Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 Bs 14/21
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller, Rechtsanwalt in Hamburg, lebt gemeinsam mit seiner Freundin in einem Haushalt. Er wendet sich in dem vorliegenden Eilverfahren gegen die seit dem 8. Januar 2021 in Hamburg geltende verschärfte Kontaktbeschränkung, die in § 4 a Abs. 2 Satz 1der HmbSARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (i. F.: CoronaVO) geregelt ist. Sie lautet in der Fassung der 27. Änderungsverordnung vom 7. Januar 2021 (HmbGVBl. S. 1):
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„(2) Zusammenkünfte im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis an öffentlichen Orten, in Fahrzeugen zum Zwecke der Freizeitgestaltung oder im privaten Wohnraum und dem dazugehörigen befriedeten Besitztum sind nur mit den folgenden Personen zulässig:
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1. den Angehörigen eines gemeinsamen Haushalts,
2. Personen, zwischen denen ein familienrechtliches Sorge- oder Umgangsrechtsverhältnis
besteht oder
3. einer Person eines weiteren Haushalts;
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es wird empfohlen, die körperlichen Kontakte auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren und geeignete Hygienemaßnahmen einzuhalten.“
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Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt er die vorläufige Feststellung, dass es ihm weiterhin erlaubt sei, sich im Sinne der bis zum 7. Januar 2021 geltenden Kontaktbeschränkungsregelung (Zusammenkünfte von maximal fünf Personen aus maximal zwei Haushalten) zu verhalten.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Eilantrag müsse mangels Anordnungsgrundes im Sinne von § 123 VwGO ohne Erfolg bleiben. Werde, wie im vorliegenden Fall, die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, so seien an den Anordnungsgrund erhöhte Anforderungen zu stellen. Es müssten so gravierende Nachteile mit hoher Wahrscheinlichkeit einzutreten drohen, dass ein weiteres Zuwarten mit Art. 19 Art. 4 GG und dem danach zu gewährleistenden Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar wäre. Dies sei hier nicht der Fall. Die Verlegung des vom Antragsteller ursprünglich geplanten Spielabends vom 10. Januar auf den 13. Januar 2021 erfülle diese Voraussetzung offenkundig nicht. Auch für die eigentliche Kontaktbeschränkung durch die CoronaVO als solche gelte nichts Anderes. Zwar stelle diese für den rechtsgehorsamen Adressaten eine nicht unerhebliche Einschränkung der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten freien Entfaltung der Persönlichkeit dar; gleichwohl führe sie nicht zu einem Ausschluss jeglichen sozialen Kontaktes, und Brettspiele könne man auch virtuell veranstalten. Angesichts der unverändert signifikant hohen Ansteckungsrate und der zeitlich begrenzten Geltungsdauer der Regelung könne daher ohne besondere Umstände ein Anordnungsgrund nicht anerkannt werden.
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Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts nach Maßgabe des Beschwerdeantrags zu ändern.
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1. Der Antragsteller macht geltend, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei in vielfacher Hinsicht unrichtig. So sei in seinem Fall das Vorliegen des Anordnungsgrundes bereits indiziert (a). Davon abgesehen lägen hinreichende Gründe vor, um das Vorliegen des Anordnungsgrundes in seinem Fall konkret zu bejahen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei zudem noch aus weiteren Gründen fehlerhaft (c).
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All diese Beanstandungen greifen nicht durch.
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a) Der Antragsteller trägt vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht und zu einseitig allein das Vorliegen eines Anordnungsgrundes geprüft und sich mit dem Anordnungsanspruch nicht beschäftigt. Es hätte vielmehr zuerst den Anordnungsanspruch prüfen und dessen Vorliegen bejahen müssen. Wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 28.9.2009, 1 BvR 1702/09) ergebe, sei das Vorliegen des Anordnungsgrundes im vorliegenden Fall indiziert. Dies sei nämlich stets dann der Fall, wenn Grundrechtspositionen von Gewicht in Rede stünden, deren fortschreitende endgültige Vereitelung durch Zeitablauf drohe, und wenn der Anordnungsanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben sei. So liege es auch im vorliegenden Fall. Sein Begehren werde nicht allein durch Art. 2 Abs. 1 GG gestützt, sondern zusätzlich durch mehrere weitere Grundrechte, die hier wiederum zumindest den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG verstärkten. Er treffe immer wieder neue Verabredungen mit seinen Freunden unter dem Vorbehalt einer positiven Gerichtsentscheidung, daher drohten immer neue Rechtsverluste durch Zeitablauf. Sein Anordnungsanspruch sei mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben, da die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung rechtswidrig sei. Die CoronaVO sei bereits aus formellen Gründen nichtig; davon abgesehen verstoße die streitgegenständliche verschärfte Kontaktbeschränkung gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und gegen mehrere Grundrechte.
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Diese Einwände bleiben erfolglos. Im Einzelnen ist dazu Folgendes auszuführen:
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aa) Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall des Antragstellers im vorstehend genannten Sinn ein „Grundrecht von Gewicht“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.9.2009, 1 BvR 1702/09 Rn. 24) betroffen ist. Auch wenn man mit dem Antragsteller annehmen sollte, dass der Schutzbereich seines Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durch weitere Grundrechte, etwa seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, verstärkt wird, bleibt allerdings festzuhalten, dass es in den Fällen, in welchen das Bundesverfassungsgericht eine solche Schutzbereichsverstärkung von Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.1.2002, 1 BvR 1783/99, BVerfGE 104, 337) bzw. eine den Anordnungsgrund indizierende „Grundrechtsposition von Gewicht“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.9.2009, a. a. O., Rn. 24; Beschl. v. 25.10.1988, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69, Rn. 29; Beschl. v. 16.5.1995, 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, Rn. 28 – 32; jeweils in juris) angenommen hat, maßgeblich um die Wahrnehmbarkeit der Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG ging. Ob die durch die CoronaVO normierte streitgegenständliche Kontaktbeschränkung, die es immerhin zulässt, beliebig viele Personen aus anderen Haushalten, auch zu Hause, jeweils einzeln zu treffen, einen Eingriff in ein Grundrecht von vergleichbarem Gewicht darstellt, kann hier offenbleiben.
