Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 M 75/10

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin - 6. Kammer - vom 21. Januar 2010 wird geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Klageverfahrens 6 A 1531/09 für die Monate August bis Dezember 2009 weitere 4.909,86 Euro an Finanzhilfe zu bewilligen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 78 %, der Antragsgegner zu 22 %.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller zu 61 %, der Antragsgegner zu 39 %.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.605,46 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung weiterer Finanzhilfen für eine Ersatzschule, die ihm auf der Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidung bereits ausgezahlt worden sind.

2

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag teilweise stattgegeben. Der zu ermittelnde Schülerkostenansatz sei mit der Zahl 30 zu multiplizieren. Der Antragsgegner müsse sich insoweit an der zum Stichtag nach § 9 Abs. 1 PSchVO M-V gemeldeten Schülerzahl festhalten lassen. Die Fördersatzhöhe belaufe sich, weil das Kriterium des § 6 Abs. 2 Nr. 9 PSchVO M-V erfüllt sei, auf 85 %.

3

Die fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde des Antragsgegners hat zum Teil Erfolg.

4

Die von dem Antragsgegner dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die Änderung des angefochtenen Beschlusses nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

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Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die (angefochtene) Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der Entscheidung auseinandersetzen. Das Darlegungserfordernis verlangt von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschl. des Senats v. 08.06.2010 - 2 M 109/10 -, zit. nach juris Rn. 5 m.w.N.).

6

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Form der Regelungsanordnung, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist zulässig und in dem tenorierten Umfang auch begründet. Denn in diesem besonderen Einzelfall ist der Schülerkostensatz unter Berücksichtigung des maßgeblichen Fördersatzes mit der Zahl der Schüler ohne diejenigen der im Bewilligungszeitraum nicht betriebenen Jahrgangsstufe 5 zu ermitteln.

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1. Keinen Erfolg hat die Beschwerde, soweit geltend gemacht wird, es fehle dem Eilrechtsschutzgesuch an einem Anordnungsgrund.

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Die Regelungsanordnung war hier nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO geboten. Das erstinstanzliche Gericht hat zu Recht festgestellt, dass andernfalls wesentliche Nachteile für den Antragsteller zu erwarten wären, die über den bloßen Zeitverlust hinausgehen, den ein Kläger mit einem Verpflichtungsbegehren bei Durchlaufen des Instanzenzuges zu erwarten hat (vgl. Putter, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 83; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 123 Rn. 7). Das Verwaltungsgericht hat mit eingehender Begründung insbesondere den vom Antragsgegner wiederholt kritisierten wenig spezifizierten Haushaltsplan des Antragstellers und das Fehlen weiterer Belege bei seiner Annahme, die Eilbedürftigkeit der Entscheidung sei glaubhaft gemacht, berücksichtigt. Es hat - ohne dass sich der Antragsgegner mit dieser Argumentation näher auseinandersetzt - darauf abgestellt, dass die Eidesstattliche Versicherung des Vorstandsvorsitzenden des Antragstellers und die Finanzsituation des Schulträgers für den Fall des Ausbleibens der mit dem zugrundeliegenden Eilverfahren erwarteten weiteren Finanzhilfe geeignet sei, binnen Kurzem zu einer Insolvenz des Antragstellers zu führen. Dem begegnet die Beschwerde nicht in einer dem Darlegungsgebot entsprechenden Weise.

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2. Die Beschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg als sie sich gegen die Anordnung der Erhöhung des Fördersatzes durch das Verwaltungsgericht um 5 % auf den Höchstsatz von 85 % (vgl. § 127 Abs. 4 Satz 1 SchulG M-V) wendet.

10

In dem angefochtenen Beschluss ist auch das Merkmal des § 6 Abs. 2 Nr. 9 PSchVO M-V, die erhebliche Vertiefung oder Erweiterung der Bildungs- und Erziehungsangebote gegenüber denen der Schulen in öffentlicher Trägerschaft bejaht worden.

11

Mit seinem Beschwerdevorbringen, es erfolge eine (unzulässige) Ersetzung einer dem Antragsgegner vorbehaltenen schulfachlichen Bewertung durch das Gericht, dringt der Antragsgegner nicht durch. Bei den tatbestandlichen Merkmalen des § 6 Abs. 2 Nr. 9 PSchVO M-V handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsgegner bei der Bewertung des Vorliegens der Umstände des § 6 Abs. 2 Nr. 9 PSchVO M-V ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden sollte, werden vom Antragsgegner weder vorgetragen, noch sind diese sonst ersichtlich. Letzteres auch deshalb nicht, weil dies dem sich aus Art. 7 Abs. 4 GG, Art. 15 Abs. 5 Verf M-V ergebenden Gesetzesvorbehalt zuwiderlaufen würde. Der Leistungsanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers wird durch das Gesetz bestimmt (vgl. LVerfG M-V, Urt. v. 18.09.2001 - 1/00 -, UA S. 17). Der insoweit bestehenden Einschätzungsprärogative hinsichtlich des Fördersatzes ist der Landesgesetzgeber durch die Regelungen in den §§ 127 ff., 131 Nr. 5 SchulG M-V, sowie der auf dieser Grundlage erlassenen Privatschulverordnung nachgekommen, wobei mit dem Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern davon ausgegangen wird, dass die verfassungsrechtlich vorgegebene Schutzintensität der Privatschulen in den schulgesetzlichen Regelungen angemessen Eingang und Berücksichtigung gefunden hat (vgl. LVerfG M-V, Urt. v. 18.09.2001 - 1/00 -, UA S. 22). Dementsprechend wären, wenn begründete Zweifel durch den Antragsgegner vorgetragen worden wären, die maßgeblichen Vorschriften der Privatschulverordnung verfassungskonform auszulegen. Die Annahme eines durch den Verordnungsgeber eingeräumten, gerichtlich nicht voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum verbietet sich daher.

