Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 75/15

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 12. Januar 2015, Az. 1 T 224/14, wird

zurückgewiesen.

2. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Mit Schriftsatz an die Verteilungsstelle für Gerichtsvollzieheraufträge beim Amtsgericht Ellwangen vom 18. August 2014 hat die Gläubigerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten unter Vorlage des Vollstreckungstitels beantragt, gemäß § 802 c ZPO einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft zu bestimmen und diese abzunehmen. Für den Fall, dass der Schuldner dem Termin unentschuldigt fernbleibt oder die Auskunft ohne Grund verweigert, wurde beantragt, den Erlass eines Haftbefehls und die Verhaftung des Schuldners zu bewirken. Zudem teilte die Gläubigerin mit, sie sei mit einer gütlichen Erledigung einverstanden.
Der Vollstreckungsauftrag enthielt die Weisung: „Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, alle erforderlichen Zustellungen durch Aufgabe zur Post zu erledigen!“
Mit Schreiben vom 24. September 2014 teilte der Gerichtsvollzieher der Gläubigerin mit, dass der Schuldner die Vermögensauskunft antragsgemäß abgegeben habe und das Vermögensverzeichnis übersendet werde. Zugleich erstellte er die Kostenrechnung über 58,10 EUR (persönliche Zustellung KV 100: 10 EUR; Abnahme der Vermögensauskunft KV 260, 261: 33 EUR; Wegegeld KV 711,10-20 km: 6,50 EUR; Auslagenpauschale KV 716: 8,60 EUR).
Die Gläubigerin erhob am 6. Oktober 2014 beim Amtsgericht Ellwangen Kostenerinnerung wegen des Ansatzes der Gebühr für die persönliche Zustellung und der sich hierdurch ergebenden Erhöhung der Auslagenpauschale.
Der Gerichtsvollzieher hat mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 der Erinnerung nicht abgeholfen und seine Ermessenserwägungen zu Gunsten der persönlichen Zustellung dargelegt.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - Ellwangen hat mit Beschluss vom 31. Oktober 2014 (Az. 2 M 1072/14) die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht Ellwangen mit Beschluss vom 12. Januar 2015 (Az. 1 T 224/14) zurückgewiesen und antragsgemäß die weitere Beschwerde zugelassen, die von der Gläubigerin am 27. Januar 2015 erhoben und am 12. Februar 2015 begründet wurde.
Das Landgericht hat am 16. Februar 2015 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Zum Sach- und Streitstand wird im Einzelnen verwiesen auf die vorgenannten Beschlüsse, die Rechtsmittelbegründungen der Gläubigerin und die Stellungnahme des Gerichtsvollziehers.
II.
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Die weitere Beschwerde der Gläubigerin ist auf Grund der landgerichtlichen Zulassung gemäß §§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, 66 Abs. 4 GKG zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Nach § 802 f Abs. 4 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die Ladung zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft zuzustellen. Hierbei handelt es sich um eine Zustellung im Parteibetrieb gemäß §§ 191 ff. ZPO. Der Gerichtsvollzieher nimmt sie aufgrund des Vollstreckungsauftrags (§ 192 ZPO) selbst vor (§ 193 ZPO) oder er lässt sie durch die Post durchführen (§ 194 ZPO; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Auflage 2014, § 802 f ZPO Rn. 8, § 802 c ZPO Rn. 2). Die Wahl zwischen beiden Zustellungsarten trifft der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen (Stöber in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 192 ZPO Rn. 3; Häublein in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 192 ZPO Rn. 2; Wittschier in Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, § 194 ZPO Rn. 2; Dörndorfer in Beck'scher online-Kommentar ZPO, Hrsg.: Vorwerk/Wolf, Stand 1. Januar 2015, § 192 ZPO Rn. 2; Landgericht Bochum, Beschluss vom 23. Oktober 2014, Az. 7 T 121/14, in juris; Amtsgericht Köln, Beschluss vom 14. Oktober 2014, Az. 288 M 857/14, in juris; Landgericht Offenburg DGVZ 2014, 259; Amtsgericht Homburg BeckRS 2015, 00850; Amtsgericht Limburg DGVZ 2014, 204; Amtsgericht Lichtenberg DGVZ 2014, 205; Amtsgericht Neunkirchen DGVZ 2014, 130; Amtsgericht Esslingen JurBüro 2013, 433; Landgericht Cottbus, Beschluss vom 11. Mai 2010, Az. 7 T 6/10, in juris; Landgericht Dresden, Beschluss vom 10. Juli 2007, Az. 3 T 501/07, in juris; Amtsgericht Bonn DGVZ 2006, 124; je m.w.N.; § 15 Abs. 2 GVGA).
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Ob die von der Gläubigerin vertretene Auffassung zutrifft, dass durch ihre Weisung an den Gerichtsvollzieher bezüglich der Zustellungsart das ihm eingeräumte Ermessen auf "Null" reduziert wird, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
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Denn der Gerichtsvollzieher hat die Weisungen des Gläubigers nur insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den Gesetzen oder der Geschäftsanweisung nicht in Widerspruch stehen (Lackmann in Musielak, a.a.O., § 753 ZPO Rn. 12; Heßler in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 753 ZPO Rn. 1 und 2; Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 154 GVG Rn. 8, 9, 18; Ulrici in Beck'scher online-Kommentar ZPO, a.a.O., § 753 ZPO Rn. 10; Amtsgericht Köpenick JurBüro 2013, 442; Amtsgericht Augsburg BeckRS 2012, 09132; Landgericht Neubrandenburg BeckRS 2012, 15441; BGH NJW 2011, 2149; je m.w.N.).
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Die Weisung in dem Vollstreckungsauftrag lautete: "Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, alle erforderlichen Zustellungen durch Aufgabe zur Post zu erledigen!"
