Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 11 WF 44/16

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ulm vom 24.02.2016 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

 
Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Antrag auf Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse des gemeinsamen Kindes gemäß § 1686 BGB gestellt. Durch Beschluss vom 21.1.2016 bestellte die zuständige Rechtspflegerin für das betroffene Kind eine Rechtsanwältin zum Verfahrensbeistand, stellte fest, dass der Verfahrensbeistand die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig ausübt und übertrug ihr die weitere Aufgabe, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie an einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken.
Dieser Beschluss wurde am 26.01.2016 formlos an den Antragsteller übersandt. Der Antragsteller legte am 15.02.2016 Beschwerde mit der Begründung ein, der Beschluss verletze ihn in seinen verfassungsrechtlichen Grundrechten, prozessualen Grundrechten und in seinen einfachen Rechten. Zudem lehnt er in der Beschwerde sowohl die bestellte Verfahrensbeiständin als auch das zuständige Jugendamt sowie die dortige Sachbearbeiterin wegen Befangenheit ab.
Durch Verfügung vom 22.02.2016 legte die Rechtspflegerin die Akten dem zuständigen Richter als Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG mit dem Zusatz vor, dass sie der Erinnerung nicht abhelfe. Durch den nunmehr angefochtenen Beschluss vom 24.2.2016 wies der zuständige Amtsrichter die Erinnerung gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 21.1.2016 mit der Begründung zurück, dass diese Entscheidung gemäß § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht selbstständig anfechtbar sei.
Gegen diese Entscheidung, die dem Antragsteller am 27.2.2016 förmlich zugestellt wurde, legte er am 29.2.2016 sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, dass § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht gelte, wenn eine solche Entscheidung durch den Rechtspfleger getroffen worden sei und beruft sich auf eine Entscheidung des BayObLG (FamRZ 2003,189).
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 2 RPflG, 567 ff. ZPO statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
Zunächst ist klarzustellen, dass diese Beschwerdeentscheidung nur zur Frage der Anfechtung der Bestellung zum Verfahrensbeistand ergeht. Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerde vom 15.2.2016 Verfahrensbeteiligte als befangen abgelehnt, ist bislang eine Entscheidung noch nicht ergangen, so dass hierauf in dieser Entscheidung nicht einzugehen ist.
Zu Recht ist das Familiengericht davon ausgegangen, dass die Regelung unter § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG, wonach die Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht selbständig anfechtbar ist, auch dann gilt, wenn nicht ein Richter, sondern ein Rechtspfleger über die Bestellung entschieden hat. Zutreffend weist der Antragsteller darauf hin, dass das BayObLG in einer Entscheidung (FamRZ 2003, 189) in einem Fall, in dem im Rahmen eines Betreuungsverfahrens, als es letztlich um die Festsetzung der Vergütung des Betreuers ging, vom Rechtspfleger ein Verfahrenspfleger bestellt wurde, entschieden hat, dass trotz des damals gültigen Grundsatzes, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers unanfechtbar ist, eine Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG statthaft ist, weil Entscheidungen des Rechtspflegers, soweit sie in Rechte des Bürgers eingegriffen, einer richterlichen Prüfung zu unterstellen seien.
Die einschlägigen Kommentare zum FamFG gehen auf die Frage dieser Einschränkung der Unanfechtbarkeit der Bestellung des Verfahrensbeistandes nicht ein (Keidel/Engelhardt, FamFG, 18. Aufl., § 158 Rn 43; Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 3. Aufl., § 158, Rn 55; Zöller/Lorenz, ZPO, 31. Aufl., § 158 FamFG, Rn. 10; Münchner Kommentar/Schumann, FamFG, 2. Aufl.,Rn 23 f.). Lediglich Zorn (Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, § 158 FamFG Rdn. 34) bestätigt die Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung unter Hinweis auf die zitierte Entscheidung des BayObLG
