geforderten Ausbauzustandes geltenden Unfallverhütungsvorschriften. Keineswegs war es in dieser baulichen Etappe schon bereits auszulegen wie im geplanten Endausbauzustand. Es war insoweit nur ein Fassadengerüst und nicht schon ein Arbeits- und Schutzgerüst gefordert (Bl. 184). Das Leistungsverzeichnis sah nur ein Fassadengerüst mit späterem Umbau zum Schutzgerüst vor (Bl. 184; vgl. auch Pos. 01 des Leistungsverzeichnisses - K 5 = Bl. 67 - Anl.). Dem wurde das Gerüst etwa hinsichtlich des Abstandes zum Gebäude (vgl. Sachverständiger Bl. 145, 185), der Tragkraft (Bl. 184) und Verankerung (Bl. 185) vollauf gerecht.
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4. Danach war es jedenfalls Aufgabe des bauüberwachenden Architekten, dem das Leistungsverzeichnis und nach den insoweit nicht minder überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen der für die Sicherheitsbedürfnisse des Dachdeckerhandwerkes unzulängliche Ausbauzustand hätte bekannt sein müssen (zu letzterem Sachverständigengutachten Bl. 145, 184), den Fortgang der Arbeiten nach der von ihm übernommenen Leistungsphase 8 so zu koordinieren, dass dem Nachfolgeunternehmen der Zugang zum Dach nicht eröffnet wird, bevor das dafür ersichtlich unzureichende Gerüst entsprechend dem Konzept des Leistungsverzeichnisses durch Anbringung eines Fanggerüstes, wie denn auch im Nachhinein geschehen (vgl. Nachtragsangebote B 3 und 4 = Bl. 40 - Anl. = B 5 und 6 = Bl. 85 - Anl.; vgl. auch B 2 = Bl. 40 - Anl.), nachgerüstet worden war. Diese Koordinierungspflicht ist als weitere Grundleistung (vgl. Locher/ Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl. [2006], § 15, 181) originäre Aufgabe des bauüberwachenden Architekten. Neben der technischen Entgegennahme der Bauleistungen trifft den Architekten nämlich die weitere Verpflichtung, im Rahmen seiner Koordinierungspflicht die Einzelgewerke entsprechend dem Baufortschritt aufeinander abzustimmen (Locher/Koeble/Frik a.a.O. 188). Die Grundleistung ist die Koordinierung aller an der Objektausführung fachlich Beteiligten, wobei der Architekt die Reihenfolge der zu erbringenden Leistungen so festzulegen hat, dass Baubeteiligte sich nicht gegenseitig behindern, fertig gestellte Teile des Bauwerks nicht durch Folgearbeiten beschädigt werden und kein Baubereich im Laufe der Ausführung ohne fachkundige Aufsicht ist (Löffelmann/Fleischmann, ArchitektenR, 4. Aufl., Rdn. 423 und 425). Darin drückt sich nicht nur eine dem Bauherrn gegenüber bestehende Leistungspflicht aus. Darin verkörpert sich vielmehr neben der sog. sekundären Verkehrssicherungspflicht (vgl. hierzu etwa Werner/Pastor a.a.O. 1862 m.N.) die besondere deliktsrechtliche Verantwortlichkeit des Architekten, wenn ihm übertragen ist, durch Abstimmung der Gewerke und durch Arbeitsveranlassung unterschiedlich Handelnde in den Gefahrenbereich Baustelle einzuführen (Werner/Pastor a.a.O. Rdn. 1860, 1863 und 1864), eben: Herstellung einer sicheren Baustelle für diejenigen Personen, denen er den Zutritt gewährt. Diese Pflicht hat der Versicherungsnehmer der Klägerin verletzt. Dies begründet seinen ganz maßgeblichen, da originären Verschuldensbeitrag, der in die Abwägung gemäß § 426 BGB einzustellen ist.
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5. a) An dieser Bewertung ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagten, bezüglich deren eine eigene Verkehrssicherungspflicht zu unterstellen ist und die damit als Gesamtschuldner in ein Gesamtschuldverhältnis mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin treten (so auch Senat NJW-RR 2000, 752, 754 [I 3]), über den weiteren Gebäudeausbau durch die rechtzeitige Übergabe von Plänen (so Klägerin, Pläne K 4 = Bl. 67 - Anl.; Zeuge Fischer - Bl. 44, 58, 154, 158, 161) oder - so der Senat in seinem vorbezeichneten Urteil - schon durch die Anschauung der Umgebungsbebauung, an welche erwartbar stilistisch-konstruktiv in gleicher Weise angeschlossen werde, informiert sein mussten. Dieser Umstand, für den, will der Gesamtschuldner eine vom Maßstab des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Verteilung erwirken, er die Beweislast trägt (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg a.a.O. § 426, 7; Gehrlein a.a.O. § 426, 5), kann als wahr unterstellt werden. Daraus mag sich eine noch zu gewichtende Hinweispflicht der Beklagten auf die Unvollständigkeit des Gerüstes in dieser Ausbaustufe ergeben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass nach dem Vertrag - ungeachtet der behaupteten ergänzenden gleich lautenden Absprache mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin - diese Unvollständigkeit gewollt und ein Abruf der Ergänzungsarbeiten bei Bedarf nach dem jeweiligen konkreten Baufortschritt vorgesehen war und dieser Abruf dem Architekten oblag.
