Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 L 110/09

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. Mai 2009 – 6 A 2252/05 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 205,25 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Frage, ob die Klägerin für ein Autoradio in einem auf sie zugelassenen Kfz rundfunkgebührenpflichtig ist, wenn sie bereits gemeinsam mit ihrem Lebenspartner in der gemeinsamen Wohnung Rundfunkgeräte zum Empfang bereithält, die der Lebenspartner bei der GEZ angemeldet hat.

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Der Antrag des Beklagten ist zulässig. Er ist insbesondere nach Zustellung des angefochtenen Urteils am 15. Juni 2009 frist- und formgerecht am 14. Juli 2009 bei dem Verwaltungsgericht gestellt und zugleich begründet worden (§ 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO).

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Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO) sind nicht gegeben.

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1. Das Verwaltungsgericht hat der gegen den Gebührenbescheid des Beklagten vom 03. März 2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 20. September 2005 gerichteten Klage der Klägerin mit Urteil vom 06. Mai 2009 (6 A 2252/05) stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Das dagegen gerichtete Zulassungsvorbringen führt nicht auf ernsthafte Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls in Verbindung mit einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Das ist hier nicht der Fall.

5

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei für ein Radio in dem auf sie zugelassenen Kraftfahrzeug von vornherein nicht gebührenpflichtig, weil dies für sie ein Zweitgerät im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) gewesen wäre, dass eine Gebührenpflicht nicht auslöse. Um ein Zweitgerät hätte es sich deshalb gehandelt, weil sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten andere Empfangsgeräte (Erstgeräte) in der von beiden gemeinsam genutzten Wohnung zum Empfang bereitgehalten habe. Die Klägerin habe im gesamten streitigen Zeitraum mit ihrem Lebensgefährten in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt. Ihr Lebensgefährte sei bei der GEZ unter einer bestimmten Teilnehmernummer gemeldet gewesen; sie selbst sei unter dessen Adresse angemeldet gewesen. In diesen Fällen greife § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV ein. Dessen Voraussetzungen lägen vor. Ein Rundfunkteilnehmer halte ein Gerät zum Empfang bereit, wenn er die rechtlich gesicherte tatsächliche Verfügungsgewalt über das Gerät besitze. Es komme nicht darauf an, wer Eigentümer des Gerätes sei, also zivilrechtlich über das Gerät verfügen dürfe. Maßgeblich für die Frage, ob eine Person ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithalte und dafür Rundfunkgebühren entrichten müsse, sei auch nicht, ob die Person das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes angezeigt habe. Die Gebührenpflicht werde durch das tatsächliche Bereithalten derartiger Geräte begründet. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 2 RGebStV. Sie beginne nach § 4 Abs. 1 RGebStV mit dem ersten Tag des Monats, in dem ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten werde. Die Anzeige habe also keine konstitutive Bedeutung für das Entstehen der Rundfunkgebührenpflicht. Danach sei es möglich, dass mehrere Personen gemeinschaftlich ein Gerät zum Empfang bereithielten. Dies treffe nicht nur auf Ehegatten, sondern auch auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft für Geräte in gemeinsam genutzten Räumen zu. Dann hafteten die Lebenspartner für die zu entrichtenden Rundfunkgebühren als Gesamtschuldner. Danach sei auch die Klägerin als Rundfunkteilnehmerin anzusehen, die in den maßgeblichen Zeiträumen Erstgeräte im Sinne von § 1 Abs. 2 RGebStV bereitgehalten habe, und sie müsse daher nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV für ein Zweitgerät in ihrem Kraftfahrzeug keine Rundfunkgebühren entrichten. Dies ergebe sich nicht aus einer anlogen Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sondern allein aus dem Tatbestandsmerkmal des Bereithaltens von Geräten durch „eine natürliche Person“. Dem stehe nicht entgegen, dass die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV ausdrücklich vorgesehene Begünstigung von Ehegatten damit praktisch nur in wenigen Fällen relevant werde. Das Gericht folge der Gegenauffassung nicht. Danach gelte die Rundfunkgebührenfreiheit für Zweitgeräte nicht für ein Radio im Kfz eines Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wenn die im Haushalt der Lebensgemeinschaft bereitgehaltenen Erstgeräte von dem anderen Partner angemeldet worden seien. Diese Ansicht beruhe auf der unrichtigen Annahme, dass die gemeinsam genutzten Geräte nur als Geräte desjenigen Partners der Lebensgemeinschaft anzusehen seien, der die Geräte angemeldet habe. Sie führe zu der nicht akzeptablen Konsequenz, dass das Bereithalten derselben Geräte durch dieselben Personen gebührenrechtlich unterschiedlich behandelt werde, je nachdem welcher der beiden Partner die Erstgeräte in der gemeinsamen Wohnung angemeldet habe. Die Anmeldung hätte damit konstitutive Wirkung für das Entstehen der Rundfunkgebührenpflicht, was § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV widerspreche.

