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| | Der Kläger macht im Ausgangsrechtsstreit Ansprüche gegen die beklagte Bank geltend, nachdem er den Widerruf eines mit der Beklagten zur Finanzierung des Kaufpreises eines PKW abgeschlossenen Kreditvertrages erklärt hat. |
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| | 1. Mit Vertrag vom 16. Juni 2012 gewährte die Beklagte dem Kläger als Verbraucher ein Darlehen über einen Nettodarlehensbetrag von 19.791,56 Euro. Das Darlehen diente ausschließlich der Finanzierung des Kaufs eines PKW und die Beklagte bediente sich bei der Vorbereitung des Kreditvertrages der Mitwirkung des Verkäufers des PKW, an den der Kläger außerdem eine Anzahlung leistete. Der Kläger leistete planmäßig die im Vertrag vorgesehenen monatlichen Raten und erbrachte zuletzt im Mai 2015 absprachegemäß eine Zahlung zur endgültigen Ablösung des Darlehens. Die Beklagte gab daraufhin im Mai 2015 die ihr zur Verfügung gestellten Sicherheiten frei; der Kreditvertrag war spätestens damit beiderseits vollständig erfüllt und abgewickelt. |
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| | Mit Schreiben vom 25. September 2018 erklärte der Kläger den Widerruf des Kreditvertrages mit der Begründung, ihm seien im Kreditvertrag nicht sämtliche Pflichtangaben gemacht worden, deren Erteilung gemäß Art. 14 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 und der zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften Voraussetzung für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist ist; etwa finde sich - was zutrifft - in den Vertragsunterlagen keine bezifferte Angabe des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verzugszinssatzes. |
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| | Nachdem die Beklagte den Widerruf nicht akzeptierte, beantragt der Kläger im Ausgangsrechtsstreit im Wesentlichen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.342,44 Euro nebst Zinsen seit dem 23. November 2018 und Rechtsanwaltskosten zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs. |
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| | Dabei setzt sich der geltend gemachte Betrag zum einen zusammen aus der Summe der vom Kläger an die Beklagte erbrachten Raten in Höhe von insgesamt 21.513,33 Euro zuzüglich der an das Autohaus geleisteten Anzahlung in Höhe von 3.708,44 Euro. |
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| | Weiter macht der Kläger einen behaupteten Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen geltend, die die Beklagte aus den von ihm geleisteten Zahlungen jeweils ab Zahlung gezogen habe in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, nach Behauptung des Klägers insgesamt 3.995,92 Euro. |
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| | Auf seine Ansprüche möchte sich der Kläger nur einen Nutzungsersatz für mit dem finanzierten PKW gefahrene rund 96.000 Kilometer in Höhe von 4.875,25 Euro anrechnen lassen. |
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| | 2. Das Landgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne sich mehr als drei Jahre nach beiderseitiger vollständiger Erfüllung des Kreditvertrages gemäß § 242 BGB nicht mehr auf ein Widerrufsrecht berufen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Anliegen weiterverfolgt. |
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| | Nachdem der vorlegende Senat unter Zugrundelegung der entsprechenden ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Kläger zunächst darauf hingewiesen hatte, dass er das Urteil des Landgerichts für richtig halte, hat der vorlegende Senat zuletzt das Vorabentscheidungsverfahren abgewartet, das mit dem Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, geendet hat. |
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| | 3. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt davon ab, ob dem Kläger beim streitgegenständlichen Kreditvertrag, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48 fällt, bei Abgabe seiner Widerrufserklärung noch ein Widerrufsrecht zustand und ggf. welche Rechtsfolgen ein wirksamer Widerruf hat. |
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| | Diesbezüglich bestehen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts, die nach Beurteilung des vorlegenden Senats entscheidungserheblich sind und um deren Klärung er daher mit seinen Vorlagefragen ersucht. |
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| | Die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften des nationalen Rechts und des Unionsrechts in der zeitlich jeweils anwendbaren Fassung lauten: |
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| | Art. 14 der Richtlinie 2008/48 |
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| | (1)Der Verbraucher kann innerhalb von vierzehn Kalendertagen ohne Angabe von Gründen den Kreditvertrag widerrufen. |
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| | Diese Widerrufsfrist beginnt |
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| | a)entweder am Tag des Abschlusses des Kreditvertrags oder |
