Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 M 1/12
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald – 4. Kammer – vom 22. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen lebensmittelrechtliche Ordnungsverfügungen des Antragsgegners.
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Dem Antragsteller war mit Bescheid vom 1. Dezember 2011 u.a. aufgegeben worden, sämtliches Wild, das zum Zeitpunkt einer amtlichen Kontrolle am 21. November 2011 in der Wildbearbeitungseinrichtung T. bereits zerlegt war, nicht als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen (Ziff. 1). Des Weiteren wendet er sich gegen die Verfügung unter Ziff. 2 des Bescheides, nach der er (bis zum 15. Dezember 2011) sichergestelltes Fleisch über einen speziell zugelassenen Betrieb entsorgen sollte. Die sofortige Vollziehung der Verfügungen war von dem Antragsgegner mit gesonderter Begründung (§ 80 Abs. 3 VwGO) angeordnet worden.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 abgelehnt. Die angefochtenen Ordnungsverfügungen seien auf der Grundlage von § 39 Abs. 2 LFGB nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Das Wild sei unter erheblichen Verstößen gegen Hygienegrundregeln zerlegt worden; es sei zu verhindern, dass das Fleisch als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werde.
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Die dagegen gerichtete fristgerecht begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
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Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die (angefochtene) Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der Entscheidung auseinandersetzen. Das Darlegungserfordernis verlangt von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschl. des Senats vom 11.03.2011 - 2 M 1/11 -, m.w.N.).
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Hiervon ausgehend führt die Beschwerde nicht zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
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Es bedarf keiner näheren Vertiefung, ob es in dem zugrunde liegenden Fall, der Anordnung des Sofortvollzugs durch den Antragsgegner bedurfte. Der Antragsgegner hat jedenfalls (konkludent) angenommen, dass der gesetzlich angeordnete Sofortvollzug nach § 39 Abs. 7 LFGB hier nicht greift, wohl weil er nur teilweise von einer Gesundheitsschädlichkeit des Fleisches und im übrigen von dessen Ungeeignetheit für den Verzehr durch den Menschen i.S. des Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 jedenfalls aber i.S. des § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFBG ausgegangen ist. Der Sofortvollzug ist nach § 39 Abs. 7 LFGB nur für lebensmittelrechtliche Anordnungen kraft Gesetzes geregelt, die der Durchführung von Verboten nach Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 dienen. Der Frage, ob insoweit auch der Verdacht einer Gesundheitsgefährdung ausreicht (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 5. September 2011 – 5 Bs 139/111 –, zit. nach juris Rn. 12 ff.) braucht daher in diesem Zusammenhang nicht weiter nachgegangen zu werden.
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Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers richtet sich gegen die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen. Er hält ein vorübergehendes Verbot, das Wildfleisch in den Verkehr zu bringen, bis das Ergebnis einer entnommenen Probe bzw. einer Überprüfung des Fleisches hinsichtlich seiner lebensmittelrechtlichen Unbedenklichkeit vorliegt (§ 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LFGB), für ausreichend und angemessen. Bereits am Tag vor der amtlichen Kontrolle sei Reh-, Dam- und Rotwild enthäutet und ohne Kontakt zu dem später angelieferten Schwarzwild zerlegt worden.
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers darf insbesondere auch das am Vortag der amtlichen Kontrolle zerlegte Wild nicht als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden und ist entsprechend den Anordnungen des Antragsgegners zu entsorgen.
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Das Vorbringen des Antragstellers, das sich unter Bezugnahme auf die eidesstattlichen Versicherungen zweier an der Zerlegung des Wildes mitwirkender Personen mit den hygienischen Bedingungen in der Wildbearbeitungsanlage an den beiden Tagen befasst, setzt sich nur insofern mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, als der Annahme unhygienischer Zerlegung an beiden Tagen, insbesondere am 20. November 2011, begegnet wird.
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Die Beschwerdebegründung befasst sich damit schon nicht strukturell mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass in Anlehnung an die beanstandete Grundverfügung des Antragsgegners nicht auf eine tatsächliche Verunreinigung des Fleisches abzustellen ist. Das erstinstanzliche Gericht hat es im Ergebnis für das Verbot des Inverkehrbringens und der Anordnung einer unschädlichen Beseitigung ausreichen lassen, dass eine konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch die am Tag der Kontrolle vorgefundenen unhygienischen Bedingungen wegen des groben Verstoßes gegen Hygienegrundregeln auch für den vorhergehenden Tag bestand und damit vorbeugende Gesichtspunkte insoweit ausreichen lassen. Dieser Ansatz ist zutreffend. Denn unabhängig von dem Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe b i.V.m. Abs. 5 VO (EG) Nr. 178/2002 können die hier beanstandeten lebensmittelrechtlichen Maßnahmen jedenfalls auf § 39 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 1 und § 1 Abs. 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) gestützt werden. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB ist es verboten, andere als dem Verbot des Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. b der VO (EG) Nr. 178/2002 unterliegende Lebensmittel, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, in den Verkehr zu bringen. Der Rechtsbegriff „für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet“ bestimmt sich durch Auslegung anhand der Verkehrsanschauung. Nicht zum Verzehr geeignet sind danach Lebensmittel, die entweder durch ihre Gewinnung oder Herstellung genussuntauglich sind, später durch natürliche oder willkürliche Einflüsse nachteilige Veränderungen erfahren haben oder aufgrund solcher Umstände Ekel oder Widerwillen hervorrufen, die geeignet sind, eine nachteilige Zustandsveränderung herbeizuführen (vgl. Voß, Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, 2. Aufl. 2007, S. 106 f. m.w.N.; Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB – BasisVO, 2007, § 11 LFGB Rn. 122 ff. m.w.N.). Es ist also weder erforderlich, dass von dem Lebensmittel tatsächlich Gesundheitsgefahren für den Menschen ausgehen noch dass das es in seiner Beschaffenheit verändert wurde. Ausreichend sind vielmehr Umstände, die Ekel und Widerwillen hervorrufen und lediglich geeignet sind eine nachteilige Zustandsveränderung herbeizuführen (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 12. Juli 2007 – 4 A 172/04 -, zit. nach juris Rn. 34 m.w.N.).
