Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 M 142/12

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 14.08.2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte und hinsichtlich der Überlassungsanordnung mit einer Androhung der Ersatzvornahme versehene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 04.06.2012, mit der ihr mit sofortiger Wirkung das Führen, Halten und Züchten von gefährlichen Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier untersagt wurde und die erteilten Erlaubnisse zum Halten und Führen bzw. zum Züchten bestimmter Hunde widerrufen wurden.

2

Das Verwaltungsgericht hat den dagegen gerichteten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen die Ordnungsverfügung eingelegten Widerspruchs mit der Begründung abgelehnt, bei der gebotenen Interessenabwägung überwiege das Vollzugsinteresse des Antragsgegners gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, weil sich die Verfügung nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweise. Sie sei formell rechtmäßig. Insbesondere sei die erforderliche Anhörung erfolgt und die Antragstellerin habe Gelegenheit gehabt, zur beabsichtigten Entscheidung Stellung zu nehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Erlaubnisse seien gegeben. Auf Grund einer nach Erteilung der Erlaubnisse erfolgten strafrechtlichen Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vom 30.09.2009, deren Rechtskraft noch nicht mehr als fünf Jahre zurückliege, besitze die Antragstellerin die gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 HundehVO M-V erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr). Auf die Höhe des Strafmaßes komme es nicht an. Die (bloße) Verurteilung zu einer Geldstrafe rechtfertige keine Ausnahme von der Regel des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HundehVO M-V. Damit sei der Antragsgegner berechtigt gewesen, die Erlaubnisse nicht zu erteilen. Da die Voraussetzungen für den Widerruf bereits aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung der Antragstellerin erfüllt seien, komme es nicht darauf an, ob sie auch gegen Auflagen verstoßen habe oder der Widerruf bereits aufgrund des in den Erlaubnissen enthaltenen Widerrufsvorbehalts hätte erfolgen können. Die verfügte Untersagung des Führens, Haltens und Züchtens gefährlicher Hunde der genannten Rasse könne zwar nicht auf die HundehVO M-V, wohl aber auf die ordnungsbehördliche Generalklausel nach §§ 13, 16 Abs. 1 Nr. 1 SOG M-V gestützt werden. Das zeitliche Zuwarten nach Kenntnis von der Verurteilung habe den Antragsgegner weder am Erlass der Verfügung noch an der Anordnung des Sofortvollzuges gehindert.

II.

3

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird ablehnt, weil die Beschwerde ausweislich der nachfolgenden Gründe nicht die nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

4

Nach den gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein maßgeblichen dargelegten Beschwerdegründen hat die Beschwerde keinen Erfolg.

5

Der Antragstellerin ist im Beschwerdeverfahren durch Akteneinsicht rechtliches Gehör gewährt worden, so dass die gerügte fehlende Möglichkeit der Stellungnahme zur Antragserwiderung die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht rechtfertigt.

6

Bei der Rüge der Verletzung der Anhörungspflicht vor Erlass der angefochtenen Verfügung verkennt die Antragstellerin, dass im Anhörungsschreiben vom 05.04.2012 der beabsichtigte Widerruf der Erlaubnisse neben der Verletzung von Auflagen auch auf die strafrechtliche Verurteilung gestützt wurde. Auf die mit der Beschwerde gerügte fehlende Stellungnahmemöglichkeit zu den vom Antragsgegner im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen Auflagen angeführten Vorwürfen kommt es schon deshalb nicht an, weil nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits die strafrechtliche Verurteilung den Widerruf der Erlaubnisse und die Untersagung des Halten, Führens und Züchtens von Hunden rechtfertigt.