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| | b)an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß Artikel 10 erhält, sofern dieser nach dem in Buchstabe a des vorliegenden Unterabsatzes genannten Datum liegt. |
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| | (3)Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, so |
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| | a)erklärt er den Widerruf, um diesen vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist wirksam werden zu lassen, gegenüber dem Kreditgeber entsprechend den Informationen, die der Kreditgeber ihm gemäß Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe p gegeben hat, in einer Weise, die einen Nachweis nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ermöglicht. Die Widerrufsfrist gilt als gewahrt, wenn diese Mitteilung, sofern sie auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger erfolgt, der dem Kreditgeber zur Verfügung steht und zu dem er Zugang hat, vor Fristablauf abgesandt wird, und |
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| | b)zahlt er dem Kreditgeber unverzüglich, spätestens jedoch binnen 30 Kalendertagen nach Absendung der Widerrufserklärung an den Kreditgeber das Darlehen einschließlich der ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen zurück. Die Zinsen sind auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen. Der Kreditgeber hat im Falle des Widerrufs keinen Anspruch auf weitere vom Verbraucher zu leistende Entschädigungen, mit Ausnahme von Entschädigungen für Entgelte, die der Kreditgeber an Behörden entrichtet hat und nicht zurückverlangen kann. |
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| | (5)Verfügt der Verbraucher über ein Widerrufsrecht gemäß den Absätzen 1, 3 und 4, so finden Artikel 6 und 7 der Richtlinie 2002/65/EG und Artikel 5 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen keine Anwendung. |
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| | Artikel 22 der Richtlinie 2008/48 |
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| | Harmonisierung und Unabdingbarkeit dieser Richtlinie |
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| | (1) Soweit diese Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, dürfen die Mitgliedstaaten keine Bestimmungen in ihrem innerstaatlichen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen. |
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| | § 242 Leistung nach Treu und Glauben |
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| | Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. |
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| | § 346 Wirkungen des Rücktritts |
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| | (1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. |
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| | § 357 Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe |
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| | (1) 1Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. [...] |
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| | § 492 Schriftform, Vertragsinhalt |
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| | (2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten. |
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| | (1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. |
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| | (2) 1Die §§ 355 bis 359a gelten mit der Maßgabe, dass |
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| | 1.an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben nach Artikel 247 § 6 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche treten, |
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| | 2.die Widerrufsfrist auch nicht beginnt |
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| | a)vor Vertragsschluss und |
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| | b)bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 erhält, und |
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| | Art 247 § 3 Inhalt der vorvertraglichen Information |
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| | (1) Die Unterrichtung vor Vertragsschluss muss folgende Informationen enthalten: |
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| | 1. den Namen und die Anschrift des Darlehensgebers, |
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| | 2. die Art des Darlehens, |
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| | 3. den effektiven Jahreszins, |
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| | 4. den Nettodarlehensbetrag, |
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| | 7. Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen, |
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| | 9. die Auszahlungsbedingungen, |
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| | 10. alle sonstigen Kosten, insbesondere in Zusammenhang mit der Auszahlung oder der Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, mit dem sowohl Zahlungsvorgänge als auch Abhebungen getätigt werden können, sowie die Bedingungen, unter denen die Kosten angepasst werden können, |