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bb) Es erscheint als zweifelhaft, ob ggf. dem Antragsteller im o. g. Sinne eine fortschreitende endgültige Vereitelung einer Grundrechtsposition von Gewicht durch Zeitablauf drohen würde. Es droht hier weder der Ablauf vorläufiger Genehmigungen von erheblichem beruflichen Gewicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.9.2009, a. a. O., Rn. 16 f.) noch das Auslaufen kommunalpolitischer Mandate (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.1988, a. a. O., Rn. 5 f.) noch die fortgesetzte Verletzung der Glaubensfreiheit bis zum nahenden Ende der Schulzeit durch Schulabschluss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.5.1995, a. a. O., Rn. 32) noch der Verlust anderer Rechtspositionen von entsprechendem Gewicht durch Zeitablauf. Der Umstand, dass der Antragsteller (ebenso wie im Prinzip alle Bewohnerinnen und Bewohner Hamburgs) immer wieder Verabredungen mit seinen Freunden absagen musste (und ggf. aktuell weiterhin absagen muss), dürfte kein vergleichbares Gewicht im Sinne einer „endgültigen Vereitelung durch Zeitablauf“ haben. Verabredungen sind selbst gesetzte Termine, die jedenfalls in der Regel nicht in dem Sinne zeitlich fixiert sind, dass sie nur an einem bestimmten, nicht verschiebbaren Termin stattfinden können und danach ihren Sinn verlieren; für die Verabredungen des Antragstellers ist Gegenteiliges nicht ersichtlich.
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cc) Jedenfalls ist der vom Antragsteller geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben. Dementsprechend war das Verwaltungsgericht nicht daran gehindert, seine Prüfung auf den Anordnungsgrund zu fokussieren (und an dessen Vorliegen wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache erhöhte Anforderungen zu stellen). Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht im Falle einer entsprechenden (ausdrücklichen) Prüfung das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs hätte bejahen müssen.
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aaa) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die CoronaVO nicht bereits aus formellen Gründen nichtig, weil die Präambel der Verordnung hinsichtlich der Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung vom Senat auf andere Stellen der hamburgischen Verwaltung gegen das Zitiergebot verstoßen würde. Ein solcher Verstoß liegt nicht vor.
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Der Antragsteller macht insoweit geltend, die CoronaVO verstoße insofern gegen das Zitiergebot nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG, als in der Präambel der Verordnung nicht auch die Bestimmung des § 2 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Parlamentsbeteiligung beim Erlass infektionsschützender Maßnahmen vom 18. Dezember 2020 (HmbGVBl. S. 701) angeführt werde, nach welcher der Senat seine Verordnungsermächtigung auf andere Stellen übertragen dürfe, was der Senat bei der CoronaVO im dortigen § 38 Satz 1 tatsächlich getan habe. Durch § 2 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Parlamentsbeteiligung beim Erlass infektionsschützender Maßnahmen habe die Antragsgegnerin von ihrer Befugnis nach Art. 80 Abs. 4 GG Gebrauch gemacht, im Rahmen der bundesrechtlich begründeten Verordnungsermächtigung eine Regelung durch Gesetz zu treffen, was auch die Befugnis umfasse, die Verordnungsermächtigung weiter zu delegieren. Dementsprechend müsse sich eine Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung auch auf die o. g. Bestimmung des hamburgischen Gesetzes stützen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 101, 1, 42 ff.) fordere bei Überschneidungen mehrerer den Verordnungsinhalt alternativ abdeckender Ermächtigungsgrundlagen den vollständigen Nachweis aller in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen; ein Verstoß dagegen führe zur Nichtigkeit der Verordnung. Die somit gegebene Nichtigkeit der CoronaVO führe zugleich hinsichtlich der darin normierten Grundrechtseingriffe dazu, dass diese mangels Rechtsgrundlage gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstießen (Beschwerdebegründung, S. 14 des nicht paginierten Schriftsatzes unter „8.“, und Eilantragsschrift vom 11.1.2021, S. 5 f. des ebenfalls nicht paginierten Schriftsatzes, unter „2. Formelle Rechtmäßigkeit“).
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Dieser Angriff schlägt nicht durch.
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Die gesetzliche Ermächtigung der Landesregierungen für die Möglichkeit der Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung auf andere Stellen folgt abschließend und unmittelbar bundesrechtlich aus § 32 Satz 2 IfSG, der wiederum in der Präambel der 27. Änderungsverordnung vom 7.1.2021 und in der Präambel der „Weiterübertragungsverordnung-Infektionsschutzgesetz“ vom 8.1.2021 (HmbGVBl. S. 9) angeführt wird. Die Regelung in § 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Parlamentsbeteiligung beim Erlass infektionsschützender Maßnahmen hat demgegenüber keine konstitutive, sondern bloß eine deklaratorisch „klarstellende“ Bedeutung (vgl. die Begründung des betreffenden Gesetzentwurfs, Bü-Drs. 22/2415 vom 2.12.2020, S. 4). Dem entspricht die Bestimmung des § 2 Satz 1 dieses Gesetzes, der auf die Verordnungsermächtigung „nach Maßgabe von § 32 IfSG“ Bezug nimmt. Derartige rechtstechnisch überflüssige „Ermächtigungen“ unterfallen nicht dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG.
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Die von dem Antragsteller angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 6.7.1999, 2 BvF 3/90, juris) führt hier zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. In jenem, die damalige Hennenhaltungsverordnung des Bundes betreffenden Fall hat das Bundesverfassungsgericht in dem hier maßgeblichen Zusammenhang Folgendes ausgeführt (a. a. O., Rn. 161):
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„Die angegriffene Verordnung nennt als Ermächtigungsgrundlage in ihrem Vorspruch lediglich § 2 a Abs. 1 in Verbindung mit § 16 b Abs. 1 Satz 2 TierSchG. Art. 2 des Gesetzes vom 25. Januar 1978 zum Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (ETÜ) in Verbindung mit der gemäß Art. 9 Abs. 3 ETÜ für Deutschland wirksam gewordenen und deshalb innerstaatlich durchzusetzenden Empfehlung des Ständigen Ausschusses vom 21. November 1986 für das Halten von Legehennen der Art Gallus Gallus wird nicht erwähnt, obwohl die Verordnung auch hierauf beruht. Zwar schreiben weder Art. 2 des Zustimmungsgesetzes noch Art. 9 ETÜ zur Umsetzung der Empfehlung den Weg einer Rechtsverordnung vor. Vielmehr stellt Art. 16 der Empfehlung jedem Vertragspartner frei, in welchem der ihm geeignet erscheinenden Verfahren er die Empfehlung umsetzen will. Im vorliegenden Fall aber hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Hilfe der Hennenhaltungsverordnung auch die wichtigsten Elemente der genannten Empfehlung umsetzen wollen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus der dem Verordnungsentwurf beigefügten Begründung (vgl. BRDrucks 219/87, S. 9). Hatte aber die angegriffene Verordnung nach dem zu ihrer Begründung erkennbar geäußerten Willen des Verordnungsgebers auch dieses Ziel, dann mußte nach dem dargestellten Sinn und Zweck des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG auch die hierfür einschlägige Ermächtigungsgrundlage im Text der Verordnung genannt werden.“
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Jener Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. § 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Parlamentsbeteiligung beim Erlass infektionsschützender Maßnahmen hat, anders als Art. 2 des Gesetzes vom 25. Januar 1978 zum Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (ETÜ) in Verbindung mit der gemäß Art. 9 Abs. 3 ETÜ für Deutschland wirksam gewordenen und deshalb innerstaatlich durchzusetzenden Empfehlung des Ständigen Ausschusses vom 21. November 1986 in dem seinerzeit vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden Fall, keine eigenständige Bedeutung für die Verordnungsermächtigung bzw. für die Befugnis zu deren Weiterübertragung.
