Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 Bs 224/20
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. November 2020 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz nach Versagung der Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Androhung der Abschiebung.
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Der am ... geborene Antragsteller ist südafrikanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Alter von 12 Jahren in das Bundesgebiet ein. Ihm wurde erstmalig unter dem 10. Juli 2008 zum Zwecke des Familiennachzugs zu seiner Mutter, die im Bundesgebiet lebt und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 29 i.V.m. 32 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt, die fortlaufend, zuletzt mit Gültigkeit bis zum Erreichen der Volljährigkeit am 27. Mai 2014, verlängert wurde. Auf den rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag hin wurde ihm am 7. April 2016 - wegen der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts - im Ermessenswege eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (gemeint wohl: § 34 Abs. 3 AufenthG) mit Gültigkeit bis zum 28. August 2016 erteilt, die schließlich am 4. Juni 2018 gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (gemeint wohl: § 34 Abs. 3 AufenthG) mit Gültigkeit bis zum 3. Dezember 2018 verlängert wurde (Bl. 269 Beiakte B), wobei der Antragsteller am 4. Juni 2018 handschriftlich erklärt hatte, dass er keine öffentlichen Mittel bezieht (Bl. 268 Beiakte B).
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Die am 4. Dezember 2018 beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte das Bezirksamt ... der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. Februar 2019, dem Antragsteller zugestellt am 26. Februar 2019, ab. Zugleich forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Ausreise auf, und drohte ihm nach Ablauf der Ausreisefrist die Abschiebung u.a. nach Südafrika an. Dem Antragsteller stehe weder ein Anspruch auf Erteilung/Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 34 Abs. 3 AufenthG, § 35 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 AufenthG noch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus § 9 AufenthG, § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 AufenthG, § 35 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 AufenthG, § 9a AufenthG zu. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitere an der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts sowie dem Vorliegen eines Ausweisungsinteresses. Auch im Ermessenswege sei die Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlängern, da der Antragsteller keine ausreichende Mitwirkung in seinem aufenthaltsrechtlichen Verfahren gezeigt habe und im Rahmen einer Aufenthaltsdauer von 10 ½ Jahren keine besonderen/erfolgreichen Integrationsleistungen erbracht habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2020, dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 27. Januar 2020 zugestellt, zurück. Sie führte ergänzend aus, dass dem Antragsteller auch kein Anspruch auf die im Widerspruchsverfahren geltend gemachte Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zustehe, da er nicht im Besitz der erforderlichen Duldung nach § 60a AufenthG sei.
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Mit der am 24. Februar 2020 erhobenen Klage (6 K 956/20) verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter. Er macht mit der Klagbegründung vom 13. August 2020, die zugleich der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist, allein geltend, ihm stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 34 Abs. 3 AufenthG bzw. § 25b AufenthG zu.
- 6
Mit Beschluss vom 16. November 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Dem Antragsteller stehe voraussichtlich weder ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG, noch nach § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, noch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zu. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bestehe nicht, da es an der notwendigen Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG fehle. Angesichts seiner Erwerbsbiografie, der fehlenden Berufsausbildung und des nach eigenen Angaben in Vollzeit ausgeübten Studiums sei nicht davon auszugehen, dass ihm die Sicherung des Lebensunterhalts in näherer Zukunft gelingen werde; es liege auch kein atypischer Fall vor. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG scheide aus, da die Vorschrift bereits tatbestandlich nicht anwendbar sei. Die Vorschrift setze voraus, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AufenthG im Grundsatz bestehe, aber an Abs. 3 Satz 1 AufenthG scheitere. Die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG lägen jedoch nicht vor, da weder der Lebensunterhalt gesichert sei noch der Antragsteller sich in einer Ausbildung befinde, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führe. Es sei weder ersichtlich noch dargelegt, dass die vom Antragsteller nachgewiesene Ausbildung ... zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führe. Selbst wenn der Besuch ... den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG genügen sollte, so hätte die Antragsgegnerin die Verlängerung jedenfalls ermessensfehlerfrei versagt. Der Antragsteller habe durch falsche Angaben über den Bezug öffentlicher Mittel gegenüber der Antragsgegnerin ein Ausweisungsinteresse geschaffen. Die Antragsgegnerin habe ermessensfehlerfrei darauf abgestellt, dass der Antragsteller mehrere Jahre die Möglichkeit ungenutzt gelassen habe, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 AufenthG seien nicht erfüllt, da der Antragsteller sein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bisher nicht nachgewiesen habe und auch die in § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG normierten Voraussetzungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erfülle.
