Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LA 394/18

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 17. April 2018 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500 EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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Der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Von ernstlichen Zweifeln in diesem Sinne ist auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 21.9.2018 - 2 LA 1750/17 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Das ist der Klägerin nicht gelungen. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die dritte Aufgabe der Klausur Öffentliches Recht 1 mit der Frage

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„Beschreiben Sie mit wenigen Worten den Unterschied zwischen ‚Policey‘ und ‚Polizei‘. Wie hat sich der Polizeibegriff entwickelt?“

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den in der ersten juristischen Staatsprüfung zulässigen Prüfungsstoff der öffentlich-rechtlichen Pflichtfachprüfung nicht überschreitet.

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Den rechtlichen Rahmen für die Auswahl des Prüfungsstoffs setzt - wie die Klägerin selbst vorträgt - § 3 Abs. 2 NJAG in Verbindung mit § 21 Nr. 1 NJAG und § 16 NJAVO. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 NJAG gehören zum Pflichtfachstoff die Kernbereiche des Öffentlichen Rechts sowie die Kernbereiche des jeweils zugehörigen Verfahrensrechts, und zwar jeweils einschließlich der jeweiligen europarechtlichen Bezüge (Satz 2). Die Pflichtfächer schließen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 NJAG die rechtswissenschaftlichen Methoden und die philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen ein. § 16 Abs. 3 Nr. 3 NJAVO konkretisiert den Pflichtfachstoff im Öffentlichen Recht dahingehend, dass das allgemeine Recht der Gefahrenabwehr zum Prüfungsstoff zählt. Das Polizeirecht einschließlich seiner geschichtlichen Grundlagen ist damit - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - zulässiger Gegenstand der Prüfung.

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Darüber hinaus unterliegt die Auswahl des Prüfungsstoffs nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur eingeschränkter gerichtlichen Kontrolle. Die Erstellung einer Aufgabe und die Auswahl der Prüfungsthemen beruhen ebenso wie die Bewertung der Prüfungsleistungen auf fachwissenschaftlichen und prüfungsspezifischen Gesichtspunkten, so dass der Prüfungsbehörde hierfür ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen ist mit der weiteren Folge, dass die Auswahl einer Aufgabenstellung gerichtlich lediglich anhand der einschlägigen prüfungsrechtlichen Vorschriften und auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot und den Grundsatz der Chancengleichheit, nicht jedoch auf die sonstige Zweckmäßigkeit hin überprüft werden kann. Mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfen die Leistungsanforderungen einer juristischen Staatsprüfung zudem nicht außer Verhältnis zu den Anforderungen stehen, zu denen die Prüfung den Zugang eröffnen soll (vgl. Senatsbeschl. v. 7.5.2007 - 2 LA 410/05 -, juris Rn. 12; Senatsbeschl. v. 4.7.2019 - 2 LA 1667/17 -, juris Rn. 7).

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Gemessen daran begegnet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen Bedenken. Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die Entwicklung des Polizeibegriffs zum historischen Basiswissen des Polizeirechts zählt und damit unter den Begriff der geschichtlichen Grundlagen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts fällt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO insoweit auf das angegriffene Urteil Bezug. Ergänzend ist anzumerken, dass die mit der Beschränkung des Polizeibegriffs verbundene Eingrenzung staatlicher Machtbefugnisse im Verhältnis zur Freiheit des Einzelnen zu den Kernelementen des freiheitlichen Rechtsstaats der Bundesrepublik Deutschland zählt. Aufgrund dieser zentralen Bedeutung ist das Wissen darum bei jedem Prüfling in den juristischen Staatsprüfungen vorauszusetzen. Dass die Entwicklung des Polizeibegriffs, die überdies nur „mit wenigen Worten“ und damit beschränkt auf das Grundwissen zu beschreiben war, nur von Experten der Rechtsgeschichte und nicht auch von einem Studierenden am Ende eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums zu erläutern wäre, trifft schon im Ausgangspunkt nicht zu.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin geht es in den juristischen Prüfungen auch nicht bloß darum, einen Fall handwerklich richtig zu bearbeiten. Zu erwarten ist - wie in § 1 Abs. 2 Satz 3 NJAG zum Ausdruck kommt - vielmehr auch, dass der Prüfling über ein grundlegendes Verständnis der deutschen und europäischen Rechtstraditionen verfügt und sich der geschichtlichen Hintergründe des Rechts bewusst ist. Das gilt gerade auch mit Blick auf den Zweck der ersten Prüfung, mit der unter anderem festgestellt werden soll, ob der Prüfling für den juristischen Vorbereitungsdienst, der eine erste praktische Tätigkeit darstellt, fachlich geeignet ist. Eine praktische juristische Tätigkeit ohne grundlegende Kenntnisse der Entwicklung des freiheitlichen Rechtsstaates und der Bedeutung seiner freiheitssichernden Funktion für den Einzelnen entspricht nicht der Erwartung, die das Niedersächsische Gesetz zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen aus guten Gründen an den juristischen Nachwuchs stellt. Wie in § 2 Abs. 1 Satz 3, § 3 Abs. 2 Satz 3 NJAG zum Ausdruck kommt, ist von jeder Juristin und jedem Juristen - gerade auch vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte - ein grundlegendes Geschichtsbewusstsein zu erwarten, damit sie bzw. er sich bei der späteren Berufstätigkeit ihrer bzw. seiner rechtsstaatlichen Verantwortung bewusst ist.

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Nicht zutreffend ist schließlich der Einwand der Klägerin, die Klausuraufgabe lasse nicht erkennen, welche Anforderungen gestellt waren. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil zutreffend beschrieben, wie die Aufgabe mit wenigen Worten hätte gelöst werden können. Den entsprechenden Ausführungen tritt der Senat bei. Der darauf bezogene Einwand, das Verwaltungsgericht nehme an dieser Stelle in unzulässiger Weise die Sichtweise der Prüfer ein, geht fehl. Das Verwaltungsgericht erläutert vielmehr zu Recht den Kern der Fragestellung, um überprüfen zu können, ob ein zulässiger Prüfungsgegenstand vorliegt. Die weiteren Überlegungen der Klägerin zur Kausalität eines Prüfungsfehlers verfangen schon deshalb nicht, weil ein Prüfungsfehler nicht vorliegt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

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Die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 ZPO. Der Antrag war abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen auch unter Anlegung eines großzügigen Prüfungsmaßstabs keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 


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