Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (13. Senat) - 13 PA 243/12

Gründe

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Das Verwaltungsgericht hat eine für die von der Klägerin begehrte Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der auf ihre Einbürgerung gerichteten Klage (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) zu Recht verneint. Der Senat macht sich die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

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Aus dem Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) folgt zwar, dass an das Tatbestandsmerkmal der hinreichenden Erfolgsaussichten als Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 14.06.2006 - 2 BvR 626/06 -, juris; Beschl. v. 27.11.2000 - 2 BvR 2109/99 -, juris; Beschl. v. 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, juris). Insbesondere soll die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses dadurch faktisch an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Die begehrte Prozesskostenhilfe darf indessen versagt werden, wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nur sehr gering sind. So liegt es hier.

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Der von der Klägerin maßgeblich angestrebten Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG steht bereits entgegen, dass sie nach den Angaben des Beklagten seit dem 27. Mai 2012 (lediglich) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist. Auch wenn ein geeigneter Aufenthaltstitel - anders als bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG - nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 1 StAG ist, ist in Nr. 8.1.2.4 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 17. April 2009 (StAG-VAH) als allgemeiner Grundsatz für die Ermessensausübung ausgeführt, dass ein in Nr. 10.1.1.2 genannter Aufenthaltsstatus erforderlich ist. Aufenthaltserlaubnisse für Aufenthaltszwecke nach § 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes reichen insoweit nicht aus (10.1.1.2 Satz 2 StAG-VAH).

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Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen zutreffend erkannt, dass die Mindestvoraussetzungen für eine Ermessenseinbürgerung der 1999 im Kosovo geborenen minderjährigen Klägerin (hier: § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) bereits aufgrund des fortdauernden Bezugs öffentlicher Leistungen ihrer unterhaltspflichtigen Eltern nicht erfüllt sind. Zwar bestimmt § 8 Abs. 2 StAG, dass von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden kann. Dass das Verwaltungsgericht im Fall der Klägerin die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift verneint hat, begegnet indes keinen Bedenken. Es ist nämlich weder ersichtlich, dass ihre Einbürgerung im öffentlichen Interesse liegen könnte noch sind Anhaltspunkte für eine besondere Härte erkennbar. Hinsichtlich des „öffentlichen Interesses“ im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in seinem Urteil vom 28.06.2012 -1 A 35/12-, (juris) ausführlich dargelegt, dass die von der Kommentarliteratur geforderte weite Auslegung des Begriffes, wonach das öffentliche Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG im Zusammenhang mit den vom Bundesministerium des Innern vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen zu sehen sei, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten, mit der Folge, dass ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis regelmäßig angezeigt sei, wenn die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt seien, abgelehnt werden müsse. Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringe, sei nicht anzunehmen. Im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG spreche vielmehr alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollten, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern. Demnach sei ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung bestehe, das es ausnahmsweise rechtfertigen könne, den Ausländer trotz fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlange die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab. Dieser Auffassung schließt sich der Senat für das vorliegende Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an.

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Ein spezifisch staatliches Interesse an einer Einbürgerung der 1999 im Kosovo geborenen minderjährigen Klägerin und einem ausnahmsweisen Absehen von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Klägerin hat zwar Umstände geltend gemacht, mit denen ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an ihrer Einbürgerung begründet werden soll. Der Umstand allein, dass es sich bei der Klägerin um ein minderjähriges Kind handelt, für das bereits Einbürgerungserleichterungen vorgesehen sind (vgl. etwa § 10 Abs. 2 und 4 StAG und Nr. 8.1.3.6 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009), reicht nach den obigen Ausführungen jedoch gerade nicht aus.