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| | 11. den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten, |
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| | 12. einen Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen, |
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| 13. das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, |
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| | 14. das Recht des Darlehensnehmers, das Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen, |
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| | 15. die sich aus § 491a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergebenden Rechte, |
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| | 16. die sich aus § 29 Abs. 7 des Bundesdatenschutzgesetzes ergebenden Rechte. |
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| | (4) 1Die Angabe zum Sollzinssatz muss die Bedingungen und den Zeitraum für seine Anwendung sowie die Art und Weise seiner Anpassung enthalten. [...] |
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| | Art 247 § 6 Vertragsinhalt |
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| | (1) Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten: |
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| | 1.die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 und Abs. 4 genannten Angaben, |
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| | 2.den Namen und die Anschrift des Darlehensnehmers, |
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| | 3.die für den Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde, |
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| | 4.einen Hinweis auf den Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan nach § 492 Abs. 3 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, |
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| | 5.das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, |
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| | 6.sämtliche weitere Vertragsbedingungen. |
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| | (2) 1Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. 2Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben. [...] |
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| | Es bestehen entscheidungserhebliche Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Unionsrecht bei der Frage, ob das Widerrufsrecht, das dem Kläger gemäß § 495 BGB, der neben anderen Vorschriften der Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 in nationales Recht dient, beim streitgegenständlichen Kreditvertrag zunächst zustand, bei Abgabe seiner Widerrufserklärung im Jahr 2018 und damit rund drei Jahre nach beiderseitiger vollständiger Vertragserfüllung noch bestand. |
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| | 1. Art. 14 Abs.1 der Richtlinie 2008/48 enthält eine Bestimmung über den Beginn der Widerrufsfrist, aber keine ausdrückliche Regelung, ob und ggf. wann das Widerrufsrecht erlischt. |
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| | Jedoch hat der Generalanwalt in Rn. 106-109 seiner Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen C-33/20, C-155/20, C-187/20 vom 15. Juni 2021 unter Bezugnahme auf den 34. Erwägungsgrund der Richtlinie und den Zweck der Informationspflichten nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 ausgeführt, dass Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen sei, dass das in dieser Bestimmung vorgesehene Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt werden könne, sobald der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist. |
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| | Im Ausgangsrechtsstreit würde diese Auslegung dazu führen, dass der Kläger das Widerrufsrecht im Jahr 2018, d. h. rund drei Jahre nach vollständiger Erfüllung des Kreditvertrages, nicht mehr hätte ausüben können; nach Beurteilung des vorlegenden Senats ist es mit Blick auf die übrigen Umstände des Falles entscheidungserheblich, ob die genannte Auslegung zutreffend ist. |
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| | 2. Wenn auch viel dafür spricht, dass die Auslegung, wie sie der Generalanwalt vertritt, zutreffend ist, erscheint die Auslegung doch nicht völlig eindeutig. |
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| | a) Der Gerichtshof hat in seinem auf die genannten Schlussanträge ergangenen Urteil vom 9. September 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, zu dieser Frage keine Stellung genommen, da sich die dortigen Vorlagefragen auf die Folgen des Verstreichens eines erheblichen Zeitraums, jedoch nicht auf die Frage erstreckten, ob das Widerrufsrecht im Fall der beiderseitigen vollständigen Vertragserfüllung entfällt. |
|
| | b) Dafür, dass das Widerrufsrecht aus Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 nach beiderseitiger vollständiger Vertragserfüllung nicht mehr ausgeübt werden kann, könnten neben den Erwägungen des Generalanwalts verschiedene weitere Gesichtspunkte sprechen. |
