Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 236/13
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfah-rens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung erster Instanz für beide Rechtszüge jeweils auf 11.335,42 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.
41. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen.
5Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Es genügt hingegen nicht, wenn er pauschal die Unrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts behauptet oder wenn er lediglich sein Vorbringen erster Instanz wiederholt, ohne im Einzelnen auf die Gründe des angefochtenen Urteils einzugehen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.
6Das Verwaltungsgericht hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 2. August 2006, mit dem der Kläger zu einem Nutzungsentgelt in Höhe von 11.335,42 Euro herangezogen wurde, gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der in dem Bescheid zutreffend berechnete Anspruch sei nicht verwirkt. Hierfür müssten sowohl Zeitmoment als auch Umstandsmoment gegeben sein. Das Umstandsmoment sei insbesondere erfüllt, wenn der Anspruchsgegner infolge eines bestimmten Verhaltens des Anspruchsinhabers darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage) und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauenstatbestand). Dies gelte auch bezüglich vermögensrechtlicher Ansprüche im öffentlichen Recht. Dem Kläger habe aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit und seiner Erfahrung bewusst sein müssen, dass der Bereich „Nutzungsentgelte“ noch nicht abschließend bearbeitet gewesen sei. Die geforderte Summe sei auch nicht teilweise durch die von ihm erklärte Aufrechnung mit behaupteten Ansprüchen aus der Verwendung von Drittmitteln in Höhe von 7.515,34 Euro, die der Beklagte verwaltet habe, erloschen. Die erforderliche Aufrechnungslage habe wegen eines fehlenden Gegenseitigkeitsverhältnisses nicht bestanden. Der Anspruch des Beklagten auf Nutzungsentgelt und die behaupteten Ansprüche des Klägers andererseits seien keine gleichartigen Forderungen, die auch fällig und erfüllbar gewesen seien.
7a) Das Zulassungsvorbringen stellt die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Verwirkung sei nicht eingetreten, nicht durchgreifend in Frage.
8Anzumerken ist zunächst, dass der Anspruch des beklagten Universitätsklinikums auf Zahlung eines Nutzungsentgelts in Höhe von 11.335,42 Euro unstreitig entstanden ist und auch noch nicht verjährt war. Verjährung konnte frühestens mit Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren eintreten, § 195 BGB. Die Frist begann mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war und das beklagte Universitätsklinikum von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Das war das Jahr 2006. Zwar ging es nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers allein um die Nebentätigkeit bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2005. Die hierzu erforderlichen Angaben machte der Kläger dem Beklagten gegenüber aber erst in seiner Deklaration vom 19. Juli 2006. Die Frist begann daher mit Jahresschluss 2006 zu laufen; Verjährung wäre frühestens mit Ende des Jahres 2009 eingetreten. Auch der Kläger beruft sich angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides noch vor Ablauf des Jahres 2009 nicht auf Verjährung.
9In Bezug auf die von dem Kläger geltend gemachte Verwirkung geht das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sodann zutreffend davon aus, dass auch bei vermögensrechtlichen Ansprüchen im öffentlichen Recht das für die Verwirkung neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment erfüllt ist, wenn der Schuldner infolge eines bestimmten Verhaltens des Gläubigers darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauenstatbestand).
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 C 4.11 -, BVerwGE 143, 335 = juris, Rn. 86.
11Der Annahme des Verwaltungsgerichts, daran fehle es vorliegend, setzt das Zulassungsvorbringen nichts Durchgreifendes entgegen. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass eine Pflicht zur unverzüglichen Festsetzung des Nutzungsentgelts nach der Hochschulnebentätigkeitsverordnung (HNtV) vom 11. Dezember 1981 bestanden habe (§ 18 Abs. 2 HNtV) und dass das beklagte Universitätsklinikum dieser Pflicht bis dahin immer nachgekommen sei, genügt dies nicht für die Annahme besonderer Umstände, unter denen der Kläger annehmen durfte, er müsse für den streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum (1. Halbjahr 2006) kein Nutzungsentgelt entrichten. Bei dem beschriebenen Verhalten des Universitätsklinikums handelt es sich um ein bloßes Unterlassen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich aus der bloßen Untätigkeit einer Behörde keine Verwirkung eines Anspruchs ergeben kann, hierzu vielmehr ein konkretes Verhalten des Gläubigers erforderlich ist, aus dem geschlossen werden kann, dass er von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen wird.
12Vgl. BayVGH, Beschluss vom 28. Juli 2014 - 12 ZB 13.1886 -, juris, Rn.15 m.w.N.
13Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein konkretes Verhalten des beklagten Universitätsklinikums, das den Schluss darauf zuließe, es werde das Nutzungsentgelt nicht mehr erheben, nicht erkennbar. Das Unterlassen der Erhebung über mehr als drei Jahre hinweg konnte verschiedene Gründe haben - unter anderem ein schlichtes Versehen des zuständigen Sachbearbeiters oder ein Fehler bei der Zuleitung des Bescheides an den Kläger - und ließ daher keinen Rückschluss darauf zu, das Universitätsklinikum wolle auf die Geltendmachung der Forderung verzichten. Gegen einen solchen Verzicht spricht im Übrigen auch der Umstand, dass sich die Beteiligten in Verhandlungen wegen verschiedener wechselseitiger Forderungen befanden. Angesichts des Schwebens solcher Verhandlungen, die bis heute - wie schon die vom Kläger hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung zeigt - nicht zu einem Abschluss gekommen sind, hatte der Kläger keine Veranlassung zu der Annahme, das beklagte Universitätsklinikum werde von sich aus stillschweigend eine der im Streit stehenden Forderungen fallen lassen und damit seine Verhandlungsposition ohne erkennbaren Grund schwächen. Abgesehen davon ist auch die Wertung des Zulassungsvorbringens, dem Kläger entstehe durch die verspätete Geltendmachung der Forderung ein unzumutbarer Nachteil, ohne weitere Darlegungen nicht nachvollziehbar.
14b) Auch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, es habe keine Aufrechnungslage vorgelegen, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht entkräftet. Wie von dem Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, fehlte es an dem erforderlichen Gegenseitigkeitsverhältnis (§ 387 BGB): Der Kläger ist nicht Gläubiger der von ihm geltend gemachten Ansprüche, mit denen er aufrechnen will, so dass dahinstehen kann, ob die Ansprüche bestehen. Insoweit hat sich das Verwaltungsgericht erkennbar auf die im Tatbestand des Urteils ausführlich wiedergegebenen Darlegungen des Beklagten beziehen wollen. Dort heißt es abschließend:
15„Da die Überschüsse aus diesen Projekten, die nach deren Abschluss festgestellt worden seien, zu keinem Zeitpunkt dem Kläger persönlich zugestanden hätten, habe der Kläger auch keinen Anspruch darauf, dass ihm diese Mittel ausgezahlt würden. Seine diesbezügliche Aufrechnung gehe deshalb ins Leere.“
16Das Zulassungsvorbringen legt nicht dar, dass die Überschüsse aus den Drittmitteln, um die es hier geht, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts dem Kläger zugestanden hätten. Die insoweit vorgenommene Verweisung auf die erstinstanzlichen Schriftsätze reicht nicht aus, da das Oberverwaltungsgericht mit ihr nicht, wie es erforderlich wäre, in die Lage versetzt wird, allein anhand der Zulassungsbegründung festzustellen, ob die geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen.
17Davon abgesehen hat der Kläger im Schriftsatz vom 2. März 2012 vortragen lassen, dass Restbeträge, die im Rahmen des jeweiligen Projekts nicht benötigt werden, nach den dazu getroffenen Vereinbarungen an die Berufsgenossenschaft bzw. an den Drittmittelgeber zurückzuführen seien. Nach seinem eigenen Vortrag stehen die Mittel ihm also nicht selbst zu. Soweit er auf Gegenforderungen aus der persönlichen Finanzierung von Personalkosten verweist, handelt es sich um andere Forderungen als diejenige, mit der er die Aufrechnung erklärt hat. Gleiches gilt für die im Schriftsatz vom 10. August 2012 geschilderten Geldflüsse. Wie diese dazu geführt haben sollen, dass der Kläger Inhaber gerade des auf den Drittmittelkonten verbliebenen Restguthabens in Höhe von 7.515,34 Euro geworden sein könnte, ist nicht nachvollziehbar.
182. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Dies ist zu verneinen, wenn - wie hier - im Hinblick auf die insoweit vorgetragenen Gründe ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung verneint worden sind. Der von dem Zulassungsvorbringen angesprochene Umstand, dass das Verwaltungsgericht redaktionelle Fehler in dem Urteil hat berichtigen müssen, ändert hieran nichts.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf den §§ 40, 45, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung. Entgegen dem Verwaltungsgericht war der Wert der von dem Kläger hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung nicht zu addieren. Offen bleiben kann, ob insoweit Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 3 des § 45 GKG einschlägig ist, da eine Streitwerterhöhung jeweils nur dann stattfindet, wenn eine Entscheidung über den Anspruch ergeht. Dies ist bei der Forderung, mit der der Kläger hilfsweise aufgerechnet hat, nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, ob diese Forderung besteht, sondern bereits die Voraussetzungen einer Aufrechnungslage verneint. In einem solchen Fall fehlt es an einer Entscheidung, die zur Zusammenrechnung der Streitwerte führt.
21Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. Januar 2007 - 19 U 48/06 -; BayLSG, Beschluss vom 16. April 2009 - L 5 B 1091/07 KR -, juris, Rn. 11 f.
22Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 18 Abs. 2 HNtV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 124 2x
- §§ 40, 45, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG 6x (nicht zugeordnet)
- BGB § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist 1x
- § 45 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 387 Voraussetzungen 1x
- 5 B 1091/07 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 1x
- 19 U 48/06 1x (nicht zugeordnet)