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Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung der Annahme der Behörde und des Verwaltungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht widerspricht, es hätten unhygienische und Ekel erregende Zustände i.S. des § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB, § 2 Abs. 1 Nr. 1 LMHV bei der Zerlegung des Wildes geherrscht, greift die Beschwerde nicht durch. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die angegriffenen lebensmittelrechtlichen Ordnungsverfügungen offensichtlich rechtmäßig sind. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten ginge die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Denn nach der im Eilverfahren nur möglichen aber auch erforderlichen summarischen Tatsachenwürdigung treten die Interessen des Antragstellers hinter dem öffentlichen Interesse weitergehende Folgen lebensmittelhygienischer Verstöße effektiv zu Lasten insbesondere der Verbraucher zu vermeiden, zurück. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine davon abweichende Beurteilung.
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Die hygienischen Bedingungen, die bei der amtlichen Kontrolle festgestellt wurden, sind gemessen an den objektiven Vorstellungen eines durchschnittlichen Verbrauchers Ekel erregend und lösen einen Widerwillen gegenüber dem Wildfleisch aus, hätte er von der Zerlegung Kenntnis. Dies gilt bereits allein aufgrund der zum Bestandteil der Verwaltungsvorgänge gewordenen Lichtbilder, soweit diese belegen, dass teilabgezogenes Rot- und Schwarzwild an dem daran belassenen nicht enthäuteten Kopf aufgehängt wurde, als auch aufgrund der Fotos von teilenthäutetem, übereinander gestapeltem Wild auf Chargen mit deutlichen Verschmutzungen des Wildbrets (Lichtbildmappe I, S. 3, 9, 10). Darüber hinaus weisen die Arbeitsbereiche, insbesondere der Fußboden der Wildbearbeitungseinrichtungen einen Grad der Verschmutzung auf (Lichtbildmappe I, S. 1, 4, 12), der die durch die eidesstattlichen Versicherungen behauptete Reinigung des Fußbodens nicht glaubhaft erscheinen lässt. Auch eine (Zwischen-)Reinigung der Wände erscheint angesichts des Gesamteindrucks, den die Fotodokumentation vermittelt, unwahrscheinlich. Ob ein (!) Handwaschbecken auch mit Warmwasseranschluss sowie Seife und Händedesinfektionsmittel zum Zeitpunkt der Zerlegung des Wildes vorhanden waren, kann danach dahingestellt bleiben. Auf die Frage, ob (gestapelte) Kisten mit Fleisch und Knochen für die Verwendung in dem Restaurant des Betriebes des Antragstellers bereitstanden oder der Entsorgung zugeführt werden sollten, kommt es daher schon nicht mehr an. Jedenfalls ist, da eine eindeutige Zuordnung wie sie der Antragsteller vorträgt, von den Lebensmittelkontrolleuren des Antragsgegners bei der Vorortkontrolle nicht nachvollzogen werden konnte, ein Missstand insofern zu beklagen, als aufgrund der großen Menge verarbeiteten Wildes, die offensichtlich die Kapazität der Wildbearbeitungsanlage überschritt, eine geordnete Verarbeitung nicht gewährleistet war. Hinzu kommen dürften - wenig überzeugend bestrittene - weitere Verstöße gegen hygienische Grundregeln (fehlende Türen, fehlende aktive Kühlung, weit geöffnete Tore, Lagerung vakuumierten Fleisches auf dem Fußboden, Reinigungsgeräte in den Zerlegeräumen).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- 5 Bs 139/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2 M 1/11 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 1x
- § 2 Abs. 1 Nr. 1 LMHV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- LFGB § 11 Vorschriften zum Schutz vor Täuschung 3x
- VwGO § 146 3x
- LFGB § 39 Aufgabe und Maßnahmen der zuständigen Behörden 4x
- §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFBG 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 172/04 1x (nicht zugeordnet)