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Gegen den ihm am 23. November 2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 1. Dezember 2020 Beschwerde eingelegt, die er am 23. Dezember 2020 begründet hat. Sein Vorbringen hat er mit Schriftsatz vom 22. Februar 2021 ergänzt. Seit dem 1. September 2020 befinde er sich in einer staatlich anerkannten Ausbildung .... Zudem habe er seit dem 1. Dezember 2020 einen Mini-Job mit einem monatlichen Entgelt von 400 Euro. Damit lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. der befristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AufenthG vor. Der Vorwurf, der Antragsteller habe (handschriftlich) falsche Angeben über den Bezug öffentlicher Mittel gemacht, sei nach Aktenlage nicht nachvollziehbar. Ein Ermessen der Antragsgegnerin sei nicht eröffnet; vielmehr stehe dem Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis bzw. der befristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu. Dieser werde nicht gem. § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu einer Ermessensentscheidung herabgestuft, weil ein Ausweisungsinteresse bestehe. Zumindest das humanitäre Aufenthaltsrecht aus § 25b AufenthG stehe dem Antragsteller zu. Ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung könne der Antragsteller jederzeit abgeben. Die Sicherung des Lebensunterhalts sei zu erwarten, da der Antragsteller den Realschulabschluss erworben und sich – wenn auch spät – zu einer Ausbildung als Schauspieler und Tänzer entschieden habe, die er zunächst bei ... begonnen und nunmehr bei einer Schauspielschule fortführe. Neben der Ausbildung werde es ihm möglich sein, seinen Lebensunterhalt jedenfalls teilweise zu sichern. Ein Ermessen der Antragsgegnerin sei daher nicht eröffnet.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, insbesondere fristgerecht (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhoben und begründet worden (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Aus den von dem Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht vorliegend gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ist der angefochtene Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg nicht zu ändern.
- 10
1. Der Antragsteller macht geltend, seine Aufenthaltserlaubnis sei gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, Abs. 3 AufenthG zu verlängern. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 AufenthG lägen nunmehr vor. Er befinde sich seit dem 1. September 2020 in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten Schulabschluss oder beruflichen Bildungsabschluss i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG führe. Er habe nunmehr die Ausbildungsstätte gewechselt und sei seit dem 1. September 2020 ....
- 11
a) Der Antragsteller hat die Teilnahme an der Schauspielausbildung durch ... bereits nicht hinreichend nachgewiesen. Durchgreifende Zweifel ergeben sich insbesondere daraus, dass er den Wechsel der Ausbildung erstinstanzlich nicht erwähnt hat, das Unterrichtshonorar i.H.v. 490 Euro monatlich finanziell nicht erbringen kann und einen Nachweis über die Stundung nicht vorgelegt hat. Die vorgelegte Bescheinigung, dass er dort Schüler sei, kann vor diesem Hintergrund nicht die aktive Teilnahme an der Ausbildung belegen, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat.
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Selbst wenn der Antragsteller jedoch nunmehr – seit dem 1. September 2020 – die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG erfüllen würde, würde daraus kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AufenthG erwachsen können.
- 13
Bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsacheninstanz maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Ein anderer Zeitpunkt gilt aber, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist, etwa bei Beantragung einer rückwirkenden Verpflichtung oder Neubescheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.8.2019, 1 C 23.18, BVerwGE 166, 219, juris Rn. 12; offen gelassen nur in Bezug auf den Eintritt der Volljährigkeit nach Stellung des Verlängerungsantrags: dort unter Rn. 23; maßgeblich Zeitpunkt der Antragstellung: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 35 Rn. 10; Zimmerer in: Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht – BeckOK MigR –, Stand 1.1.2021, § 35 Rn. 9). Sowohl zum Zeitpunkt der Antragstellung als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung liegen bzw. lagen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht vor, so dass offenbleiben kann, ob vorliegend (auch) eine rückwirkende Erteilung beantragt wurde.
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aa) Zum Zeitpunkt der Antragstellung lagen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG nicht vor. Denn der Lebensunterhalt des Antragstellers war nicht gesichert und er hat sich auch nicht in einer Ausbildung befunden, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss geführt hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen (Beschluss S. 7 ff.). Da somit bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht vorlagen, ist § 35 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AufenthG tatbestandlich nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.8.2019, 1 C 23.18, BVerwGE 166, 219, juris Rn. 14). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 15.8.2019, 1 C 23.18, BVerwGE 166, 219, juris) hat sich von dem vom Antragsteller geltend gemachten Verständnis des § 35 AufenthG abgegrenzt und ausgeführt, dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen nach dem Regelungszusammenhang bei ungesichertem Lebensunterhalt nur zur Anwendung kommt, wenn der Antragsteller noch unter die für minderjährige Ausländer getroffene, stärker privilegierende Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG falle; denn die durch § 35 Abs. 3 AufenthG in der Sache bewirkte Rückstufung des gebundenen Anspruchs auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis setze einen sonst gegebenen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis voraus, der in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG aber schon tatbestandlich entfalle, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert sei und der Ausländer sich auch nicht in einer privilegierten Ausbildung i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG befinde (BVerwG, Urt. v. 15.8.2019, 1 C 23.18, BVerwGE 166, 219, juris Rn. 14; vgl. auch: VGH Mannheim, Beschl. v. 22.10.2020, 11 S 1812/20, juris). Dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Normverständnis des § 35 AufenthG folgt der beschließende Senat.
