Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 136/12

Tenor

1. Auf die befristete Beschwerde des Beteiligten Ziff. 2 wird Ziff. 1 des Beschlusses des Notariats VI Esslingen a. N. - Nachlassgericht - vom 23.2.2012

aufgehoben;

es verbleibt damit bei der mit Beschluss vom 16.6.2009 angeordneten Nachlasspflegschaft.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Mit Beschluss vom 16.6.2009 hat das Notariat Esslingen - Nachlassgericht - für diejenigen, die Erben des am 20.4.2009 verstorbenen Erblassers werden, zur Sicherung des Nachlasses Pflegschaft angeordnet. Der Wirkungskreis des Nachlasspflegers umfasste die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Zum Nachlasspfleger wurde der Beteiligte Ziff. 1 bestellt.
Mit Schreiben vom 9.1.2012 teilte der Nachlasspfleger dem Nachlassgericht mit, dass er mit Schreiben vom 21.11.2011 Nachlassinsolvenzantrag gestellt habe. Gleichzeitig legte er seine Schlussrechnung vor und regte an, die Nachlasspflegschaft aufzuheben, da die Verfügungsbefugnis über den Nachlass auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen sei. Der Aufrechterhaltung der Nachlasspflegschaft bedürfe es deshalb nicht mehr.
Am 30.1.2012 eröffnete das Amtsgericht Esslingen über den Nachlass des Erblassers wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren und ernannte den Beteiligten Ziff. 2 zum Insolvenzverwalter.
Mit Beschluss vom 23.2.2012 hob das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft auf. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte Ziff. 2 am 22.3.2012 Beschwerde ein. Er ist der Ansicht, dass die Nachlasspflegschaft bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht aufgehoben werden könne. Der Nachlasspfleger vertrete auch weiterhin die unbekannten Erben und nehme im Insolvenzverfahren die Verfahrensrechte war, die normalerweise dem Insolvenzschuldner zustünden. Insbesondere sei die Nachlasspflegschaft im Hinblick auf noch zu erwartende und zu prüfende Beschlüsse, die auch zugestellt werden müssten, erforderlich.
Der Beteiligte Ziff. 1 hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 342 Abs. 1 Nr. 2, 58 ff. FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde fristgerecht beim Nachlassgericht eingereicht.
Der Nachlassinsolvenzverwalter ist beschwerdeberechtigt, da der Nachlasspfleger auch im Insolvenzverfahren als gesetzlichem Vertreter der unbekannten Erben deren Rechte und Pflichten wahrnimmt (MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rn. 100).
2.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
10 
Anders als die Nachlassverwaltung, die gemäß § 1988 BGB mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens endet, erlischt das Amt des Nachlasspflegers nicht automatisch, wenn auch die Befugnisse des Nachlasspflegers beträchtlich schrumpfen und sich im wesentlichen auf das insolvenzfreie Vermögen und die Vertretung der Erben im Insolvenzverfahren beschränkt. Auch zwingt die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht zur Aufhebung der Nachlasspflegschaft, vielmehr kann die Notwendigkeit der Wahrung der Rechte und Pflichten des noch nicht feststehenden Erben-Insolvenzschuldners die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft gebieten. Der Erbe hat dieselben Rechte und Pflichten wie jeder andere Schuldner im Insolvenzverfahren, insbesondere die Auskunftspflicht nach § 20 InsO, Mitwirkungspflichten nach §§ 98, 99 InsO, Rechtsmittel gegen die Eröffnung des Verfahrens (§ 34 InsO) sowie die Möglichkeit des Bestreitens von Forderungen im Prüfungstermin (§ 176). Auch ist er Anspruchsinhaber bei Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 InsO. (Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2. Auflage, Rn. 606, 614, 851; MünchKomm/Leipold a.a.O. Rn. 20, 54, 100; Kübler/Prütting/Bork, Insolvenzordnung, § 315 Rn. 6). Diese Pflichten erledigen sich nicht durch die endgültige Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auch wenn ein einstweiliges Insolvenzverfahren vorangegangen ist, in dem der Nachlasspfleger bereits einen Teil dieser Pflichten erfüllt hat.
11 
Damit besteht im Gegensatz zur Auffassung der Nachlassrichterin das Fürsorgebedürfnis auch weiterhin, und eine Aufhebung der Nachlasspflegschaft ist derzeit nicht veranlasst. Ziff. 1 des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 23.2.2012 war deshalb aufzuheben.

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