Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 Ws 176/09

Tenor

Der Antrag der Anzeigeerstatter auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 06. August 2009 wird als unzulässig

verworfen .

Gründe

 
I.
Die Anzeigererstatter werfen dem Beschuldigten vor, er habe als Jäger am 31. Oktober 2008 den Hund „…“ der Anzeigeerstatter ohne rechtfertigenden Grund erschossen und sich damit einer Sachbeschädigung (§ 303 StGB) sowie des Tötens eines Wirbeltiers ohne vernünftigen Grund (§ 17 Nr. 1 TierSchG) schuldig gemacht.
II.
Der form- und fristgerechte Antrag der Anzeigeerstatter auf gerichtliche Entscheidung ist nicht zulässig, weil es an einer Straftat fehlt, hinsichtlich derer die Anzeigeerstatter das Klageerzwingungsverfahren betreiben dürfen.
1. Soweit der Antrag darauf gestützt wird, der Beschuldigte habe eine Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB begangen, steht der Zulässigkeit des Antrags § 172 Abs. 2 Satz 3 StPO entgegen. Zwar sind die Antragsteller als Eigentümer des getöteten Hundes insoweit Verletzte. Bei dem Delikt der Sachbeschädigung handelt es sich jedoch gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 6 StPO um ein Privatklagedelikt, welches mittels eines Klageerzwingungsverfahrens nach § 172 StPO nicht verfolgt werden kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 172 Rdn. 2). Obwohl die angezeigte Tat im Sinne von § 264 StPO neben der Sachbeschädigung auch ein Offizialdelikt (§ 17 Nr. 1 TierSchG) betrifft, begründet dies nicht die Zulässigkeit des Klageerzwingungsverfahrens, weil die Antragsteller durch das angezeigte Offizialdelikt nicht verletzt sind (vgl. hierzu unten unter Nr. 2).
2. Soweit die Antragsteller behaupten, der Beschuldigte habe ein Vergehen gemäß § 17 Nr. 1 TierSchG begangen, sind sie nicht Verletzte im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO. Verletzter im Sinne dieser Vorschrift ist, wer durch die behauptete Straftat - ihre Begehung unterstellt - in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen unmittelbar beeinträchtigt worden ist (OLG Stuttgart, NJW 2002, 2893; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2001, 112; KK-Schmid, StPO, 6. Auflage, § 172 Rdn. 19, jeweils mit weiteren Nachweisen). In Zweifelfällen ist auf die Schutzzwecklehre zurückzugreifen. Danach kann jemand durch eine Tat nur dann verletzt sein, wenn dessen Rechte durch die (angeblich) übertretene Norm - jedenfalls auch - geschützt werden sollen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; KK-Schmid a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Eigentümer eines getöteten oder misshandelten Tieres bei einem Verstoß gegen § 17 TierSchG nicht Verletzter im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO. Weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus Rechtsprechung und Kommentarliteratur lässt sich entnehmen, dass der Eigentümer eines getöteten Tieres durch § 17 TierSchG eine sich aus dem Tierschutzgesetz ergebende Rechtsposition erhalten sollte, die über den Schutz des § 303 StGB hinausgeht. Die Gesetzgebung der vergangenen Jahrzehnte zum Tierschutz beruht auf der Grundkonzeption eines ethisch ausgerichteten Tierschutzes im Sinne der Mitverantwortung des Menschen für das seiner Obhut anheim gegebene Lebewesen (vgl. nur BVerfGE 48, 376 ff.). Die Normen des formellen und materiellen Tierschutzrechtes erkennen das Tier als Mitgeschöpf an und schützen es allein um seiner selbst Willen (vgl. Lorz / Metzger, TierSchG, 6. Auflage, Einführung, Rdn. 60 und vor § 17, Rdn. 3). Weil das geschützte Rechtsgut bei § 17 TierSchG das Leben und Wohlbefinden der Tiere ist, kann Täter dieser Norm auch der Eigentümer des Tieres sein (vgl. Lorz / Metzger a.a.O., vor § 17, Rdn. 12). Deshalb bewirkt auch die Einwilligung des Eigentümers oder Verfügungsberechtigten - anders als bei einer Sachbeschädigung - keine Rechtfertigung tierschutzwidrigen Verhaltens (vgl. Lorz / Metzger a.a.O., § 1 Rdn. 67 und Pfohl in Münchner Kommentar zum StGB, § 17 TierSchG Rdn. 95).