|
| | So ist es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs in anderem Zusammenhang bereits anerkannt, dass die vollständige Vertragserfüllung ein Gesichtspunkt ist, der die Begrenzung eines Verbrauchern eingeräumten Widerrufsrechts gerade auch bei Kreditverträgen rechtfertigen kann (Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C-412/06, Rn. 41 ff. zur Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen) und auch der europäische Gesetzgeber misst dem Umstand, dass Verträge bereits vollständig erfüllt sind, für die Notwendigkeit des Fortbestehens eines Widerrufsrechts erhebliche Bedeutung bei (vgl. Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG und dazu das Urteil des Gerichtshofs vom 11. September 2019, C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701, Rn. 39). |
|
| | Für ein Erlöschen des Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung könnte außerdem sprechen, dass andernfalls der in den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten - soweit für den vorlegenden Senat erkennbar - singuläre Fall vorliegen würde, dass ein Recht im Ergebnis ohne jede Schranke bestehen würde: Der Gerichtshof hat in Rn. 117 seines Urteils vom 9. September 2021 in den verbundenen Rechtssachen C-33/20, C-155/20, C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, bereits ausgesprochen, dass das Widerrufsrecht aus 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt. Würde dem nicht, wie vom Generalanwalt vorgeschlagen, ein an die vollständige Vertragsbeendigung anknüpfendes Erlöschen zur Seite gestellt, bestünde das verbraucherrechtliche Widerrufsrecht als - soweit für den vorlegenden Senat erkennbar - einziges Recht ohne jede zeitliche und inhaltliche Beschränkung. |
|
| | Bestünde das Widerrufsrecht grenzenlos, könnte das außerdem den Ausgleich zwischen den Interessen der Vertragsparteien in Frage stellen, ohne dass es im Hinblick auf das von der Richtlinie erstrebte hohe Niveau des Verbraucherschutzes überhaupt erforderlich wäre: Wie der Gerichtshof entschieden hat, kann bei einem Verstoß gegen Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 eine im innerstaatlichen Recht vorgesehene Sanktion, die schwerwiegende Folgen für den Kreditgeber hat, nicht als verhältnismäßig angesehen werden, wenn Angaben zu solchen in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 genannten Elementen fehlen, die ihrer Art nach nicht geeignet sind, die Möglichkeit des Verbrauchers zu beeinträchtigen, den Umfang seiner Verpflichtung einzuschätzen (Urteil vom 9. November 2016, C-42/15, ECLI:EU:C:2016:842, Rn. 72). Es könnte daher als gleichermaßen unverhältnismäßig angesehen werden, wenn das Widerrufsrecht des Verbrauchers weder - wie vom Gerichtshof bereits entschieden - zeitlichen, noch sonstigen Grenzen unterliegen würde. |
|
| | c) Soweit umgekehrt gegen einen Wegfall des Widerrufsrechts nach vollständiger Vertragserfüllung sprechen könnte, dass das zeitlich unbeschränkte Widerrufsrecht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch der Abschreckung und Sanktionierung von Unternehmern dient, die ihren Informationspflichten nicht nachkommen (Urteil vom 9. September 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, Rn. 124-126) erscheint dieser Gesichtspunkt gegenüber den vom Generalanwalt in seinen oben zitierten Schlussanträgen und den soeben b) dargestellten Gesichtspunkten von geringerem Gewicht. |
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| | Darauf deutet zum einen hin, dass der Sanktions- und Abschreckungscharakter des Widerrufsrechts in der Richtlinie 2008/48 nicht ausdrücklich hervorgehoben wird; anders als Erwägungsgrund (47) im Zusammenhang mit Sanktionen gemäß Art. 23 der Richtlinie spricht Erwägungsgrund (34) der Richtlinie, der sich mit dem Widerrufsrecht befasst, diesen Gesichtspunkt nicht direkt an, sondern verweist zum Zweck des Widerrufsrechts auf die Angleichung der in verschiedenen Richtlinien geregelten Widerrufsrechte, wobei in den fraglichen Richtlinien gleichfalls der Sanktionszweck nicht im Vordergrund steht oder Einschränkungen unterliegt. Dafür, dass auch der europäische Gesetzgeber dem Sanktionsgesichtspunkt nur ganz bedingt Gewicht beimisst, spricht außerdem systematisch, dass der Richtliniengeber in der jüngeren Richtlinie 2011/83 (Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) eine sogar rein zeitlich anknüpfende Frist für das Erlöschen des Widerrufsrechts vorgesehen hat und zwar selbst für den Fall, dass der Unternehmer sämtliche Informationspflichten und sogar seine Verpflichtung zur Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts als solchem verletzt hat (Art. 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83). |