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bbb) Aus den von dem Antragsteller angeführten Gründen (vgl. die Beschwerdeschrift, S. 9, 2. Absatz i. V. m. der Eilantragsschrift vom 11.1.2021, S. 8 - 20, und den Schriftsatz vom 8.2.2021) ergibt sich nicht, dass die streitgegenständliche verschärfte Kontaktbeschränkung unverhältnismäßig wäre.
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(1) Der Antragsteller trägt vor (Eilantragsschrift vom 11.1.2021, S. 8 - 15, und Schriftsatz vom 8.2.2021), die Verschärfung der Kontaktbeschränkung sei bereits nicht geeignet, die mit ihr verfolgten Ziele zu fördern. Damit vermag er nicht durchzudringen.
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Die vom Antragsteller dort im Einzelnen geäußerte Kritik ist zwar nicht abwegig. Sie ist aber auch nicht in dem Sinne zwingend, dass der Verordnungsgeber von der Verschärfung der Kontaktbeschränkung hätte absehen müssen, weil sie offensichtlich ungeeignet zur Erreichung des legitimen Zwecks wäre, das Infektionsgeschehen einzudämmen.
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Die Anforderungen an die Geeignetheit eines Mittels im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind nicht besonders streng. Die Geeignetheit eines Mittels ist bereits gegeben, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.2.2001, 1 BvR 781/98, juris Rn. 22); eine Maßnahme ist in diesem Sinne geeignet, wenn der gewünschte Erfolg dadurch gefördert werden kann, ohne dass der Zweck gerade durch dieses Mittel vollständig erreicht werden müsste. Bei der Beurteilung komplexer Gefahrenlagen, wie sie bei der aktuellen Corona-Pandemie gegeben ist, steht dem Verordnungsgeber außerdem ein weiter Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Einschätzung der geeigneten, erforderlichen und gebotenen Maßnahmen zu (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.5.2020, 5 Bs 77/20, juris Rn. 28).
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Nach diesem Maßstab ist es auch im Lichte der Ausführungen des Antragstellers nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Verschärfung der Kontaktbeschränkung als ungeeignet zur Eindämmung des Coronavirus einzustufen wäre. Es kann zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen, wenn man sich gleichzeitig nur noch mit den Mitbewohnern des eigenen Haushalts und einer weiteren, haushaltsfremden Person treffen darf. Dies gilt auch im Vergleich zu der davor bis zum 7. Januar 2021 in Hamburg geltenden Regelung, nach der bei Zusammenkünften von Angehörigen eines gemeinsamen Haushalts mit Angehörigen eines weiteren Haushalts insgesamt bis zu fünf Personen zulässig waren, wobei Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht mitgerechnet wurden (vgl. § 4 a Abs. 1 Satz 1 CoronaVO i. d. F. vom 27.11.2020, HmbGVBl. S. 595). Im Vergleich zu dieser Regelung macht es die derzeitig geltende Bestimmung für Bewohner von zwei verschiedenen Haushalten unattraktiver, sich zu treffen, weil aus dem jeweiligen zweiten Haushalt nur eine Person dabei sein darf, und somit z. B. befreundete Paare, die jeweils im selben Haushalt leben, nicht zusammenkommen dürfen. Dies kann dazu beitragen, die Anzahl der Verabredungen und dadurch entstehender Kontakte überhaupt zu reduzieren.
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Der Verlauf der 7-Tages-Inzidenzen in Hamburg seit Inkrafttreten der Verschärfung der Kontaktbeschränkung spricht im Übrigen dafür, dass diese Maßnahme (neben anderen) zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beigetragen und der Verordnungsgeber seinen Einschätzungsspielraum insoweit sachgerecht ausgefüllt hat; dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Verordnungsgeber mit der 27. Änderungsverordnung vom 7. Januar 2021 noch weitere Maßnahmen, wie etwa das Alkoholkonsumverbot im öffentlichen Raum (§ 4 d), normiert hat. So betrug dieser Wert für Hamburg am 7. Januar 2021 noch 113, während er am 11. Februar 2021 (dem Tag der 31. Änderung der CoronaVO, welche die Verschärfung der Kontaktbeschränkung unberührt ließ), nur noch bei 58 lag (vgl. die Covid-19-Lageberichte des RKI vom 7.1.2021 und 11.2.2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html, unter „Tägliche Situationsberichte“), sich also fast halbiert hatte.
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Alldem entspricht es, dass auch in den von dem Antragsteller (mit Schriftsatz vom 25.1.2021) angeführten Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte, die mit entsprechenden Verschärfungen der Kontaktbeschränkungen befasst waren, keine Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit der Maßnahme geäußert worden sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.1.2021, 13 MN 11/21, juris Rn. 34 ff.; OVG Schleswig, Beschl. v. 22.1.2021, 3 MR 4/21, juris Rn. 39 ff.).
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(2) Auch die von dem Antragsteller vorgetragenen Zweifel hinsichtlich der Erforderlichkeit der verschärften Kontaktbeschränkung (vgl. Eilantragsschrift vom 11.1.2021, S. 15- 19) schlagen nicht durch. Sie lassen nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen auch insoweit gegebenen Einschätzungsspielraum (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.5.2020, a. a. O.) verlassen hätte.
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Die von dem Antragsteller angeführten Alternativmaßnahmen zum Themenbereich „Eindämmung des Infektionsgeschehens“ (vgl. die Eilantragsschrift vom 11.1.2021, S. 15 - 18: „Vermehrtes Lüften und Tragen von Masken“, „Beschränkung multipler verschiedener Kontakte“, „Verbot von besonders ansteckenden Aktivitäten“ wie „gemeinsames Singen und schwere körperliche Arbeit in geschlossenen Räumlichkeiten bei mangelnder Lüftung“ und „Verbesserte Durchsetzung der bereits vorher bestehenden Maßnahmen“) sind entgegen seiner Darstellung nicht als zwingend vorrangig gegenüber der streitgegenständlichen verschärften Kontaktbeschränkung einzustufen. Sie mögen, soweit sie hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit realitätsnah erscheinen (woran man etwa bei einer Maskenpflicht oder einem Verbot des Singens oder „schwerer körperlicher Arbeit“ bei privaten Begegnungen in privaten Räumlichkeiten oder bei einem Verbot „multipler verschiedener Kontakte in kurzer Zeit“ erheblich zweifeln darf), als zusätzliche Maßnahmen in Betracht kommen; der Verordnungsgeber darf aber gleichwohl annehmen, dass die unmittelbare Reduzierung der Kontakte effektiver zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beiträgt. Angesichts dessen kommt es auf die weiteren Ausführungen des Antragstellers zur Thematik der Erforderlichkeit im Hinblick auf andere Zwecke (vgl. die Eilantragsschrift vom 11.1.2021, S. 18 - 19 des nicht paginierten Schriftsatzes) nicht mehr an.