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b) Daran ändert auch nichts, dass der Beklagten Ziff. 1 durch Bauvertrag (K 5 = Bl. 67 - Anl.) „die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften sowie der Gerüstordnung DIN 4420 Teil 1“ übertragen war. Dies ist jedoch bare Selbstverständlichkeit. Gibt der Bauvertrag aber eine bestimmte Ausbaustrategie vor, so konkretisiert sich diese Verantwortlichkeit erst in Entsprechung zum Ausbauzustand. Die Wahrnehmung dieser zeitlich gestaffelten Verantwortung hatte aber gerade der Versicherungsnehmer der Klägerin zu veranlassen und zu gewährleisten.
32 
c) Auch mag zu Grunde gelegt werden, dass - wie der Bauvertrag ferner vorschrieb (LVZ S. 3) - „über die gesamte Standzeit der Gerüste ... der Auftragnehmer verpflichtet [ist], in regelmäßigen Zeitabständen die Gerüste und die Verankerungen auf ihre Vollständigkeit und Sicherheit durch Augenschein zu überprüfen“.
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6. Dies ändert jedenfalls nichts daran, dass die Klägerin von ihrer Haftungsbeteiligung, die sich in ihrer Zahlung ausdrückt, nicht zu befreien ist.
34 
a) Der Umfang der Ausgleichspflicht hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Es ist zu prüfen, welcher Schuldner den Schaden unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabenbereiche vorwiegend verursacht hat (Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl., 6. Teil, Rdn. 85; Werner in Werner/Pastor a.a.O. 1975, 1991 f).
35 
b) Auf Seiten der Beklagten mag unterstellt werden, dass sie im Rahmen ihrer Kontrollgänge auch hätten erkennen können und müssen, dass angesichts der vorhandenen Regenrinne und der übrigen Dachkonstruktion der Einsatz des Dachdeckers bald anstand und ihr Gerüst, wie auch unstreitig ist, für dessen Sicherheitsbedürfnisse noch nicht ausgelegt war. Dies mag zu der Pflicht gemünzt werden, die Beklagten hätten nun auf diesen Umstand hinweisen und den Versicherungsnehmer der Klägerin belehren müssen, bei diesem Ausbauzustand des Gerüstes dürfe man Nachfolgeunternehmer nicht auf das Dach lassen. Dieser - gedachte - Pflichtenverstoß gewinnt jedoch keineswegs mehr Gewicht als die originäre Pflicht des Versicherungsnehmers der Klägerin, die ihm obliegende koordinierte Sicherheitslage entsprechend dem Konzept des Leistungsverzeichnisses durch Abruf von Gerüstergänzungen herzustellen und zu gewährleisten, eine Pflicht, die gänzlich anders ausgebildet ist als die sog. sekundäre Pflicht des Versicherungsnehmers der Klägerin, fehlsame Ausführungen der Beklagten zu erkennen und darauf nur zu reagieren (vgl. hierzu Locher/Koeble/Frik a.a.O. § 15, 213). Denn primär verkehrssicherungspflichtig ist der Architekt dann, wenn er selbst Maßnahmen an der Baustelle veranlasst (Locher/Koeble/Frik a.a.O. § 15, 213), etwa die nachträgliche Änderung eines vom Fachunternehmer erstellten Gerüstes (BGH NJW 1984, 361 [Rz. 7 und 8]; Löffelmann/Fleischmann a.a.O. Rdn. 409), oder aufgrund des ihm überantworteten Aufgabenkreises zu veranlassen hat. In diesem Pflichtengefüge halten sich der erwiesene Pflichtenverstoß des Versicherungsnehmers der Klägerin und die einzustellenden behaupteten Verletzungen auf Seite der Beklagten bezogen auf letztere zumindest die Waage, sodass ein abweichender Verteilungsmaßstab nicht angezeigt ist, weshalb die erfolgte Zahlung keines Ausgleichs bedarf.
36 
c) Ein anderer als der hälftige Verteilungsansatz ist auch nicht deshalb geboten, weil auf Beklagtenseite zwei Personen betroffen sind und im Übrigen insgesamt drei Parteien durch den Vorprozess in eine gleichgerichtete Pflicht genommen worden sind. Denn die Beklagten wurden zwar im Außenverhältnis je einzeln zu Haftenden erklärt. Im Innenausgleichsverhältnis stellen sie jedoch gegenüber der Klägerin eine Haftungseinheit dar, sodass auf sie nur eine gemeinsame einheitliche Quote entfällt (BGH DB 1970, 1682 [Rz. 22]; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 426, 11; Gehrlein in Bamberger/Roth a.a.O. § 426, 4 und 10).
II.
37 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Senat folgt ausschließlich anerkannten, teilweise auch höchstrichterlich gebilligten Rechtsgrundsätzen. Die Sachbehandlung erschöpft sich einzig in deren Umsetzung auf den vorliegenden Einzelfall.

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