Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 99/10

Tenor

1. Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Ulm - Registergericht - vom 9. Februar 2010, Az. HRB 724518,

aufgehoben.

2. Die Registersache wird zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit über die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister vom 14. Januar 2010 betreffend Haftungsausschluss der Antragstellerin (UR ..., Notariat ..., Notar ...) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das

Amtsgericht Ulm - Registergericht - (HRB 724518) zurückgegeben.

Gründe

 
1.
Bei dem Antrag auf Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister (Firmenneueintrag) heißt es in der notariellen Urkunde (UR ... des Notariats ...):
"Die Gesellschaft mit dem Sitz in Aalen (HRB-Nr. des Amtsgerichts Ulm ist noch nicht vergeben, da die Gesellschaft erst mit notarieller Urkunde am 28. Dezember 2009 entstand) hat den Betrieb der ...-Maschinenbau GmbH & Co. KG mit dem Sitz in ...(eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts ... unter HRA ...) gepachtet, ohne dass die Firma fortgeführt wird. Im Pachtvertrag wurde aber im Hinblick auf die ähnlichen Formulierungen der beiden Gesellschaften die Haftung der Pächterin (... GmbH) für Verbindlichkeiten der Verpächterin (...-Maschinenbau GmbH & Co. KG) im Sinne von § 25 Abs. 2 HGB ausgeschlossen.
Es wird gebeten, diesen Haftungsausschluss, der hiermit angemeldet wird, schnellstmöglich im Handelsregister einzutragen…."
Die Rechtspflegerin hat mit Schreiben vom 9. Februar 2010 mitgeteilt:
"Die Eintragung eines Haftungsausschlusses nach § 25 HGB setzt die Fortführung des Handelsgeschäfts und Fortführung der Firma voraus. Eine Firmenfortführung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, wie im übrigen auch in der Anmeldung mitgeteilt wird. Somit ist eine der Voraussetzungen des § 25 HGB nicht gegeben und dieser folglich auch nicht anwendbar. Die Anmeldung ist zurückzunehmen."
Es wurde eine Frist zur Erledigung von vier Wochen gesetzt, eine Rechtsmittelbelehrung erteilt und die Zustellung an die Antragstellerin am 11. Februar 2010 bewirkt.
Diese hat sich durch ihren Verfahrensbevollmächtigten am 16. Februar 2010 gegen das Schreiben des Registergerichts gewandt und am 18. Februar 2010 bestätigt, dass es sich hierbei um eine Beschwerde handelt. Zu deren Begründung wird Bezug genommen auf den Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 15. Februar 2010 nebst Anlagen.
Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 19. Februar 2010 nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
a) Die befristete Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 374 Nr. 1, 382 Abs. 4 Satz 2, 58 ff Fam FG i. V. m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1, 112 Abs. 1 FGG RG zulässig.
10 
Grundsätzlich findet die Beschwerde nicht gegen verfahrensleitende Anordnungen bzw. Zwischenentscheidungen statt, sondern nur gegen Endentscheidungen (§ 58 Abs. 1 Fam FG i. V. m. § 38 Abs. 1 Satz 1 Fam FG).
11 
§ 38 Abs. 1 Satz 2 Fam FG hält jedoch für Registersachen (§ 374 Fam FG) als Ausnahme von diesem Grundsatz im Hinblick auf die Besonderheiten des Verfahrensgegenstandes an der anfechtbaren Zwischenverfügung fest (§§ 58 Abs. 1 Halbs. 2, 382 Abs. 4 Satz 2 Fam FG; Meyer-Holz in Keidel, Fam FG, 16. Aufl. 2009, § 38 Rdnr. 6 und 8, § 58 Rdnr. 68).
12 
Ob die Zwischenverfügung in Form eines Beschlusses gem. § 38 Fam FG (Heinemann in Keidel, a. a. O., § 382 Rdnr. 25; a. A.: Meyer-Holz in Keidel, a. a. O., § 38 Rdnr. 8; Krafka in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 4, Fam FG, 3. Aufl. 2010, § 382 Rdnr. 18; Ulrici in Münchener Kommentar, a. a. O., § 38 Rdnr. 3; Gottwald in Bassenge/Roth, Fam FG/RpflG, 12. Aufl. 2009, § 38 Fam FG Rdnr. 3 und 4; je m. w. N.) ergehen muss, ist streitig.
13 
Einigkeit besteht darüber, dass sie gem. § 39 Fam FG mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 Fam FG förmlich zuzustellen ist (Heinemann, a. a. O., § 382 Rdnr. 27 und 28; K. Walter in Bassenge/Roth, a. a. O., § 382 Rdnr. 38; Krafka, a. a. O., § 382 Rdnr. 23; je m. w. N.).