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Alldem entspricht es, dass auch in den vom Antragsteller (mit Schriftsatz vom 25.1.2021) angeführten Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte, die mit entsprechenden Verschärfungen der Kontaktbeschränkungen befasst waren, keine durchschlagenden Zweifel hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahme geäußert worden sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.1.2021, 13 MN 11/21, juris Rn. 39 ff.; OVG Schleswig, Beschl. v. 22.1.2021, 3 MR 4/21, juris Rn. 42 f.).
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(3) Der Antragsteller macht geltend (vgl. die Eilantragsschrift vom 11.1.2021, S. 19 - 20), die Verschärfung der Kontaktbeschränkung sei zudem „unverhältnismäßig“ (im engeren Sinne, also unangemessen). Auch seine diesbezüglichen Ausführungen lassen nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen auch insoweit gegebenen Einschätzungsspielraum (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.5.2020, a. a. O.) verlassen hätte. Sie betreffen der Sache nach weniger die Angemessenheit der Maßnahme als wieder deren Geeignetheit und Erforderlichkeit („Entsprechende Alternativen wurden oben bereits angesprochen“). Soweit der Antragsteller auch in diesem Zusammenhang die seinerseits angenommene „Pönalisierung von Zufallstreffen“ anspricht, wird auf die nachstehend folgenden Ausführungen zum Thema „Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG“ Bezug genommen.
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ccc) Der Antragsteller rügt, die verschärfte Kontaktbeschränkung verstoße gegen mehrere Grundrechte.
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(1) Er trägt vor (Beschwerdeschrift, S. 9 - 11), der Schutzbereich von Art. 13 GG sei im vorliegenden Zusammenhang betroffen. Es sei vom Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass Art. 13 GG über ein bloßes negatives Abwehrrecht hinaus auch das Recht schütze, innerhalb der eigenen Wohnung diejenigen Personen zu empfangen, mit denen man diesen Privatbereich teilen wolle; diese Möglichkeit werde durch die streitgegenständliche Verschärfung weiter eingeschränkt. Allerdings könnten derartige Eingriffe und Beschränkungen im Rahmen des Art. 13 Abs. 7 GG gerechtfertigt sein, insbesondere zur Bekämpfung von Seuchengefahr. Ob dies hier der Fall sei, hätte das Verwaltungsgericht im Rahmen des Anordnungsanspruches prüfen müssen. Die Wohnung in ihrer Ausprägung werde im Übrigen auch von Art. 8 EMRK geschützt; diese Bestimmung finde nach der Rechtsprechung des EGMR Anwendung, wenn die Qualität des Privatlebens und die Möglichkeit, die Wohnung zu nutzen, beeinträchtigt würden.
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Damit legt der Antragsteller keinen Verstoß von § 4 a CoronaVO gegen Art. 13 GG oder Art. 8 EMRK dar. Sofern man mit dem Antragsteller davon ausgeht, dass der Schutzbereich von Art. 13 GG durch die auch in Privatwohnungen geltende verschärfte Kontaktbeschränkung berührt ist, stellt sich die von ihm selbst angesprochene Frage, ob diese Maßnahme nicht unter die nach Art. 13 Abs. 7 GG rechtmäßigen Eingriffe oder Beschränkungen fällt. Dazu trägt der Antragsteller allerdings nicht weiter vor. Sein Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe es versäumt, diese Frage zu prüfen, führt allein nicht weiter.
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Gleiches gilt für seinen Vortrag zu Art. 8 EMRK. Auch wenn man annimmt, dass der Schutzbereich dieses Rechts durch die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung berührt ist, bleibt die Frage offen, ob es sich hierbei nicht um einen Eingriff nach Art. 8 Abs. 2 EMRK handelt, „der ... gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit ...“. Hierzu verhält sich der Antragsteller nicht. Sofern sein Vorbringen zur seines Erachtens fehlenden Verhältnismäßigkeit auch in diesem Zusammenhang zu beachten sein sollte, wäre es hier nicht anders zu würdigen als der obigen Behandlung der Verhältnismäßigkeit selbst.
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(2) Der Antragsteller macht geltend (Beschwerdeschrift, S. 11), auch sein durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht sei durch die verschärfte Kontaktbeschränkung betroffen. Räumlich erstrecke sich dieser Schutz auf einen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen könne (BVerfGE 101, 361, 382 f.). Hierbei sei nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Sphärentheorie zwischen Eingriffen im Rahmen der Sozialsphäre und solchen im Rahmen der Privatsphäre und damit im hier vorliegenden Zusammenhang zwischen Treffen in seiner Wohnung und solchen an öffentlichen Orten zu unterscheiden; Eingriffe in die Privatsphäre seien nur unter strenger Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen. Angesichts dessen hätte das Verwaltungsgericht zumindest die Sphärenwertung des Eingriffs in die Privatsphäre berücksichtigen müssen und daher die Eingriffe in seine Rechte nicht als Eingriffe mit bloß geringem Gewicht abtun dürfen.
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Dieser Angriff schlägt nicht durch.
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Inwieweit das Recht des Antragstellers, in seiner Wohnung zu sich zu kommen und sich dort zu entspannen oder auch gehen zu lassen, durch die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung dadurch berührt wird, dass er derzeitig dort nur eine einzige haushaltsfremde Person auf einmal empfangen darf, mag hier dahinstehen. Um einen intensiven Eingriff in dieses Recht handelt es sich dabei jedenfalls nicht. Seine Wohnung als Rückzugsraum der Privatheit, in der er zu sich kommen kann, ohne dabei durch (staatliche) Eingriffe in seine Privatsphäre gestört zu werden, bleibt im Wesentlichen erhalten. In der hier vom Antragsteller angeführten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, bei dem räumlichen Bereich der Privatsphäre gehe es im Kern um einen Raum, in dem man die Möglichkeit habe, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass man sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit. Bestünden solche Rückzugsbereiche nicht mehr, könnte der Einzelne psychisch überfordert sein, weil er unausgesetzt darauf achten müsste, wie er auf andere wirke und ob er sich richtig verhalte. Ihm fehlten die Phasen des Alleinseins und Ausgleichs, die für die Persönlichkeitsentfaltung notwendig sind und ohne die sie nachhaltig beeinträchtigt würde (BVerfG, Urt. v. 15.12.1999, 1 BvR 653/96, juris Rn. 74, „Caroline-Entscheidung“). Diese Kernfunktion des räumlichen Bereichs der Privatsphäre, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle sein zu können, wird für Privatwohnungen durch die hier streitgegenständliche Kontaktbeschränkung nicht beeinträchtigt.
