Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 L 34/08

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 1. Kammer - vom 04.01.2008 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 01.03.2000 bis 29.02.2004 den ruhegehaltsfähigen Zuschuss nach § 4 a.F. der 2. BesÜV zuzüglich Zinsen zu gewähren.

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Der dagegen gerichtete Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der einzig geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, soweit er denn im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt ist, nicht vorliegt.

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Ein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers als nicht tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Ist das angefochtene Urteil auf selbstständig tragende Alternativbegründungen gestützt, muss der Zulassungsantragsteller beide Erwägungen angreifen, um mit seinem Antrag Erfolg haben zu können. In der Begründung des Zulassungsantrags ist ergebnisorientiert zu argumentieren, d.h. es genügt nicht, eine vom Verwaltungsgericht geäußerte Rechtsauffassung oder Sachverhaltswürdigung lediglich allgemein zu kritisieren, ohne dass zugleich deutlich wird, dass die Entscheidung bei der vom Zulassungsantragsteller für richtig gehaltenen Auffassung und Würdigung anders - nämlich zu seinen Gunsten - ausgefallen wäre.

4

Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO ist sichergestellt, dass Zulassungsantragsteller rechtskundig vertreten sind.

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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können zwar schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens nicht abschließend übersehen lassen, die Begründung des Zulassungsantrags aber die Einsicht vermittelt, der beabsichtigten Berufung seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Die Zulassung ist aber zu versagen, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller geäußerten Zweifel ohne weiteres ausräumen lassen (vgl. Beschl. des Senats vom 22.07.2008 - 2 L 123/05 -).

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Dies zugrunde gelegt, liegen die Voraussetzungen einer Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nicht vor.

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Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts haben die materiell rechtlichen Voraussetzungen für den von der Klägerin beanspruchten Zuschuss vorgelegen. Dies ist von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden, sodass auch der Senat von diesem rechtlichen Ansatz auszugehen hat.

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Das Verwaltungsgericht hat außerdem festgestellt, dass die Klägerin an der Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht deshalb gehindert ist, weil die Beklagte diese durch einen bestandskräftig gewordenen Bescheid abgelehnt hätte. Das insoweit in Betracht zu ziehende Schreiben der Beklagten vom 21.02.2000 stelle keinen Verwaltungsakt dar. Mit der in der Begründung ihres Zulassungsantrags geübten Kritik vermag die Beklagte die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen.

9

Ob ein Schreiben der Besoldungsstelle an den Beamten, in dem es um die Höhe seiner Besoldung geht, lediglich informatorischen Charakter hat, ob es sich um eine Anhörung nach § 28 VwVfG M-V (vgl. auch § 28 VwVfG), also die Vorbereitung eines Verwaltungsakts, oder ob es sich bereits um den Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG M-V (vgl. auch § 35 VwVfG) selbst handelt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 27.04.2007 - 1 R 22/06 -, m.w.N., zit. nach Juris). Denkbar ist möglicherweise auch, dass ein Schreiben verschiedene Elemente enthält, d.h. dass es sich etwa in Teilbereichen um eine Anhörung, in anderen Teilbereichen dagegen um einen Verwaltungsakt handeln könnte. Beabsichtigt eine Behörde allerdings so vorzugehen, sind aber besondere Anforderungen an die Unterscheidbarkeit der Anhörung von der Regelung nach § 35 VwVfG zu stellen, diese darf nicht gleichsam in der Anhörung "versteckt" sein. Bleiben Zweifel oder Unklarheiten über den Rechtscharakter des behördlichen Handelns, so geht dies zu Lasten der Verwaltung (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.01.1973 - VII C 3.71 -, E 41, 305).

10

Für die Auslegung kommt es zunächst auf die äußere Form an, z.B. die Hervorhebung einer Regelung (eines Tenors) und das Vorhandensein einer Rechtsmittelbelehrung, was auf einen Verwaltungsakt hinweisen würde. Wird eine behördliche Entscheidung dagegen erst angekündigt und dem Betroffenen zuvor Gelegenheit gegeben, sich zu der erwogenen Maßnahme zu äußern, handelt es sich um eine Anhörung nach § 28 VwVfG M-V.