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bb) Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung liegen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG insoweit nicht vor, als der Antragsteller nicht „seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis“ ist.
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Die in § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG normierte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter den im Vergleich zu § 34 Abs. 3 AufenthG privilegierten Voraussetzungen setzt im Hinblick auf den gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG notwendigen Besitz „der“ Aufenthaltserlaubnis „seit fünf Jahren“ sowie die gesetzliche Systematik voraus, dass die Verlängerung grundsätzlich ununterbrochen an die einem Minderjährigen nach dem den Aufenthalt aus familiären Gründen regelnden Abschnitt 6 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilte Aufenthaltserlaubnis anschließt oder Unterbrechungen aufgrund von gesetzlichen Regelungen hinzunehmen sind (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 35 AufenthG Rn. 6, 17; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand Februar 2021, § 35 AufenthG Rn. 29 ff.; Kluth/Heusch, Ausländerrecht - BeckOK AuslR -, Stand 1.1.2021, § 35 Rn. 8 f.; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 35 AufenthG Rn. 6, 10). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
- 17
Denn weder im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch am 1. September 2020 ist bzw. war der Antragsteller im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Kapitel 2, 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes. Die ihm zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis zum 3. Dezember 2018 gültig. Die sodann zu berücksichtigende Fiktionswirkung des Verlängerungsantrags gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG endete mit Ablehnung des Verlängerungsantrags durch Bescheid vom 22. Februar 2019, dem Antragsteller zugestellt am 26. Februar 2019. Sich daran anschließende Aufenthaltszeiten könnten nach allgemeinen Grundsätzen nur berücksichtigt werden, wenn die Ablehnung der Verlängerung rechtswidrig erfolgt und daher voraussichtlich aufzuheben wäre (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 3 AufenthG; Kluth/Heusch, Ausländerrecht - BeckOK AuslR -, Stand 1.1.2021, § 35 AufenthG Rn. 10; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 35 AufenthG Rn. 6) bzw. der Ausländer nach der durch das Gericht inzident vorzunehmenden Prüfung einen Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel gehabt hätte (BVerwG, Urt. v. 10.11.2009, 1 C 24.08, BVerwGE 135, 225, juris Rn. 15). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn bei Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch den dem Antragsteller am 26. Februar 2019 zugestellten Bescheid war weder dessen Lebensunterhalt gesichert, noch befand er sich in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führte, vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG; auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller zudem keinen Anspruch auf die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG hat, da der Lebensunterhalt des Antragstellers nicht – wie gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG notwendig – gesichert ist. Dies hat der Antragsteller mit der Beschwerde nicht mit beachtlichen Gründen angegriffen.
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Die durch die Ablehnung eingetretene Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthaltes kann auch nicht gemäß § 85 AufenthG, der entsprechend anzuwenden ist (vgl.BVerwG, Urt. v. 10.11.2009, a.a.O., juris Rn. 17 ff.; Marx in: GK-AufenthG, Stand Februar 2021, § 35 AufenthG Rn. 11; Kluth/Heusch, Ausländerrecht - BeckOK AuslR -, Stand 1.1.2021, § 35 AufenthG Rn. 9; Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht – BeckOK MigR –, Stand 1.1.2021, § 35 AufenthG Rn. 2; Nr. 35.1.1.7 AufenthG AVwV), geheilt werden. Denn der danach mögliche Heilungszeitraum von bis zu einem Jahr ist vorliegend überschritten. Gemäß § 85 AufenthG hätten allenfalls Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit bis zu einem Jahr – vorliegend bis zum 25. Februar 2020 – geheilt werden können.
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2. Der Antragsteller führt weiter aus, dass der vom Verwaltungsgericht erhobene Vorwurf, er habe falsche Angaben über den Bezug öffentlicher Mittel gegenüber der Antragsgegnerin gemacht und somit bestehe ein Ausweisungsinteresse i.S.v. §§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a) AufenthG, nicht nachvollziehbar sei. Eine entsprechende handschriftliche Stellungnahme des Antragstellers sei den Akten nicht zu entnehmen.