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Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen den mit der Kontaktbeschränkung verbundenen Eingriff in die Rechte des Antragstellers gerade nicht als solchen „mit bloß geringem Gewicht abgetan“. Es hat vielmehr ausgeführt, die Kontaktbeschränkung stelle „für den rechtsgehorsamen Adressaten eine nicht unerhebliche Beschränkung der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährten freien Entfaltung der Persönlichkeit dar“, dann allerdings hinzugefügt, diese Beschränkung sei „nicht von gleichsam absoluten Gewicht“ (BA S. 3). Dies ist eine andere Argumentation als diejenige, die der Antragsteller dem Verwaltungsgericht hier unterstellt.
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(3) Der Antragsteller trägt vor (Beschwerdeschrift, S. 11 - 12), Art. 2 Abs. 2 GG schütze auch die psychische Integrität, soweit durch Einwirkungen auf die Psyche körperliche Effekte hervorgerufen werden könnten. Auch die Verursachung eines Risikos einer Schutzgutbeeinträchtigung müsse als Eingriff qualifiziert werden. Dies bedeute zwar noch nicht, dass jedes noch so kleine Risiko aufgrund dieser Schutzpflicht verboten sei; dies sei vielmehr eine Frage der Eingriffsrechtfertigung. Damit stellten sich die Verschärfung der Kontaktbeschränkung und die „Pönalisierung von Zufallstreffen“ aufgrund ihrer sich physisch manifestierenden psychischen Wirkung einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 GG dar. Das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob dieser Eingriff gerechtfertigt werden könne.
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Dieser Einwand verfängt nicht.
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Die Argumentation bleibt weitgehend im abstrakten Bereich und lässt nur insofern die Behauptung einer eigenen konkreten Rechtsbetroffenheit des Antragstellers erkennen, als er (auch an dieser Stelle) die „Pönalisierung von Zufallstreffen“ anführt. Diese Gefahr besteht jedoch nicht. Zufallsbegegnungen sind nicht durch die CoronaVO „pönalisiert“.
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Soweit § 4 a Abs. 2 CoronaVO Zusammenkünfte im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis an öffentlichen Orten, in Fahrzeugen zum Zwecke der Freizeitgestaltung oder im privaten Wohnraum und dem dazugehörigen befriedeten Besitztum nur in den dort genannten Grenzen für zulässig erklärt, bezieht sich diese Bestimmung allein auf das geplante Zusammentreffen von Menschen und nicht auf ungeplante Zufallsbegegnungen. Dies ergibt sich ohne weiteres daraus, dass Gebote und Verbote nur insoweit einen Sinn ergeben können und durchsetzbar sind, als die damit adressierten Menschen tatsächlich die Möglichkeit haben, sich eigenverantwortlich daran zu halten. Unbeeinflussbare Zufälle sind der Handlungsmacht der Normadressaten entzogen und dementsprechend auch nicht nach der CoronaVO sanktionierbar. Dem entspricht die Regelung zur Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit Verstößen gegen § 4 a Abs. 2 CoronaVO. In § 39 Nr. 3 heißt es, ordnungswidrig verhalte sich, wer „entgegen § 4a Absatz 2 Satz 1 eine Zusammenkunft im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis veranstaltet oder an einer solchen teilnimmt, die über die nach § 4 a Absatz 2 Satz 1 zulässige Arten der Zusammensetzung hinausgeht“. Damit sind eindeutig Verhaltensweisen beschrieben, die eine eigenständige Steuerbarkeit der jeweiligen Situation voraussetzen. Beim „Veranstalten“ einer Zusammenkunft im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis liegt dies auf der Hand. Aber auch die „Teilnahme“ an einer solchen (rechtswidrigen) „Veranstaltung“ setzt voraus, dass die betreffenden Personen selbst beeinflussen können, ob und wie sie dorthin geraten bzw. ob sie dort verbleiben. Dem entspricht auch die Legaldefinition der „Veranstaltung“ in § 2 Abs. 4 Satz 1 CoronaVO: Danach ist eine „Veranstaltung im Sinne dieser Verordnung ... ein zeitlich begrenztes und geplantes Ereignis mit einer definierten Zielsetzung oder Absicht sowie mit thematischer, inhaltlicher Bindung oder Zweckbestimmung in der abgegrenzten Verantwortung einer Veranstalterin oder eines Veranstalters, einer Person, Organisation oder Institution, an dem eine Gruppe von Menschen teilnimmt.“ Dementsprechend setzt auch das „Veranstalten“ einer rechtswidrigen Zusammenkunft im Sinne des § 39 Nr. 3 CoronaVO „ein geplantes Ereignis mit einer definierten Zielsetzung oder Absicht“ voraus.
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Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, unter welchen Umständen im Einzelnen aus Zufallsbegegnungen gemäß § 4 a Abs. 2 Satz 1 CoronaVO verbotene „Zusammenkünfte“ werden können. Damit möglicherweise einhergehende „Probleme“ erscheinen allerdings nicht als unlösbar. Begegnen sich etwa zufällig zwei befreundete (jeweils zusammenlebende) Paare im öffentlichen Raum, liegt jedenfalls so lange keine „Zusammenkunft“ vor (und ist bei einem Gespräch in dieser Situation lediglich zwischen den Paaren der Mindestabstand nach § 3 Abs. 2 CoronaVO zu wahren), wie die Zufälligkeit und Ungeplantheit des Aufeinandertreffens die Situation prägt. Dies würde sich allerdings ändern, falls beide Paare in dieser Situation übereinkämen, nunmehr über das zufällige Aufeinandertreffen hinaus mehr Zeit miteinander zu verbringen, und sich daraus ein gemeinsamer „Aufenthalt“ im öffentlichen Raum im Sinne von § 4 Abs. 1 CoronaVO ergäbe.
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Entgegen der Schreckensvision des Antragstellers ist jedenfalls niemand dazu verpflichtet, beim Aufenthalt im öffentlichen Raum stets vor Zufallsbegegnungen mit Bekannten auf der Hut zu sein und diese zur Vermeidung einer „Pönalisierung“ auf jeden Fall zu umgehen. Dementsprechend hat der Antragsteller keinen Grund, aus Angst vor Sanktionen auf (gemeinsame) Spaziergänge (mit seiner Freundin) zu verzichten, weil er dabei zufällig auf mindestens zwei ihm bekannte Personen, die gemeinsam unterwegs sind, treffen könnte. Ebenso wenig bräuchte er vor diesen zu flüchten, wenn er sie aus der Entfernung wahrnimmt und erkennt, dass die Wege sich kreuzen werden (vgl. dazu auch die nachstehenden Ausführungen unter „b)“). Angesichts dessen ist der vom Antragsteller behauptete psychische Eingriff in sein Recht aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht recht nachvollziehbar.
