Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 E 766/14
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde, mit der die Heraufsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Klageverfahren auf 8.362,90 Euro als den Betrag begehrt wird, in dessen Höhe mit Bescheid vom 27. August 2013 auch rückständige Kostenbeiträge in Höhe von 3.262,90 Euro neben künftigen monatlichen Kosten-beiträgen von 425,- Euro x 12 = 5.100,- Euro geltend gemacht worden sind, hat kei-nen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet, weil der vom Verwaltungsge-richt gewählte Ansatz keine Fehler aufweist.
3Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG ist der Gegenstandswert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers im Klageverfahren ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist zwar im Ansatz deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).
4Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in Streitverfahren, deren Gegenstand - wie hier - die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag nach dem SGB VIII ist, der Streitwert aber nach der Summe der für die ersten zwölf Monate des Heranziehungszeitraums festgesetzten Beiträge zu bemessen.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Dezember 2009 - 12 E 713/09 - und vom 23. März 2011 - 12 E 288/11 -, juris, jeweils m. w. N.
6Danach errechnet sich ein Gegenstandswert von 12 x 425,- Euro = 5.100,- Euro.
7Diese Praxis, die im Einklang mit der Empfehlung unter Ziffer 21.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (Streitwertkatalog 2013; http://www.bverwg.de/medien/pdf/streitwertkatalog.pdf) steht, leitet sich aus einer entsprechenden Anwendung der Verfahrenswertregelung des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ab, die im Wesentlichen der früheren Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung entspricht.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2013
9- 12 E 627/13 -, und vom 18. Juni 2013- 12 E 324/13 -.
10Dass § 52 Abs. 3 GKG zum 1. August 2013 durch die - künftige Geldleistungen betreffende - Regelung in Satz 2 ergänzt wurde, bietet keine Veranlassung, von der dargelegten Streitwertpraxis abzuweichen, zumal die jüngste Neufassung des Streitwertkatalogs ausdrücklich auch darauf zielte, die Änderung des § 52 Abs. 3 GKG zu berücksichtigen (vgl. die Vorbemerkung Nr. 2), und die bisherige Empfehlung unter Ziffer 21.4 des Streitwertkatalogs 2004 gleichwohl unverändert übernommen wurde.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Dezember 2013
12- 12 A 80/11 -.
13Schon zur analogen Anwendung des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG, an dessen Stelle § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG getreten ist, hat der Senat ferner ausgeführt,
14vgl. Beschlüsse vom 11. Juli 2008 - 12 E 897/08 -, vom 27. Januar 2010 - 12 E 1110/09 -, vom 5. November 2010 - 12 E 1159/10 - und vom 23. März 2011 - 12 E 288/11 -,
15dass es nicht angeht, den Zwölfmonatszeitraum bei Bescheiden, die auch eine Heranziehung für Zeiten vor ihrem Erlass regeln, erst mit ihrem Erlass beginnen zu lassen oder die insoweit maßgebliche Zäsur mit der Einreichung der Klage anzusetzen und die in dem Bescheid für Zeiten vor seinem Erlass festgesetzten Kostenbeiträge oder „die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge“ dem so ermittelten Streitwert in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GKG, der dem heutigen § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG entspricht, hinzuzurechnen.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Oktober 2006
17- 12 E 1257/06 -, m. w. N.; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 29. August 2001 - 4 So 22/01 -, Juris, m. w. N. (Anfechtung eines sozialhilferechtlichen Kostenbeitragsbescheides); Hessischer VGH, Beschluss vom 23. Dezember 1992 - 9 TE 762/92 -, ZfSH/SGB 1994, 138 (Verpflichtung zur Gewährung laufender Sozialhilfeleistungen); a. A. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2001 - 5 C 23/97 -, a. a. O., welches § 17 Abs. 4 GKG - die Vorgängervorschrift des § 42 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GKG - für Zeiträume vor Einreichung der Klage analog anwendet, ohne sich mit der bereits seinerzeit streitigen Frage einer entsprechenden Anwendung dieser Norm (vgl. insoweit die Nachweise im soeben zitierten Beschluss des Hessischen VGH) auseinanderzusetzen, und ihm - ebenfalls ohne Begründung - folgend Bayerischer VGH, Beschluss vom 14. April 2008 - 12 C 07.3473 -, a. a. O.; für die analoge Anwendung des § 17 Abs. 4 GKG (nur) bei Heranziehungszeiträumen, die vor dem Erlass des Bescheides liegen, OVG NRW, Beschluss vom 7. Juni 2001 - 16 E 181/01 -, Juris.