7

Zutreffend geht die Beschwerde davon aus, dass der Verordnungsgeber bei § 6 Abs. 1 HundehVO M-V im Blick hatte, rechtskräftig verurteilten Personen „in der Regel“ keine Erlaubnisse zu erteilen. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht seinerseits zutreffend auch die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG M-V für einen Widerruf der Erlaubnisse als erfüllt angesehen. Auf die Schwere der Schuld kommt es dabei nach dem Wortlaut der Verordnung nicht an. Allerdings handelt es sich um Regelbeispiele, die sich an Vorschriften im Waffenrecht anlehnen, die im Grad der abstrakten Gefahr vergleichbare Situationen regeln. Auch von gefährlichen Hunden gehen erhebliche Gefahren für Leib und Leben Dritter aus, die es rechtfertigen, bei Verurteilung wegen bestimmter Straftaten die Zuverlässigkeit in der Regel zu verneinen. Die Regelung lässt für den Einzelfall, der in der Gewichtung der abgeurteilten Straftat aus dem Rahmen fällt, ausreichende Entscheidungsspielräume und wahrt damit die Verhältnismäßigkeit (vgl. OEufach0000000005, U. v. 06.04.2001 – 4 K 32/00 -, NordÖR 2001, 317).

8

Bei einer rechtskräftigen Verurteilung kann von der Richtigkeit der Verurteilung ausgegangen werden und sich die Prüfung darauf beschränken, ob die Regelvermutung aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ausgeräumt ist (vgl. BVerwG, B. v. 22.04.1992 – 1 B 61/92 -, Buchholz 402.4 WaffG Nr. 63 zum früheren § 5 Abs. 2 WaffG 1976). Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass die strafrechtliche Beurteilung auf einem Irrtum beruht und die Verwaltungsbehörde und das Verwaltungsgericht im Stande sind, den Vorfall besser und richtiger zu beurteilen, kommt eine Abweichung von einem rechtskräftigen Urteil in Betracht (vgl. BVerwG a.a.O.). Eine Abweichung von der Regelvermutung käme nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit gefährlichen Hunden nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.1994 – 1 C 31.92 -, BVerwGE 97, 245<250>).

9

Hiervon ausgehend sind die mit der Beschwerde angeführten Gründe nicht geeignet, im Fall der Antragstellerin einen Ausnahmefall von der Regelvermutung zu begründen. Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen gibt jedenfalls Anlass zu der Befürchtung, der Täter könne es auch als Halter eines gefährlichen Hundes am nötigen Verantwortungsbewusstsein fehlen lassen (vgl. § 5 Abs. 2 WaffG). Das mit jeder Haltung eines gefährlichen Hundes verbundene Sicherheitsrisiko soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit solchen Tieren jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, B. v. 13.12.1994, a.a.O.). Aufgrund ihrer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen ist dieses Vertrauen im Fall der Antragstellerin nachhaltig erschüttert. Selbst bei 60 Tagessätzen handelt es sich im Fall einer Erstverurteilung um einen Mittelwert, der der Tatsache Rechnung trägt, dass in der Praxis der Gerichte 60 Tagessätze durchaus ein erhebliches Unwerturteil bei einer Geldstrafe darstellen, das einiges Gewicht der konkreten Tat voraussetzt; Bagatelltaten werden hier nicht erfasst (vgl. OVG Berlin, B. v. 27.01.2012 – OVG 11 N 30.10 -, zit. n. juris, unter Hinweis auf den Beschluss des OVG Berlin vom 29.06.2010 - OVG 11 S 73.08 - S. 3 des EA und die Begründung des Regierungsentwurfs zum WaffRNeuRegG, BR-Drucksache 596/01 S. 102).

10

Schließlich kann ein Ausnahmefall auch nicht angenommen werden, weil zwischen der strafrechtlichen Verurteilung Ende 2010 bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung längere Zeit vergangen ist. Gerade aufgrund der „erfolglosen“ Bemühungen des Antragsgegners seit dem Jahr 2009 bestand für die Antragstellerin kein Vertrauensschutz dahingehend, dass der Antragsgegner von einem Widerruf oder einer Untersagung zukünftig absieht.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 i.V.m. 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

12

Hinweis:

13

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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