Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 1 Ausl 466/14

Tenor

1. Die Voraussetzungen für die Leistung von Rechtshilfe

l i e g e n   n i c h t   v o r .

2. Eine Entscheidung des Senats darüber, ob ein selbständiges Antragsrecht des ausländischen Antragstellers auf Herausgabe besteht,

i s t   n i c h t   v e r a n l a s s t .

Gründe

 
I.
Der derzeitige Besitzer des Fahrzeuges Pkw Audi Q 7, amtliches Kennzeichen …, hat dieses am 28. November 2009 über mobile.de aus Italien erworben. Er forderte vom Anbieter eine Kopie der italienischen Fahrzeugdaten und eine Abmeldebescheinigung an. Diese Daten ließ er über eine italienische Fahndungsseite überprüfen und erhielt eine Negativauskunft. Darüber hinaus erkundigte er sich beim BKA und bei der Firma Audi über die Fahrzeughistorie, die keine Auffälligkeiten aufwies. Er zahlte einen Kaufpreis von 40.000 Euro. Die von ihm zur Zulassung beim Landratsamt Heilbronn im Dezember 2009 vorgelegten italienischen Papiere wurden dort nicht beanstandet. Seit dem 28. Januar 2012 ist das Fahrzeug im Schengener Informationssystem von den italienischen Strafverfolgungsbehörden zur Sicherstellung wegen Unterschlagung ausgeschrieben. Da nach dem Vortrag des Besitzers ein gutgläubiger Erwerb nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde lediglich die Zulassungsbescheinigung Teil II im März 2014 beschlagnahmt und in polizeiliche Verwahrung genommen.
Die BKA Sirene hat die italienischen Strafverfolgungsbehörden am 17. Dezember 2013 unter Fristsetzung von vier Wochen aufgefordert, wegen der Herausgabe des Fahrzeuges ein Rechtshilfeersuchen an die Staatsanwaltschaft Heilbronn zu übersenden. Am 18. Dezember 2013 ging über die Sirene Italien bei der Sirene Deutschland ein Fernschreiben ein, in dem erklärt wurde, der Eigentümer des Fahrzeuges sei informiert worden und solle sich um die Rückholung des Fahrzeuges kümmern. Ein offizielles Ersuchen einer italienischen Staatsanwaltschaft ging bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn nicht ein.
Stattdessen meldete sich mit Telefax vom 24. Januar 2014 die Firma … und teilte mit, bei dem Fahrzeug handle es sich um ein in ihrem Eigentum stehendes Leasingfahrzeug, welches sich bis zum 11. Januar 2012 im Besitz des Leasingnehmers Firma … mit Sitz in … befunden habe. Am 12. Januar 2012 sei das Fahrzeug widerrechtlich angeeignet worden, was bei den zuständigen Carabinieri angezeigt worden sei. Man verlange nunmehr die Herausgabe des Fahrzeuges. Mit Schreiben vom 10. März 2014 an die Staatsanwaltschaft Heilbronn meldete sich der deutsche Rechtsanwalt … als Vertreter der vermeintlichen italienischen Eigentümerin und beantragte ebenfalls die Herausgabe des Fahrzeuges an seine Mandantin. Ihm wurde zunächst eine Frist gesetzt, bis zum 30. Mai 2014 einen zivilrechtlichen Titel eines deutschen Gerichtes vorzulegen, aus dem die Berechtigung der Antragstellerin hervorgehe. Rechtsanwalt … teilte daraufhin mit, dass diese Frage nicht im einstweiligen Rechtsschutz geklärt werden könne und zahlreiche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass das Fahrzeug nicht gutgläubig erworben worden sei. Zwischenzeitlich befinden sich die … und der jetzige Besitzer des Fahrzeuges in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zur Klärung der Eigentümerstellung.
Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart beantragt mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 zu entscheiden, dass die Gewährung von Rechtshilfe nicht in Betracht kommt und dass ein selbständiges Antragsrecht des ausländischen Antragstellers auf Herausgabe nicht besteht.
Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2015 beantragt der anwaltliche Vertreter des derzeitigen Halters festzustellen, dass die Leistung von Rechtshilfe aufgrund des Rechtshilfeersuchens gegenüber den italienischen Strafverfolgungsbehörden zur Herausgabe des PKW Q7, … , FgSt.Nr. … unzulässig ist.
II.
Die Anträge auf Entscheidung, dass die Gewährung von Rechtshilfe nicht in Betracht kommt bzw. dass diese unzulässig ist, sind nach §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 66 IRG zulässig und begründet.
1.