14 
Diesen Anforderungen genügt das Schreiben der Rechtspflegerin vom 9. Februar 2010, sodass die hiergegen gerichtete Beschwerde gem. §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 Abs. 1 Fam FG statthaft ist.
15 
Das Rechtsmittel ist auch im übrigen zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Antragstellerin ist gem. §§ 59 Abs. 1, 7 Abs. 2 Nr. 1 Fam FG gegeben. Die gesetzliche Frist des § 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Fam FG und die vorgeschriebene Form nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 Fam FG sind gewahrt.
16 
Nach neuem Recht ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht aus § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG n. F. i. V. m. § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG n. F..
17 
Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 Fam FG) bedarf es nicht, da ausschließlich die Rechtsproblematik des Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB entscheidungserheblich ist.
18 
b) Die Beschwerde ist begründet.
19 
Wird ein Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB zur Eintragung im Handelsregister angemeldet, hat das Registergericht als Voraussetzung der Eintragung zu prüfen, ob die Haftungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB vorliegen bzw. ob eine Haftung nach dieser Vorschrift überhaupt in Betracht kommen kann. Denn nur dann handelt es sich bei dem Haftungsausschluss um eine eintragungsfähige Tatsache. Die Publizitätsfunktion des Handelsregisters schließt es aus, es in das Ermessen des Gerichts oder das Belieben der Beteiligten zu stellen, welche Eintragungen im Handelsregister vorgenommen werden. Bei der Prüfung der Eintragungsfähigkeit sind die tatsächlichen Angaben zu Grunde zu legen, die sich der formgerechten (§ 12 HGB) Anmeldung des Haftungsausschlusses entnehmen lassen.
20 
Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist ein Haftungsausschluss grundsätzlich einzutragen, wenn eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB ernsthaft in Betracht kommt (vgl. zur Problematik einschließlich der der Geschäfts- und Firmenfortführung: OLG Hamm NJW-RR 1994, 1119 und NJW-RR 1999, 396; OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 1404 und NJW-RR 2005, 1349; BayObLG NJW-RR 2003, 757; OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1120; OLG Jena NotBZ 2007, 298; OLG München Rpfleger 2008, 494; BGH NJW 1996, 2866, NJW 2001, 1352 und NJW 2010, 236; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 25 Rdnr. 13 ff; je m. w. N.).
21 
Die Haftungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB sind bei der Anmeldung des Haftungsausschlusses nicht immer offenkundig, sondern oft nur unter Heranziehung der zu § 25 Abs. 1 HGB ergangenen Rechtsprechung als Ergebnis der rechtlichen Bewertung eines komplexen Sachverhalts festzustellen. Dem Rechtspfleger kann insoweit keine abschließende Beurteilung der Haftungsfrage auferlegt werden, zumal in Rechtsprechung und Literatur Uneinigkeit über die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB besteht.
22 
Mit der obergerichtlichen Rechtsprechung sieht deshalb der Senat einen vereinbarten Haftungsausschluss nur dann als nicht eintragungsfähig an, wenn eindeutig und zweifelsfrei eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB nicht in Betracht kommt. Anderenfalls wäre nicht ausgeschlossen, dass sich eine unterschiedliche Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB durch die Registergerichte einerseits und die Prozessgerichte andererseits in Bezug auf dasselbe Unternehmen einseitig zum Nachteil des neuen Unternehmensträgers auswirken würde.
23 
Die Rechtspflegerin hat nicht die Fortführung des Handelsgeschäfts infolge der Betriebsanpachtung beanstandet, sondern allein eine fehlende Firmenfortführung.
24 