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| | Darüber hinaus verliert der Sanktionszweck mit vollständiger Vertragserfüllung noch weiter an Gewicht: Denn die Pflichten des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48, um deren Verletzung es geht, dienen nach Erwägungsgrund (31) der Richtlinie vor allem dazu, dem Verbraucher die notwendigen Informationen über seine Rechte und Pflichten zu verschaffen. Entsprechenden Sanktionsdruck zu erzeugen, hat daher vor allem dort Sinn und Berechtigung, wo der Unternehmer dadurch noch zur Erfüllung der verletzten Pflicht angehalten werden kann. Das ist jedoch nach vollständiger Vertragserfüllung nicht mehr der Fall, da die Nachholung von Informationen über die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nicht mehr sinnvoll möglich ist, wenn die fraglichen Rechte und Pflichten gerade schon beiderseits vollständig erfüllt sind. |
|
| | Hinzu kommt zuletzt, dass Bestrafung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, denen sich die Union verpflichtet hat, voraussetzten muss, dass sich der Verpflichtete überhaupt rechtskonform hätte verhalten können. Das erscheint im Hinblick auf die vielfach ungenauen und offenen Formulierungen der Richtlinie 2008/48 im Zusammenhang mit den Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie und die Notwendigkeit ihrer Umsetzung in nationales Recht fraglich: Etwa genügten die vom Gerichtshof in der Entscheidung vom 9. September 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, teilweise als ungenügend beurteilten Vertragsunterlagen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Anforderungen sowohl des nationalen Rechts wie auch der Richtlinie; und die vom Gerichtshof im Urteil vom 26. März 2020, C-66/19, ECLI:EU:C:2020:242, Rn. 49 als den Anforderungen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 nicht genügend beurteilte Verweisung auf Vorschriften des nationalen Rechts ging sogar unmittelbar auf den deutschen Gesetzgeber zurück, der die Richtlinie dahin ausgelegt hatte, dass eine solche Bezugnahme genüge. |
|
| | Vor diesem Hintergrund erscheint es dem vorlegenden Senat naheliegend, dass der Gesichtspunkt der Bestrafung der Unternehmer kein ausschlaggebendes Kriterium sein kann. |
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| | Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage verneint wird, ergeben sich unter einem weiteren Gesichtspunkt Zweifel an der Auslegung der Richtlinie 2008/48, um deren Klärung der vorlegende Senat den Gerichtshof daher mit der nur für den Fall der Verneinung der ersten Frage gestellten zweiten Vorlagefrage ersucht. |
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| | 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 12. Juli 2016, XI ZR 501/15, ECLI:DE:BGH:2016:120716UXIZR501.15.0, Rn. 40; vom 12. Juli 2016, XI ZR 564/15, ECLI:DE:BGH:2016:120716UXIZR564.15.0, Rn. 37; vom 11. Oktober 2016, XI ZR 482/15, ECLI:DE:BGH:2016:111016UXIZR482.15.0, Rn. 30; Beschlüsse vom 23. Januar und 7. März 2018, XI ZR 298/17, ECLI:DE:BGH:2018:230118BXIZR298.17.0 und ECLI:DE:BGH:2018:070318BXIZR298.17.0), die auch der vorlegende Senat bislang angewandt hat, kann § 242 BGB im Einzelfall der Berufung eines Verbrauchers auf sein Widerrufsrecht aus Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 entgegenstehen, wenn zum einen seit dem Abschluss des Kreditvertrages eine gewisse Zeit vergangen ist und wenn außerdem besondere - in der Rechtsprechung näher definierte - Umstände hinzukommen. |
|
| | Einer der Umstände, deren Vorliegen nach dieser Rechtsprechung dazu führen kann, dass die Berufung auf das Widerrufsrecht nicht mehr möglich ist, ist die vollständige Beendigung des Vertrages. |
|
| | 2. Wird die erste Vorlagefrage verneint - entfällt also das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 nicht ohnehin mit vollständiger Vertragserfüllung - dann würde § 242 BGB in der soeben 1. dargestellten Auslegung des Bundesgerichtshofs eine nationale Rechtsvorschrift darstellen, die das durch die Richtlinie begründete Widerrufsrecht begrenzen würde. |
|
| | Es würde sich dann die Frage stellen, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er einer solchen nationalen Regelung entgegensteht. Wäre das zu bejahen, hätten die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die soeben 1. beschriebene, ständige Rechtsprechung zu ändern (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2019, C-331/18, ECLI:EU:C:2019:665, Rn. 56 und die dort angegebene weitere Rechtsprechung). |
|
| | Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage verneint wird, ist nach Beurteilung der übrigen Umstände des Falles durch den vorlegenden Senat daher die zweite Vorlagefrage entscheidungserheblich. |
|
| | 3. Die Frage ist auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bislang nicht geklärt. |
|
| | a) Insbesondere hatte sich der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, Rn. 117 f., nur mit der Frage zu befassen, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die das Widerrufsrecht einer rein zeitlichen Beschränkung unterwirft. Mit der für den vorlegenden Senat im Ausgangsrechtsstreit bei Verneinung der ersten Vorlagefrage entscheidungserheblichen Frage, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 einer nationalen Regelung entgegensteht, die für das Erlöschen des Widerrufsrechts nicht (allein) zeitlich anknüpft, sondern die beiderseitige vollständige Vertragserfüllung zur Voraussetzung macht, musste sich der Gerichtshof in der genannten Entscheidung dagegen nicht befassen. |
