Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 13 U 139/07

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin und auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 13. Juni 2007 dahin abgeändert, dass die Widerklage insgesamt abgewiesen und der Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt wird, an die Klägerin 29.201,50 EUR zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus

500,00 EUR

   seit 04.06.2005,

aus jeweils  

2.161,50 EUR

   seit 04.07., 04.08., 04.09., 04.10., 04.11. und 04.12.2005,

aus

2.161,50 EUR

   seit 04.01.2006 bis 31.07.2007 und

aus

2.061,50 EUR

   seit 01.08.2007,

aus jeweils

2.378,50 EUR

   seit 04.07., 04.08., 04.09., 04.10., 04.11. und 04.12.2006,

        

        

   jeweils bis 31.07.2007 und

aus

13.671,00 EUR

   seit 01.08.2007 sowie

aus

587,63 EUR

   vom 04.02. bis 01.07.2005.

2. Im Übrigen werden die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens:   88.500,00 EUR

Gründe

 
Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg, die des Beklagten nur zu einem kleinen Teil, wie sich aus nachfolgenden Ausführungen und ergänzend aus dem landgerichtlichen Urteil ergibt.
1. .....
2. Herausgabeanspruch
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klägerin ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht verpflichtet, dem Beklagten die von ihr zurückgehaltenen Gegenstände herauszugeben.
Zwar ist der Herausgabeantrag des Beklagten entgegen der Auffassung der Berufung ausreichend bestimmt. Es genügt eine solche Beschreibung, dass sie für beide Parteien Klarheit über die Identität der genannten Sachen schafft (Staudinger, BGB, § 985 Rn. 86). Dies ist dadurch erreicht, dass es unstreitig nur um Gegenstände geht, die sich in den Mieträumen befinden, wobei die Klägerin nicht behauptet, dass sich dort ihr gehörende oder den herausverlangten Gegenständen ähnliche Gegenstände befinden, die nicht herausverlangt werden.
Doch ist der Herausgabeanspruch entgegen der Annahme des Landgerichts nicht erloschen, weil die Klägerin die in Besitz genommenen Gegenstände noch nicht verwertet hat. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Staudinger/Emmerich [2006], BGB, § 562 Rn. 7 und Blank/Borstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 562 Rn. 44) muss der Vermieter nicht, wenn er Sachen des Mieters aufgrund seines Pfandrechts in Besitz genommen hat, die Sachen dem Mieter zurückgeben, wenn er nicht umgehend zur Verwertung schreitet. Beide Kommentatoren beziehen sich zur Begründung ihrer Ansicht auf die Entscheidung LG Mannheim WuM 1978, 141, die eine entsprechende Aussage überhaupt nicht enthält.
Auch unabhängig hiervon kann der Literaturmeinung nicht gefolgt werden. Die Pfandrechtsvorschriften (§§ 1204 ff BGB), die gemäß § 1257 BGB auf das Vermieterpfandrecht anzuwenden sind, bestimmen eine solche Herausgabepflicht nicht. Gemäß § 1217 Abs. 1 BGB kann der Verpfänder, wenn der Pfandgläubiger die Rechte des Verpfänders in erheblichem Maße verletzt und das verletzende Verhalten trotz Abmahnung fortsetzt, Hinterlegung auf Kosten des Pfandgläubigers oder Ablieferung an einen gerichtlich zu bestimmenden Verwalter bzw. gemäß Abs. 2 die Rückgabe gegen Befriedigung verlangen. Außerdem ist anerkannt, dass der Verpfänder bei Pflichtverletzungen nach der Verpfändung Schadensersatzansprüche gegen den Gläubiger hat (Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1217 Rn. 5). Das ist aber bei pflichtwidriger Nichtverwertung durch den Pfandgläubiger zunächst ein Anspruch auf den Verzögerungsschaden. Vorliegend kommt hinzu, dass der Beklagte die Klägerin nie zur Verwertung aufgefordert hat und auf diese keinen Wert legt, sondern der Auffassung ist, die Klägerin habe generell kein Pfandrecht.
Dahinstehen kann damit, ob und welche Gegenstände Einrichtungen im Sinne von § 539 Abs. 2 BGB sind, hinsichtlich der der Wegnahmeduldungsanspruch des Mieters (Beklagten) gemäß § 548 Abs. 2 BGB in 6 Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses verjährt, und zwar auch dann, wenn der Vermieter an den Einrichtungen, die im Eigentum des Mieters geblieben sind, sein Pfandrecht ausübt (Staudinger a.a.O. § 539 Rn. 34 mit Nachweisen). Durch die Geltendmachung eines Vermieterpfandrechts nach Beendigung des Mietverhältnisses wird der Lauf der Verjährungsfrist für den Wegnahmeduldungsanspruch nach § 539 Abs. 2 BGB nicht gehemmt (BGHZ 101, 37), sodass sich die Klägerin, soweit es um Einrichtungen im Sinne von § 539 Abs. 2 BGB geht, zu Recht auf die Einrede der Verjährung beruft.