18Denn insoweit besteht im verwaltungsgerichtlichen Heranziehungsstreit keine dem Unterhaltsprozess vergleichbare Situation. § 42 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GKG (§ 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG) ist - wie auch § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG) - auf die Gegenstandswertbestimmung bei Streitigkeiten über gesetzliche Unterhaltspflichten zugeschnitten. Das bedeutet, dass in dem Bereich der unmittelbaren Anwendung beider Vorschriften die auf das gerichtliche Verfahren bezogene Hauptsacheentscheidung den Leistungstitel und damit der Beginn des Gerichtsverfahrens die zeitliche Zäsur für die Unterscheidung der regelmäßig eingeklagten (zukünftig) wiederkehrenden Leistungen einerseits und gegebenenfalls von etwaigen zusätzlich geltend gemachten, den Streitgegenstand erweiternden rückständigen (Unterhalts-) Beträgen andererseits bildet. Dem entspricht die Situation bei der Anfechtung eines jugendhilferechtlichen Heranziehungsbescheides - d. h. im Rahmen der lediglich entsprechenden Anwendung - gerade nicht. Gegenstand der Anfechtungsklage ist hier nicht etwa die dem Kläger auferlegte materielle Zahlungsverpflichtung als solche, sondern der diese Verpflichtung regelnde Heranziehungsbescheid. Dieser Bescheid ist hinsichtlich der gesamten mit ihm auferlegten Zahlungsverpflichtung und unabhängig davon, ob mit ihm auch Zahlungsverpflichtungen für Zeiträume vor seinem Erlass begründet werden, der „eigentliche“ Zahlungstitel gegen den Kläger, nicht etwa - wie im zivilrechtlichen Unterhaltsstreit - die zusprechende Gerichtsentscheidung; die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage dient der Prüfung, ob dieser Titel Bestand hat oder aufzuheben ist. Streitgegenstand ist, wenn die Anfechtungsklage uneingeschränkt erhoben wird, dabei der behauptete Anspruch des Klägers auf Aufhebung des gesamten Verwaltungsaktes wegen der behaupteten Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und der daraus folgenden Rechtsverletzung des Klägers.
19Vgl. etwa Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO,
204. Aufl. 2014, § 121 Rn. 50.
21Bereits die vorstehenden Überlegungen rechtfertigen es, bei der hier im Heranziehungsstreit nur möglichen analogen Anwendung generell die ersten zwölf Monate des in dem Bescheid zugrundegelegten Heranziehungszeitraumes maßgeblich sein zu lassen, womit zugleich für eine entsprechende Anwendung des § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG kein Raum mehr ist. Bekräftigt wird dieses Ergebnis durch weitere Überlegungen, die an den Umstand anknüpfen, dass im verwaltungsgerichtlichen Heranziehungsstreit - anders als im zivilrechtlichen Unterhaltsstreit - mit Blick auf das vorausgehende Verwaltungsverfahren regelmäßig Heranziehungszeiträume in Rede stehen werden, die zu einem nicht unerheblichen Teil vor „Einreichung der Klage“ liegen, und dass darüber hinaus Streitgegenstand nicht selten auch die Heranziehung für Zeiträume vor Bescheiderlass sein wird. Bei einer erheblichen Dauer des Verwaltungsverfahrens und/oder bei einer Heranziehung auch zu längeren Zeiträumen vor Bescheiderlass, also bei Vorliegen solcher Umstände, die der Betroffene regelmäßig nicht beeinflussen kann, würde eine analoge Anwendung der Hinzurechungsregelung dazu führen, den mit der entsprechenden Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG beabsichtigten sozialen Schutz durch eine nicht unerhebliche Erhöhung des Gegenstandswertes zu konterkarieren. Außerdem könnte - hielte man die Einreichung der Klage für die maßgebliche Zäsur - in der Fallgestaltung, in der der Heranziehungszeitraum vollständig vor dem Zeitpunkt der Einreichung der Klage liegt und mehr als zwölf Monate umfasst, bei konsequenter (analoger) Anwendung des § 51 FamGKG dessen Abs. 1 Satz 1 mangels eines für die Zeit nach der Einreichung der Klage geforderten Betrages gar nicht eingreifen und wäre deshalb die gewollte Begrenzung des Gegenstandswertes auf einen Jahresbetrag nicht zu erreichen.
22Vgl. zu Vorstehendem auch: OVG NRW, Beschluss vom 11. Juli 2014 - 12 E 678/14 -.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO und § 33 Abs. 9 RVG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.
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