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(4) Der Antragsteller trägt vor (Beschwerdeschrift, S. 12), selbst wenn man die vorstehend angeführten Grundrechte nicht für sich als einschlägig erachte, so führe ihre Berührung jedenfalls zu einer Schutzbereichsverstärkung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Dementsprechend sei hier dieser Schutzbereich zu verstärken durch Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 13 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Somit könne bei den jetzt geltenden Kontaktbeschränkungen nicht mehr von Eingriffen von bloß geringem Gewicht ausgegangen werden. Das Verwaltungsgericht habe dies nicht hinreichend berücksichtigt und es hätte zumindest den Anordnungsanspruch prüfen müssen.
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Auch diese Rüge greift nicht durch. Nach den vorstehenden Ausführungen dürfte im vorliegenden Fall eine Schutzbereichsverstärkung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch die hier vom Antragsteller angeführten Grundrechte keinen allzu weitreichenden Effekt haben. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht, dass die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung als unverhältnismäßiger Eingriff in die solchermaßen schutzbereichsverstärkte allgemeine Handlungsfreiheit einzustufen wäre. Im Übrigen bleibt auch an dieser Stelle zu bemerken, dass das Verwaltungsgericht die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung nicht als „Eingriff von bloß geringem Gewicht“ angesehen hat (s. o. unter „(2)“).
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(5) Der Antragsteller macht geltend (Beschwerdeschrift S. 13), die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung verstoße auch gegen die Menschenwürde. Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG liege nach der Objektformel vor, wenn der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt werde. Die Vorschriften zur Kontaktbeschränkung vermittelten den Eindruck, dass der Mensch nur noch eine mathematische Zahl in der Berechnung diffuser Infektionszahlen sei. Insoweit werde das Gefühl vermittelt, dass es nicht einmal erforderlich sei, lesbare, klar verständliche und verhältnismäßige Maßnahmen zu treffen, weil die Unterschiede der betroffenen Objekte zu vernachlässigen seien. Dies zeige insbesondere ein Vergleich mit entsprechenden Vorschriften anderer Bundesländer. Selbst die in Bayern, Sachsen und Thüringen geltenden Vorschriften hätten einen weiteren Anwendungsbereich als die Hamburgische Verordnung, obwohl dort das Infektionsgeschehen kritischer sei als in Hamburg. In den genannten Bundesländern seien zufällige Treffen nicht erfasst. Zudem seien sie nicht beschränkt auf das Treffen mit Mitgliedern des eigenen Haushalts oder einer haushaltsfremden Person, sondern auf das Treffen mit Mitgliedern des eigenen Haushalts und einer haushaltsfremden Person.
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Auch diese Rüge bleibt erfolglos.
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Der von dem Antragsteller hergestellte Zusammenhang zwischen der Wahrung der Menschenwürde einerseits und der nach seinem Verständnis im Vergleich zu entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer besonders restriktiven Kontaktbereichsbeschränkung in Hamburg andererseits erschließt sich bereits vom Ansatz her nur begrenzt. Jedenfalls aber hat die hier streitgegenständliche Regelung nicht den (im Vergleich zu entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer besonders) restriktiven Inhalt, den der Antragsteller ihr zuschreibt.
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Dass Zufallsbegegnungen keine „Zusammenkünfte“ im Sinne von § 4 a Abs. 2 CoronaVO sind, wurde oben (unter „(3)“) bereits ausgeführt.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist § 4 a CoronaVO in der seit dem 8. Januar 2021 gültigen Fassung aber auch nicht in dem Sinne zu verstehen, dass Zusammenkünfte nur zwischen Mitgliedern desselben Haushalts oder zwischen einem dieser Mitglieder und einer weiteren haushaltsfremden Person erlaubt sind. Zulässig sind nach dieser Bestimmung vielmehr Zusammenkünfte von sämtlichen Mitgliedern eines Haushalts und einer weiteren haushaltsfremden Person.
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Der Antragsteller hat allerdings nicht ganz unrecht mit seinem zuvor geäußerten Hinweis (Eilantragsschrift S. 7), dass hier „eine klarere Regelung möglich und wünschenswert“ wäre. § 4 a Abs. 2 Satz 1 CoronaVO lässt sich seinem Wortlaut nach seit seiner ab dem 8. Januar 2021 geltenden Fassung (s. o. unter „I.“), in welcher der zuvor dort befindliche Zusatz „bei Zusammenkünften von Angehörigen eines gemeinsamen Haushalts (Nummer 1) mit Personen nach Nummer 2 oder Nummer 3 sind insgesamt bis zu fünf Personen zulässig“ entfernt worden ist, in der Tat auch in dem Sinne (miss-) verstehen, wie ihn der Antragsteller zuletzt nachdrücklich eingefordert hat. Die Regelung wäre allerdings mit einem solchen Inhalt einigermaßen sinnwidrig, weil es komplett überflüssig wäre zu verordnen, dass Mitbewohner eines gemeinsamen Haushalts zusammenkommen dürfen, was nach dem Verständnis des Antragstellers aber ein Teil der Regelung wäre. Der Verordnungsgeber selbst versteht die seit dem 8. Januar 2021 geltende Regelung auch nicht in dem vom Antragsteller angenommenen Sinne. So heißt es in der Begründung zur 27. Änderungsverordnung vom 7. Januar 2021 (HmbGVBl. S. 3, „Erläuterungen zu den einzelnen Regelungen“, „Zu § 4 a:“):
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„Aus denselben Gründen werden in Erweiterung der bisherigen in § 4a Absatz 2 normierten Regelungen – im Gleichklang mit der Regelung in § 3 Absatz 2 – private Zusammenkünfte im Wohnraum und dem dazugehörigen befriedeten Besitztum nur noch im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person sowie mit Personen, für die ein familienrechtliches Sorge- oder Umgangsrechtsverhältnis besteht, gestattet.“ (Hervorhebung durch das Beschwerdegericht)
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Aus dem „und mit“ (nicht: „oder mit“) zwischen den „Angehörigen des eigenen Hausstandes“ sowie der „maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person“ wird deutlich, dass der Verordnungsgeber gemeinsame Zusammenkünfte auch mehrerer zusammenlebender Haushaltsmitglieder mit einer weiteren haushaltsfremden Person erlauben will. Dies entspricht im Übrigen auch dem Verständnis, das die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ihrer gemeinsamen Vereinbarung, die sie im Rahmen ihrer Videoschaltkonferenz vom 5. Januar 2021 getroffen haben (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1834306/75346aa9bba1050fec8025b18a4bb1a3/2021-01-05-beschluss-mpk-data.pdf) und die der Verordnungsgeber mit der 27. Änderungsverordnung umgesetzt hat, zugrunde gelegt haben („2. In Erweiterung der bisherigen Beschlüsse werden private Zusammenkünfte im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet“).