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Auch Art. 7 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Zustimmungsgesetz vom 17. Februar 1992, BGBl II S. 121) steht der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht entgegen und vermittelt insbesondere kein „öffentliches Interesse“ im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung der Klägerin. Nach Art 7 Abs. 1 dieses Übereinkommens hat ein Kind u.a. das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben. Nach Art. 7 Abs. 2 des Übereinkommens stellen die Vertragsstaaten die Verwirklichung dieser Rechte im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und mit ihren Verpflichtungen aufgrund der einschlägigen internationalen Übereinkünfte in diesem Bereich sicher, insbesondere für den Fall, dass das Kind sonst staatenlos würde. Daraus geht hervor, dass diese Bestimmung in erster Linie - im Rahmen des nationalen Staatsangehörigkeitsrechts und bereits bestehender internationaler Übereinkünfte - die Staatenlosigkeit von Kindern verhindern soll. Einen Anspruch auf eine "Staatsangehörigkeit der Wahl" begründet sie hingegen nicht. Da die Klägerin einerseits die serbisch/kosovarische Staatsangehörigkeit besitzt, die auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern ist, andererseits die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht erfüllt, kann aus Art. 7 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 26. Januar 1990 weder ein Einbürgerungsrecht für sie hergeleitet noch ein spezifisch staatliches Interesse an ihrer Einbürgerung begründet werden. Sie erhielte in diesem Fall eine andere Staatsangehörigkeit als ihre Eltern. Wie die §§ 9 und 10 Abs. 2 StAG belegen, besteht gerade ein öffentliches Interesse an einer einheitlichen Staatsangehörigkeit der Familienmitglieder. Dies ist von den zuständigen Behörden auch bei ihren Ermessensentscheidungen nach den §§ 8 und 9 StAG zu berücksichtigen. Danach ist im Interesse des Familienzusammenhalts und der Vermeidung von Rechtsunsicherheit sowie unterschiedlicher Loyalitätsanforderungen anzustreben, dass alle Familienangehörigen über den gleichen staatsbürgerlichen Status verfügen und gleichermaßen den Schutz des Staates genießen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 29.07.1985 - 1 B 78.85 -, NJW 1985, 2908; Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. § 10, Rn. 70 f.; § 8, Rn. 98 ff.). Dementsprechend sieht Nr. 8.1.3.6 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vor, ein minderjähriges Kind, das bei der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, grundsätzlich nur dann selbständig einzubürgern, wenn es im Inland mit einem deutschen Staatsangehörigen, der für das Kind sorgeberechtigt ist, in einer familiären Gemeinschaft lebt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die engsten Bezugspersonen der betroffenen Kinder eine andere Staatsangehörigkeit besitzen als diese selbst, um auf diese Weise die möglichen Konflikte - auch aufenthaltsrechtlicher Natur - zu vermeiden, die vor allem dem Wohl der Kinder abträglich wären. Letztlich ist das Übereinkommen über die Rechte des Kindes auch nicht dazu bestimmt, die Anforderungen an die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen durch eine ausufernde Einbürgerungspraxis zu überspielen (vgl. Senatsbeschluss v. 5.11.2010 -13 PA 193/10 -).

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Aus Art. 6 Abs. 4 lit. e des Europäischen Abkommens über die Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (Zustimmungsgesetz vom 13.05.2004, BGBl II, 578) folgen im Rahmen des dem Beklagten nach § 8 Abs. 1 StAG zustehenden Ermessens keine weitergehenden Rechte. Auch insoweit vermag der Senat ein „öffentliches Interesse“ im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung der Klägerin nicht zu erkennen. Nach Art. 6 Abs. 4 lit. e des vorgenannten Abkommens erleichtert jeder Vertragsstaat in seinem innerstaatlichen Recht Personen, die in seinem Hoheitsgebiet geboren sind und dort rechtmäßig ihren Aufenthalt haben, den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Bundesrepublik Deutschland dieser völkerrechtlichen Verpflichtung in hinreichender Weise nachgekommen. So erwerben Kinder, die in der Bundesrepublik Deutschland geboren werden, unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsangehörigkeit unmittelbar durch Geburt (§ 4 Abs. 3 StAG). Im Übrigen können Kinder unter erheblicher Verkürzung der Aufenthaltsfrist eingebürgert oder mit ihren Eltern eingebürgert werden. Auch die Sprachanforderungen für Kinder, die im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind bereits bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Sevin Dagdelen u.a., BT-Drucks. 16/13321, Seite 3). Ein weitergehender, unmittelbarer Anspruch auf Einbürgerung lässt sich Art. 6 Abs. 4 lit. e des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit nicht entnehmen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden. Ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG vermag der Senat auch vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen eng zu fassenden Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG aller Voraussicht nach nicht eröffnet. Insoweit nimmt der Senat ergänzend Bezug auf die Ausführungen des Beklagten in seiner Beschwerdeerwiderung vom 27. Dezember 2012, die er für zutreffend hält.

 


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