Auch die Zielsetzung der jüngsten tierschutzrechtlichen Gesetzgebung (einschließlich der Änderung des Grundgesetzes und der Änderung des Strafrahmens bei § 17 TierSchG) ist getragen von der Achtung der Tiere als Mitgeschöpfe, die von vermeidbaren Leiden und Schäden geschützt werden sollen. Alleiniges Motiv für die Erhöhung des Strafrahmens in § 17 TierSchG war, dem Schutz der Tiere und dem wachsenden Tierschutzbewusstsein der Bevölkerung Rechnung zu tragen (vergl. BR-Drucksache 763/96, S. 1 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung und S. 49 der zugehörigen Begründung). Menschliche Interessen (sogenannter anthropozentrischer Tierschutz) werden durch die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes hingegen nicht geschützt. Dass die Antragsteller Halter des getöteten Tieres waren, ändert hieran nichts. Denn insoweit werden die Rechte der Halter durch die - dem Verfahren nach § 172 Abs. 1 StPO nicht zugängliche - Vorschrift des § 303 StGB geschützt (vgl. OLG Celle, NStZ 2007, 483 mit zustimmender Anmerkung Iburg; Graalmann-Scheerer in Löwe Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 172, Rdn. 100).
Die gegenteilige Auffassung, welche den Eigentümer eines misshandelten oder getöteten Tieres als Verletzten ansieht (OLG Stuttgart, OLGSt Band 4 Seite 119; KK-Schmid, a.a.O., § 172 Rdn. 30, Pfohl a.a.O., § 17 TierSchG, Rdn. 133) überzeugt nicht. Soweit für diese Ansicht überhaupt Begründungen angegeben werden, stützt sich diese Gegenmeinung darauf, dass die Eigentümer des getöteten Tieres durch die Tötung ihres Tieres unmittelbar betroffen seien und nicht nur durch die Auswirkungen der Straftat irgendwie berührt seien. Abgesehen von der bereits ausgeführten Tatsache, dass der Schutzzweck der Norm die Eigentümer nicht schützt, spricht gegen diese Rechtsauffassung, dass die durch einen Verstoß gegen § 17 TierSchG angenommene Verletzung des Eigentümers eines Tieres nicht über diejenige hinaus geht, die durch das Privatklagedelikt der Sachbeschädigung bereits sanktioniert ist.
III.
Unbeschadet der Frage seiner Zulässigkeit ist der vorliegende Klageerzwingungsantrag aber auch unbegründet. Zum einen übersehen die Anzeigeerstatter, dass im Strafrecht nicht der Beschuldigte darlegen und beweisen muss, dass seine Handlung gerechtfertigt ist. Deshalb kommt dem Beschuldigten in einem Strafverfahren zugute, wenn offen bleiben muss, ob die Tötung eines - möglicherweise - wildernden Hundes vom Jagdschutz gedeckt war. Im Übrigen könnte in einer Hauptverhandlung angesichts der widersprüchlichen Angaben der einzelnen Zeugen einerseits und der objektiven Sachlage andererseits vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte - wie die Anzeigeerstatter zeitweilig selbst unterstellt haben - den Hund bei der Schussabgabe mit einem Reh verwechselt hat. In diesem Fall läge ein Tatbestandsirrtum vor, der zur Straffreiheit des Beschuldigten führen würde, weil die fahrlässige Begehung von § 17 TierSchG nicht unter Strafe gestellt ist.

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