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Somit sind derzeitig in Hamburg Zusammenkünfte auch mehrerer zusammenlebender Haushaltsmitglieder mit einer weiteren haushaltsfremden Person erlaubt. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Zusammenkunft im öffentlichen Raum, in der Wohnung der zusammenlebenden Haushaltsmitglieder oder in der Wohnung der weiteren haushaltsfremden Person (sofern diese allein lebt oder bei dem Treffen keine weiteren Personen ihres Haushalts anwesend sind) erfolgt. Ein davon abweichendes Verständnis, wonach eine allein lebende Einzelperson nicht mehrere in einem Haushalt zusammenlebende Personen zu sich einladen, sie aber diese Personen in deren Wohnung besuchen dürfe, wäre mangels einer solchen Regelung in § 4 a Abs. 2 CoronaVO, die nicht darauf abstellt, welcher Haushalt die Einladung ausspricht, verfehlt. Andernfalls käme es zu dem kaum nachvollziehbaren Ergebnis, dass etwa zwei Personen (Haushalt „A“) sich mit der einen weiteren haushaltsfremden Person (Haushalt „B“) zwar in ihrer eigenen Wohnung, nicht aber in der Wohnung der weiteren haushaltsfremden Person treffen dürften. Es erschlösse sich nicht, weshalb nach Maßgabe des Infektionsschutzes dasselbe personenidentische Treffen in der einen Wohnung zu erlauben wäre, in der anderen Wohnung hingegen nicht.
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(6) Der Antragsteller rügt, die verschärfte Kontaktbeschränkung in Hamburg verstoße auch gegen Art. 3 GG, weil sie deutlich beschränkender sei als Vorschriften anderer Bundesländer. Sämtliche Kontaktbeschränkungen der anderen Bundesländer erlaubten mindestens den Kontakt von Personen des eigenen Haushalts und einer weiteren haushaltsfremden Person. Für die davon abweichende restriktivere Regelung in Hamburg gebe es angesichts der Zahlenlage keinen sachlichen Grund.
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Diese Rüge verfängt nicht. Sie ist zum einen bereits vom rechtlichen Ansatz her verfehlt, weil der hamburgische Verordnungsgeber zur Gleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG nur im Rahmen seiner eigenen territorialen Regelungskompetenz verpflichtet ist, sich also eine rechtswidrige „Ungleichbehandlung“ nur zwischen den Adressaten der von ihm erlassenen Normen ergeben könnte; aus Regelungen in anderen Bundesländern kann dagegen keine „Ungleichbehandlung“ durch den hamburgischen Verordnungsgeber herrühren. Zum anderen trifft aber auch die ihr zugrundeliegende Prämisse nicht zu, denn die hamburgische Regelung hat, wie vorstehend (unter „(5)“) ausgeführt, nicht den Inhalt, den der Antragsteller ihr zusprechen will.
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(7) Der Antragsteller trägt vor, Art. 2 Abs.1 GG umfasse auch die Freiheit von rechtswidrigem Zwang; ein Bürger dürfe nur aufgrund formell und materiell verfassungsgemäßer Vorschriften belastet werden. Die Verordnung verstoße, wie bereits ausgeführt, gegen das Zitiergebot des Art. 80 GG. Art. 2 Abs. 1 GG könne deshalb hier nicht durch einfaches Recht eingeschränkt werden. Dies habe das Verwaltungsgericht übersehen.
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Dieser Einwand verfängt nicht. Wie bereits ausgeführt (s. o. unter „aaa)“), liegt der vom Antragsteller gerügte Verstoß gegen das Zitiergebot nicht vor.
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b) Der Antragsteller trägt vor (a. a. O., S. 4 f.), das Verwaltungsgericht verkenne die gesundheitliche Bedeutung, die die Essens- und Spieleabende mit seinen Freunden für ihn hätten. Diese sozialen Kontakte dienten ihm in besonderem Maße zum Stressabbau. Eigentlich benötige er dafür in erheblichem Umfang Sport im Fitnessstudio, das jedoch seit November wegen des Lockdowns geschlossen sei. Die dortigen Trainingseinheiten seien auch deshalb für ihn wichtig, weil er sie nach einem Bandscheibenvorfall zur Rehhabilitation benötige. Einzige Möglichkeit zum Stressabbau sei nunmehr sein begrenztes Sozialleben. Durch die Verschärfung der Kontaktbeschränkung komme es nun noch zu zusätzlichem Stressaufbau. In diesem Zusammenhang seien die „bußgeldbewehrten Zufallstreffen in der Öffentlichkeit“ zu berücksichtigen. Dieses Verbot von Zufallstreffen führe für ihn quasi zu einem Ausgehverbot, ohne dass er für Ausnahmen auf „triftige Gründe“ zurückgreifen könne, denn es bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass er beim Einkaufen oder Spazierengehen Freunden oder Bekannten begegne. Sobald er das Haus verlasse, müsse er daher darauf achten, entsprechende Personen schon von weitem zu identifizieren, um dem bußgeldbewehrten Treffen zu entgehen; das sei anstrengend und führe zu zusätzlicher Stressbelastung. Die Kumulation von mangelndem Stressabbau und zusätzlichem Stressaufbau führe bei ihm zu körperlichen Symptomen. Die Stressbelastung manifestiere sich zum einen durch eine gesteigerte körperliche Grundanspannung, was wiederum seine Bandscheibenproblematik verstärke und auch zu hexenschussartigen Symptomen führe. Dem könne er nicht entgegenwirken, weil die sonst angebrachten gezielten Übungen im Fitnessstudio nicht möglich seien und er sich bei Spaziergängen „zufällig bußgeldbewehrter Rechtswidrigkeit ausgesetzt“ sehe. Zum anderen manifestiere sich die Stressbelastung durch Schlafstörungen und Problemen im Bereich der Verdauung. Er erlaube sich auszuführen, dass er diese Auswirkungen insbesondere aufgrund ihres Dauerzustandes als deutlich belastender empfinde als die im Falle einer Infektion in seiner Altersgruppe zu erwartende allenfalls mittelschwere Erkältung über eine Woche mit einer Woche Quarantäne im Anschluss. Vor diesem Hintergrund sei die weitere Beschränkung der Kontakte für ihn besonders schwerwiegend.
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Das Beschwerdegericht versteht diesen Vortrag dahin, dass der Antragsteller damit auch geltend machen will, jedenfalls angesichts dieser für ihn „besonders schwerwiegenden“ (a. a. O., S. 5) Auswirkungen der Kontaktbeschränkung habe das Verwaltungsgericht in seinem Fall das Vorliegen des Anordnungsgrundes nicht verneinen dürfen. Es vermag diesem Einwand allerdings nicht zu folgen.