§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB knüpft die Haftung des Nachfolgers für im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers an die Kontinuität des Unternehmens. Diese tritt durch die Fortführung der Firma nach außen in Erscheinung, weshalb nach dem Gesetz die Firmenfortführung eine der Voraussetzungen für die Auslösung der Haftung des Nachfolgers ist.
25 
Ob eine Firmenfortführung anzunehmen ist, muss aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs beurteilt werden. Für dessen Sicht kommt es aber nicht auf die firmenrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der alten oder der neuen oder beider Firmen an. Entscheidend ist allein, dass die unter dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weiter geführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht (BGH NJW 2001, 1352 und NJW 2010, 236; je m. w. N.).
26 
Für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB kommt es dabei nicht darauf an, welche Erklärung gegenüber dem Registergericht abgegeben wird, sondern allein darauf, unter welcher Bezeichnung ein Unternehmen tatsächlich am Markt auftritt (BGH NJW 2010, 236 m. w. N.).
27 
Unerheblich ist ebenso, welche Vereinbarungen der alte und der neue Inhaber zum Zwecke der Fortführung des Unternehmens getroffen haben und ob solche überhaupt wirksam sind. Denn auf eine wirksame rechtsgeschäftliche Übertragung ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die oben zitierte OLG-Rspr.) nicht entscheidend abzustellen, weil die vertraglichen Hintergründe für den Rechtsverkehr nicht offenkundig sind. Die gesetzliche Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB hängt vielmehr von den nach außen in Erscheinung tretenden tatsächlichen Umständen ab, weswegen ein Erwerb nicht nur dann angenommen werden kann, wenn der zu Grunde liegende Vertrag nichtig oder anfechtbar ist, sondern auch dann, wenn es an einer rechtsgeschäftlichen Übertragung des Handelsgeschäfts überhaupt fehlt (OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 1404 m. w. N. zur BGH-Rspr.).
28 
Maßgeblich ist danach, ob eine tatsächliche, einverständliche Übernahme des Geschäftsbetriebs in seinem Kern stattgefunden hat und im Rechtsverkehr der Anschein einer Firmen- und Unternehmenskontinuität bewusst geschaffen wurde.
29 
Die Verpächterin firmierte (§§ 17 ff HGB) unter der Bezeichnung "...-Maschinenbau GmbH & Co. KG", die Pächterin unter "... GmbH", wobei sich aus dem Handelsregister ergeben soll, dass Gegenstand des Unternehmens der Maschinenbau ist.
30 
Die zur Individualisierung ausreichende und zulässige Fantasiebezeichnung (Hopt, a. a. O., § 18 Rdnr. 4 m. w. N.) "..." legt aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs und unter Beachtung der mit der Anmeldung vorgebrachten Tatsachen - Fortführung des Betriebs in den bisherigen Räumen auf Grund der Verpachtung und identischer Gegen-stand der beiden Unternehmen - in der Gesamtschau die Firmenfortführung nahe, wie auch der Inanspruchnahme der Antragstellerin durch die Firma ... GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 8. Februar 2010 zu entnehmen ist. Unerheblich ist dabei, dass in der Registeranmeldung ausdrücklich die Firmenfortführung verneint wird.
31 
Damit ist gerade nicht offensichtlich, dass eine Haftung der Antragstellerin nach § 25 Abs. 1 HGB nicht in Betracht kommen kann, sodass die Eintragung des Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB durch das Registergericht mit dem Hinweis auf die fehlende Firmenfortführung nicht abgelehnt werden kann.
32 
Demgemäß war die Zwischenverfügung des Registergerichts Ulm aufzuheben und die Sache an dieses zurückzugeben zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit über die Handelsregisteranmeldung vom 14. Januar 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats.
33 
c) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO n. F.). Anlass für die Anordnung einer Kostenerstattung (§ 81 Fam FG) besteht nicht.
34 
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 1 und 2 Fam FG nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen