Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (11. Senat) - 11 LA 128/17

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 9. März 2017 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

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Die Klägerin wendet sich gegen die von dem Beklagten verfügte Untersagung der Vermittlung von bestimmten Sportwetten in Niedersachsen.

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Die Klägerin vermittelt in zwei Betriebsstätten in D. sowie in jeweils einer Betriebsstätte in E. und F. seit einigen Jahren Sportwetten der in G. ansässigen Firma H. (im Folgenden: Fa. I.), die durch die J. erteilte entsprechende Lizenzen besitzt. Nach Anhörung der Klägerin untersagte der Beklagte dieser mit Bescheid vom 26. Juli 2016, in ihrer Betriebsstätte „K.“ in D. oder sonst in L. Ereigniswetten, d.h. Wetten auf in Sportereignissen möglicherweise eintretende Ereignisse, die nicht Wetten auf den Ausgang oder den Ausgang von Abschnitten dieser Sportereignisse nach den Spielregeln des Wettbewerbs sind, und zwar auch als Live-Ereigniswetten während des Laufs dieser Sportereignisse, sowie darüber hinaus als Live-Wetten während laufender Sportereignisse auch alle sonstigen Wetten, die nicht Wetten auf das Endergebnis, d.h. auf den Ausgang dieser Sportereignisse nach dem durch den Veranstalter nach den Spielregeln des Wettbewerbs festgestellten finalen Spielstand oder dessen Bestandteile sind, zu vermitteln (Ziffer I des Bescheides). Weiter untersagte der Beklagte die Werbung für die unter Ziffer I genannten Wetten und drohte für Zuwiderhandlungen gegen diese Untersagung die Anwendung von Zwangsmitteln an (Ziffer II des Bescheides). Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 29. Juli 2016 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat diese Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

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Der hiergegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht zuzulassen, da die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO (dazu 1.), des Vorliegens besonderer rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (dazu 2.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (dazu 3.) nicht durchgreifen.

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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO).

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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt. Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542, juris, Rn. 7 ff.). § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffnet den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren somit nur in den Fällen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf. Demgegenüber reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen des Urteils bestehen, das Urteil aber im Ergebnis richtig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, a.a.O., juris, Rn. 9 ff.).

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Danach rechtfertigen die Einwände der Klägerin nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

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1.1 Rechtsgrundlage für die angefochtene Untersagungsverfügung ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Glücksspielstaatsvertrages vom 15. Dezember 2011 (Nds. GVBl. 2012, 190, 196, in Kraft getreten am 1.7.2012) - GlüStV - i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 2 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes - NGlüSpG -. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Insbesondere kann sie nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Während § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV der Glücksspielaufsicht ein Ermessen einräumt, eine unerlaubte Vermittlung unerlaubten Glücksspiels zu untersagen, normiert § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG eine Verpflichtung zum Einschreiten.

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1.2 Der auf dieser Rechtsgrundlage ergangene Bescheid des Beklagten ist nicht formell rechtswidrig.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beklagte für den Erlass der streitigen Untersagungsverfügung zuständig. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG ist das für Inneres zuständige Ministerium zuständig für die Glücksspielaufsicht (Glücksspielaufsichtsbehörde). Es ist nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NGlüSpG u.a. zuständig für die Untersagung unerlaubter Veranstaltung oder Vermittlung öffentlicher Glücksspiele und der Werbung hierfür.

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Diese Zuständigkeitsregelung wird nicht durch § 9 a Abs. 3 i.V.m. § 9 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV verdrängt. Nach § 9 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV erteilt die Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Hessen für alle Länder die Konzession nach § 4 a GlüStV für Sportwetten und die - hier nicht relevante - Erlaubnis nach § 27 Abs. 2 GlüStV. Gemäß § 9 a Abs. 3 GlüStV, der nach § 23 Abs. 1 Satz 3 NGlüSpG unberührt bleibt, üben die nach den Absätzen 1 und 2 zuständigen Behörden gegenüber den Erlaubnis- und Konzessionsnehmern auch die Aufgaben der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV mit Wirkung für alle Länder aus; sie können die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen und nach ihrem jeweiligen Landesrecht vollstrecken sowie dazu Amtshandlungen in anderen Ländern vornehmen. Diese spezielle Zuständigkeitsregelung ist hier nicht einschlägig.

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§ 9 a Abs. 3 GlüStV erstreckt das ländereinheitliche Verfahren für die Erlaubnis- und Konzessionserteilung aus § 9 a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV auf die Aufgaben der Glücksspielaufsicht i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, soweit es die Tätigkeit der Erlaubnis- und Konzessionsnehmer im in der Zulassung geregelten Bereich - z.B. bei § 9 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 GlüStV die Veranstaltung von Sportwetten, egal ob konzessioniert oder nicht - betrifft (Oldag, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 9 a GlüStV, Rn. 10). Damit greift die länderübergreifende Glücksspielaufsicht nach § 9 a Abs. 3 GlüStV in dem hier einschlägigen Bereich der Sportwetten nur gegenüber Sportwettenveranstaltern ein. Denn nur diesen können nach § 4 a GlüStV Konzessionen erteilt werden. Die Klägerin ist aber nicht Konzessionsnehmerin im Sinne von § 9 a Abs. 3 i.V.m. § 9 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV, denn sie veranstaltet nicht Sportwetten, sondern vermittelt diese. Die Glücksspielaufsicht über Vermittler von Sportwetten wird von § 9 a Abs. 3 GlüStV nicht umfasst (vgl. zum Vorstehenden: Senatsbeschl. v. 8.5.2017 - 11 LA 24/16 -, GewArch 2017, 385, juris, Rn. 21, und v. 7.3.2018 - 11 LA 43/17 -, juris)

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Das Vorbringen der Klägerin, aus der Systematik des GlüStV ergebe sich, dass die länderübergreifende Zuständigkeit nicht nur den Wettveranstalter, sondern auch selbständige Vermittler wie sie erfasse, überzeugt schon im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 9 a Abs. 3 GlüStV nicht. Zudem spricht die Gesetzessystematik gegen eine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung der Zuständigkeitsregelung. Die nach §§ 10 a Abs. 2 i.V.m. §§ 4 a bis 4 e GlüStV erforderliche Sportwettenkonzession ist eine besondere Form der Erlaubnis i.S.d. § 4 Abs. 1 GlüStV. Sie berechtigt den Konzessionsnehmer, sein Angebot über das Internet (§ 10 a Abs. 4 GlüStV) oder über Wettvermittlungsstellen zu vertreiben. Die Wettvermittlungsstellen bedürfen, wie ausdrücklich in § 10 a Abs. 5 Satz 2 GlüStV geregelt ist, einer eigenständigen Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV. Für diese Erlaubnisse gilt zwar die Besonderheit, dass diese von dem Veranstalter für die für ihn tätigen Vermittler zu beantragen sind (§ 10 a Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV). Zuständig für die Erteilung der Erlaubnisse ist aber nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV die jeweils zuständige Landesbehörde, d. h. in Niedersachsen der Beklagte (§ 8 NGlüSpG i.V.m. §§ 22 Abs. 4 Satz 1, 23 Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG). Nach diesen Vorschriften ist für die Erteilung der Erlaubnisse an die Wettvermittlungsstellen ein landeseinheitliches Verfahren nicht vorgesehen. Systematische Gründe, in diesem Bereich für die Glücksspielaufsicht eine länderübergreifende Zuständigkeit anzunehmen, sind daher nicht ersichtlich.

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Auch Sinn und Zweck der Regelungen gebieten keine Zuständigkeitsverlagerung bei der Untersagung der Vermittlung von materiell nicht erlaubnisfähigen Sportwetten von der für den Sportwettenvermittler zuständigen Aufsichtsbehörde auf die für den Konzessionsnehmer zuständigen Aufsichtsbehörde. Durch das ländereinheitliche Verfahren nach § 9 a Abs. 3 GlüStV soll sichergestellt werden, dass Art und Zuschnitt der Sportwetten gleichartig sind und ein einheitliches Angebot durch die Konzessionäre vorgehalten werden kann (Hecker/Ruttig, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, a.a.O., § 21 GlüStV Rn. 34). Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Zuständigkeit für die Glücksspielaufsicht über die Sportwettenvermittler bei den jeweils zuständigen Landesbehörden liegt. Als Wettvermittlungsstätten können nur diejenigen tätig sein, die im Vertriebssystem eines für Sportwetten konzessionierten Veranstalters in ihrer Geschäftsstelle Sportwetten vermitteln, und es dürfen nur die in der Sportwettenkonzession bezeichneten Sportwetten vermittelt werden (§ 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NGlüSpG). Damit steht nach bestandskräftiger Konzessionserteilung fest, welche Sportwetten in den zum Vertriebssystem des konzessionierten Veranstalters gehörenden Wettvermittlungsstätten angeboten werden dürfen. Insofern besteht kein Anlass für das von der Klägerin befürchtete widersprüchliche Handeln der jeweils für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil von der nach § 9 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV für die Konzessionserteilung zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Hessen aufgrund anhängiger Gerichtsverfahren noch keine Konzessionen an Sportwettenveranstalter vergeben worden sind, so dass die vom Gesetzgeber u.a. beabsichtigte Beschränkung des Produktportfolios (vgl. LT-Drs. 16/11995, S. 39) bisher nicht bundeseinheitlich erreicht werden konnte. Denn ein faktischer Nichtvollzug dieser gesetzlichen Regelungen zieht keine Verlagerung der vom Gesetzgeber eindeutig geregelten Zuständigkeit im Bereich der Glücksspielaufsicht nach sich (so auch: Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.8.2016 - 10 CS 16.893 -, juris, Rn. 23).

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1.3 Das Vorbringen der Klägerin ist auch nicht geeignet, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstlich in Frage zu stellen.

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1.3.1 Der Beklagte hat die streitigen Ereigniswetten und Live-Wetten zu Recht auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG untersagt.

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Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten. Die Erlaubnis darf nicht für das Vermitteln nach diesem Staatsvertrag nicht erlaubter Glücksspiele erteilt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV). Der Klägerin ist für das Vermitteln der hier untersagten Ereigniswetten und Live-Wetten vom Beklagten nicht die nach § 22 Abs. 4 Satz 1 NGlüSpG erforderliche Erlaubnis erteilt worden. Eine Erlaubniserteilung kommt auch nicht in Betracht. Nach § 4 Abs. 5 NGlüSpG darf eine Erlaubnis für das Vermitteln eines öffentlichen Glücksspiels nur erteilt werden, wenn die Veranstaltung dieses Glücksspiels in Niedersachsen erlaubt worden ist. Dem von der Klägerin eingeschalteten Wettveranstalter ist bisher nicht die nach § 4 a Abs. 1 GlüStV erforderliche Konzession bzw. die nach § 4 Abs. 1 NGlüSpG erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten in Niedersachsen erteilt worden.

18

Schon nach der alten Rechtslage galt, dass unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols die Schaffung eines Erlaubnisvorbehalts für das Anbieten und Vermitteln von Sportwetten verfassungskonform war und nicht gegen Unionsrecht verstieß. Ein solcher Erlaubnisvorbehalt dient nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern unabhängig davon den verfassungsrechtlich wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung (BVerwG, Urt. v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 -, juris, Rn. 53). Das Unionsrecht verlangt selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Marktes für alle Anbieter ohne präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urt. v. 24.1.2013 - Rs. C-186/11 u.a. -, juris, Rn. 39, 44, 46 ff.). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht (BVerwG, Urt. v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 -, juris, Rn. 56). Dass in Bezug auf den in § 4 Abs. 1 GlüStV geregelten Erlaubnisvorbehalt eine andere Beurteilung geboten ist, ist nicht ersichtlich (Senatsbeschl. v. 17.8.2016 - 11 ME 61/16 -, juris, Rn. 25; Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.8.2016 - 10 CS 16.893 -, juris, Rn. 20; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.2.2014 - 13 A 2018/11 -, juris, Rn. 186).

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Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - (Urt. v. 4.2.2016 - C-336/14 -, NVwZ 2016, 369, juris) zu keiner anderen Entscheidung. Der EuGH hat in dem genannten Urteil festgestellt, dass die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - einen Mitgliedstaat daran hindert, die ohne Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten in seinem Hoheitsgebiet an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Lizenz hat, zu ahnden, wenn die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten daran geknüpft ist, dass der Wirtschaftsteilnehmer eine Konzession nach einem Verfahren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erhält und das vorlegende Gericht feststellt, dass dieses Verfahren den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot nicht beachtet hat, und soweit trotz des Inkrafttretens einer nationalen Bestimmung, nach der privaten Teilnehmern eine Konzession erteilt werden kann, die von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundenen Bestimmungen, mit denen ein staatliches Monopol auf die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten eingeführt wurde, faktisch weiter angewendet werden. Diese Entscheidung befasst sich somit mit der strafrechtlichen Ahndung einer ohne behördliche Erlaubnis aufgenommenen Vermittlung von Sportwetten beim Bestehen eines faktischen staatlichen Sportwettenmonopols und trifft keine allgemeinen Aussagen zur Vereinbarkeit von Bestimmungen zur präventiven Gefahrenabwehr mit Unionsrecht (vgl. Senatsbeschl. v. 17.8.2016 - 11 ME 61/16 -, juris, Rn. 22 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.2.2017 - 6 S 916/16 -, juris, Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.8.2016 - 10 CS 16.893 -, juris, Rn. 20; OVG Saarland, Beschl. v. 12.5.2016 - 1 B 199/15 -, juris, Rn. 43).

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Auch die im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.6.2016 - 8 C 5/15 -, juris) führt zu keinem anderen Ergebnis. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass das Fehlen einer Erlaubnis die Untersagung der Sportwettenvermittlung auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages 2008 nicht rechtfertigen kann, wenn das für Private für eine Übergangszeit bis zur Anwendung einer glücksspielrechtlichen Neuregelung eröffnete Erlaubnisverfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet ist oder praktiziert wird und deshalb faktisch ein staatliches Sportwettenmonopol fortbesteht. Eine Aussage dahingehend, dass eine Untersagung der Sportwettenvermittlung nicht auf die fehlende Vereinbarkeit mit den unabhängig von einem möglicherweise faktisch fortbestehenden Sportwettenmonopol an die Sportwettenvermittlung gestellten materiell-rechtlichen Anforderungen gestützt werden kann, ist in diesem Urteil nicht enthalten (vgl.: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.2.2017 - 6 S 916/16 -, juris, Rn. 7).

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Soweit den genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen ist, dass im Falle des faktischen Fortbestehens eines unionsrechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols allein das Fehlen der Erlaubnis eine Untersagung der Sportwettenvermittlung nicht rechtfertigen kann, steht die angefochtene Verfügung damit in Einklang. Der Beklagte hat die Untersagung nicht auf eine wegen Fehlens der erforderlichen Erlaubnis formelle Illegalität, sondern darauf gestützt, dass die Vermittlung der streitigen Ereigniswetten und Live-Wetten nicht erlaubt werden kann, also materiell rechtswidrig ist. Dies ist nicht zu beanstanden. Dass für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten grundsätzlich eine Konzession bzw. Erlaubnis erteilt werden kann, schließt nicht aus, auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG gegen die Veranstaltung und Vermittlung solcher Wetten vorzugehen, die nicht erlaubnisfähig sind und damit unerlaubtes Glücksspiel darstellen.

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1.3.2 § 21 GlüStV trifft für Sportwetten besondere Regelungen und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

Mit den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag hat der Gesetzgeber dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Vorgaben zur Art und zum Zuschnitt von Glücksspielen getroffen. Zum Regelungsbereich gehören Pferdewetten, Geld- oder Warenspielgeräte, Sportwetten und Lotterien. Neben den für alle Wettarten geltenden allgemeinen Bestimmungen in § 4 Abs. 4 und § 5 GlüStV enthält § 21 GlüStV Bestimmungen zur Art und zum Zuschnitt der Sportwetten (Hecker/Ruttig, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, a.a.O. § 21, Rn. 9, 13), wobei zudem die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs. 2 GlüStV). Zulässig sind nach der Konzeption des Gesetzgebers Einzel- oder Kombinationswetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen. Live-Wetten, d.h. Wetten während des laufenden Sportereignisses, sind grundsätzlich unzulässig können nur für Wetten auf das Endergebnis erlaubt werden. Damit hat der Gesetzgeber die wesentlichen Kriterien für Art und Zuschnitt der Wetten definiert. Angesichts der Vielfalt der sich aus diesen Kriterien ergebenden Möglichkeiten über Art und Zuschnitt von Sportwetten waren eindeutigere normative Vorgaben als die in § 21 GlüStV enthaltenen letztlich praktisch kaum möglich und daher nach dem Bestimmtheitsgrundsatz jedenfalls nicht zwingend geboten. Darüber hinaus eröffnet das Erlaubnisverfahren die Möglichkeit, auf Art und Zuschnitt der Wetten Einfluss zu nehmen. Sofern der Gesetzgeber den Zuschnitt der Sportwetten nicht selbst detaillierter ausgestaltet und die genauen Wettspielregeln festgelegt hat, hat dies seinen Grund (auch) darin, dass diese Einzelheiten des Spiels weder für die Bekämpfung der Wett- und Spielsucht noch für die Beschränkung der grundrechtlich garantierten Gewerbefreiheit bedeutsam sind. Insofern lässt sich aus der sog. Wesentlichkeitstheorie kein Regelungsdefizit ableiten (Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.8.2016 - 10 CS 16.893 -, juris, Rn. 31).

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1.3.3 Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV können Wetten als Kombinationswetten oder Einzelwetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen erlaubt werden. Nach § 21 Abs. 4 Satz 2 GlüStV sind Wetten während des laufenden Sportereignisses unzulässig. Davon abweichend können nach § 21 Abs. 4 Satz 3 GlüStV Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind, während des laufenden Sportereignisses zugelassen werden (Endergebniswetten); Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses (Ereigniswetten) sind ausgeschlossen.

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Die Vorschrift des § 21 GlüStV gilt nicht nur für Konzessionsnehmer, um bei der Erteilung der Konzession den Umfang der zugelassenen Sportwetten zu bestimmen, sondern kann auch als Grundlage für die Untersagung unerlaubten Glücksspiels herangezogen werden. § 21 GlüStV gibt sowohl für den Veranstalter als auch für den Vermittler den Rahmen vor, in dem Sportwetten erlaubt werden können. Für diesen Rahmen überschreitende und damit materiell-rechtlich unzulässige Wetten kann weder eine Sportwettenkonzession noch eine Vermittlungserlaubnis erteilt werden.

26

Der Beklagte hat bei Vor-Ort-Kontrollen festgestellt, dass in den Betriebsstätten der Klägerin Sportwetten des Sportwettenveranstalters I. in der Form von Ereigniswetten, auch als Live-Ereigniswetten, sowie Live-Abschnittswetten vermittelt wurden, die nach § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV unzulässig sind und damit unerlaubtes öffentliches Glücksspiel darstellen. Festgestellt wurde u.a. die Vermittlung von Wetten auf einzelne Ereignisse wie auf einzelne Torschützen und auf das nächste Tor. Der Beklagte hat bei seinen Kontrollen Sportwettenprogramme und Sportwettenquittungen sichergestellt, die diese Wetten umfassen. Kunden können das Angebot der Firma I. in den Betriebsstätten der Klägerin mittels Wettscheinen in Papierform sowie über Sportwettenautomaten und den Service-Tresen nutzen. Außerdem werden Kundenkarten der Firma I. ausgegeben, mit denen Kunden auch außerhalb der Betriebsstätten der Klägerin online auf das gesamte Sportwettenangebot von I. zugreifen können.

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Damit vermittelt die Klägerin unzweifelhaft nach § 21 Abs. 1 GlüStV unzulässige Ereigniswetten sowie Live-Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses, die nach § 21 Abs. 4 Satz 3 GlüStV grundsätzlich unzulässig sind und nur für Live-Wetten auf das Endergebnis zugelassen werden können.

28

Soweit die Klägerin erneut geltend macht, dass ihr durch die angefochtene Verfügung zu Unrecht zulässige Wettarten untersagt worden seien, fehlt es bereits an der erforderlichen Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil und damit an einer hinreichenden Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil ausführlich dargestellt, in welchem Umfang die von der Klägerin nach ihrem Vorbringen vermittelten Wetten durch die angefochtene Verfügung untersagt werden. Auf diese, sich umfassend mit den einzelnen Wettarten befassenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. Mai 2017, mit dem sie ihren Zulassungsantrag begründet hat, nicht eingegangen, sondern sie hat insofern lediglich auf mehreren Seiten ihr Vorbringen aus der Klagebegründung vom 24. November 2016 (Seite 76 bis 89 der Gerichtsakte) wiederholt. Eine solche bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens stellt keine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil dar und genügt daher nicht den Darlegungsanforderungen.

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Im Übrigen gibt das wiederholte Vorbringen der Klägerin auch keinen Anlass, die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ernsthaft in Frage zu stellen.

30

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei Wetten auf das erste oder nächste Tor, auch wenn diese Wetten torbezogen sind, unzweifelhaft um Ereigniswetten, d.h. um Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses, die nicht zu den zulässigen Wettarten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gehören und somit ohnehin unzulässig sind (Senatsbeschl. v. 2.12.2016 - 11 ME 219/16 -, juris, Rn. 39). Dass sich torbezogene Wetten anders als Wetten auf die nächste gelbe Karte oder den nächsten Einwurf immer auch auf das Ergebnis auswirken, führt nicht dazu, diese auch als Live-Wetten zulässige Endergebniswetten anzusehen. Weder Wortlaut noch Systematik oder Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung lassen darauf schließen, dass der Gesetzgeber diejenigen Wetten als Ergebniswetten zulassen wollte, bei denen ein Ereignis während des Spiels ergebnisrelevant sein kann. Im Gegenteil spricht die Entscheidung des Gesetzgebers, Endergebniswetten als Live-Wetten zuzulassen, gerade für ein enges Verständnis des Begriffs „Ergebnis", da Live-Wetten nach § 21 Abs. 4 Satz 3 GlüStV grundsätzlich unzulässig sind und nur unter dem Gesichtspunkt der Kanalisierung des Wettangebots (LT-Drs. 16/4795, S. 90) zugelassen werden können. Der Grundsatz der Begrenzung des Wettangebots in § 1 Nr. 2 GlüStV steht einer Erweiterung des Wettangebots durch entsprechende Auslegung des Begriffs „Ergebnis“ ebenfalls entgegen (Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.8.2016 - 10 CS 16.893 -, juris, Rn. 36). Wie bereits dargelegt worden ist, kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitigen Untersagungsverfügung auch nicht auf die im Konzessionsverfahren geäußerte Rechtsauffassung des Landes Hessen an.

31

Wetten auf das Halbzeitergebnis oder auf Satzgewinne sind als Ergebnis- oder Abschnittswetten nach § 21 Abs. 1 GlüStV zulässig. Diese Wetten dürfen jedoch, da es sich nicht um Wetten auf das Endergebnis handelt, gemäß § 21 Abs. 4 Satz 3 GlüStV nicht als Live-Wetten angeboten werden. Über-/Unterwetten sowie Goal/No Goal-Wetten können als Ergebniswetten zulässig sein, wenn sich die Wette auf den Ausgang des gesamten Sportereignisses oder eines Abschnitts hiervon bezieht. Denn die Zahl der in einem Fußballspiel oder in einer Halbzeit erzielten Tore lässt sich dem Spielstand am Ende des Fußballspiels bzw. am Ende der Halbzeit entnehmen. Entsprechendes gilt, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat, für die Handicap-Wetten, bei denen auf den Sieg oder die Niederlage der beteiligten Mannschaften unter Berücksichtigung eines fiktiven Vorsprungs oder Rückstands von ein oder zwei Toren bei Beginn des Spiels gewettet wird. Denn der Ausgang dieser Wette lässt sich nur anhand des Endergebnisses des Fußballspiels bestimmen, indem der Endstand durch das Handicap korrigiert wird (Bayerischer VGH, Beschl. v. 6.5.2015 - 10 CS 14.2669 -, juris, Rn. 42). Da sich sowohl das Verwaltungsgericht als auch die Klägerin hinsichtlich der Handicap-Wetten auf den genannten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Mai 2015 (- 10 CS 14.2669 -) bezogen haben, ist mangels hinreichender Darlegung der Klägerin schon nicht erkennbar, dass hier ein Auffassungsunterschied vorliegt.

32

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Februar 2018 ihre Zulassungsbegründung im Hinblick auf die Restzeitwetten ergänzt hat, ist dieser Vortrag unbeachtlich. Nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist die erforderliche Darlegung der Zulassungsgründe innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts vorzunehmen, welche hier am 19. März 2017 erfolgt ist. Nach Ablauf dieser Frist können lediglich die rechtzeitig und hinreichend dargelegten Zulassungsgründe näher erläutert und weiter vertieft werden. Da die Klägerin, wie vorstehend ausgeführt worden ist, in Bezug auf die Wettarten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bereits nicht hinreichend dargelegt hat, ist insofern nach Ablauf der Begründungsfrist eine zulässige Vertiefung rechtzeitig dargelegter Zulassungsgründe nicht mehr möglich.

33

Im Übrigen begegnet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auch die Restzeitwetten als unzulässige Ereigniswetten einzustufen, ebenfalls keinen Bedenken. Das Verwaltungsgericht ist ausweislich seiner Entscheidungsgründe davon ausgegangen, dass es sich bei den Restzeitwetten um Wetten ausschließlich auf das Ergebnis einer Restspielzeit ohne Berücksichtigung des bisherigen Spielergebnisses handele, wobei der Spielstand zum Zeitpunkt der Tippabgabe stets auf Null gestellt werde und nur die Tore, die in der verbleibenden Zeit noch fielen, in die Wertung kämen. Das Vorbringen der Klägerin, diese Wetten seien als Wetten auf das Endergebnis in Form von Handicap-Wetten zulässig, überzeugt nicht. Restzeitwetten werden ausschließlich im Bereich der Live-Wetten angeboten. Mit dieser Wettart werden während eines Spiels durch die fiktive Stellung des Spielstandes auf Null neue Wettanreize geschaffen, indem etwa bei einem nach bisherigem Verlauf eindeutigen Spiel attraktive Wettquoten auf die führende Mannschaft angeboten werden können. Maßgebend sind für die Restzeitwette dann nur die Tore, die in der restlichen Spielzeit erzielt werden. Diese Wette kann nicht als eine als Live-Wette zulässige Endergebniswette angesehen werden, weil sich das Ergebnis der Restzeit nicht im Endergebnis niederschlagen muss (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.8.2016 - 10 CS 16.893 -, juris, Rn. 40).

34

1.3.4 Das Vorbringen der Klägerin ist weiter nicht geeignet, die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV geregelte Verbot von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) mit Ausnahme von Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Live-Endergebniswetten), und die darauf gestützte Untersagungsverfügung mit Unionsrecht vereinbar sind, in Frage zu stellen.

35

Die mit der Untersagung der Vermittlung der genannten Live-Wetten einhergehende Beschränkung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit steht mit Art. 56 ff. AEUV in Einklang. Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss das Diskriminierungsverbot beachten sowie im Rahmen der Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit nach Art. 51 f. i.V.m. Art. 62 AEUV oder nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten. Außerdem darf sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 12.6.2014 - Rs. C-156/13 -, juris, Rn. 21 ff., m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 20.6.2013 - 8 C 10/12 -, juris, Rn. 28, u. v. 24.11.2010 - 8 C 14/09 -, juris, Rn. 62).