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| | b) Außerdem erscheint es dem vorlegenden Senat zwar naheliegend, dass für die Richtlinie 2008/48 nichts anderes gilt, als nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall der Richtlinie 85/577, die gleichfalls keine Regelung über das Erlöschen des Widerrufsrechts vorsah und für die der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die vollständige Vertragserfüllung ein Gesichtspunkt ist, für dessen Vorliegen nationale Rechtsvorschriften die Begrenzung des Widerrufsrechts der Verbraucher vorsehen dürfen (Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C-412/06, Rn. 41 ff.). |
|
| | Völlig zweifelsfrei erscheint es jedoch nicht, dass diese Auslegung auf die Richtlinie 2008/48 zu übertragen ist, so dass der vorlegende Senat von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Frage dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. |
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| | 4. Dabei könnten für die Zulässigkeit einer solchen nationalen Regelung wiederum die oben III. 2. b) genannten Erwägungen sprechen. |
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| | Insbesondere scheinen die rechtlichen Voraussetzungen und Zwecke des Widerrufsrechts nach der Richtlinie 2008/48 nicht unter den für die Frage nach der Zulässigkeit ihrer Begrenzung im Fall der vollständigen Vertragserfüllung wesentlichen Gesichtspunkten andere zu sein, als diejenigen nach der Richtlinie 85/577, für die der Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass das nationale Recht das Widerrufsrecht im Fall der vollständigen Vertragserfüllung beschränken darf (Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C-412/06, Rn. 37 ff.). Hier wie dort dient insbesondere das Widerrufsrecht dem Schutz des Verbrauchers und auch dort sollte der Verbraucher die Möglichkeit erhalten, seine Verpflichtungen noch einmal zu überdenken (Erwägungsgrund (5) der Richtlinie 85/577 und Rn. 41 des zitierten Urteils vom 10. April 2008). |
|
| | Darüber hinaus scheint der europäische Gesetzgeber die Erwägungen des Gerichtshofs in der Entscheidung Hamilton dadurch gebilligt zu haben, dass er in der Richtlinie 2011/83 die vom Gerichtshof für die Richtlinie 85/577 in der Entscheidung Hamilton als sinnvoll und angemessen erachtete Beschränkung des Widerrufsrechts in diese jüngere, u. a. denselben Regelungsbereich erfassende und die Richtlinie 85/577 ablösende Richtlinie sogar ganz allgemein und selbst für den Fall übernommen hat, dass der Unternehmer seine Verpflichtung zur Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts an sich verletzt hat (Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83). |
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| | Wird die erste Vorlagefrage verneint, jedoch die zweite Vorlagefrage bejaht, bestehen zuletzt hinsichtlich der Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs Zweifel im Hinblick auf die Auslegung von Unionsrecht, die nach Beurteilung des vorlegenden Senats mit Blick auf die übrigen Umstände des Ausgangsrechtsstreits entscheidungserheblich wären. |
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| | 1. Gemäß § 357 Abs. 1 BGB in der auf den Ausgangsrechtsstreit zeitlich anwendbaren Fassung ist nach deutschem Recht auf die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs grundsätzlich Rücktrittsrecht entsprechend anzuwenden. Damit wird u. a. auf § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB verwiesen, wonach im Fall des Rücktritts - d. h. im Rahmen der Verweisung des § 357 Abs. 1 BGB im Fall des Widerrufs - beide Parteien auch Nutzungen herauszugeben haben, die sie aus den vor dem Rücktritt von der jeweils anderen Partei empfangenen Leistungen gezogen haben. |
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| | Dabei geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung jedenfalls für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite davon aus, dass es sich bei den Raten, die ein Kreditnehmer vor dem Widerruf gezahlt hat und die typischerweise einen Zins- und einen Tilgungsanteil enthalten, insgesamt um empfangene Leistungen im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB handelt, mit der Folge, dass der Kreditnehmer nach Widerruf Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen hat, die der Kreditgeber aus diesen Zahlungen gezogen hat (ausführlich BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016, XI ZR 366/15, ECLI:DE:BGH:2016:120116BXIZR366.15.0, Rn. 18 ff.). |
|
| | Insoweit besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außerdem eine widerlegliche Vermutung dahin, dass eine Bank als Kreditgeber solche Nutzungen gezogen hat und zwar in spiegelbildlicher Höhe zu den von ihr zu beanspruchenden Verzugszinsen (BGH, Urteil vom 17. April 2018, XI ZR 446/16, Rn. 24, m. w. N.), d. h. in einem Fall wie dem Ausgangsrechtsstreit, der keinen durch ein Grundpfandrecht gesicherten Kreditvertrag zum Gegenstand hat, in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (BGH, Urteil vom 10. März 2009, XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123-134, Rn. 29). |