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Zwar sind die von dem Antragsteller beschriebenen orthopädischen Probleme durch den Ausfall seines Fitnessstudios noch durchaus nachvollziehbar. Dies gilt jedoch nicht mehr für den von ihm behaupteten (die orthopädischen Probleme verstärkenden) zusätzlichen Stressaufbau durch das „Ausgehverbot“, welches sich aus der permanenten Gefahr „bußgeldbewehrter Zufallstreffen“ ergebe, sobald er das Haus verlasse; insoweit nimmt das Beschwerdegericht Bezug auf seine obigen Ausführungen unter „a) cc) ccc) (3)“ zum Thema des von dem Antragsteller gerügten Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 GG. Die somit verbleibenden orthopädischen Probleme durch die Schließung der Fitnessstudios und den Frust über die Kontaktbeschränkung teilt der Antragsteller mit vielen Hamburgerinnen und Hamburgern. Als für den Antragsteller „besonders schwerwiegend“ vermag das Beschwerdegericht diese Situation nicht einzuordnen. Immerhin dürfte bei ihm die Gefahr einer Vereinsamung durch die verschärfte Kontaktbeschränkung nicht allzu hoch sein, da er mit seiner Freundin zusammenlebt und er offenbar auch einige Freunde hat, die er schließlich weiterhin einzeln treffen darf. Gemessen etwa an den Kontakteinschränkungen, die Bewohner von Pflegeeinrichtungen zu ertragen haben (vgl. die sehr restriktiven Anforderungen für dortige Besuche in § 30 CoronaVO), erscheint sein „Schicksal“ doch als noch einigermaßen erträglich.
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c) Der Antragsteller trägt vor, der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts sei zudem aus weiteren Gründen aufzuheben.
- 67
aa) Der Antragsteller rügt (Beschwerdeschrift S. 13), das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, weil es sich auf die Prüfung des Anordnungsgrundes beschränkt habe.
- 68
Dieser Einwand ist unzutreffend; insoweit wird auf die obigen Ausführungen (unter „a)“) Bezug genommen.
- 69
bb) Der Antragsteller rügt (Beschwerdeschrift S. 14), das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Es habe das rechtliche Gehör verletzt, weil aus dem „Urteil“ nicht ersichtlich sei, ob es sich überhaupt mit seinen Ausführungen zum Anordnungsgrund auseinandergesetzt bzw. diesen Vortrag gewürdigt habe.
- 70
Dieser Einwand greift nicht durch. Aus fehlender ausdrücklicher Auseinandersetzung ist nicht ohne weiteres auf fehlendes zur Kenntnis nehmen zu schließen, zumal es auf diese Ausführungen nach der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidend ankam. Im Übrigen wäre ein Gehörsverstoß im erstinstanzlichen Verfahren durch das vorliegende Beschwerdeverfahren geheilt.
- 71
cc) Der Antragsteller trägt vor (Beschwerdeschrift S. 4), das Verwaltungsgericht habe seine Ausführungen zu seiner Gesundheit übersehen.
- 72
Auch dieser Einwand greift nicht durch. Auch hier gilt, dass aus fehlender ausdrücklicher Auseinandersetzung nicht ohne weiteres auf fehlendes zur Kenntnis nehmen zu schließen ist. Davon abgesehen hatte der Antragsteller in der Eilantragsschrift noch keinen solchen Akzent auf gesundheitliche Probleme gesetzt wie nunmehr in der Beschwerdeschrift (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter „b)“), sondern lediglich relativ kurz seine „mentale Verfassung“ angesprochen (a. a. O., S. 21). Diese war und ist allerdings bei vielen Bewohnerinnen und Bewohnern Hamburgs infolge der Coronamaßnahmen getrübt.
- 73
dd) Der Antragsteller trägt vor (Beschwerdeschrift S. 3), das Verwaltungsgericht verkenne die fehlende Gleichwertigkeit bloß virtueller Begegnungen mit realen Treffen.
- 74
Dieser Einwand trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat virtuelle Spielabende nicht für insoweit gleichwertig erachtet; es hat vielmehr angenommen, die Kontaktbeschränkung sei insofern nicht von absolutem Gewicht, als dadurch nicht jeglicher unmittelbarer sozialer Kontakt ausgeschlossen werde (BA S. 3). Das ist eine andersartige Argumentation.
- 75
ee) Der Antragsteller rügt (a. a. O., S. 6), das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Infektionszahlen seien „gleichbleibend hoch“; tatsächlich seien die Infektionszahlen deutlich gesunken.
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Damit gibt der Antragsteller das Verwaltungsgericht falsch wieder. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Ansteckungsraten seien „unverändert signifikant hoch“; dies bedeutet etwas Anderes, nämlich Infektionszahlen, die nach wie vor in einem kritischen Bereich liegen. Das kann auch bei zwischenzeitlich gefallenen Infektionszahlen weiterhin zutreffen.
- 77
ff) Der Antragsteller rügt (a. a. O., S. 8), das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine bloß „kurzfristige Verschärfung“ angenommen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Lockdown noch bis Ostern andauern werde.
- 78
Auch hier gibt der Antragsteller das Verwaltungsgericht falsch wieder. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Regelung sei von einer „zeitlich begrenzten Geltungsdauer“. Dies ist zutreffend, auch wenn dadurch eine Verlängerung der Regelung nicht ausgeschlossen ist.
- 79
gg) Der Antragsteller meint (a. a. O., S. 14 f.), das Verwaltungsgericht sei von den Anforderungen an den Anordnungsgrund abgewichen, die es insoweit in anderen Verfahren angelegt habe. So habe es in dem Verfahren 9 E 3964/20 mit Beschluss vom 23. September 2020 den Anordnungsgrund allein damit bejaht, „dass die Hochzeitsfeier der Antragsteller bereits am kommenden Samstag, dem 26. September 2020 stattfinden soll und eine Entscheidung in der Hauptsache damit zu spät erginge.“ Für diese unterschiedlichen Anforderungen sei kein Grund ersichtlich.
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Auch dieser Einwand greift nicht durch. „Das Verwaltungsgericht“ entscheidet angesichts der großen Anzahl von Coronaverfahren darüber mit zahlreichen Kammern, und die hier entscheidende Kammer 17 war nicht an die Feststellung des Anordnungsgrundes durch die Kammer 9 in der dort getroffenen Entscheidung gebunden. Davon abgesehen leuchtet es ein, die Gestaltung einer Hochzeitsfeier und die diesbezügliche Erlaubnis zu einem einzigen vorführenden Tanz des Brautpaars wegen der Einmaligkeit dieser Situation eher im Sinne eines drohenden unwiederbringlichen Rechtsverlustes einzuordnen als die Verschiebung eines Essens- und Spieleabends mit Freunden.
- 81
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Nach der Auffassung des Beschwerdegerichts ist in Fällen der hier gegebenen Art, in denen die Antragsteller sich unter begehrter Vorwegnahme der Hauptsache gegen eine durch eine Coronaverordnung vorgeschriebene Einschränkung immateriellen Charakters wenden, der Auffangwert in § 52 Abs. 1 GKG angemessen.
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