36

Weiter setzt die Eignung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit voraus, dass sie zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beiträgt (EuGH, Urt. v. 8.9.2010 - Rs. C-316/07 u.a. -, juris, Rn. 88 ff., Urt. v. 8.9.2010 - Rs. C-46/08 -, juris, Rn. 64 ff., Urt. v. 6.11.2003 - Rs. C-243/01 -, juris, Rn. 67). Diese Anforderung gilt nicht nur für die Rechtfertigung staatlicher Glücksspielmonopole, sondern für die Rechtfertigung von Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit allgemein, auch wenn bei der Anwendung dieser Kriterien nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Dienstleistungsfreiheit durch die Errichtung eines staatlichen Monopols ungleich stärker beschränkt wird als durch Regelungen, die lediglich bestimmte Vertriebs- und Vermarktungsformen verbieten (BVerwG, Urt. v. 1.6.2011 - 8 C 5/10 -, juris, Rn. 35 m.w.N.).

37

Innerhalb des Kohärenzgebotes sind zwei Anforderungen zu unterscheiden. Der Mitgliedstaat muss die unionsrechtlich legitimen Ziele im Anwendungsbereich der Regelung tatsächlich verfolgen. Er darf nicht scheinheilig legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können. Zum anderen darf die in Rede stehende Regelung nicht durch eine gegenläufige Glücksspielpolitik des Mitgliedstaates in anderen Glücksspielbereichen konterkariert werden (BVerwG, Urt. v. 1.6.2011 - 8 C 5/10 -, juris, Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, zu denen u.a. die Ziele des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen einschließlich der Ziele der Suchtbekämpfung sowie des Jugend- und Spielerschutzes gehören (EuGH, Urt. v. 12.6.2014 - Rs. C-156/13 -, juris, Rn. 21; Urt. v. 8.9.2010 - Rs. C-46/08 -, juris, Rn. 45, und Urt. v. 8.9.2010 - Rs. C-316/07 u.a. -, juris, Rn. 79). Bei der Festlegung der umzusetzenden Ziele steht den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie dürfen ihre Glücksspielpolitik ihrer eigenen Wertordnung entsprechend ausrichten und das angestrebte Schutzniveau selbst bestimmen. Die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen sind allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das angestrebte Schutzniveau zu beurteilen. Dabei ist jede beschränkende Regelung gesondert zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 20.6.2013 - 6 C 10/12 -, juris, Rn. 30). Die Belange der Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) und des Jugend- und Spielerschutzes (§ 1 Nr. 3 GlüStV) sind ebenso wie die Begrenzung des Glücksspielangebots, die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV) und das Anliegen der Kriminalitätsbekämpfung durch Betrugsvorbeugung (§ 1 Nr. 4 GlüStV) zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können (BVerwG, Urt. v. 24.11.2010, juris, Rn. 69; Senatsurt. v. 21.6.2011 - 11 LC 348/10 -, juris, Rn. 45). Auf die danach unionsrechtlich legitimen Ziele der Suchtbekämpfung und der Betrugsvorbeugung ist die angefochtene Untersagungsverfügung ersichtlich gestützt worden.

38

Bestimmte Live-Wetten von den erlaubnisfähigen Sportwetten auszunehmen, steht mit Unionsrecht in Einklang. Das Verbot von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) mit der Ausnahme von Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Live-Endergebniswetten), ist nicht monopolakzessorisch, sondern dient unionsrechtlich legitimen Zwecken. Dies gilt schon für das generelle Verbot von Live-Wetten (Senatsurt. v. 21.6.2011 - 11 LC 348/10 -, juris, Rn. 86 ff.). Die Möglichkeit, während einer Übertragung auf laufende Sportereignisse zu wetten, läuft dem Ziel der Suchtbekämpfung entgegen und verstärkt die mit dem Wetten verbundenen Risiken. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, weisen Live-Ereigniswetten aufgrund der hohen Ereignisfrequenz und der Schnelligkeit der Wettplatzierungen eine hohe Suchtgefahr auf. Das Spielbedürfnis wird über die fortwährende Einführung neuer Spielanreize stimuliert. Es besteht ein beachtlicher Zusammenhang zwischen dem Angebot von Wetten und der Häufigkeit seiner Nutzung sowie einer möglichen Abhängigkeit. Eine Ausweitung des Wettangebots zieht die Gefahr einer Verbreitung der Wettsucht nach sich (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 8 C 14/09 -, juris, Rn. 74). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urt. v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. -, juris, Rn. 71 f.) ist es nicht notwendig, bereits vor Erlass restriktiver Maßnahmen deren Erforderlichkeit durch entsprechende Untersuchungen gutachterlich nachzuweisen. Bis zum Vorliegen hinreichender belastbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Suchtpotenzial und zu den damit verbundenen Suchtgefahren von Sportwetten sind die zuständigen Stellen nicht gehindert, nach Maßgabe des Glücksspielstaatsvertrages präventiv restriktive Maßnahmen zu ergreifen, ohne das Ausmaß negativer Entwicklungen im Einzelnen zu kennen oder abwarten zu müssen (BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 8 C 14/09 -, juris, Rn. 75).

39

1.3.5 Das Vorbringen der Klägerin, die streitige Untersagungsverfügung sei wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits unionsrechtswidrig, überzeugt den Senat nicht.

40

Die Klägerin bezieht sich zur Begründung ihrer Auffassung auf zwei im Eilverfahren ergangene Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 9.6.2016 - 4 B 860/15 - und - 4 B 1437/15 -, juris). Der diesen Entscheidungen zugrundeliegende Sachverhalt zur Vollzugspraxis in Nordrhein-Westfalen ist jedoch nicht ohne Weiteres auf Niedersachsen übertragbar. Maßgebend ist vielmehr die Praxis der zuständigen Behörde. Der Beklagte hat insofern mit Schriftsatz vom 20. Juli 2017 dargelegt, dass er in Ausübung seiner glücksspielrechtlichen Aufsicht nach Maßgabe der vorhandenen personellen Kapazitäten alle bekannten oder aufgrund von Hinweisen anderer Behörden oder Privatpersonen neu bekanntwerdenden Betriebsstätten in Niedersachsen systematisch im Rahmen von Kontrollfahrten aufsuche, um festzustellen, ob es dort materielle Verstöße gebe, und dann gegen etwaige Verstöße einschreite. Entgegen der Behauptung der Klägerin umfasse das Wettangebot der staatlichen Wettanbieter in L. keine unzulässigen Wettarten. M. L. biete weder Live-Wetten noch Wetten auf den nächsten Torschützen an, sondern ausschließlich zulässige Pre-Match-Wetten auf den Ausgang oder den Ausgang von Abschnitten von Sportereignissen. Der Senat hat keinen Anlass, diese von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben des Beklagten zu bezweifeln.

41

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass im Internet weiterhin alle Arten von Sportwetten angeboten würden, ohne dass dagegen eingeschritten werde, lässt sich auch damit ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht begründen. Angesichts der Vielzahl von Glücksspielangeboten im Internet ist ein zeitgleiches Vorgehen gegen alle Anbieter selbst bei Einsatz erheblicher Ressourcen nicht möglich, so dass es auf ein systematisches Vorgehen der zuständigen Behörde ankommt. Der Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass es wegen des bundesweiten Angebots von Sportwetten im Internet der Abstimmung der Bundesländer untereinander bedürfe. Die zuständigen Behörden hätten inzwischen Verfahren gegen Veranstalter von Sportwetten im Internet eingeleitet, die noch andauerten. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht zutreffen, liegen nicht vor und sind auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.

42

2. Der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht gegeben. Die Klägerin hat besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Die von ihr als schwierig bezeichneten Fragen zur Unionsrechtswidrigkeit und zu dem Umfang der zulässigen Wettarten stellen sich nach den Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht oder lassen sich im Zulassungsverfahren beantworten.

43

3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

44

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124, Rn. 10).

45

Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage,

46

ob das strukturelle Vollzugsdefizit in Deutschland im Rahmen des Vollzugs im Bereich von Sportwetten - vor allem im Internet – dazu führt, dass eine Untersagungsverfügung gegenüber einem Vermittler von Sportwetten hinsichtlich des Angebots bestimmter Wettarten unionsrechtswidrig ist,

47

ist nicht klärungsbedürftig, weil sie, soweit sie entscheidungserheblich und einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist, auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet werden kann, wie sich aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergibt.

48

Die weitere Frage,

49

ob § 21 Abs. 4 Satz 3 GlüStV lediglich die Wette auf ein einzelnes, ganz bestimmtes Endergebnis (finaler Spielstand) zulässt oder ob auch darauf gewettet werden darf, dass sich das Endergebnis innerhalb einer bestimmten, vorab definierten Teilmenge von Endergebnissen befindet,

50

hat die Klägerin erst mit Schriftsatz vom 7. Februar 2018 und damit außerhalb der Frist zur Begründung des Zulassungsantrages gestellt, so dass schon deshalb eine Zulassung der Berufung ausscheidet.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

52

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 


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