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| | Im Ausgangsrechtsstreit würde die Anwendung dieser Regelung in der beschriebenen Auslegung des Bundesgerichtshofs für den Fall eines wirksamen Widerrufs dazu führen, dass dem Kläger ein entsprechender Anspruch zustehen würde, nach seiner Berechnung insgesamt in Höhe von 3.995,92 Euro. |
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| | 2. Zugleich enthält Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2008/48 eine Regelung zu den Rechtsfolgen im Fall eines wirksamen Widerrufs. |
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| | Dabei sind in dieser Vorschrift nur Verpflichtungen des Verbrauchers bzw. Ansprüche des Kreditgebers genannt, der Rückzahlung des an den Verbraucher überlassenen Darlehens sowie auf der Basis des vereinbarten Sollzinssatzes berechnete Zinsen von der Inanspruchnahme bis zur Rückzahlung verlangen kann. |
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| | Dagegen sind Ansprüche des Verbrauchers bzw. Verpflichtungen des Kreditgebers nach wirksamem Widerruf wie die soeben 1. dargestellte weder in ihrem Art. 14 Abs. 3 noch an anderer Stelle der Richtlinie 2008/48 angesprochen. |
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| | 3. Wie der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, sind die Mitgliedstaaten außerdem daran gehindert, in Bezug auf Verträge, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48 fallen, Verpflichtungen für die Vertragsparteien einzuführen, sofern die Richtlinie harmonisierte Vorschriften im von den Verpflichtungen erfassten Bereich enthält (vgl. Urteil vom 9. September 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, Rn. 117 f., und die dort zitierte weitere Rechtsprechung). |
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| | 4. Es stellt sich daher die Frage, ob die in der Auslegung nach oben 1. im deutschen Recht vorgesehene Verpflichtung des Kreditgebers, nach wirksamem Widerruf Nutzungen an den Verbraucher herauszugeben, in einen Bereich fällt, für den die Richtlinie 2008/48 harmonisierte Vorschriften enthält. Wäre das der Fall, stünde die Richtlinie einer solchen Regelung bzw. Auslegung im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48 entgegen und die deutschen Gerichte wären, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, verpflichtet bis zur Grenze der Auslegung contra legem des nationalen Rechts für die volle Wirksamkeit der Richtlinie Sorge zu tragen (Urteil vom 5. März 2020, C-679/18, ECLI:EU:C:2020:167, Rn. 43 ff. und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). |
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| | An der Auslegung der Richtlinie 2008/48 zu dieser Frage bestehen Zweifel, so dass der vorlegende Senat auch insoweit von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Frage dem Gerichtshof mit der dritten Vorlagefrage zur Vorabentscheidung vorzulegen, falls die erste Vorlagefrage verneint und die zweite Vorlagefrage bejaht wird. |
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| | a) Einerseits enthält die Richtlinie 2008/48 in ihrem Art. 14 Abs. 3 Regelungen zu Rechtsfolgen, die im Fall eines wirksamen Widerrufs eintreten. |
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| | Das könnte bedeuten, dass die Richtlinie im Sinne der oben 3. dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs harmonisierte Vorschriften in dem Bereich enthält, in dem das deutsche Recht in der Auslegung nach oben 1. eine Verpflichtung des Kreditgebers zur Herausgabe von Nutzungen vorsieht, da diese Verpflichtung als eine Rechtsfolge des wirksamen Widerrufs erscheint. |
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| | Die Verpflichtung des Kreditgebers zur Herausgabe von Nutzungen würde dann über die in der Richtlinie vorgesehenen Rechtsfolgen hinausgehen, da die Richtlinie eine solche Rechtsfolge nicht vorsieht; das könnte dafür sprechen, dass die Richtlinie 2008/48 einer Regelung wie derjenigen des deutschen Rechts in der oben beschriebenen Auslegung ohne Weiteres entgegensteht. |
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| | b) Andererseits enthält die Richtlinie 2008/48 in Art. 14 Abs. 3 nur Regelungen zu Verpflichtungen des Verbrauchers, dagegen keine Regelungen zu Ansprüchen des Verbrauchers. |
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| | Man könnte die Richtlinie daher auch dahin verstehen, dass der von ihr erfasste und harmonisierte Bereich lediglich der Bereich der Verpflichtungen des Verbrauchers, nicht dagegen der Bereich seiner Ansprüche sei; dann stünde die Richtlinie dem Erlass einer Regelung wie der oben 1. dargestellten nicht entgegen, da diese Regelung einen Anspruch des Verbrauchers begründet. |