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Der Senat folgt der Entscheidung des BayObLG für die Frage der Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht. Diese Entscheidung beruft sich in der Begründung auf eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2000 (NJW 2000, 1709). In dieser Entscheidung war das BVerfG mit der Frage des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiven Rechtsschutzes bei nachlassgerichtlichen Genehmigungen gemäß §§ 55, 62 FGG befasst. Dort führt das Gericht aus, dass Akte des Rechtspflegers zur öffentlichen Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG gehörten und, soweit diese Akte in Rechte des Bürgers eingegriffen, sie auch vollständig in rechtlicher und tatsächlicher Sicht der richterlichen Prüfung unterstellt werden müssten. Die Möglichkeit, gegen Entscheidungen des Rechtspflegers den Richter anzurufen, sei regelmäßig durch § 11 RPflG eröffnet.
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Eine besondere Prüfung ist daher dann geboten, wenn nach einer Norm eine Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht gegeben ist. Hierzu führt das BVerfG aus, dass die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG zwar keine voraussetzungslose und zeitlich unbegrenzte Zugänglichkeit des Rechtswegs erfordere und die Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs zum Gericht vielmehr den jeweiligen Prozessordnungen überlassen bleibe. Der Gesetzgeber könne durchaus auch Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellten und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirkten. Die Grenze sei erreicht, wenn der Anspruch des Einzelnen auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werde.
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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben des BVerfG ist im konkreten Fall der Bestellung eines Verfahrensbeistandes gemäß § 158 FamFG die Zulassung einer Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG trotz der gesetzlichen Regelung unter § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG zur Gewährleistung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht erforderlich. Die Bestellung eines Verfahrensbeistandes greift grundsätzlich nicht in Rechte der Eltern ein. Insbesondere wird das bestehende Sorgerecht nicht tangiert. Eine Beeinträchtigung der Eltern durch die Bestellung des Verfahrensbeistandes ergibt sich lediglich daraus, dass durch diese Bestellung Kosten entstehen, die unter Umständen in der das Verfahren abschließenden Entscheidung den Eltern ganz oder teilweise auferlegt werden können.
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Nachdem diese Kosten jedoch im Kindschaftsverfahren nicht etwa schon vor der das Verfahren beendenden Entscheidung von den Beteiligten im Wege des Vorschusses angefordert werden, wirkt sich die Kostenbelastung frühestens mit der das Verfahren abschließenden Entscheidung aus. Nachdem einerseits die das Verfahren abschließende Entscheidung des Rechtspflegers anfechtbar ist und in jedem Fall eine Entscheidung eines Richters erreicht werden kann und andererseits gemäß § 58 Abs. 2 FamFG der Beurteilung des Beschwerdegerichts über die Endentscheidung auch die nicht selbstständig anfechtbaren Entscheidungen, die ihr vorausgegangen sind, unterliegen, ist durch diese Regelung sichergestellt, dass eine richterliche Kontrolle über die durch die Bestellung des Verfahrensbeistandes entstehenden Kosten, deren Notwendigkeit und deren Verteilung auf die Beteiligten stattfindet. Damit ist den Voraussetzungen, die das BVerfG in der zitierten Entscheidung zur Gestaltung des effektiven Rechtsschutzes bei Tätigwerden des Rechtspflegers aufgestellt hat, ausreichend Genüge getan. Den Beteiligten, insbesondere den Eltern ist zumutbar, die aus ihrer Sicht gegen die Bestellung sprechenden Gründe im Rahmen einer Beschwerde gegen die Endentscheidung vorzubringen. Ein Grund dafür, bereits zu einem früheren Zeitpunkt für die Zwischenentscheidung über die Bestellung eines Verfahrensbeistandes eine richterliche Kontrolle zu ermöglichen, ist nicht ersichtlich. Zudem würde damit der Zweck dieser Regelung des § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG, nämlich die Verfahrensbeschleunigung gerade in Kindschaftssachen, durch die Zulassung der Rechtspflegererinnerung an dieser Stelle erschwert.
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Nachdem die hiesige Entscheidung von der zitierten Entscheidung des BayObLG abweicht, wird hinsichtlich der Frage, ob bei einer Bestellung eines Verfahrensbeistandes durch den Rechtspfleger die Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG statthaft ist, die Rechtsbeschwerde zugelassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

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