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Die Gläubigerin bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter kennt den Unterschied zwischen der Zustellung durch Aufgabe zur Post und der Zustellung durch die Post genau (vergleiche die Beschwerdebegründung vom 13. November 2014, dort S. 2, Bl. 22 d.A.).
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Die von den Landesjustizverwaltungen beschlossene bundeseinheitliche Neufassung der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA), in Kraft getreten am 1. September 2013, unterscheidet entsprechend der Gesetzesterminologie zwischen der Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 15 Abs. 1 GVGA), die nur in den gesetzlich bestimmten Fällen (z.B. §§ 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 ZPO) und nur auf ausdrückliches Verlangen des Auftraggebers vorgenommen werden darf, und der Zustellung durch die Post (§ 15 Abs. 2 GVGA), bezüglich der dem Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen die Wahl eingeräumt wird, zwischen dieser und der persönlichen Zustellung durch ihn zu entscheiden.
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Die von der Gläubigerin angewiesene Zustellung durch Aufgabe zur Post ist ausschließlich zulässig bei Auslandszustellungen (§§ 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 ZPO; Stöber in Zöller, a.a.O., § 829 ZPO Rn. 15, m.w.N.; §§ 183, 184 ZPO; Geimer/Stöber in Zöller, a.a.O., § 184 ZPO Rn. 1 ff., m.w.N.), sofern nach der ersten Zustellung im Ausland entsprechend den völkerrechtlichen Vereinbarungen ein Zustellungsbevollmächtigter im Inland nicht benannt wird.
18 
Vorliegend handelt es sich nicht um eine Auslandszustellung. Der Schuldner ist im Inland wohnhaft, so dass die Weisung der Gläubigerin, alle erforderlichen Zustellungen durch Aufgabe zur Post zu erledigen, im Widerspruch steht zur ZPO und zur Geschäftsanweisung und damit vom Gerichtsvollzieher nicht zu berücksichtigen war.
19 
Eine Auslegung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Zustellungsanweisung kam im Hinblick auf die eindeutige Gesetzesterminologie nicht in Betracht. Diese war dem Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin, der den Vollstreckungsauftrag vom 18. August 2014 erteilt hat, durchaus bekannt, so dass auch bei dem von dem Gerichtsvollzieher zu bewältigenden Massengeschäft kein Hinweis an den Rechtsanwalt zu fordern war.
20 
Damit bedarf die Frage der Bindung an die Zustellungsanweisung des Gläubigers bzw. einer hierdurch erfolgenden Reduzierung des dem Gerichtsvollzieher bei der Wahl der Zustellungsart eingeräumten Ermessensspielraums auf "Null" keiner Beantwortung.
21 
Im Übrigen haben die Vorinstanzen zu Recht entschieden, dass der Gerichtsvollzieher bei der ihm obliegenden Ermessensausübung auf lediglich allgemeine Erwägungen und insbesondere generelle Erfahrungswerte zurückgreifen darf und nicht auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beschränkt ist.
22 
Auf die ausführliche und in jeder Hinsicht zutreffende Begründung des angegriffenen Beschlusses des Beschwerdegerichts vom 12. Januar 2015 wird Bezug genommen. Der Senat schließt sich ihr in vollem Umfang an.
23 
Auch wenn, wie vorliegend, die beispielhaft aufgezählten Voraussetzungen für eine persönliche Zustellung gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 GVGA, den der Gerichtsvollzieher als Geschäftsanweisung zu beachten hat, nicht gegeben waren, folgt doch aus S. 1, dass die Wahl der Zustellungsart unbeschadet der folgenden Bestimmungen des S. 2 dem Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen verbleibt, er also bei der Ermessensausübung nicht auf die in S. 2 genannten Beispiele beschränkt ist.
24 
Ebenso kann nicht aus S. 2 Nr. 1 ("sofern besondere Umstände es erfordern") gefolgert werden, dass er bei der Wahl der persönlichen Zustellung ausschließlich die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen darf.
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Diese werden sich zumeist bei den dem Gerichtsvollzieher unbekannten Schuldnern nicht verifizieren lassen. Es ist ihm vielmehr einzuräumen, auf allgemeine Erfahrungswerte bezüglich der Vereinfachung und Beschleunigung der Durchführung der ihm erteilten Vollstreckungsaufträge zurückzugreifen, wodurch es vielleicht vordergründig zu einer geringfügig höheren Kostenbelastung kommt, die aber sicherlich in der Vielzahl der Fälle wieder aufgefangen wird durch schnellere Vollstreckungserfolge unter dem Eindruck der persönlichen Kontaktaufnahme des Gerichtsvollziehers mit dem Schuldner - wie auch hier.
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Dementsprechend lassen zahlreiche Untergerichte allgemeine Erwägungen bei der Ermessensausübung zu. Festzustellende konkrete Einzelumstände werden bei dem formalisierten Massenverfahren der Zwangsvollstreckung ohnehin wegen der überwiegend gleich gelagerten Situationen immer wieder vorkommen, so dass eine Abgrenzung zwischen konkreten einzelfallbezogenen und allgemeinen Umständen kaum möglich sein wird (vergleiche die obigen Rechtsprechungs- und Literaturnachweise).
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Die weitere Beschwerde war demgemäß mit der Kostenfolge von §§ 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG, 66 Abs. 8 GKG als unbegründet zurückzuweisen.

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