Sowohl der Generalstaatsanwaltschaft als auch dem Antragsteller, der geltend macht, er würde durch die Herausgabe in seinem Eigentumsrecht verletzt, steht gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 IRG im Hinblick auf die Entscheidung über die Gewährung von Rechtshilfe ein Antragsrecht beim Oberlandesgericht zu.
2.
Die Zulässigkeit der Rechtshilfe beurteilt sich nach § 59 IRG, hinsichtlich der Herausgabe der Pkw zusätzlich nach § 66 IRG. Darüber hinaus sind die Vorschriften des EuRhÜbK anzuwenden, da sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Republik Italien Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen sind; insoweit gilt zudem I-ErgV EuRhÜbk zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik vom 24. Oktober 1979. Des Weiteren ist das Schengener Durchführungsübereinkommen - SDÜ - vom 19. Juni 1990 zu beachten (vgl. zu den Vertragsparteien Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Auflage, III E. Einführung in die Schengen-Zusammenarbeit, Rn. 19, S. 1639).
Nach §§ 59, 66 Abs. 1 IRG ist Rechtshilfe „auf Ersuchen einer zuständigen Stelle eines ausländischen Staates“ zu leisten. Voraussetzung ist demnach das ausdrückliche Ersuchen um Herausgabe. Zwar ist das Ersuchen zur Vermeidung von Ergänzungsersuchen weit auszulegen (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, aaO, § 59 IRG, Rn. 4). Vorliegend erfolgte durch die italienischen Behörden allerdings lediglich eine SIS-Ausschreibung zur Sicherstellung der Fahrzeuge gemäß Art. 100 SDÜ, die selbst noch kein Ersuchen um Herausgabe darstellt und insbesondere auch nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 66 Abs. 2 IRG genügt. Es ist nicht gewährleistet, dass Rechte Dritter gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 IRG durch die Herausgabe nicht berührt werden, da der Käufer und jetzige Besitzer des Pkw möglicherweise gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat. Auch wenn die Vorlage eines Beschlagnahmebeschlusses der italienischen Behörden nach Art. III Abs. 1 I-ErgV EuRhÜbK i.V.m. Art. 3 EuRhÜbK und § 66 Abs. 2 IRG entbehrlich ist, muss zumindest ein Ersuchen eines Richters des rechtshilfesuchenden Staates eingereicht werden, aus dem sich ergibt, dass die für die Beschlagnahme erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Dies ist nicht der Fall.
10 
Ein Ersuchen der italienischen Behörden im Sinne des § 66 Abs. 1 IRG liegt nicht vor, obwohl hierzu unter Fristsetzung von vier Wochen bereits im Dezember 2013 aufgefordert wurde.
III.
11 
Eine Entscheidung des Senats darüber, ob ein selbständiges Antragsrecht des ausländischen Antragstellers auf Herausgabe besteht, ist nicht veranlasst.
12 
Grundsätzlich regelt das IRG nur die sogenannte Leistungsermächtigung, d.h. das Oberlandesgericht hat nach § 61 IRG über das „Ob“ der Leistung von Rechtshilfe nach außen zu entscheiden (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, aaO, vor § 59 IRG, Rn. 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. Januar 2012, 1 Ausl S 184/11). Die Vorschrift begründet keine allgemeine Entscheidungszuständigkeit des OLG für alle im Zusammenhang mit einem internationalen Rechtshilfeersuchen auftretenden Rechtsfragen (Grützner/Pötz/Kreß. Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Auflage, § 61 IRG, Rn. 3; OLG Hamm NStZ 1984, 417).
13 
Bei der Frage, ob dem ausländischen Antragsteller ein Herausgabeanspruch zusteht, handelt es sich nicht um die Leistung von Rechtshilfe im Sinne der §§ 59 ff. IRG. Eine Herausgabe nach § 67 IRG kommt nicht in Betracht, da auch insoweit kein Ersuchen einer zuständigen Stelle eines ausländischen Staates vorliegt. Im Übrigen erfolgt die Herausgabe im Rechtshilfewege nach § 66 IRG immer an die zuständigen Stellen des ersuchenden Staates, nicht an Private, da der Rechtshilfeverkehr zwischen Staaten stattfindet (Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Auflage, § 66 IRG Rn. 10).
14 
Mit welchen innerstaatlichen Mitteln die Weitergabe von Informationen bzw. die Herausgabe von Gegenständen im Wege der Rechtshilfe an das Ausland zu bewerkstelligen sind, ist vielmehr eine Frage der sogenannten Vornahmeermächtigung. Für Entscheidungen, die allein das Vornahmeverfahren betreffen, besteht aber keine Entscheidungszuständigkeit des OLG nach § 61 IRG (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, aaO, vor § 59, Rn. 42).

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