Ebenso beruft sie sich, soweit es sich bei den streitbefangenen Gegenständen um Einrichtungen im Sinne von § 539 Abs. 2 BGB handelt, zu Recht auf § 258 BGB, wonach der Vermieter die Gestattung der Wegnahme verweigern kann, bis ihm für den mit der Wegnahme verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird. Den Mieter trifft im Falle der Wegnahme die Pflicht, die Mietsache auf seine Kosten in den vorigen Stand zurückzuversetzen (Staudinger a.a.O. § 539 Rn. 30).
Zu Unrecht beruft sich der Beklagte darauf, dass ihm die Sachen nicht gehören würden und deshalb ein Vermieterpfandrecht an ihnen habe nicht entstehen können. Aus dem Schreiben der ... vom 05.01.2006 (Bl. 43) ergibt sich, dass die Sicherungsübereignung an die ... dem Vermieterpfandrecht nicht entgegensteht. Sie erfolgte erst mit Verträgen vom 30.03.2004 bzw. 11.01.2005 und damit nach Entstehung des Vermieterpfandrechts, das die Klägerin mit Einbringung der Gegenstände in die vom Beklagten bereits am 01.02.2004 übernommenen Mieträume erwarb. Doch selbst wenn ein Vermieterpfandrecht nicht entstanden wäre, hätte jedenfalls der Beklagte keinen Anspruch auf Herausgabe der Gegenstände an sich. Ist er nicht Eigentümer der Gegenstände, hat er kein Recht an ihnen. Dass und wie ihn der angebliche Eigentümer zur Geltendmachung des Herausgabeanspruchs ermächtigt hat, legt der Beklagte nicht dar. Aus dem Schreiben der ... vom 05.01.2006 (Bl. 43) ergibt sich eine Ermächtigung zur Prozessführung nicht. Der Beklagte hat es auch nicht zu diesem Zweck vorgelegt, sondern nur zum Beleg dafür, dass die ... ihm die Abholung erlaubt hat.
10 
Ebenso wenig kann sich der Beklagte auf § 811 Nr. 5 ZPO berufen, wonach bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände unpfändbar sind. Zwar schadet eine zeitweilige Nichtausübung der Erwerbstätigkeit, etwa wegen Krankheit oder Haft, nicht. Die Möglichkeit künftiger Berufsausübung genügt jedoch nur, wenn schon eine konkrete Aussicht auf baldige Realisierung besteht (vgl. etwa Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 811 Rn. 19 mit Rechtsprechungsnachweisen; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 811 Rn. 25). Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass er bei Schließung des Studios in den Räumen der Klägerin konkrete Aussichten auf Eröffnung eines Studios an anderer Stelle hatte, sondern sich nur allgemein auf § 811 ZPO berufen. Die Klägerin hingegen hat mit Schriftsatz vom 20.12.2006 (Bl. 246) vorgetragen, dass das andere Sonnenstudio des Beklagten im Frühsommer 2006, also bald ein Jahr nach Schließung desjenigen in den Räumen der Klägerin, eröffnet und zudem Ende 2006 bereits wieder geschlossen worden sei. Selbst wenn man, ohne dass der Beklagte dies konkret vorgetragen hat, zu seinen Gunsten aus dem Schreiben der ... vom 05.01.2006 entnehmen würde, dass er bereits im Januar 2006 ein anderes Studio eröffnen wollte, ergibt sich mangels näherer Darlegung durch den Beklagten nicht, dass eine entsprechende Absicht bereits ein halbes Jahr zuvor bestand und jetzt noch besteht. Es ist weder erkennbar, dass im Sommer 2005 eine konkrete Aussicht auf Fortsetzung der entsprechenden Berufstätigkeit des Beklagten bestand noch dass sie jetzt besteht.
11 
Schließlich hat der Beklagte keinen Herausgabeanspruch hinsichtlich der beiden aus den Mieträumen entfernten Solarien. Das Vermieterpfandrecht ist durch die Verbringung in den Lagerraum nicht berührt. Zwar bestimmt § 562 a BGB, dass das Pfandrecht des Vermieters erlischt mit der Entfernung der Sachen von dem Grundstück, und es ist herrschende Meinung, dass mit Grundstück die Mietsache gemeint ist (Staudinger, BGB, § 562 a Rn. 4), sodass die Klägerin sich nicht darauf berufen kann, dass sich die Gegenstände noch auf demselben Grundstück wie die Mieträume befinden. Doch erfolgte die Entfernung nicht durch den Mieter oder Dritte, worauf § 562 a zugeschnitten ist, sondern durch den Vermieter, der sein Pfandrecht weiterhin ausüben wollte und sein Recht dadurch verstärkte, dass er die Solarien getrennt in Verwahrung nahm. Sinn und Zweck der Regelung des § 562 a verbieten es, bei einer Entfernung durch den einen gegenteiligen Willen habenden Vermieter von einem Erlöschen des Vermieterpfandrechts auszugehen. Insofern sind die beiden Solarien gleich zu behandeln wie das sonstige Mobiliar und Inventar.
3. .....

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