11

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Schreiben vom 21.02.2000 erkennbar um eine Anhörung handelt. Es enthält weder eine hervorgehobene Regelung noch eine Rechtsmittelbelehrung. Vielmehr geht es unzweifelhaft um die Vorbereitung einer erst noch zu treffenden Regelung, wenn es im letzten Absatz heißt: "Um eine Entscheidung über eine mögliche Rückforderung treffen zu können, gebe ich Ihnen hiermit Gelegenheit, sich zu dieser Maßnahme zu äußern." Auch die Betreffzeile weist in diese Richtung ("Rücknahme des Zuschusses zur Ergänzung der Dienstbezüge ..."). Der Begriff der "Rücknahme" wird zwar verwaltungsverfahrensrechtlich für die Beseitigung rechtswidriger Verwaltungsakte (vgl. § 48 VwVfG M-V) verwandt. Dass hier ein Verwaltungsakt vorhanden gewesen wäre, der hätte zurückgenommen werden können, ist allerdings nicht ersichtlich. Da Besoldung im Allgemeinen nicht auf der Grundlage eines Verwaltungsakts gezahlt wird, setzt die Rückforderung nach § 12 BBesG auch nicht eine vorweggehende Rücknahmeentscheidung voraus, wie dies allgemein bei Rückforderungen zu geschehen hat (vgl. § 49a VwVfG M-V). Aus dem bereits zitierten letzten Absatz des behördlichen Schreibens wird aber deutlich, dass mit "Rücknahme" Rückforderung gemeint ist und die Anhörung jedenfalls entsprechend § 28 VwVfG der Vorbereitung einer Rückforderung dient. An dieser rechtlichen Einordnung ändert auch der Umstand nichts, dass sich in dem Schreiben Angaben zum für die Höhe der Besoldung maßgeblichen Sachverhalt und zur Auslegung der einschlägigen Vorschriften finden. Auch dies sind typische Bestandteile einer (ordnungsgemäßen) Anhörung vor Erlass der in Aussicht genommenen Maßnahme (vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG M-V). Dass die Ausführungen zum Sachverhalt und zur Rechtslage tatsächlich der Vorbereitung der Rückforderungsentscheidung dienten, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass es am Ende des betreffenden Absatzes heißt: "Dies bedeutet, dass Ihnen seit Ihrer erstmaligen Ernennung zu Unrecht der Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gewährt wurde."

12

Danach handelt es sich, sieht man von dem unmittelbar auf den soeben zitierten folgenden Satz ab, bei dem Schreiben vom 21.02.2000 von der ersten bis zur letzten Zeile um eine Anhörung. Dieser Satz lautet:

13

Ich setze Sie daher hiermit in Kenntnis, dass das Hauptamt mit Wirkung vom 01.03.2000 die Zahlung des Zuschusses zur Ergänzung der Dienstbezüge gem. § 4 der 2. BesÜV einstellen wird.

14

Soweit die Beklagte der Auffassung ist, dass darin eine Regelung im Sinne von § 35 VwVfG M-V zu erblicken sei, berücksichtigt sie die bereits beschriebenen besonderen Anforderungen an die Erkennbarkeit eines in eine Anhörung eingekleideten Verwaltungsakts nicht genügend. Nach Satzbau und Wortwahl kann es sich zumindest ebenso um eine informatorische Mitteilung handeln, sodass zumindest nach der ebenfalls bereits erwähnten zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines Verwaltungsakts zu verneinen ist.

15

Soweit die Beklagte meint, die Klägerin habe keinen Antrag auf (Weiter-)Zahlung des streitigen Zuschusses gestellt, in dem Schreiben vom 03.02.2000 sei es um "die Westbesoldung an sich", nicht aber um den Zuschuss gegangen, kommt es hierauf für das Ergebnis nicht an. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts können sich Dienstherrn gegenüber rückständigen Bezügen zwar grundsätzlich auf die Einrede der Verjährung berufen, das sei hier aber nicht geschehen. Außerdem sei die Verjährung durch den von der Klägerin im Jahre 2004 eingelegten Widerspruch auch bezüglich solcher Ansprüche gehemmt gewesen, die bereits in den Jahren 2000/2001 entstanden seien. Mit diesen die angefochtene Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Argumenten des Verwaltungsgerichts hat sich die Beklagte nicht auseinander gesetzt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

17

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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