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| | Diese Überlegung könnte man allerdings für wenig überzeugend halten, weil es dem insbesondere in ihren Erwägungsgründen (7) und (9) niedergelegten Zweck der Richtlinie, einen echten Binnenmarkt zu schaffen, offensichtlich und in ihrem Kern widerspräche, wären die Mitgliedsstaaten frei darin, die Rechtsfolgen eines nach der Richtlinie wirksamen Widerrufs durch Schaffung unterschiedlicher Ansprüche des Verbrauchers im nationalen Recht beliebig unterschiedlich zu regeln. |
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| | c) Es ist in diesem Zusammenhang weiter zu bedenken, dass die Mitgliedsstaaten nach Art. 23 der Richtlinie 2008/48 Sanktionen festzulegen haben für Verstöße gegen die aufgrund der Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften. |
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| | Da die Widerruflichkeit eines Kreditvertrages mehr als 14 Tage nach Vertragsschluss im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 regelmäßig darauf beruhen wird, dass eine der Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 bzw. eine der zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften verletzt worden ist, könnte es den Mitgliedsstaaten auch gestattet sein, Ansprüche wie den oben 1. beschriebenen als Sanktion i. S. d. Art. 23 der Richtlinie 2008/48 vorzusehen. |
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| aa) Dabei scheint es zwingend zu sein, dass die Anordnung solcher Ansprüche als Sanktion dann ausgeschlossen ist, wenn Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie insgesamt den Bereich der Ansprüche nach wirksamem Widerruf erfasst. |
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| | Das dürfte unmittelbar aus Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 folgen, der es ausdrücklich ausschließt, dass Mitgliedstaaten innerstaatliche Bestimmungen einführen oder beibehalten, soweit die Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält. Jedes andere Ergebnis erschiene auch perplex, da es unmittelbar dem Zweck der Vollharmonisierung zuwiderlaufen würde. |
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| | bb) Wäre die Regelung der Ansprüche nach Widerruf dagegen nicht insgesamt zu den harmonisierten Bereichen zu zählen, könnte es in Betracht kommen, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich in Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2008/48 nicht vorgesehene Ansprüche des Verbrauchers als Sanktion i. S. d. Art. 23 dieser Richtlinie vorsehen. |
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| | Würde man so argumentieren, würde sich allerdings die Frage stellen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine solche Sanktion den Anforderungen des Art. 23 der Richtlinie 2008/48 genügen würde, da Art. 23 u. a. verlangt, dass die Sanktion verhältnismäßig sein muss. |
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| | Es erschiene insbesondere denkbar, die Zuerkennung eines Anspruchs auf Herausgabe von Nutzungen als zusätzliche Sanktion neben der bereits von der Richtlinie selbst angeordneten Widerruflichkeit grundsätzlich für unverhältnismäßig zu halten, mit Blick auf die oben III. 2. b) angestellten Erwägungen jedenfalls dann, wenn der fragliche Kreditvertrag bereits vollständig beendet ist. Denn bei Zuerkennung des oben 1. beschriebenen Anspruchs des Verbrauchers bzw. der Verpflichtung des Kreditgebers würde sich der nach vollständiger Beendigung des Kreditvertrages erklärte Widerruf für den Verbraucher so auswirken, als hätte er mit jeder der von ihm erbrachten Zahlungen eine mit 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verzinsliche Geldanlage getätigt. Dabei könnte der Verbraucher außerdem mit dem Widerruf beliebig lange zuwarten, da - wie es Prämisse für die dritte Vorlagefrage ist - das Widerrufsrecht auch bei vollständiger Vertragserfüllung weder allein durch Zeitablauf, noch ipso jure, noch kraft mitgliedsstaatlicher Regelung erlöschen würde. |
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| | d) Soweit die Mitgliedsstaaten nach Erwägungsgrund (35) der Richtlinie 2008/48 darin frei sind, die Rechtsfolgen zu regeln, die der Widerruf eines Kreditvertrages für damit verbundene (wie z. B. hier insbesondere Kauf-)Verträge hat, könnte man zuletzt daran denken, dass sich hieraus eine Befugnis der Mitgliedsstaaten zum Erlass von Regelungen wie der hier in Rede stehenden, oben 1. beschriebenen Verpflichtung ergeben könnte. |
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| | Allerdings handelt es sich bei der fraglichen Verpflichtung nach oben 1. nicht um eine Regelung im Zusammenhang mit den Folgen des Widerrufs für einen verbundenen (Kauf-)Vertrag, sondern um eine unmittelbar an den Widerruf des Kreditvertrages anknüpfende Regelung; es erschiene dem vorlegenden Senat daher nicht nahliegend, diese Verpflichtung als eine Regelung einzuordnen, die zu erlassen die Mitgliedsstaaten mangels Harmonisierung der Rechtsfolgen des Widerrufs des Kreditvertrages für verbundene Verträge berechtigt wären. |
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