6

Dem dagegen gerichteten Zulassungsvorbringen ist zunächst nicht zu folgen, wenn der Beklagte § 5 Abs. 1 RGebStV, wonach eine Rundfunkgebühr für Zweitgeräte bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen nicht zu leisten ist, dahin verstehen will, dass die Privilegierung nur für den Rundfunkteilnehmer gelten könne, der das „Erstgerät“ angemeldet habe. Der Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Anmeldung eines Rundfunkempfangsgerätes keine konstitutive Bedeutung für die Frage der Gebührenpflicht habe. Rundfunkteilnehmer ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Die Gebührenpflicht entsteht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV bereits dadurch, dass das Empfangsgerät bereitgehalten wird, nicht mit einer Anmeldung oder einer Anzeige (§ 3 Abs. 1 RGebStV). Die Auffassung des Beklagten widerspricht nicht nur dem eindeutigen Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV (keine Rundfunkgebühr für Zweitgeräte, die von einer natürlichen Person zum Empfang bereitgehalten werden), sondern vor allem der Systematik des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (h.M., vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.08.2008 – 2 S 1519/08 –, juris, Rn. 21; HambOVG, Beschl. v. 25.02.2010 – 4 Bf 59/09.Z –, juris, Rn. 13; BayVGH, Urt. v. 28.02.2011 – 7 BV 09.692 –, juris, Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.12.2011 – 4 LC 61/10 –, juris, Rn. 39; vgl. auch – die Entscheidung des VGH Mannheim aus bundesrechtlicher Sicht billigend –: BVerwG, Urt. v. 29.04.2009 – 6 C 28.08 –, juris; a.A. OVG Münster, Urt. v. 02.03.2010 – 8 A 2217/09 –, juris).

7

Der in diesem Zusammenhang – insbesondere im Schriftsatz vom 15. Oktober 2009 – vorgetragene Einwand des Beklagten, nur derjenige, der das Erstgerät angemeldet habe, bedürfe einer Entlastung in Gestalt des Zweitgeräteprivilegs, ist nicht zutreffend. Die Gebührenpflicht für das Erstgerät wird für jeden Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit dem gemeinsamen Bereithalten dieses Gerätes zum Empfang begründet. Beide haften insoweit als Gesamtschuldner. Aus diesem Grunde hat der eine Teil der Lebensgemeinschaft gegen den anderen Teil einen Ausgleichsanspruch (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Höhe der Hälfte der Gebührenforderung. Somit besteht ein Grund zur Entlastung durch das Zweitgeräteprivileg gleichermaßen für die Klägerin (so auch OVG Lüneburg, a.a.O.).

8

Ebenso geht der Einwand des Beklagten, es sei den Gerichten verwehrt, über den ausdrücklich geregelten Fall einer Privilegierung von Ehegatten in § 5 Abs. 1 Nr. 1 RGebStV hinaus weitere Gruppen im Wege der Analogie zu begünstigen, ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, sein Ergebnis nicht aus einer analogen Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV (auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft) herzuleiten, sondern allein aus dem Tatbestandsmerkmal des Bereithaltens von Geräten durch eine „natürliche Person“. Die Gebührenfreiheit für ein Autoradio der Klägerin ergebe sich letztlich aus der Definition des Rundfunkteilnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 RGebStV sowie aus der Anerkennung des gemeinsamen Bereithaltens von Empfangsgeräten durch die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Insoweit genügt der Zulassungsantrag mangels Auseinandersetzung mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung auch bereits nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

9

2. Der Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Besondere Schwierigkeiten sind gegeben bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache, in rechtlicher Hinsicht auch bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtssachen. Ob eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist, wird sich häufig schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils ergeben. Besondere Schwierigkeiten weist die Rechtssache auch dann auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die rechtliche Würdigung, die die erstinstanzliche Entscheidung trägt, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung des Berufungsverfahrens erfordern. Eine Zulassung der Berufung wegen rechtlicher Schwierigkeiten kommt insoweit auch in Betracht, wenn die rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine faire Verfahrensgestaltung eine weitere Erörterung mit den Beteiligten angezeigt erscheinen lassen oder wenn die Sichtung von Rechtsprechung und Literatur und die Meinungsbildung im Senat einen Aufwand erfordern, der dem auf eine zügige Entscheidung angelegten Zulassungsverfahren nicht mehr angemessen ist (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 28.01.2009 – 1 L 414/05 –).

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Besondere rechtliche Schwierigkeiten sind danach vorliegend nicht ersichtlich. Dass, wie der Beklagte vorträgt, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte ein anderer Ausgang des Verfahrens möglich sei, reicht nicht aus. Allein der Umstand, dass ein Beteiligter eine Rechtsauffassung vertritt, die sich letztlich nicht durchsetzt, sagt nichts über die Schwierigkeit der zu entscheidenden Rechtsfragen aus (vgl. HambOVG a.a.O., Rn. 17). Hinzu kommt, dass der Beklagte für seine Rechtsauffassung zum Teil Entscheidungen solcher Verwaltungsgerichte heranzieht, deren Oberverwaltungsgerichte den hier vom Senat eingenommenen Rechtsstandpunkt vertreten.

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3. Der von dem Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt schließlich ebenfalls nicht vor. Dieser Zulassungsgrund erfordert Darlegungen dazu, dass die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist. Erforderlich ist, dass die klärungsbedürftige konkrete Rechtsfrage bezeichnet und dargestellt wird, woraus sich die grundsätzliche Bedeutung dieser speziellen Rechtsfrage ergibt. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretationen ohne Weiteres beantworten lässt. Dies ist hier der Fall. Die Frage nach der Anwendbarkeit des Zweitgeräteprivilegs gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV auf solche Rundfunkempfangsgeräte, die von einem Rundfunkteilnehmer bereitgehalten werden, der bereits gemeinsam mit einem anderen Rundfunkteilnehmer im Rahmen einer Lebensgemeinschaft Rundfunkempfangsgeräte bereithält, welche von letzterem angemeldet wurden, ist nicht klärungsbedürftig. Ihre Beantwortung ergibt sich ohne die Notwendigkeit der Durchführung eines Berufungsverfahrens aus einer einfachen Anwendung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Dazu wird auf die obenstehenden Ausführungen unter 1. verwiesen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

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Hinweis:

14

Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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