12

Im Übrigen fehlt es der Beschwerdebegründung auch in diesem Zusammenhang an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, nachdem sich das Verwaltungsgericht mit den Einwänden bezüglich angeblicher Defizite betreffend der Inhalte des Sachkundeunterrichts an der Schule des Antragstellers auseinandergesetzt hat (S. 11 f. UA) und die Mehrfachberücksichtigung der Eurythmie im Rahmen des Katalogs der besonderen Umstände nach § 6 Abs. 2 PSchVO M-V für zulässig gehalten hat.

13

3. Die Beschwerde hat jedoch insoweit Erfolg, als die maßgebliche Anzahl der Schüler, die der Berechnung der Finanzhilfe zugrunde zu legen ist, nicht mit 30, sondern mit 27 anzusetzen ist.

14

Die Beschwerdebegründung setzt sich mit der strikten Anwendung der Stichtagsregelung des § 9 Abs. 1 PSchVO M-V durch das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des erkennenden Senats auseinander, nach der jedenfalls dann kein Anspruch auf Gewährung einer Finanzhilfe besteht, wenn in dem laufenden Haushaltsjahr der Schulbetrieb ruht bzw. eingestellt ist (vgl. Beschl. des Senats v. 02.02.2009 - 2 M 113/08 -) und stellt diesen Fall dem hier zugrundeliegenden zu Recht gleich, in dem der Unterricht für eine bestimmte Jahrgangsstufe - hier die Jahrgangsstufe 5 - nicht stattgefunden hat.

15

Der Annahme des Verwaltungsgerichts, insoweit sei nicht auf die Zahl der Schüler der übrigen Jahrgangsstufen - wie im zugrundeliegenden Bescheid des Antragsgegners vom 13. Oktober 2009 angenommen -, sondern auf die zum Stichtag nach § 9 Abs. 1 PSchVO M-V abzustellen, geht trotz des Wortlauts der Verordnungsregelung fehl, wenn - wie hier - der Schulbetrieb in einer Jahrgangsstufe 5 nicht stattgefunden hat, weil die Genehmigung zum Betrieb einer Ersatzschule in der 5. und 6. Jahrgangsstufe dem Antragsteller rechtskräftig versagt war (vgl. Beschl. des Senats v. 31.07.2009 - 2 L 111/09 -, zit. nach juris).

16

Zwar verweist das erstinstanzliche Gericht zutreffend darauf, dass die Stichtagsregelung des § 9 Abs. 1 PSchVO M-V der Verwaltungsvereinfachung dienen soll. Dies geht aber nicht so weit, als damit - losgelöst von dem tatsächlichen Schulbetrieb - Fördersätze zugrundezulegen wären, die sich auf einen Unterricht von Schülern beziehen, der mangels Genehmigung einer ganzen Jahrgangsstufe nicht stattgefunden hat. Demgegenüber ist die vom Verwaltungsgericht thematisierte Frage, in welcher Form (jahrgangsübergreifend) die Schüler der Jahrgangsstufe 5 beschult worden wären, nachrangig.

17

Insoweit kann auch hier dahingestellt bleiben, ob sonstige Schwankungen der Schülerzahl im laufenden Haushaltsjahr anzeigepflichtig im Sinne des § 7 Abs. 2 PSchVO M-V sind (vgl. Beschl. des Senats v. 02.02.2009 - 2 M 112/08 -).

18

Nachdem dem Antragsteller der Betrieb einer Ersatzschule in der 5. und 6. Jahrgangsstufe rechtskräftig (vgl. Beschl. des Senats v. 31.07.2009 - 2 L 111/09 -, zit. nach juris) versagt worden ist, war die vom Antragsteller im Antragsverfahren zum Stichtag gemeldete Schülerzahl (Anlage 2 zum Schreiben vom 8. Oktober 2010) in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 von 27 Schülern der Berechnung der Finanzhilfe zugrundezulegen.

19

Nach der im Übrigen von den Beteiligten unbeanstandet gebliebenen Berechnung durch das erstinstanzliche Gericht ergibt sich ein Jahresaufwand von 81.483,03 Euro (3017,89 Euro x 27). Von den anzusetzenden 85 % (69.260,58) sind die bereits bewilligten 64.350,72 Euro in Abzug zu bringen, so dass sich in Abweichung von der erstinstanzlichen Entscheidung der zugesprochene Differenzbetrag von 4.909,86 Euro ergibt.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

21

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

22

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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