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Dieser Einwand geht fehl, worauf die Antragsgegnerin zutreffend unter Verweis auf die entsprechende handschriftliche Erklärung des Antragstellers auf Bl. 268 Beiakte B hinweist. Im Hinblick auf die weiteren Erklärungen des Antragstellers zum Bezug von Leistungen des Jobcenters weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der unzutreffenden handschriftlichen Erklärung vom 4. Juni 2018 dennoch Gewicht zukommt, da im Hinblick auf diese die Aufenthaltserlaubnis am 4. Juni 2018 bis zum 3. Dezember 2018 verlängert worden ist. Weiterhin weist der Senat darauf hin, dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AufenthG schon aus den vorstehend unter II.1. aufgeführten Gründen tatbestandlich nicht in Betracht kommt.
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Die weiteren Ausführungen des Antragstellers zum Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie den damit fehlenden Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 AufenthG (S. 5 Beschwerdebegründung vom 23.12.2020) gehen damit ins Leere. Wie sich aus den Ausführungen unter II.1. ergibt, steht dem Antragsteller insbesondere kein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Bescheid vom 22. Februar 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2020 - soweit darin der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt wird - bestandskräftig geworden sein dürfte, weil der Bescheid insoweit nicht mit der Klage (6 K 956/20) angegriffen wird. Denn der Antragsteller begehrt mit der „wegen: Versagung der Aufenthaltserlaubnis“ erhobenen Klage allein „die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen“ (Bl. 11 d.A. 6 K 956/20) und begründet diesen Anspruch allein mit einem Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus §§ 34 Abs. 3 bzw. 25b AufenthG (Bl. 32 ff. d.A. 6 K 956/20; vgl. zur Aufenthaltserlaubnis als befristeten Aufenthaltstitels sowie zur Niederlassungserlaubnis als unbefristetem Aufenthaltstitel: § 7 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sowie § 9 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
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3. Der Antragsteller macht mit der Beschwerde weiter geltend, ihm stehe ein Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis aus § 25b AufenthG zu.
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a) Der Einwand, er könne jederzeit das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung abgeben, sofern ihm hierfür die Möglichkeit gegeben werde, greift nicht durch. Denn es ist an dem Kläger, dieses Bekenntnis abzugeben; so hätte er die entsprechende Erklärung mit der Beschwerde vorlegen oder innerhalb der Beschwerdefrist bei der Antragsgegnerin einreichen können. Solange diese jedoch nicht vorliegt, liegen die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG nicht vor.
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b) Der Antragsteller macht weiter geltend, die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass er seinen Lebensunterhalt nicht i.S.d. § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichere und auch bei Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs- Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation nicht zu erwarten sei, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG sichern werde, könne nicht nachvollzogen werden. Er habe die Realschulreife erlangt, sei aufgrund seiner Schulausbildung in der Lage, eine Ausbildung abzuschließen, und habe sich - wenn auch sehr spät - zu einer Ausbildung als Schauspieler und Tänzer entschieden, ... um eine anerkannte Berufsausbildung zu erlangen. Neben der Ausbildung werde es ihm möglich sein, durch einen sogenannten Mini Job seinen Lebensunterhalt jedenfalls teilweise zu sichern, sodass vor diesem Hintergrund die Prognose, dass er auch langfristig seinen Lebensunterhalt sichern werde, durchaus berechtigt sei.
- 26
Der Einwand greift nicht durch. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Antragsteller weder seinen Lebensunterhalt überwiegend sichert, noch, dass bei Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG sichern wird. Der Umstand, dass der Antragsteller bereits im Juni 2013 die Realschule erfolgreich abgeschlossen hat (Bl. 344 f. Beiakte B), hat auch bisher nicht dazu geführt, dass er in den vergangenen 7 Jahren seinen Lebensunterhalt gesichert oder die angefangenen Ausbildungen erfolgreich abgeschlossen hätte. Auch bisher hat der Antragsteller neben seiner Ausbildung nur gelegentlich und unbeständig an der Sicherung seines Lebensunterhalts durch eigene Arbeit in Form eines Minijobs beigetragen; es ist daher nicht ersichtlich, dass sich dies in Zukunft anders verhalten sollte. Das Verwaltungsgericht weist zudem zutreffend darauf hin, dass der Bezug von Sozialleistungen angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller seit Dezember 2014 ununterbrochen Sozialleistungen bezieht, nicht nur vorübergehend i.S.v. § 25b Abs. 1 Satz 3 AufenthG sei und der Bezug dem Studium weit vorausgehe und in keinem inneren Zusammenhang damit stehe. Wie ausgeführt hat der Antragsteller zudem nicht nachgewiesen, dass er eine staatlich anerkannte Ausbildung aktiv absolviert und daher tatbestandlich die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG erfüllt sind.
III.
- 27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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